Sonntag, 23. Oktober 2022

Wem gehört das Kapital einer Genossenschaft und wie hoch sollten die Rücklagen sein? - kontroverse Ansichten näher beleuchtet

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Der Wirtschaftswissenschaftlicher Dieter Schneider erwähnt in einem Aufsatz zur Theoriegeschichte der Betriebswirtschaftslehre [1] beiläufig den Schweizer Wirtschaftswissenschaftlicher Johann Friedrich Schär: In einem Kapitel über die Breiten- und Tiefenwirkung Schmalenbachs zitiert Schneider eine Würdigung Schmalenbachs durch Nicklisch [2] und schreibt: "In der Würdigung von Nicklisch läßt sich zumindest der Vergleich mit Schär nicht halten." (Seite 819). Das liest sich, als hielte Schneider viel von Schär. Da der Artikel von Schneider mich beeindruckte mit seiner Fülle an Kenntnissen, war meine Neugier auf Schär geweckt, selbst wenn ich zentralen Aussagen von Schneiders "Betriebswirtschaftslehre" [3] grundlegend widersprochen habe [4]. Interessant war für mich zu entdecken, dass sich Schär in seinem Grundlagenwerk zur Betriebswirtschaftslehre (damals noch Handelsbetriebslehre genannt) auch mit Genossenschaften beschäftigt hat [5].

Ich will hier dieses Buch beginnen auszuwerten dahingehend, ob sich Änderungen zu meinem bisherigen Wissens- und Aussagenstand zur genossenschaftlichen Betriebswirtschaftslehre ergeben. Dies ist auch deshalb angebracht, weil Schär in den mir bisher vorliegenden grundlegenden Arbeiten von Henzler [6], Lipfert [7] , Dülfer [8] (Betriebswirte), Beuthien/Klappstein [9] und Picker [10] (Juristen) keine Erwähnung fand. Dies gilt umso mehr, als Schär seine Handelsbetriebslehre als Monographie bezeichnet, sie also - wenn der Anspruch erfüllt wird -  Sekundärliteratur ist und fachwissenschaftlich nicht ignoriert werden sollte. 

1. Wem gehört das Kapital einer Genossenschaft und wie hoch sollten die Rücklagen sein? - kontroverse Ansichten näher beleuchtet

Über "Charakteristika der sozialen Gemeinschaft" schreibt Schär in seiner "Allgemeinen Handelsbetriebslehre": "Grundverschieden von dieser kapitalistischen Konzentration [er meint Aktiengesellschaften] ist die zweite Gruppe, die wir als soziale Koalition bezeichnen, weil hier nicht die auf Erwerb gerichteten, sondern die konsumtiven Wirtschaftskräfte der einzelnen Glieder zusammengeschlossen werden, und diese Einzelglieder nicht in ihrer Eigenschaft als Unternehmer, sondern als Konsumenten der Gemeinschaft beitreten. Auch das Kapital spielt hier eine ganz andere Rolle als dort. Einmal, weil diese wirtschaftliche Kraft nur in zweiter Linie in Betracht fällt, sodann, weil das von den Genossenschaften angesammelte Kapital im Gegensatz zur kapitalistischen Konzentration den Charakter als Privatkapital vollständig verliert, ist es doch nur zum kleinsten Teile von den Mitgliedern direkt aufgebracht, sondern in der Hauptsache von der Wirtschaftsgemeinde nach und nach erspart und als unteilbares, der Gesamtheit gehörendes Genossenschaftskapitals derart tätig, daß sein Ertrag allen Teilnehmern in gleichem Maße zugute kommt; da endlich die Betriebsüberschüsse dieser Konsumgenossenschaften keineswegs durch den Handel erzeugten Gewinn darstellen, sondern vielmehr eine Ersparnis, so wird dieser Betriebsüberschuß nicht nach den kapitalistischen Prinzipien verteilt, sondern jedem Mitglied nach Maßgabe seiner Benutzung der Genossenschaftsanstalten zugeteilt." (Seite 301 ff.)

Es ist richtig, dass Menschen Beschaffungsgenossenschaften, zu denen Verbrauchergenossenschaften, Wohnungsgenossenschaften, Energiegenossenschaften zählen, aus konsumtiven Gründen beitreten. Sie werden aber mit dem Beitritt zu Mitunternehmern, denn die  Genossenschaft ist eine wirtschaftliche Unternehmung. Über die genossenschaftlichen Prinzipien der Selbstverwaltung und Selbstorganisation liegt die unternehmerische Verantwortung bei den Mitgliedern. Nur die Führung des operativen Geschäftes kann sie an die Geschäftsführung delegieren und weitere Aufgaben der strategischen Führung und der Kontrolle an den Aufsichtsrat. Da dieser jedoch von den Mitgliedern gewählt wird, ist es ihre Aufgabe, diese so zu besetzen, dass die Unternehmensziele und der Unternehmenszweck, die Förderung der Wirtschaft der Mitglieder dauerhaft bestmöglich erfüllt wird (siehe am Beispiel von Wohnungsgenossenschaften [11] und [12]). Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat und die Beschlüsse über die Feststellung und Verwendung des Gewinnes nur von den Mitgliedern in der Generalversammlung bzw. bei großen Genossenschaften von deren Vertretern in der Vertreterversammlung gefasst werden können. Es wird zumindest mir nicht ganz klar, was genau Schär in Bezug auf die Kapitalanhäufung in der Genossenschaft meint. Auf der einen Seite schreibt er, dass der Betriebsüberschuß an die Mitglieder nach Maßgabe deren Benutzung der Genossenschaftsanstalten zugeteilt werden soll, dann schreibt er im gleichen Satz, daß es in der Hauptsache von der Wirtschaftsgemeinde nach und nach erspart worden sei und nun unteilbar der Gesamtheit gehören würde als Genossenschaftskapital. Das geht in der Praxis nur über Einstellung von zumindest Teilen des Jahresgewinns in die Rücklagen, also in der Vermehrung des bilanziellen Eigenkapitals der Genossenschaft. 

Die Frage der Unteilbarkeit von Genossenschaftsvermögen war in der Genossenschaftswissenschaft stittig und ist es möglicherweise heute noch. Beuthien/Klappstein [9] kommen 2017 zu folgendem Ergebnis: Ihre Schrift gehe in rechtshistorischer, rechtsvergleichender und eigens genossenschaftsrechtlicher Betrachtung der Frage nach, ob die genossenschaftlichen Rücklagen einen unteilbaren Fonds darstellen und daher nichts davon an die Mitglieder ausgekehrt werden dürfe. Sie zeige auf, dass "die angebliche Unverteilbarkeit der genossenschaftlichen Rücklagen lediglich ein genossenschaftsideologisches, aber gesellschaftsrechtlich unverbindliches Postulat darstellt, das es, immer wo dies not tut, im Interesse der stets bestmöglich zu fördernden Mitglieder zu überwinden gilt."

Was man Schär zu Gute halten kann, ist, dass es tatsächlich Sachverhalte gibt, bei denen es für die Mitgliederförderung langfristig vorteilhaft ist, relativ viel Kapital im Unternehmen aufzubauen. Schärs Erfahrungsschwerpunkt und auch sein Publikationsschwerpunkt bei Genossenschaften liegt auf Konsumgenossenschaften (Lebensmitteleinzelhandel) (siehe [12]) . Hier sind durch hohe Mitgliederzahlen und große Stückzahlen im Einkauf bessere Preise zu erzielen. Es muss also eine gewisse kritische Masse erreicht werden. (Laut Wikipedia ist Schär der Erfinder des break-even-points) Ähnliches gilt wahrscheinlich für Kreditgenossenschaften. Bei Wohnungs- und Energiegenossenschaften gibt es zwar auch economies of scale, aber hier gilt nicht grenzenlos je größer umso kostengünstiger und eine landesweite und sogar naheliegende internationale Expansion als sinnvoll, sondern ab einer gewissen Größe stagnieren die Kostenvorteile über Größenwachstum und es nehmen eher die Gefahren zu, dass der Bezug zu den Mitgliedern und zu den lokalen Verhältnissen verloren geht (siehe zum Beispiel [11] dort insbesondere Boettcher) und diese weniger als möglich gefördert werden. Schär ist wohl der Fehler unterlaufen eine Aussage über eine größere Gruppe von Genossenschaften zu treffen, wo er doch nur Konsumgenossenschaften im Sinne von Einkaufsgemeinschaften für Dinge des täglichen Bedarfs meinte.

Auch Picker [10] sieht den Rücklagenaufbau in Genossenschaften kritisch mit Blick auf die Mitgliederförderung. Er kommt in seiner Habiliation von 2018 "Genossenschaftsidee und Governance" an vielen Stellen zu eindeutigen Ergebnissen. Einige Zitatbeispiele machen dies deutlich.: "Großgenossenschaften sind damit die zentrale Herausforderung für eine gute Corporate Governance. Diese muss die förderwirtschaftliche Mitgliederwidmung der genossenschaftlichen Unternehmung institutionell absichern und damit gewährleisten, dass das rechtsformimmanente Spannungsverhältnis zwischen dem Eigeninteresse der genossenschaftlichen Unternehmung und den Förderinteressen der Mitglieder zugunsten letzterer aufgelöst wird. Nichtmitgliedergeschäft, Unternehmenswachstum und Rücklagenbildung müssen der nutzerbezogenen Mitgliederförderung funktional zu- und untergeordnet sein." (Seite 506), "Entsprechend tritt in Großgenossenschaften der genossenschaftsspezifische Prinzipal-Agent-Konflikt besonders deutlich hervor: Die Mitglieder verhalten sich meist geschäftspoltisch passiv, während der Vorstand über weitgehende Leitungsautonomie verfügt und rechtsformspezifisch dazu neigt, primär den Markterfolg des genossenschaftlichen Unternehmens zu verfolgen, ohne diesen in einen weiteren Fördererfolg für die Mitglieder zu transformieren. Das genossenschaftliche Unternehmen wird durch den Ausbau des Nichtmitgliedergeschäftes unabhängiger von den Mitgliedern als Kunden. Und es wird durch verstärkte Rücklagenbildung unabhängiger von dieses als Kapitaleinleger. Daher besteht die Gefahr, dass Rücklagenbildung, Nichtmitgliedergeschäft und Unternehmenswachstum nicht mehr dazu dienen, das Leistungs- und damit das Förderpotenzial des Unternehmens im Mitgliederinteresse zu erhalten bzw. zu stärken, sondern zweckwidrigen Eigeninteressen des genossenschaftlichen Managements zu dienen, welches so Macht, Einkommen und Prestige zu steigern sucht." (Seite 506), "Heute führt verstärkte Rücklagenbildgung dagegen typischerweise zu einem Konflikt zwischen genossenschaftlichem Unternehmen(sinteresse) und Mitgliederinteresse. Denn viele Großgenossenschaften haben sich mit ihrem Fremdmanagement von ihren Mitgliedern und deren Förderinteressen emanzipiert; Rücklagen bilden hier eine Art stiftungsähnlich verwaltetes Sondervermögen der eG, eine Art Kapital des 'Unternehmens an sich', über welches der Vorstand weisungsfrei verfügen kann und das dem Zugriff der Mitglieder bis zur Auseinandersetzung entzogen ist (§73 Abs. 2 GenG.). Je höher die Rücklagen der Genossenschaft sind, desto unabhängiger ist sie von ihren Mitgliedern und deren Beteiligungskapital." (Seite 325 dort umfangreiche Literaturbelege), "So föderzweckgerecht es ist, auf die 'lebensnotwendigen Eigeninteressen der Genossenschaft als Unternehmnung', also auf die Produktivität des genossenschaftlichen Unterrnehmens als conditio sine qua non für den Fördererfolg zu achten, so förderzweckwidrig ist es, wenn sich dieses als 'Unternehmen an sich' von den Mitgliedern und deren Förderinteressen verselbständigt und von mitgliederfremden und -fernen Kräften determiniert wird." (Seite 287 mit zahlreichen Literaturbelegen).

Die Ausführungen von Picket sind mit in der Praxis ebenfalls begegnet. Mir ist eine Wohnungsgenossenschaft mit über 10.000 Mitgliedern bekannt mit einer für ein wohnungswirtschaftliches Unternehmen völlig untypischen und finanzwirtschaftlich unnötigen Eigenkapitalquote von über 70 Prozent. Das größte deutsche Wohnungsunternehmen, die Vonovia SE hat, zur Zeit, 2021, eine Eigenkapitalquote von 37% [14], die LEG mit 145000 Wohnungen hat 43,5% [15]. Bei einem Neubauvorhaben zogen bei der Erstvermietung weniger als 20% eigene Mitglieder ein und dennoch gestand der Vorstand weder Fehler bei der Einschätzung des Mitgliederbedarfs ein, noch signalisierte er, dass er das künftig besser machen wolle, noch äußerte sich der Aufsichtsrat gegenüber den Mitgliedern auf der Jahresversammlung kritisch zu dieser Fehlallokation von Finanzressourcen der Genossenschaft. 

Sowohl Beuthien/Klappstein als auch Picker machen ihre Aussagen aus der Sicht der Rechtswissenschaft, welche in betriebswirtschaflichen Fragen den Charakter einer Hilfswissenschaft hat und der Betriebswirtschaft nachgeordnet ist (siehe hierzu Gerhard Weisser [16]. Allerdings sollte die Betriebswirtschaft zu vermeiden suchen, dass es zu Widersprüchen mit der Rechtswissenschaft kommt. Ansonsten würde sie diese ja ignorieren. 

Bleibt damit etwas an der Aussage Schärs als Wirtschaftswissenschaftler valide? 

Zum einen ist seine Aussage interessant, dass er das Kapital als erspart ansieht. Da in einer Genossenschaft die Zahlungsflüsse in die Genossenschaft seitens der Mitglieder ja über den Kauf von Produkten und Dienstleistungen kommen, kann er das nur so meinen, dass er den Betriebsgewinn und den Verbleib im Unternehmen statt als Gewinn und Rücklage als gemeinsame Ersparnis auffasst. Die Ersparnis sollte aber bei den Mitgliedern erfolgen über möglichst niedrige Preise (so auch sinngemäß Weisser in [17]. Ein von Schär so verstandener Betriebsgewinn kann also nur eine vorläufige Ersparnis bedeuten, die dann eben über das Instrument der genossenschaftlichen Rückvergütung an die Mitglieder im Verhältnis ihrer Nutzung der Genossenschaft auszukehren ist. (zur genossenschaftlichen Rückvergütung am Beispiel von Wohnungsgenossenschaften siehe [18] ). So ähnlich schreibt das ja auch Schär selbst. Die Aussage bezüglich der Ersparnis findet sich auch bei Geschwandtner [19]:"Die auf diese besondere (Wirtschafts-)Weise entstandenen Überschüsse aus  Mitgliederförderzweckgeschäften sind aber nicht als Gewinne im kapitalistischen Sinne, sondern als Ersparnisse anzusehen. Folglich stehen die Überschüsse aus unternehmensgegenstandsbezogenen Mitgliederförderzweckgeschäften - soweit diese nicht zwingend als Rücklagen oder Investitionen für den Erhalt der Förderfähigkeit im Unternehmen benötigt werden - den Mitgliedern unmittelbar zu und sind an diese auszukehren; letztlich sind sie auch zu deren Lasten erwirtschaftet worden." und "Ein Genossenschaftsvorstand steht ausschließlich im Dienste seiner Mitglieder und ihrer jeweilig definierten Förderbelange. Allein ihnen gilt es bestmöglich gerecht zu werden. Unternehmensziel einer Genossenschaft ist nicht die Maximierung eigenen Gewinns aus Förderzweckgeschäften mit beliebigen Dritten, sondern den allgemeinen Marktpreis für ihre Mitglieder im inneren Markt zu unter- oder zu überbieten."

Interessant ist in diesem Zusammenhang die allgemeine betriebswirtschaftliche Unterscheidung von Ehrenberg zwischen dem "Selbstinteresse des Kapitalgebers und dem Geschäftsinteresse (dem 'Bedürfnis nach Erhaltung und Entwicklung des Unternehmens') [20] Im Falle von Genossenschaften als Mitunternehmer gibt es hier das Selbstinteresse als Nutzer die bestmöglichsten Preise zu bekommen, sein untergeordnetes Interesse an einer gewissen Dividende und das Interesse am Erhalt des Unternehmens. Für Wohnungsgenossenschaften bin ich hier zu folgendem Leitsatz gelangt [21]: "Die Nutzungsentgelte in Wohnungsgenossenschaften sollten so hoch wie nötig und so niedrig wie möglich sein." Bei Rücklagen wäre ich hier tatsächlich etwas vorsichtiger und würde dieses nicht 1:1 so formulieren sondern feststellen, dass die Geschäftsführung durch eine mittelfristige mehrjährige Liquiditätsplanung mit Blick auf die Mitgliederförderung belegen müsste, falls sie mehr Rücklagen aufbauen will, als dies branchenüblich ist, zum Beispiel wenn sie trotz einer Eigenkapitalquote von 50% (oder mehr) mehr als die gesetzliche Rücklage aus dem Jahresgewinn als sonstige Rücklage in das bilanzielle Eigenkapital überführen will bzw. dies den Mitgliedern zur Abstimmung vorschlagen will. Sie ist hier in der Darlegungspflicht. Ein Aufsichsrat sollte eine entsprechende Entscheidungsvorlage in Bezug auf einen Wirtschaftsplan nicht seine Zustimmung erteilen, falls diese Planung fehlt. Und auch die Gerneralversammlung sollte diese einsehen können.

[1] Schneider, Dieter," Schmalenbach und der gesellschaftspolitische Bezug in der Betriebswirtschaftslehre", "Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung", 1979, Band 31, Seite 799-827 , hier Seite 819

[2] Nicklisch, Heinrich, "Eugen Schmalenbach 60 Jahre alt", in: Die Betriebswirtschaft", 1933, Seite 243

[3] Schneider, Dieter, "Grundlagen" in Betriebswirtschaftslehre Band 1, München, 1995

[4] Giebel, Frank, "Einzelkritik: Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Grundlagen  2. Auflage 1995", Blog "liberal und kooperativ", 2022

[5] Schär, Johann Friedrich, "Allgemeine Handelbetriebslehre", 5. erw. Auflage, Leipzig, 1923

[6] Henzler, Reinhold, "Betriebswirtschaftliche Probleme des Genossenschaftswesens" Wiesbaden, 1962

[7] Lipfert, Helmut "Mitgliderförderndes Kooperations- und Konkurrenzmanagement in genossenschaftlichen Systemen" Göttingen, 1986

[8] Dülfer, Eberhard "Betriebswirtschaftslehre der Genossenschaften und vergleichbarer Kooperative", 2. Auflage,  Göttingen, 1995

[9] Beuthien, Volker,  Klappstein, Vera, "Sind genossenschaftliche Rücklagen ein unteilbarer Fonds?" Tübingen, 2018

[10] Picker, Christian, "Genossenschaftsidee und Governance", München, 2019

[11] Giebel, Frank, "weitere Fachaussagen zur Abgrenzung von Wohnungsgenossenschaften zu am Gemeinwesen orientierten Unternehmen und von Erwerbsunternehmen", Blog "liberal und kooperativ", 2022

[12] Giebel Frank, "Kostenmiete oder Wohnwertmiete in Wohnungsgenossenschaften, was sagt die
genossenschaftliche Betriebswirtschaftslehre?" Veröffentlich als pdf link auf Blog "liberal und kooperativ", 2021

[13] Schär, Johann Friedrich, "Genossenschaftliche Reden und Schriften", Basel, 2020

[14] https://www.comdirect.de/inf/aktien/detail/uebersicht.html?SEARCH_REDIRECT=true&REDIRECT_TYPE=WHITELISTED&REFERER=search.general&ID_NOTATION=82908905&SEARCH_VALUE=VONOVIA

[15] https://www.comdirect.de/inf/aktien/detail/uebersicht.html?ID_INSTRUMENT=58320949&SEARCH_REDIRECT=true&REDIRECT_TYPE=SYMBOL&REFERER=search.general&SEARCH_VALUE=LEG&ID_NOTATION=75985458

[16] "Soweit theoretische Grundlegungen erforderlich sind, betreffen sie die wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Grundlagen und nicht die (logisch nachgeordneten) rechtswissenschaftliche Frage, in welcher Weise die zu erörternden Ordnungsgedanken in Rechtsvorschriften verwirklicht werden sollen. In der überaus wichtigen Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftswissenschaftlern (ggf. Soziologen) und Rechtswissenschaftlern hat regelmäßig aus logischen Gründen zunächst der Sozialwissenschaftler und erst dann der Jurist das Wort.", Weisser, Gerhard, "Genossenschaft und Gemeinschaft - Bemerkungen zum 'Kulturellen Optimum' der Genossenschaftsgröße", "Gemeinnütziges Wohnungswesen - Organ des Gesamtverbandes Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen", Dezember 1954, Heft 12, Seite 565-572

[17] "Je niedriger auf Dauer der Preis ist, um so erfolgreicher haben sie gewirtschaftet." Weisser, Gerhard, "Genossenschaft und Gemeinschaft - Bemerkungen zum 'Kulturellen Optimum'
der Genossenschaftsgröße", Gemeinnütziges Wohnungswesen, Organ des Gesamtverbandes
Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen, Dezember 1954, Heft 12, Seite 565-572

[18] Hillebrand, Klaus-Peter, "Die genossenschaftliche Rückvergütung als anreizkompatibles Steuerungsinstrumentarium bei Wohnungsgenossenschaften : eine rechtliche und ökonomische Analyse", Berlin, 2008

[19] Geschwandtner, Marcus, "Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft: warum früher, warum
heute?", Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, 2009, S. 152-163

[20] Ehrenberg, Richard, "Selbstinteresse und Geschäftsinteresse" in "Thünen-Archiv", 1. Band, 1906, Seite 279-319 hier Seite 293; zitiert nach [1] Fussnote 34 auf Seite 810

[21] Giebel, Frank, "Wohnraum ökologisch besser nutzen in Wohnungsgenossenschaften und anderen
Wohnungsunternehmen", Blog "liberal und kooperativ", 2020

Samstag, 22. Oktober 2022

ergänzende Hinweise zum Betriebsbegriff in der Betriebswirtschaftslehre

In einem Artikel [1] schreibe ich zu einem Buchkapitel zur Betriebswirtschaftslehre von Marcell Schweitzer und Marcus Schweitzer [2]: "Die Autoren machen die erstaunliche Aussage, dass sich jedes Wirtschaften in Betrieben vollziehe (S.4). Sie konkretisieren, dass sie auch Museen, Kirchen und Haushalte zu den Betrieben zählen (S.6).

Ich plädiere in meinem Artikel den Betriebsbegriff der Betriebswirtschaftslehre auf Unternehmen zu beschränken, "die ein wirtschaftliches Gut (materiell oder in Form einer Dienstleistung) erstellen und abgeben". Dies möchte ich heute um zwei Hinweise ergänzen von Seiten der Wirtschaftslehre des privaten Haushaltes nach Rosemarie.von Schweitzer [3] und der Theorie sozialer Systeme nach Niklas Luhmann  [4], [5].

R.v. Schweitzer bezieht sich auf Luhmann und dessen Betonung, dass soziale Systeme sich insbesondere über Kommunikationsakte manifestieren, wenn sie schreibt:"Luhmann sieht das soziale System 'Gesellschaft' mittels des Prinzips der Kommunikation von der Umwelt abgegrenzt und zugleich durch Kommunikation mit jeweils eigenständigen Codes der Teilsysteme mit diesen verknüpft.[5]...Jedes Teilsystem hat seine spezifischen Kommunikationscodes, um Identität zu sichern bzw. um seine spezifischen sozialen Funktionen wahrnehmen zu können. Private Haushalte sind eben keine Betriebe; die Kommunikationscodes sind prinzipiell voneinander zu unterscheiden, auch wenn in Haushalten betriebswirtschaftliche Entscheidungen fallen können und Betriebe haushälterisch zu handeln vermögen. Das Spezifische der gesellschaftlichen Funktionen ist zwischen dem sozialen System 'Betrieb' und dem sozialen System 'Privathaushalt' durch den Kommunikationscode im gesellschaftlichen Gesamtsystem deutlich zu machen, solange nicht beide Systeme als Einzelwirtschaften einen übergeordneten Kommunikationscode entwickeln, der aber etwas anderes sein müßte als die Summe der Betriebs- und Haushaltscodes." (Seite 139/140)

R.v.Schweitzer gibt ein Schaubild von Luhmann wieder über die Einteilung der Systeme. (Seite 139, zitierend[4] dort Seite 16). Danach unterteilt Luhmann die Untergruppe der sozialen Systeme in Interaktionen, Organisationen und Gesellschaften. Die Organisationen unterteilt Luhmann wiederum in Vereine, Privathaushalte und Betriebe. R.v. Schweitzer befürwortet den alternativen Systematisierungsvorschlag von Tyrell [6], wonach oberhalb der Ebene Organisationen, also bei den sozialen Systemen, zusätzlich die 'Gruppe' eingeführt wird. Diese sei dadurch gekennzeichnet ist, dass es nur wenige Mitglieder gibt und dass sie sich persönlich bekannt sind. Eine Unterform von Gruppe sind dann die privaten Haushalte. Dabei sieht v. Schweitzer auch Ein-Personen-Haushalte als Gruppe, quasi als Ein-Element-Menge und schreibt dazu:"Entscheidend für den Sozialsytemtypus 'Gruppe' ist die weit stärkere persönliche Bindung der Gruppenmitglieder an das soziale System, als es für Organisationen gilt. So soll als Prototypus des familialen oder privaten Hauhaltssystems der familiale Haushalt gelten. Der Ein-Personen-Haushalt versorgt nur eine Person, interagiert aber über seinen Haushalt mit seiner Umwelt genauso wie ein Familienhaushaltssystem. Die Kommunikationscodes im gesellschaftlichen Gesamtsystem sind zwischen Ein-Personen- und Mehr-Personen-Haushalten nur graduell, aber nicht prinzipiell unterschieden." (Seite 141)

Vielleicht kann man auch sagen, dass die von R.v. Schweitzer genannte Versorgungsfunktion eine Art nach innen, also auf die Haushaltsmitglieder, gerichtete Produktivität ist, während in Betrieben als Wirtschaftsunternehmen diese nach außen gerichtet ist.

R.v.Schweitzer schreibt weiter zur Abgrenzung von Haushalten und Betrieben: "Familiale oder private Haushaltssysteme sind somit von ihrer Umwelt dadurch als solche zu erkennen, daß nur in ihnen jene ersten unmittelbaren konsumtiven und letzten 'produktiven' Handlungen ablaufen, die nicht zur formellen Wirtschaft zählen und die wir 'haushälterische Handlungen' nennen. Sie erstellen, sichern, und geben Versorgungs-, Pflege-, und Erziehungsleistungen unmittelbar, dauerhaft, relativ zuverlässig und mit persönlicher Zuwendung verknüpft, exklusiv für die Familen- und Haushaltsmitglieder ab. Der Unterschied zu Unternehmen als soziale Systeme oder Großhalten als bedarfsorientierte soziale Systeme ist stets der, daß in den privaten oder familialen Haushalten , diejenigen, welche die Leistungen nachfragen - die Nutzer also - auch die Träger des Systems und die Leistungsersteller sind." (Seite 141) 

Dies ist interessant auch in Bezug auf Beschaffungsgenossenschaften mit Privatpersonen als Mitglieder, wozu Konsumgenossenschaften, Wohnungsgenossenschaften und Energiegenossenschaften zählen. Deren Zweck ist ja gerade die Leistungserstellung für die eigenen Mitglieder und der bestmöglichen Förderung deren Haushaltswirtschaften. Diese sind also vom Systemtypus gesehen sicher Organisationen und konkret Betriebe, obwohl sie das von R.v.Schweitzer beschriebe Element der  Ausrichtung ihrer Produktivfunktion auf die eigenen Mitglieder ebenfalls verkörpern, jedesfalls von ihrer Grundidee, ihrer "Veranlagung" bzw. ihrem Potential her. Beschaffungsgenossenschaften mit Privatpersonen als Mitglieder  (BGPs) sind damit eine Form von Wirtschaftsunternehmen, bei denen Haushaltsaspekte in ihrer Zielfunktion eine zentrale Rolle spielen. Gerade deshalb können sie auch gesamtgesellschaftlich wahrscheinlich sehr viel für eine nachhaltigere Wirtschaft beitragen,  als Teilsysteme des Gesamthaushaltes Erde/Terra, wenn sie das, was in ihnen angelegt ist, voll zur Entfaltung bringen. Denn ganz weit geschaut kann man das Gesamtsystem Erde/Terra als ein Haushaltssystem auffassen, das die nachhaltige und dauerhafte Versorgung aller aktuellen und künftigen Mitglieder mit deren Lebenserwartungen im Blick haben muss und will und entsprechend verantwortlich sich dieser Aufgabe stellen  und passende Antworten dafür finden muss. 

Zurückkommend auf R.v. Schweitzers obige Aussage ist festzustellen, dass auch in BGPs die Mitglieder die Träger und die Nutzer des Systems sind. Selbst das Prinzip der Selbsthilfe ist in Genossenschaften vorhanden, obwohl dieses in der Praxis gerade in sehr großen Genossenschaften oft keine oder nur noch eine sehr geringe Rolle spielt. In Bezug auf die Exklusivität (siehe oben) gilt dass auch in Genossenschaften, da ihre die Förderungen prinzipiell auf die Mitglieder auszurichten sind. (Nichtmitgliedergeschäft kann über die Genossenschaftssatzung zugelassen werden und kann zum Beispiel bei Kreditgenossenschaften auch im Sinne der zu fördernden Mitglieder sein). Exklusivität darf in Genossenschaften nur nicht soweit gehen, dass die Anzahl der Mitglieder von vorne herein auf eine bestimmte Personengruppe beschränkt wird [7]. Dies würde andernfalls den Bestand einer Genossenschaft langfristig gefährden, solange Menschen sterblich sind.

[1] Giebel Frank "Meine Auseinandersetzung mit "Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre unter Rationalitätsaspekten - Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre" von Marcell Schweitzer und Marcus Schweitzer",, Blog "liberal und kooperativ", 2020

[2] Schweitzer, Marcell, Schweitzer, Marcus, "Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre unter
Rationalitätsaspekten - Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre" in: "Allgemeine Betriebswirtschaftslehre - Theorie und Politik des Wirtschaftens in Unternehmen", herausgegeben von Alexander Baumeister, Marcell Schweitzer, Erich Schmidt Verlag, 11. Auflage, Berlin, 2015

[3] Schweizer von, Rosemarie , "Einführung in die Wirtschaftslehre des privaten Haushalts", Stuttgart, 1991, S.137 ff.

[4] Luhmann, Niklas , "Soziale Systeme: Grundriß einer allgemeinen Theorie", Frankfurt a.M., 1984 Seite 16, (zitiert nach [3])

[5] Luhmann, Niklas, "Ökologische Kommunikation", Opladen, 1988, Seiten 47 ff., (zitiert nach [3])

[6] Tyrell, H. "Familienalltag und Familienumwelt. Überlegungen aus systemtheoretischer Perspektive", In:"Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie", 2 (1982), Seite 167-188, (zitiert nach [3])

[7] zum Beispiel in Deutschland "Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Genossenschaftsgesetz - GenG) § 1 Wesen der Genossenschaft: (1) Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern (Genossenschaften), erwerben die Rechte einer "eingetragenen Genossenschaft" nach Maßgabe dieses Gesetzes." oder in der Schweiz Art. 728 des "Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht)": vom 30. März 1911 (Stand am 1. Januar 2022) "Die Genossenschaft ist eine als Körperschaft organisierte Verbindung einer nicht geschlossenen Zahl von Personen oder Handelsgesellschaften, die in der Hauptsache die Förderung oder Sicherung wirt-schaftlicher Interessen ihrer Mitglieder in gemeinsamer Selbsthilfe bezweckt oder die gemeinnützig ausgerichtet ist" oder in Österreich: "Gesamte Rechtsvorschrift für Genossenschaftsgesetz, Fassung vom 22.10.2022: I. Hauptstück. Allgemeine Bestimmungen.
Erster Abschnitt. Von der Errichtung der Genossenschaften und dem Rechtsverhältnisse ihrer Mitglieder. § 1 (1) Dieses Gesetz gilt für Personenvereinigungen mit Rechtspersönlichkeit von nicht geschlossener Mitgliederzahl, die im wesentlichen der Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder dienen (Genossenschaften), wie für Kredit-, Einkauf-, Verkaufs-, Konsum-, Verwertungs-, Nutzungs,- Bau-, Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaften.  (2) Mittel zur Förderung kann auch die Beteiligung der Genossenschaft an juristischen Personen des Unternehmens-, des Genossenschafts- und des Vereinsrechts sowie an unternehmerisch tätigen eingetragenen Personengesellschaften sein, wenn diese Beteiligung der Erfüllung des satzungsmäßigen Zweckes der Genossenschaft und nicht überwiegend der Erzielung von Erträgnissen der Einlage dient.  (3) Genossenschaften können auch die in Art. 1 Abs. 3 der Verordnung 2003/1435/EG über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE), ABl. Nr. L 207 S. 1, genannten Zwecke verfolgen."


Mittwoch, 12. Oktober 2022

Nachhaltigkeit und Flüchtlingsproblematik

In einem Interview im Deutschlandfunk heute Morgen begründet Bundesbauministerin Geywitz das Ziel von jährlich 400.000 neu gebauten Wohnungen mit der hohen Anzahl an Flüchtlingen. Das ist ökologisch der falsche Ansatz. Wohnungen verursachen beim Bau nach dem Stand der Technik sehr viel CO2 Emissionen. Und sie benötigen viele Ressourcen und tragen dazu bei, dass noch mehr Fläche der Natur entzogen wird. Normale Häuser aus Stein sind auf sehr lange Nutzungszeiten möglichst von mehreren hundert Jahren auszulegen, zumindest solange, wie die Ökobilanzen ihrer Erstellung so sind, wie sie derzeit sind.

Was kann mit Bezug auf die hohe Zahl an Flüchtlingen getan werden, die untergebracht werden müssen?

Natürlich wäre der wichtigste Ansatz aus deutscher und zentraleuropäischer Sicht der, gemeinsam die Kriegsparteien zu einer Friedenslösung zu drängen. Bis der Frieden erreicht ist, ist zu prüfen wie Behelfsunterkünfte mit möglichst geringem Aufwand an Ressourcen, Energie und CO2 Emissionen erstellt und wieder abgebaut werden können. Zum anderen sind innerhalb eines staatlichen Unterbringungsprogramms für Flüchtlinge die Möglichkeiten der Bevölkerung mit einzubinden, damit nicht genutzte Räume in vorhandenen Wohnungen Flüchtlingen für eine gewisse Zeit zur Verfügung gestellt werden. Hierzu können attraktive ökonomische Anreize gesetzt werden, damit bereits vorhandener, nicht genutzter Wohnraum zwischengenutzt wird.



Freitag, 7. Oktober 2022

weitere Fachaussagen zur Abgrenzung von Wohnungsgenossenschaften zu am Gemeinwesen orientierten Unternehmen und von Erwerbsunternehmen

Dass Wohnungsgenossenschaften sich weder wie gewinnmaximierende Unternehmen verhalten sollten, noch ihre Mitgliederförderung vernachlässigen sollten zugunsten einer Ausrichtung an der Allgemeinheit, hatte ich schon ausgeführt [1], Hier zitiere ich eine neue und eine etwas ältere fachliche Quelle, die diese Sichtweise untermauern.

Christian Pickert schreibt in seiner rechtswissenschaftlichen Habilitationsschrift "Genossenschaftsidee und Governance", 2019, vorgelegt an der Ludwig-Maximilians-Universität München [2]:

"Zunehmend ist eine Diskrepanz zwischen genossenschaftlicher Idee und Wirklichkeit, zwischen Rechtstyp und Rechtsform "Genossenschaft" zu beobachten. (er zitiert dazu drei Autoren [4], [5], [6]). Dabei drohen Genossenschaften zum einen zu Erwerbswirtschaften zu degenerieren  (er zitiert dazu drei weitere Autoren [7], [8], [9]). Hier schwindet der Einfluss der Mitglieder auf die (Förder-)Geschäftspolitik....Zum anderen besteht die Gefahr, dass die Genossenschaften zu gemeinnützigen "Wohltätigkeitsveranstaltungen" verkommen und vom Staat für die Bewältigung gesellschaftspolitischer Anliegen in Anspruch genommen werden." (er zitiert [10]). Pickert fragt: "Wem dient das genossenschaftliche Unternehmen? Wie genau hat es seinen Destinatären zu dienen?", "Wie kann sichergestellt werden, dass es ihnen rückhaltlos dient?"

Erik Boettcher kommt bereits 1984 [3] zu einer aus meiner Sicht identischen Einsicht. Er unterscheidet Genossenschaften von der Wohlfahrtsunternehmung und schreibt: "Das wesentlichste Unterscheidungskriterium ist hier, daß die Träger [von Wohlfahrtsunternehmen] oder Mitglieder [von Genossenschaften] unterschiedliche Ziele verfolgen; also die Genossenschaften das ausschließliche Ziel verfolgen, je für sich selbst wirtschaftliche Vorteile zu erzielen, die Gemeinwirtschaften dagegen das Ziel, nicht die Mitglieder sondern andere, dritte Personenkreise zu fördern.. Demgemäß stehen bei der Genossenschaft Individualinteressen im Mittelpunkt, weshalb sie der Privatwirtschaft zuzurechnen sind, bei der Gemeinwirtschaft hingegen Gemeininteressen im Mittelpunkt des Wirtschaften, wodurch sie sich eben scharf voneinander unterscheiden lassen."(Seite 99)

Pickert schreibt: "Begreift man die eG ...funktional als mitgliedernützlichen Förderwirtschaftsverein, so verliert sie dadurch nicht ihre genossenschaftliche Identität. Im Gegenteil: Nur wenn sich die Genossenschaft auf ihre originäre Kernaufgabe (rück)besinnt, ihre Mitglieder nutzerbezogen zu fördern, verfügt sie über ein rechtsformspezifisches Zielsystem, durch das sie sich hinreichend klar von allen anderen - staats-, gemein- oder erwerbswirtschaftlichen - Unternehmen unterscheidet." [er zitiert [11] (Seite 161).

Damit ist sichergestellt, dass es tatsächlich betriebswirtschaftlich um Nutzenmaximierung geht, wie ich es in meiner Systematisierung der ABWL für den bedarfswirtschaftlichen Bereich postuliere [12]. Aber eben um die Nutzenmaximierung der Zielgruppe der Mitglieder und nicht aller Menschen einer Region oder eines Landes.

Letztlich stoßen hier zwei Ideen aufeinander, Selbstnutzen  und Gemeinnutzen. Sozialistische und faschistische Ansätze betonten das Kollektiv, wobei der Faschismus als Totalitarismus die absolute Unterordnung des Individuums unter das Kollektiv fordert (siehe nächster Absatz). Die Gesellschaftsform der sozialen Marktwirtschaft sieht das Positive im Selbstnutz, will Individualität und kollektive Verantwortung koexistieren lassen. Der Weg, den ich hier vorschlage, und den auch Pickert geht, ist Governance, gute Unternehmensführung zu bestimmen und zu leben. (siehe mein Beiträge [13], [14]). In [15] und [16] erweitere ich es um die Forderung, die soziale Marktwirtschaft als Ordnungsrahmen in einer ökologisch-soziale Marktwirtschaft weiter zu entwickeln.

Historisch krass zeigt sich dieser Ideenkonflikt in der Geschichte der BWL in Deutschland. Ich zitiere aus Sönke Hundt, "Theoriegeschichte der Betriebswirtschaftslehre" [17]: "Nicklisch [ein führender BWLer seiner Zeit] hält auf einer großen öffentlichen Kundgebung, die der "Verband Deutscher Diplom-Kaufleute e.V." zusammen mit der Studentenschaft in der Aula der Handelshochschule Berlin schon kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Juli 1933 organisiert hat, das Grundsatzreferat: "Die Betriebswirtschaftslehre im nationalsozialistischen Staat". ..Nach der programmatischen Rede von Nicklisch wird die folgende Entschließung angenommen: "Die in der Aula der Handels-Hochschule zu einer großen öffentlichen Kundgebung versammelten Betriebswirte erklären sich freudig bereit, an dem Neubau der deutschen Wirtschaft und des deutschen Reiches mitzuarbeiten. Das geistige Rüstzeug, das sie für die Arbeit mitbringen, sind in erster Linie die Forschungsergebnisse der Betriebswirtschaftslehre, die betriebliche Fragen organisch sieht und löst....Insbesondere wird der Betriebswirt als Wirtschaftstreuhänder berufen sein, zu Sauberkeit und Ehrlichkeit im wirtschaftlichen Handeln und für die neue Wirtschaftsgesinnung zu kämpfen, die in Übereinstimmung mit der Grundforderung des Programms der NSDAP, daß Gemeinnutz vor Eigennutz gehe, den Gruppen-Einzelegoismus dem Gemeininteresse unterordnet." [zitiert nach 18] (Seite 95). Selbst Erich Gutenberg, der die Betriebswirtschaftslehre von den 1950er bis zu den 1970ern Jahren prägen wird (habilitiert 1928, sein vielleicht wichtigstes Buch ist, "Die Produktion" von 1951[23] und laut Wikipedia der Begründer der modernen deutschen Betriebswirtschaftslehre nach dem 2. Weltkrieg) gibt den Grundsatz der unternehmerischen Autonomie und das Recht zum Selbstnutz innerhalb eines staatlichen Ordnungsrahmens vollständig auf, wenn er 1938 schreibt [24]: "In einer Wirtschaft, die ein Instrument in der Hand des Führers ist, stehen alle wirtschaftlichen Lebensäußerungen unter dem Gesetz des Politischen, unter dem Befehl des Führers. Dieser Befehl enthält den allgemeinen Auftrag an alle deutschen Unternehmen, Leistungen in solcher Art und in solchen Gemeinschaften zu erstellen, wie sie volkswirtschaftlich d.h. staatspolitisch erwünscht sind" und "Das staatspolitisch Gewollte wird zum betriebswirtschaftlichen Datum." (zitiert nach Hundt [17] dort Seite 100).

Das heißt die Ziele des jeweiligen Wirtschaftsunternehmens, der "Gruppen-Einzelegoismus"  ist dem Gemeinnutzen zu unterstellen. Damit geht die unternehmerische Autonomie verloren. Das ist das glatte Gegenteil der Idee von Thomas Jefferson, zum Ausdruck gebracht in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika: "We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness"

Mit Bezug auf Wohnungsgenossenschaften schreibt Boettcher [3] 1984, als noch das Wohnungsbaugemeinnützigkeitsgesetz galt (WGG) (es lief Ende 1989 aus): "In der Praxis ist das Verhältnis von genossenschaftlicher Mitgliederförderung in Wohnungsbaugenossenschaften und Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht jedoch leider keineswegs so konfliktfrei bzw. widerspruchslos, wie es vom geltenden Recht her sein müßte und wie es beim Betrachten allein der allgemeinen rechtlichen Regelungen zunächst den Anschein hat. Das WGG schreibt nämlich ein bestimmtes Handeln im Sinne staatlich festgelegter Ziele vor. Damit wird der Konflikt zwischen dem genossenschaftsinternen Ziel der Mitgliederförderung und staatlichen Zielen der Wohnungspolitik unvermeidlich. ...Der Staat schreibt Handlungsweisen vor, die zu Identifikationsverlusten bei den Wohnungsbaugenossenschaften führen; um eigene politische Ziele durchzusetzen, versucht er geltendes Recht zu brechen. Daher ist den Wohnungsbaugenossenschaften aus ihrem gemeinnützigen Status heraus bereits vieles zum Nachteil ihrer Mitglieder verloren gegangen. Für die Öffentlichkeit und für viele Mitglieder sind manche Wohnungsbaugenossenschaften nur noch x-beliebige Wohnungsunternehmen mit bestimmten sozialpolitischen und nicht mehr spezifischen Zielen, bei denen Mitgliedschaft und Wohnungsversorgung zu einer reinen Formalität geworden sind. Die gesetzlichen Regelungen sind Eingriffe in die unternehmenspolitische Autonomie der Genossenschaft"  (Seite 109)

Erstaunlich ist, dass trotz Aufhebung des WGG ab 1990 im Rahmen von Tradition und Prägung manche Wohnungsgenossenschaften diese Linie in ihrer Geschäftspolitik fortsetzen.

Ein Fallbeispiel

Mit wurde der Fall zugetragen einer Mitgliederversammlung einer Wohnungsgenossenschaft, die den Innenhof einer ihrer Wohnanlagen mit einem weiteren Haus bebauen wollte und dabei auf den Unwillen vieler Mitglieder vor Ort stieß. Als eine Anwohnerin (Frau1) ihren Unwillen äußerte, wurde sie von einer anderen Frau (Frau2), die nach Aussage einer weiteren Anwohnerin ihr nicht als im Quartier wohnend bekannt war (es blieb unklar ob Frau2 politische Interessen verfolgte und Abgeordnete einer Partei war) angegangen, sie solle nicht so egoistisch sein. Damit wurde Frau1 aufgefordert Gemeinnutz vor Eigennutz zu stellen. Letztlich steht dahinter die Idee des Opfers, dass es notwendig ist, Opfer zu bringen. Die viel bessere Idee aus meiner Sicht ist es, dass es möglich ist Individualität und  Kollektivität zu integrieren, weil wir beides in uns haben. Insoweit ist dies auch eine Frage des Menschenbildes.Wer überzeugt ist, Menschen seien unverbesserliche Egoisten, der wird hierfür kaum offen sein. Ihm/ihr sei die Lektüre von "Im Grunde gut" von Rutger Bregmann angeraten [22]. Nach Schilderung einer Teilnehmerin gab es eine Gruppe junger Leute, die johlend Beifall klatschten, als Frau2 Frau1 anging. Auch diese waren bei der Augenzeugin nicht bekannt. Dies ist scheint ein weiteres Indiz dafür zu sein, dass hier eine politische Gruppierung versuchte eigene Interessen zu Lasten der Mitglieder durchzusetzen. Die Moderation der Veranstaltung durch die Genossenschaft nahm Frau1 nicht in Schutz gegen die Aufforderung ihren Selbstnutz gegenüber der Allgemeinheit zurückzustellen.

Auch Pickert erwähnt den Zusammenhang, dass falsche Traditionen fortgesetzt werden zulasten konsequenter Mitgliederförderung. Er schreibt in Fortsetzung zu obigem Zitat:"Schulze-Delitzsch hielt...die förderwirtschaftliche Selbsthilfe für konstitutiv [für Genossenschaften] ....Hingegen relativiert ein traditionalistisch motivierter, tatsächlich aber ahistorischer Prinzipien- und Wertepluralismus den förderwirtschaftlichen und mitgliedernützlichen Charakter der eG" (Seite 161).

Mir ist ein Fall aus der Praxis bekannt, dass ein Vorstand  Mitglieder zu einer Veranstaltung zur Genossenschaftsidee einlud und nachdem diese sich rege beteiligten und die Wesensmerkmale der Genossenschaftsidee zusammengetragen hatten, das Fazit zog, man könne doch sehr viel unterschiedliches unter der Idee verstehen und es sei ja gut einmal darüber gesprochen zu haben. Eine ähnliche Äußerung ist mir vom Vorsitzenden des Aufsichtsrates einer Wohnungsgenossenschaft bekannt, dahingehend, dass man die Genossenschaftsidee unterschiedlich verstehen könnte. Immer wenn diese Auffassung vertreten wird, besteht die Gefahr, dass dieses Argument genutzt wird, um zu verhindern, dass aus dem Kern dessen, was Genossenschaft ist, Folgerungen für die Praxis gezogen werden. Mir ist als Betriebswirt das fremd. Nach meiner Erfahrung neigen Juristen oft zu einem Relativismus. Die Praxis vor Gericht mit Anklage und Verteidigung macht es vielleicht bei einigen zur Gewohnheit Dinge immer von zwei Seiten zu betrachten. Das ist ein anderer Ansatz als in den Naturwissenschaften und letztlich der Wissenschaft insgesamt, also auch den Wirtschaftswissenschaften und damit auch der Betriebswirtschaftslehre, kooperativ zu einem Konsens mit validen Aussagen zu kommen. Die Arbeit von Pickert scheint mir deshalb eine besonders gute Grundlage, da sie aus rechtswissenschaftlicher Sicht zu sehr klaren und sehr ausführlich und schlüssig begründeten Aussagen über den Inhalt der Genossenschaftsidee kommt. Das Buch ist damit eine Grundlage für den Hinweis, dass gute Unternehmensführung einer Genossenschaft eben auch gute genossenschaftliche Unternehmensführung und bestmögliche Mitgliederförderung bedeuten muss.

Förderung heißt wie in diesem Blog schon häufig erwähnt Fördermaximierung im Rahmen guter Unternehmensführung. Dies ist nicht banal, denn wenn man dem zustimmt, dann kann und muss dies die Grundlage betriebswirtschaftlicher Steuerung sein. Auch hier kommt Pickert zu einer ähnlichen Verständnis, wenn er über den genossenschaftlichen Vorstand schreibt: " ...denn dieser benötigt einen ausreichenden unternehmerischen Entscheidungsspielraum, wie er das genossenschaftliche Verbandsziel, die bestmögliche nutzerbezogene Förderung der Mitgliederkunden, konkret erreichen will." (S.264). Ich widerspreche hier nur insoweit, dass ich das Wort unternehmerisch durch operativ ersetzen würde. Die Verantwortung für das operative Geschäft liegt beim Vorstand, die für die Unternehmensstrategie sollte gemeinsam mit dem Aufsichtsrat gestaltet werden [ausführlich siehe unten 18] und insgesamt sind alle Mitglieder Mitunternehmer. Es ist gut, wenn sie sich zu Fragen der Unternehmenspolitik und der Unternehmensstrategie selbständig Gedanken machen und sich immer mit Blick auf das Ziel der bestmöglichen Förderung der Mitglieder einbringen. An einer weiteren Stelle erwähnt Pickert die bestmögliche Förderung. In einem Kapitel über die organisatorischen Grundsätze von Genossenschaften schreibt er:"Und auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit, wonach die EG verpflichtet sein soll, rentabel und sparsam zu wirtschaften, ist im Förderzweck selbst enthalten; denn dieser verpflichtet die eG, ihren Mitgliedern möglichst vorteilhafte Förderkonditionen anzubieten und diese so bestmöglich zu fördern." (Seite 119)

Pickert führt sehr klar aus, dass Genossenschaften sich auf ihre Mitglieder konzentrieren müssen und sieht gerade in Großgenossenschaften Defizite. Beim Fazit seiner Untersuchung zur Thema Genossenschaft und Gemeinwohl schreibt er:" Der EG hat allein ihre Mitglieder und diese als Kunden zu fördern....Genossenschaften haben dabei keinen sozialpolitischen Auftrag zu erfüllen. ....Denn jede interessenspluralistische Zielkonzeption nivelliert den förderzweckimmanenten Unterschied zwischen Förder- und Gegengeschäftsbeziehung - und stellt so die genossenschaftliche Wirtschaftsweise insgesamt in Frage....Weiter ist eine interessenmonistische Zielkonzeption gerade als Leitmaxime für die Geschäftsführung einer eG unverzichtbar. Denn diese neigt dazu, einseitig den Markterfolg des genossenschaftlichen Unternehmens zu verfolgen und dabei den Fördererfolg der Mitglieder zu vernachlässigen. Dieser genossenschaftsspezifische Principal-Agent-Konflikt zeigt sich besonders deutlich in Großgenossenschaften, in denen das Management über weitgehende Leitungsautonomie verfügt, weil sich die Mitglieder geschäftspolitisch passiv verhalten." (Seite 266). Der Maximierungsgedanke findet sich auch bei Hartmut Glenk, soweit ich es richtig beurteile nicht in seinem eigentlichen Hauptwerk zum Genossenschaftsrecht [20] sondern in seiner Einführung zum dtv-Gesetzestext Genossenschaftsrecht [21]. Dort schreibt er:"Ein genossenschaftliches Unternehmen ist also weder eine "sozialistische" Organisationsform noch ein gemeinwirtschaftliches Unternehmen, das die Allgemeinheit in irgendeiner Weise selbstlos fördert, sondern ein "klassisches" Unternehmen, das allerdings keinen höchstmöglichen Gewinn anstrebt, sondern die bestmögliche Förderung seiner Mitglieder."

[1] Giebel, Frank "Einige historische Prägungen der Wohnungsgenossenschaften in Deutschland", Blog Blog: liberal und kooperativ, 2022

[2] Pickert, Christian, "Genossenschaftsidee und Governance", München, 2019. Seite 162

[3] Boettcher, Erik, "Die Genossenschaft im Verhältnis zu erwerbswirtschaftlichen und gemeinwirtschaftlichen Unternehmen sowie zur Gemeinnützigkeit", Zeitschrift für das Gesamte Genossenschaftswesen, 1984, S. 91-110

[4]  Münkner, Hans-Hermann, "Die Rechtstypik der Genossenschaft in den Partnerstaaten der EG", Genossenschaftswissenschaftliche Beiträge des Instituts für Genossenschaftswesen der Universität Münster, Heft 32, Münster, 1993, Seite 10

[5] Scheffel, Franziska "Die Reform des Genossenschaftsrechts - Bewertung und Vorschläge für weitere Verbesserungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der eingetragenen Genossenschaft", Nürnberg, 2008, Seite 45

[6] Schultz, Diedrich "Der genossenschaftliche Förderungszweck und seine immanenten Konsequenzen", Tübingen, 1984, Seite 3

[7] Beuthien, Volker, "Die eingetragene Genossenschaft -Idee und Wirklichkeit", Marburger Schriften zur genossenschaftlichen Kooperation 112, Baden-Baden, 2013, Seite 19

[8] Ringle, Günther, "Der genossenschaftliche Förderauftrag: Missverständnisse und Präzisierungsversuche", Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, 2010, S.176-189, Seite 185

[9] Steding, Rolf, "Mitgliederorientierte Demokratie - ein tragendes Segment der Architektur des Genossenschaftsrechts", Betriebs-Berater, 1992, S. 937-941, Seite 938f.

[10] Blomeyer, Wolfgang, "Der gesetzliche Förderungsauftrag der Genossenschaften im Wandel",  Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, 1980, S.22-38, Seite 23

[11] Westermann, Harry, "Die Bedeutung des Förderungszwecks für die rechtliche Ausgestaltung der Genossenschaft", Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, 1963, S. 273-296, Seite 292

[12] Giebel, Frank, "Vorschlag zur Systematisierung des Untersuchungsgegenstandes der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (ABWL)", Blog: liberal und kooperativ, 2022

[13] Giebel, Frank,, Blog: "Für Genossenschaftsmitglieder lohnt ein Blick über den Tellerrand: credit unions in den USA", liberal und kooperativ, 2019

[14] Giebel, Frank, "Hamburger Erklärung", Blog: liberal und kooperativ, 2019

[15] Giebel, Frank, "Anmerkungen zu Ralf Antes Habilitationsschrift "Nachhaltigkeit und Betriebswirtschaftslehre"", Blog: liberal und kooperativ, 2022

[16] Giebel, Frank "ökologisch-soziale Marktwirtschaft von innen UND außen entfalten", Blog: liberal und kooperativ, 2020

[17] Hundt, Sönke, "Zur Theoriegeschichte der Betriebswirtschaftslehre", Köln, 1977 

[18] Ohne Verfasser, "Bericht über die Kundgebung", Der praktische Betriebswirt (Zeitschrift), 1933, Seite 628ff.

[19] Lichtsteiner, Hans, Gmür, Markus, Giroud, Charles,  Schauer, Reinbert, "Das Freiburger Management-Modell für Nonprofit-Organisationen", Bern, 2015, 8.Auflage, dort Seite 240:"Ehrenamtliche tun (oft) das Falsche. Sie kümmern sich um Details, mischen sich in die Geschäftsführung ein und vernachlässigen dabei die Auseinandersetzung mit Grundsatz- und Zukunftsfragen." und Seite 241:"Dazu sind folgende Ziele zu verfolgen:.....3. Eine Beschränkung der Ehrenamtlichen auf das Wesentliche. Wesentlich sind Ziele, Pläne, Grundsätze und damit Vorgehen und Rahmenbedingungen, die zusammen mit der Kontrolle der Ausführung eine wirksame Steuerung des Hauptamts gewährleisten. Dies wird oft auch als strategische Führungsaufgabe der Ehrenamtsorgane bezeichnet...."

[20] Glenk, Hartmut, "Genossenschaftsrecht", München, ", 2013, 2. Auflage

[21] Glenk, Hartmut "Einführung" in: "Genossenschaftsrecht u.a. mit Genossenschaftsgesetz, Wohnungsgenossenschafts-Vermögensgesetz, Umwandlungsgesetz (Auszug) Landwirtschaftsanpassungsgesetz Genossenschaftsregisterverordnung" München, 2013, 5. Auflage, IX-XXXIX, Seite X

[22] Bregmann, Rutger, "Im Grunde gut, eine neue Geschichte der Menschheit", Hamburg, 2020

[23] Gutenberg, Erich, "Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre Erster Band: Die Produktion", 1. Auflage, Berlin Göttingen Heidelberg, 1951

[24] Gutenberg, Erich, "Die Stellung des Rechnungswesens im Aufbau der gewerblichen Wirtschaft". In: Bericht über den Tag der Deutschen Wirtschaftswissenschaft", 1938, Seite 207 ff.

Mittwoch, 5. Oktober 2022

Kommentar zur aktuellen Wohnungspolitik in Deutschland

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Wohnungsbau in Deutschland zu stärken. Es wurde mit der Immobilienwirtschaft und unter Einbeziehung weiterer gesellschaftlicher Interessenvertreter ein Bündnis für wohnen als "zentrale Kooperationsplatttform" wie es in der Selbstbeschreibung heißt ins Leben gerufen [1] Das Hauptziel ist, dass in Deutschland pro Jahr 400.000 Wohnungen gebaut werden sollen. 

Ein Vorläufer für diese Vorgehensweise waren die Bündnisse für Wohnen in Hamburg zwischen der dortigen SPD-geführten Regierung und der örtlichen Immobilienwirtschaft (siehe dazu mein Kommentar hier).

Mit dem Selbstanspuch "zentrale Kooperationsplattform" wird einer starker Zentralisierung unter staatlicher Führung und Moderation nicht nur das Wort geredet, sondern sie wird in die Tat umgesetzt. Das Vertrauen, dass Angebot und Nachfrage im bei uns eigentlich akzeptierten Grundkonsens des Ordnungsrahmens der sozialen Marktwirtschaft (die allerdings zu einer ökologisch-sozialen Makrtwirtschaft orndungspolitisch weiterentwickelt werden müsste) zueinander finden und die Bedarfe nach Wohnraum decken, ist nicht vorhanden. Wenn es vorhanden wäre, müsste man seitens der Politik nicht tätig werden. Auch zivilgesellschaftlichen Initiativen wie Wohnungsgenossenschaften wird offenkundig nicht zugetraut, hier aus eigener Kraft einen wesentlichen Unterschied zu machen. Statt dass die Politik ihre Hausaufgaben macht und den Ordnungsrahmen verbessert, indem sie zum Beispiel die externen Umweltkosten (CO2) angemessen bepreist, baurechtliche Vorschriften auf Länderebene vereinheitlicht, ökologischeres Bauen ermöglicht (zum Beispiel über den Abbau gesetzlicher Vorgaben zu unnötig dicken Decken) und die Genehmigungsprozesse verschlankt und beschleunigt, will sie Produktionsmengen vorgeben. Staatliche Planmengen wurden im staatlichen Sozialismus der Sovietunion und der DDR gemacht und können in einer Marktwirtschaft genauso wenig Teil der Lösung sein wie staatliche Preissetzungen. Auch das versuchte die SPD in Berlin in einer Koalition mit der Linkspartei und den Grünen mit dem Mietendeckel, bis das Bundesverfassungsgericht dies stoppte (siehe hier).

Es wird in den öffentlich einsehbaren Unterlagen des Ministeriums der tatsächliche Bedarf nach Wohnungen nicht hergleitet. Das Statistische Bundesamt gibt an, dass sich je Einwohner die Wohnfläche vom Jahr 2010 bis ins Jahre 2020 um durchschnittlich 2,4 Quadratmeter erhöht hat auf durchschnittlich 47,4 Quadratmeter. (siehe hier). Das heißt, in Summe ist nicht zu wenig Wohnraum vorhanden. Wahrscheinlich liegt das Problem eher in der Verteilung. Insoweit ist das Bündis für Wohnen ein Zeichen für Vermeidungsverhalten seitens der Politik. Man will der eigenen Wählerklientel nicht weh tun und propagiert lieber plakative statt sachgerechte Lösungen, die sich weniger leicht kommunizieren lassen und von allen verlangen, auch ihre eigenen Ansichten und bisherigen Überzeugungen auf den Prüfstand zu stellen. Solange man aber nicht CO2 neutral bauen kann und solange man weitere Naturflächen zerstört durch Bauen auf der Grünen Wiese wie beispielsweise von der SPD-geführten Regierung in Hamburg mit dem Neubaugebiet Oberbillwerder, schadet man mehr, als dass man nutzt. Viel besser wäre es den ordnungspolitischen Rahmen zu stärken. Die Immobilienwirtschaft sollte Programme initieren, die Menschen darin unterstützt, Wohnraum besser untereinander zu verteilen. Wenn Mieten bei Neuvermietungen erhöht werden, bleiben Mieter in größeren Wohnungen wohnen nach Auszug der Kinder, da sich der Umzug in eine kleinere Wohnung finanziell nicht lohnt (siehe hier). 

Laut statistischem Bundesamt (siehe link oben) gab es in Deutschland 2020 42,8 Millionen Wohnungen. Wenn durch bessere Wohnraumnutzung nur 5% der Wohnungen frei würden, wären das 2,14 Millionen Wohnungen, die neu vergeben werden könnten. Das würde dem Bauziel an neuen Wohnungen des Bündnisses für Wohnen von über 5 Jahren entsprechen, ohne dass außer den Umzügen eine ökologische und ökonomische Belastung entstünde!

Man muss den Leuten die Wahrheit zumuten. Wir leben auf einem endlichen Planeten und müssen unseren Wohnbedarf besser organisieren. Ein immer mehr kann nicht die Lösung sein. Es gibt sehr kluge und praxisnahe Vorschläge, wie die von Daniel Fuhrhop (siehe hier). Die Politik sollte darauf achten, dass ihre Rahmenbedingungen und ihr eigenes Handeln dem nicht entgegen stehen sondern lieber gute Vorschläge förden wie eine effiziente Wohnraumnutzung.

Der Impuls zu diesem Kommentar ergab sich aufgrund eines Video-Beitrages des Bayerischen Rundfunks zum Auftritt der Bundesbauministerin auf einer Münchner Immobilienmesse (siehe hier). Der Beitrag hinterfragte nicht kritisch das einfache Mantra der Forderung nach bezahlbarem Wohnraum, der immer wieder sowohl von der Politik als auch einem führenden Immobilienverband Gdw genannt wird  (siehe zB hier Abruf 05.10.2022). Dessen Vorsitzender, Alexander Gedaschko, war Bauminister auf Landesebene (Bausenator Hamburg). Aus der Forderung nach bezahlbarem Wohnraum wird dann ohne Beachtung von Alternativen eine staatlich geförderte Bautätigkeit abgeleitet. 

Noch ein weiterer Hinweis: Wohnungen sind ein sensibles Gut, bei dem schon das Reden darüber jeden Menschen auch auf einer emotionalen Ebene betreffen kann. Zum einen bedeutet Wohnung ein individueller Rückzugsraum und ein Raum für mögliche Intimität zu einem Lebenspartner aber auch Geborgenheit in der Familie. Zum anderen haben sehr viele Menschen nach der industriellen Revolution die Erfahrung gemacht, dass die Wohnverhältisse in vielen Großstädten extrem beengt, licht- und luftarm und schmutzig waren. Teilweise hatten Untermieter nur einen Verschlag der Grundfläche von nicht mehr als der eines mittelgroßen Sofas zur Verfügung [2].

[1] "Erklärung zur Konstituierung Bündnis bezahlbarer Wohnraum", Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen, 2022, Seite 1

[2]  Varrentrap, Georg "Einige Worte über die bestehende Wohnungsnoth der Minderbemittelten und über die zu deren Abhilfe unternommenen Bestrebungen", 1860, zitiert aus Ehrlich, Wilfried "Bauen für ein neues Leben - Hundert Jahre Aktienbaugesellschaft", 1990, Seite 18

Sonntag, 2. Oktober 2022

Vorschlag zur Systematisierung des Untersuchungsgegenstandes der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (ABWL)

Hier möchte ich einen Beitrag zur Systematisierung der Betriebswirtschaftslehre leisten. In meiner Beschäftigung mit dem erwerbswirtschaftlichen und dem bedarfswirtschaftlichen Teil der allgemeinen BWL (ABWL), siehe zum Beispiel hier , hier , hier und mit der genossenschaftlichen BWL ist mir diese Lücke in der Systematisierung aufgefallen. Das zieht sich bis in die Hochschulorganisation der BWL hinein. An der Universität Hamburg gibt es zum Beispiel die "Professur für BWL, insb. Management von Öffentlichen, Privaten und Nonprofit Organisationen". Die Abgrenzung Profit versus non-Profit halte ich aus der Sicht der Systematisierung der ABWL nicht für ideal. Etwas darüber zu beschreiben, dass es etwas nicht ist, ist schon vom Grundsatz her unbefriedigend. Da will ich wissen, ja, was ist es dann, wenn es etwas nicht ist, zeichnet es sich denn nicht durch eine eigenständige Qualität aus und wenn ja, worin besteht diese? Kann ich diese optimieren? Darauf will diese Systematik hier bejahend eine konkrete Antwort geben. Es gibt Unternehmen, die not-for-profit arbeiten aber Gewinne machen müssen (aber ohne diese zu maximieren), um sich selbst dauerhaft finanzieren zu können und andere, die tatsächlich non-profit-Unternehmen sind, die von externen Geldern ihre Existenz gesichert bekommen und im Zweifel auch mit dauerhaft geringeren Einnahmen als Ausgaben in ihrem Leistungsbereich arbeiten dürfen bzw. sollen (Zuschussgeschäfte wie Universitäten, öffentliche Bibliotheken, öffentliche Schwimmbäder, bestimmte Stiftungsunternehmen). Auf der anderen Seite gibt es zum Beispiel bei Genossenschaften Produktivgenossenschaften, die erwerbsorientiert sind, zum Beispiel alle Vermarktungsgenossenschaften wie Winzergenossenschaften, Molkereigenossenschaften, Obsterzeugergenossenschaften aber auch Genossenschaften, bei denen die Mitglieder die Mitarbeiter sind und nicht die Kunden. Dagegen gibt es Beschaffungsgenossenschaften, die selbst keinen Erwerb bezwecken, sondern kostengünstig den Bedarf ihrer Mitglieder decken wollen wie zum Beispiel Wohnungsgenossenschaften, Konsumgenossenschaften, Energiegenossenschaften aber auch Einkaufsgenossenschaften für bestimmte Gewerbetreibende wie Händler oder Handwerker (historisch siehe Schulze-Delitzsch Schuhmachergenossenschaften).

Sinnvoll ist es, wenn die ABWL ihren Untersuchungsgegenstand in der Überzeugung ihrer eigenen Wichtigkeit nicht zu weit ausdehnt. Insoweit halte ich zum Beispiel die Ausweitung auf die Felder, wo es nicht um Wirtschaftsbetriebe geht, nicht für sinnvoll. So den Versuch Privathaushalte in ihr mitzubehandeln, siehe die Richtung, die von Marcell Schweitzer vertreten wird, siehe mein Artikel hier. Selbst Ein-Personen-Unternehmen ohne Angestellte fallen nicht unter die ABWL, was nicht heißt, dass solche Unternehmen Erkenntnisse und Aussagen der ABWL nicht mit Gewinn für sich nutzbar machen können und einiges auf sich übertragen können. Anderes passt aber eben nicht.

Anbei nun mein Systematisierungsvorschlag:

Ich verstehe die Grafik so, dass sie ausdrückt, wo die jeweiligen Unternehmensformen von ihrer Veranlagung bzw. von ihrer Grundidee her angesiedelt sind. In der Praxis kann es vorkommen, dass sich Unternehmen außerhalb dieser Veranlagung bewegen und ein Interesse an deren Verwirklichung und vollen Potentialentfaltung verloren haben. So gibt es Unternehmen, die sich stärker auf Gewinne und Rendite fokussieren, als es ihrer Grundidee entspricht und andere, die eigentlich gewinnorientert sind, aber sich für geringere Gewinne entscheiden zugunsten eines höheren Nutzens für ihre Kunden. In allen Fällen gehe ich aus vom Handlungsrahmen guter Unternehmensführung, also einem angemessenen und Interessen achtenden Umgang mit allen von der Unternehmenstätigkeit Betroffenen innerhalb einer sozialen Marktwirtschaft, in Zukunft hoffentlich einmal innerhalb einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft als Ordnungsrahmen. Wie an anderer Stelle aufgezeigt (Hinweise siehe die Links oben im Text) sehe ich eine klare Konkretisierungsmöglichkeit der jeweiligen Unternehmensziele auf eine jeweilige Optimierungsfunktion von entweder einem Gewinnmaximierungskalkül oder einem Nutzungsmaximierungskalkül. Unternehmen einer so verstandenen ABWL haben einen konkreten Zweck und sind funktionalistisch zu managen, zu optimieren. Auf der bedarfswirtschaftlichen Seite ergibt sich der Nutzen dabei aus den Leistungen gegenüber den Kunden/Nutzern, zum einen aus der Menge und Qualität der angebotenen Produkte/Dienstleistungen zur Deckung von in der Regel Grundbedarfen, zum anderen durch Ersparnisse gegenüber sonstigen Angeboten, die höher sind zum Beispiel, weil sie so kalkuliert sind, einen möglichst hohen Gewinn für den erwerbswirtschaftlichen Anbieter zu generieren.

Dies sind keine banalen Aussagen. Bei Wohnungsgenossenschaften in Deutschland beispielsweise erhoben und erheben viele Akteure aus der Politik und der Praxis die Forderung, dass sie gemeinnützig im Sinne der Gesamtgesellschaft agieren und wollen ihnen nicht zugestehen, dass sie sich ihrem eigentlichen Zweck der maximalen Förderung ihrer Mitglieder innerhalb des Rahmens gesamtgesellschaftlicher Verantwortung widmen. An öffentliche Unternehmen wird mitunter die Forderung gestellt, dass sie einen möglichst hohen Finanzierungsbeitrag für ihren Träger zu leisten hätten, sei es der Staat oder eine Kommune. Selbst beim öffentlichen Rundfunk kommen manche auf die Idee, er solle doch bitte zur Stabilität des Gemeinswesens beitragen indem Beiträge des politischen Journalismus Sinn und Zweck von Massnahmen der Regierung an die Bevölkerung kommunizieren, statt sich allein auf das Informationsinteresse der Zuhörer zu fokussieren und dabei unabhängig und frei, bei Bedarf auch hart die Regierenden zu kritisieren.

Insofern ist eine solche ABWL ideenorientiert, normativ, funktional und unternehmensmorphologisch orientiert.

Die verschiedenen Unternehmensformen sind in der Grafik jeweils in einer Zeile aufgeführt, wobei unterschiedliche Untertypen nebeneinander aufgeführt werden, und zwar so, dass klar wird, welcher Bereich in den erwerbswirtschaftlichen Bereich, den bedarfswirtschaftlichen oder den außerhalb von Wirtschaftsunternehmen insgesamt fällt. Siehe zum Beispiel die Unterscheidung von GmbHs und gGmbHs als gemeinwirtschaftlichen GmbHs. Eventuell könnte man die Grafik noch um Vereine ergänzen. So gibt es auch umsatzstarke wirtschaftliche Vereine wie den ADAC oder Erstligavereine in Fussballiegen weltweit. In zwei Fällen schneidet eine Unternehmensform bzw. ein Unterrtyp die Linie zwischen gewinnmaximierend und nutzenmaximierend. Zum einen vermute ich, dass es doch einige Produktivgenossenschaften gibt, die beide Aspekte leben wollen, zum anderen sind im Bereich freie Partnerschaften/Sozietäten, Kommanditgesellschaften und offene Handelsgeschaften starke individuelle Einflüsse denkbar und deshalb auch eine breite Zweckorienteirung möglich. Sie sind hier nach meiner Einschätzung unternehmensmorphologisch bzw. ideel weniger stark festgelegt, wobei ich allerdings jeweils eine gewisse Tendenz zur Erwerbswirtschaftlichkeit sehe.

Die hier gemachte Systematisierung halte ich für einen wichtigen Baustein, um zur Möglichkeit normativer Aussagen der ABWL zu kommen, die bei anstehenden Entscheidungen auf der Unternehmensleitungsebene der jeweiligen Unternehmen helfen. Sie kann Unternehmen auch helfen, das Prinzip der unternehmerischen Autonomie zu behaupten gegenüber Versuchen anderer Parteien es einzuschränken oder fallen zu lassen und diesen Parteien klar werden lassen, dass dies keine gute Idee ist. Dies ist kein praxisfernes Thema. Über Aufsichtsräte sitzen Vertreter von Parteien nicht nur in wichtigen Entscheidungsgremien beim Öffentlichen Rundfunk und anderen staatlichen und kommunalen Unternehmen wie Flughäfen, der Deutschen Bahn oder kommunalen Wohnungsunternehmen, sondern auch bei der ein oder anderen Wohnungenossenschaft. Gesamtgesellschaftlich können Unternehmen dann am meisten beitragen, wenn sie das bestmöglich entfalten, was in ihnen angelegt ist. Dazu gehört allerdings auch, dass sie nicht vergessen, dass sie Teil eines Ganzen sind, zum einen Teil einer menschliche Weggemeinschaft aber auch insoweit, als dass wir Menschen eine Spezies unter vielen sind, die sich gemeinsam einen Planeten als Lebensraum teilen.

Insoweit sind Wirtschaftunternehmen ein Spiegel dessen, was wir als Individuen sind. Auch jede(r) Einzelne darf sich Ziele setzen, die er/sie bestmöglich zu erreichen sucht und sollte sich zugleich als Teil eines Kollektives verstehen. Dass das keine Utopie ist sondern viel mehr Realtiät als viele wahrnehmen, zeigen die empirischen Belege im Buch des niederländischen Historikers Rutger Bregmann "Im Grunde Gut". Insoweit kann man bei Beiträgen zur ABWL auch immer schauen, welches Menschenbild steht hinter dem jeweiligen Beitrag. Geht es von reinem Egoismus aus oder erkennt er an, dass Menschen Individuum und Kollektivwesen sind? Nach meiner Erfahrung und auch nach der neuen Institutionenökonomik ist eher Opportunismus ein Problem statt Egoismus, siehe zum Beispiel das Prinzipal-Agenten-Dilemma. Ohne das hier näher zu untersuchen, sei hier ein Zitat aus Wikipedia erlaubt: "Die Prinzipal-Agent-Theorie geht von Wirtschaftssubjekten aus, die in ihrer Entscheidungsfindung eingeschränkt sind, etwa durch asymmetrische Informationsverteilung. Sie verfügen nur über unvollständige Informationen, wenn sie die Fähigkeiten und das Handeln anderer beurteilen sollen. Ferner wird den Beteiligten Opportunismus unterstellt." 

Betriebswirtschaft als Wissenschaft ist nicht nur gesellschaftlich eingebettet sondern auch erkenntnistheoretisch. Die ABWL, die mir am Herzen liegt, ist hier ganzheitlich aufgestellt. Auf der einen Seite ist sie bereit sich der Falsifikation zu stellen wie sie Karl Popper als Erkenntnisphilosphie und -praxis formuliert hat. Deutlich gelang das nach meiner Einschätzung zum Beispiel Schmalenbach, der in seiner "Dynamische Bilanzlehre" und seiner "Selbstkostenrechnung" in der Folge vieler Auflagen einige nicht haltbare Positionen geräumt hat (zB dass Betriebe grundsätzlich gemeinwirtschaftlich agieren müssten und bei seiner Werttheorie, ausführlich siehe [1]). Passend für eine ganzheitliche ABWL finde ich die Struktur von Ken Wilber aus "Eine kurze Geschichte des Kosmos" mit den drei Kategorien des Guten Wahren und Schönen. Schön bzw. attraktiv liegt dabei immer im Auge des Betrachters. Dies ist das Prinzip der Freiheit, jeder hat das Recht "to persue his own happiness" (Thomas Jefferson), "jeder darf nach seiner Facon glücklich werden" (Friedrich der Große), Gewerbefreiheit und unternehmerische Autonomie. Das Gute ist der Blick für den anderen (das Soziale und das Kollektiv) aber auch Umwelt, die Tiere und Pflanzen, der Planet als Ganzes. Das Wahre ist das Rationale, Vernünftige, genau zu schauen, zu messen, zu folgern, Logik anzuwenden, Wissensschaft zu betreiben und ihre Erkenntnisse   anzuwenden.

[1] Hundt Sönke, "Zur Theoriegeschichte der Betriebswirtschaftslehre", 1977. 2.Kapitel "Die Ära Schmalenbach" S. 47-88