Donnerstag, 3. Dezember 2020

Mehr bedarfsdeckende Unternehmen als Teil einer nachhaltigen, lebenswerten Zukunft

Inspiriert von zwei Gesprächen mit Harald Welzer (Sozialpsychologe, Leiter von Futurzwei) zu positiven Entwürfen für eine nachhaltige Gesellschaft fiel mir auf, dass die genossenschaftliche Betriebswirtschaftslehre (BWL) Teil dieser nachhaltigen, lebenswerten Zukunft sein kann, ja sogar die gesamte bedarfswirtschaftliche BWL in Ergänzung zu einer ertragswirtschaftlichen d.h. gewinnmaximierenden BWL. Dies liegt daran, dass, wenn statt Gewinnmaximierung Nutzenmaximierung zum Entscheidungskalkül wird, nicht mehr ein immer mehr = immer besser gilt, sondern die Haushaltsperspektive eingenommen wird, nämlich einen definierten Nutzen mit möglichst wenig Mitteln zu erreichen. Global gesehen sind wir ein gemeinsamer Haushalt mit allen Lebenwesen als Mitglieder dieses Hauhaltes und wir müssen bei unserem Handeln das Wohlergehen und die Rechte aller Lebewesen auf Existenz im Blick haben, als auch die Begrenztheit unserer Haushaltsmittel. In der bedarfsorientierten BWL wird das wirtschaftliche Minimalprinzip statt dem Maximalprinzip  angewendet. Statt die volle Kaufkraft der Käufer über Werbung, Verkaufsförderung und Marketing möglichst maximal auszuschöpfen, bedeutet bedarfswirtschaftliche BWL zu sehen, dass das Gros der Bedürfnisse bei allen Menschen sehr ähnlich ist und über effiziente Wirtschaftsunternehmen ressourcenschonend gedeckt werden kann. Dabei kann mit Unternehmen der gleichen Branche kooperiert werden, statt dass mit ihnen konkurriert wird und da bei der Preisbildung diese Kooperation nicht zur Kartellbildung genutzt wird, um die Preise zu erhöhen, muss auch ein Bundeskartellamt als Wettbewerbsbehörde hier nicht eingreifen. Dabei sind solche Wirtschaftsunternehmensformen auch potentiell offen für die flexible Mitarbeit von Kunden und im Falle von Genossenschaften Mitgliedern, ohne davon abzuhängen. Die Potentiale der Anwendung einer bedarfswirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre in Genossenschaften, öffentlich-rechtlichen Unternehmen, Unternehmen von kirchlichen und anderen gemeinnützigen Trägern, aber auch von ganz oder teilweise gemeinnützig ausgerichteten Unternehmen ist erst am Beginn ihrer Entfaltung. Hierzu trägt möglicherweise auch die Nachfrage von nachhaltigen Geldanlagefonds und Banken wie der ökologisch ausgerichteten Genossenschaftsbank GLS bei, die dazu führen könnte, dass sich nachhaltige Aktiengesellschaften herausbilden, die sich konsequent und glaubwürdig nachhaltig und vielleicht sogar bedarfswirtschaftlich statt gewinnmaximierend ausrichten. Dazu müsste nicht die Gewerbefreiheit aufgegeben werden und erst recht keine Verstaatlichung von unternehmerischem Eigentum stattfinden, wie das zur Zeit in Berlin für Wohnungsunternehmen diskutiert wird, siehe https://www.tagesspiegel.de/berlin/spd-und-gruene-legen-abneigung-ab-berliner-koalition-will-ueber-enteignung-von-immobilienkonzernen-verhandeln/26677160.html . Es wäre auch denkbar, dass nach dem Vorbild des norwegischen Staatsfonds mehr Länder Staatsfonds einrichten, die sich an solchen Unternehmen beteiligen.

Die Unterscheidung von bedarfswirtschaftlichen Unternehmen und ertrags- oder erwerbswirtschaftlichen hatte ich zuerst bei Max Weber gefunden, siehe https://liberalundkooperativ.blogspot.com/2020/10/verbluffende-erkennntis-gefunden-bei.html

Dienstag, 20. Oktober 2020

Wohnungsbaupolitik Zürichs mit Vorbildfunktion für deutsche Metropolen?

Im Programm Wohnen der Stadt Zürich in der aktuellen Fassung von 2017 heißt es:: 

"Stoßrichtungen:

I. Mehr gemeinnütziger und preisgünstiger Wohnungsbau

Die Stadt Zürich setzt auf die Bereitstellung preisgünstiger Wohnungen durch gemeinnützige Wohnbauträgerschaften mit dem Prinzip der Kostenmiete, deren Anteil sie gemäss dem in der Volksabstimmung vom 27.11.2011 angenommenen Grundsatzartikel in der Gemeindeordnung bis zum Jahr 2050 auf einen Drittel der Mietwohnungen ausbauen soll.

Massnahmen

1. Die Stadt kauft auch in Zukunft Bauland beziehungsweise Häuser für den kommunalen Wohnungsbau und für die günstige Abgabe an andere gemeinnützige Wohnbauträgerschaften zum Richtlinienlandwert. Dabei strebt sie unter dem Strich einen Ausbau des gemeinnützigen Portfolios an. (Liegenschaftenverwaltung)"

Hervorzuheben ist dabei der Bezug zur Kostenmiete. Obwohl dies bei Wohnungsgenossenschaften auch in Deutschland eine Selbstverständlichkeit sein sollte, ist es dies in der Praxis nicht. Oft gibt es in der ein oder anderen Form eine Orientierung an lokalen Mietenspiegeln.

Würden auch deutsche Metropolen dieses Prinzip anwenden, könnte damit ein Teil des Wohnungsbedarfs komplett dem Markt entzogen werden, ohne sinnvolle Investionen in die Bausubstanz zu gefährden, wie dies durch die Mietobergrenzen im Rahmen des "Mietendeckelsgesetzes" aktuell in Berlin riskiert wird. Sie müssten dazu aber die beteiligten Unternehmen zum Selbstkostenprinzip verpflichten.

Die Zielformulierung der Wohnpolitik wurde der Bevölkerung Zürichs 2011 zum Entscheid vorgelegt und  angenommen. Zur Kostenmiete heist es darin "Sie [die Stadt Zürich] sorgt dafür, dass sich die Zahl der Wohnungen im Eigentum von gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen oder Wohnbauträgern, die ohne Gewinnabsichten dem Prinzip kostendeckender Mieten verpflichtet sind, stetig erhöht." siehe Seite 30 in der Masterarbeit von Martin Broder "Umsetzung des Volksentscheides der Stadt Zürich von 2011 für
‚Bezahlbare Wohnungen für Zürich‘ Eine Standortbestimmung sowie die Untersuchung von möglichen Massnahmen und Risiken der angestrebten Ziele bis 2050"

Um das Potential der Zürcher Wohnbaupolitk für deutsche Metropolen angemessen beurteilen zu können, braucht es jedoch einen genaueren Blick, der so arbeitsintensiv ist, dass ich ihn hier nicht leisten kann. Soweit zeigt sich jedoch, dass sich eine genauere Analyse lohnen würde. Sie sollten sowohl Bezug nehmen auf die kritischen Fragen der hier verlinkten Masterarbeit von Martin Broder, auf den aktuellen Bericht des Zürcher Stadtrates zur Zielerreichung vom September 2020 und auf die Betrachtung grundlegender statistischer Größen wie Baupreisentwicklung, Bautätigkeit und Mietzinsentwicklung. Sie sollte auch eine aktuelle Literaturrecherche beinhalten und Interviws mit beteiligten Wohnungsunternehmen und Mitarbeitern der Stadt Zürich.