Mittwoch, 5. Oktober 2022

Kommentar zur aktuellen Wohnungspolitik in Deutschland

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Wohnungsbau in Deutschland zu stärken. Es wurde mit der Immobilienwirtschaft und unter Einbeziehung weiterer gesellschaftlicher Interessenvertreter ein Bündnis für wohnen als "zentrale Kooperationsplatttform" wie es in der Selbstbeschreibung heißt ins Leben gerufen [1] Das Hauptziel ist, dass in Deutschland pro Jahr 400.000 Wohnungen gebaut werden sollen. 

Ein Vorläufer für diese Vorgehensweise waren die Bündnisse für Wohnen in Hamburg zwischen der dortigen SPD-geführten Regierung und der örtlichen Immobilienwirtschaft (siehe dazu mein Kommentar hier).

Mit dem Selbstanspuch "zentrale Kooperationsplattform" wird einer starker Zentralisierung unter staatlicher Führung und Moderation nicht nur das Wort geredet, sondern sie wird in die Tat umgesetzt. Das Vertrauen, dass Angebot und Nachfrage im bei uns eigentlich akzeptierten Grundkonsens des Ordnungsrahmens der sozialen Marktwirtschaft (die allerdings zu einer ökologisch-sozialen Makrtwirtschaft orndungspolitisch weiterentwickelt werden müsste) zueinander finden und die Bedarfe nach Wohnraum decken, ist nicht vorhanden. Wenn es vorhanden wäre, müsste man seitens der Politik nicht tätig werden. Auch zivilgesellschaftlichen Initiativen wie Wohnungsgenossenschaften wird offenkundig nicht zugetraut, hier aus eigener Kraft einen wesentlichen Unterschied zu machen. Statt dass die Politik ihre Hausaufgaben macht und den Ordnungsrahmen verbessert, indem sie zum Beispiel die externen Umweltkosten (CO2) angemessen bepreist, baurechtliche Vorschriften auf Länderebene vereinheitlicht, ökologischeres Bauen ermöglicht (zum Beispiel über den Abbau gesetzlicher Vorgaben zu unnötig dicken Decken) und die Genehmigungsprozesse verschlankt und beschleunigt, will sie Produktionsmengen vorgeben. Staatliche Planmengen wurden im staatlichen Sozialismus der Sovietunion und der DDR gemacht und können in einer Marktwirtschaft genauso wenig Teil der Lösung sein wie staatliche Preissetzungen. Auch das versuchte die SPD in Berlin in einer Koalition mit der Linkspartei und den Grünen mit dem Mietendeckel, bis das Bundesverfassungsgericht dies stoppte (siehe hier).

Es wird in den öffentlich einsehbaren Unterlagen des Ministeriums der tatsächliche Bedarf nach Wohnungen nicht hergleitet. Das Statistische Bundesamt gibt an, dass sich je Einwohner die Wohnfläche vom Jahr 2010 bis ins Jahre 2020 um durchschnittlich 2,4 Quadratmeter erhöht hat auf durchschnittlich 47,4 Quadratmeter. (siehe hier). Das heißt, in Summe ist nicht zu wenig Wohnraum vorhanden. Wahrscheinlich liegt das Problem eher in der Verteilung. Insoweit ist das Bündis für Wohnen ein Zeichen für Vermeidungsverhalten seitens der Politik. Man will der eigenen Wählerklientel nicht weh tun und propagiert lieber plakative statt sachgerechte Lösungen, die sich weniger leicht kommunizieren lassen und von allen verlangen, auch ihre eigenen Ansichten und bisherigen Überzeugungen auf den Prüfstand zu stellen. Solange man aber nicht CO2 neutral bauen kann und solange man weitere Naturflächen zerstört durch Bauen auf der Grünen Wiese wie beispielsweise von der SPD-geführten Regierung in Hamburg mit dem Neubaugebiet Oberbillwerder, schadet man mehr, als dass man nutzt. Viel besser wäre es den ordnungspolitischen Rahmen zu stärken. Die Immobilienwirtschaft sollte Programme initieren, die Menschen darin unterstützt, Wohnraum besser untereinander zu verteilen. Wenn Mieten bei Neuvermietungen erhöht werden, bleiben Mieter in größeren Wohnungen wohnen nach Auszug der Kinder, da sich der Umzug in eine kleinere Wohnung finanziell nicht lohnt (siehe hier). 

Laut statistischem Bundesamt (siehe link oben) gab es in Deutschland 2020 42,8 Millionen Wohnungen. Wenn durch bessere Wohnraumnutzung nur 5% der Wohnungen frei würden, wären das 2,14 Millionen Wohnungen, die neu vergeben werden könnten. Das würde dem Bauziel an neuen Wohnungen des Bündnisses für Wohnen von über 5 Jahren entsprechen, ohne dass außer den Umzügen eine ökologische und ökonomische Belastung entstünde!

Man muss den Leuten die Wahrheit zumuten. Wir leben auf einem endlichen Planeten und müssen unseren Wohnbedarf besser organisieren. Ein immer mehr kann nicht die Lösung sein. Es gibt sehr kluge und praxisnahe Vorschläge, wie die von Daniel Fuhrhop (siehe hier). Die Politik sollte darauf achten, dass ihre Rahmenbedingungen und ihr eigenes Handeln dem nicht entgegen stehen sondern lieber gute Vorschläge förden wie eine effiziente Wohnraumnutzung.

Der Impuls zu diesem Kommentar ergab sich aufgrund eines Video-Beitrages des Bayerischen Rundfunks zum Auftritt der Bundesbauministerin auf einer Münchner Immobilienmesse (siehe hier). Der Beitrag hinterfragte nicht kritisch das einfache Mantra der Forderung nach bezahlbarem Wohnraum, der immer wieder sowohl von der Politik als auch einem führenden Immobilienverband Gdw genannt wird  (siehe zB hier Abruf 05.10.2022). Dessen Vorsitzender, Alexander Gedaschko, war Bauminister auf Landesebene (Bausenator Hamburg). Aus der Forderung nach bezahlbarem Wohnraum wird dann ohne Beachtung von Alternativen eine staatlich geförderte Bautätigkeit abgeleitet. 

Noch ein weiterer Hinweis: Wohnungen sind ein sensibles Gut, bei dem schon das Reden darüber jeden Menschen auch auf einer emotionalen Ebene betreffen kann. Zum einen bedeutet Wohnung ein individueller Rückzugsraum und ein Raum für mögliche Intimität zu einem Lebenspartner aber auch Geborgenheit in der Familie. Zum anderen haben sehr viele Menschen nach der industriellen Revolution die Erfahrung gemacht, dass die Wohnverhältisse in vielen Großstädten extrem beengt, licht- und luftarm und schmutzig waren. Teilweise hatten Untermieter nur einen Verschlag der Grundfläche von nicht mehr als der eines mittelgroßen Sofas zur Verfügung [2].

[1] "Erklärung zur Konstituierung Bündnis bezahlbarer Wohnraum", Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen, 2022, Seite 1

[2]  Varrentrap, Georg "Einige Worte über die bestehende Wohnungsnoth der Minderbemittelten und über die zu deren Abhilfe unternommenen Bestrebungen", 1860, zitiert aus Ehrlich, Wilfried "Bauen für ein neues Leben - Hundert Jahre Aktienbaugesellschaft", 1990, Seite 18

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