Montag, 28. September 2020

ökologisch-soziale Marktwirtschaft von innen UND außen entfalten

Eigentlich wollte ich in diesem Beitrag nur auf einen lesenswerten Artikel von Hermann Simon in der Frankfurter Allgemeinen vom 21.09.2020 antworten. Jetzt sehe ich, dass der Anlass es wert ist, den Blick zu weiten auf die Frage, wie wir als Menschheit weiter auf diesem Planeten existieren können, ohne das Leben darauf an die Wand zu fahren. 

Wenn Sie meinen Text gelesen haben, werden Sie zwei wichtige Schritte in die richtige Richtung besser kennen und einschätzen können.

Hermann Simon, ein emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaft und renommierter Unternehmensberater, schreibt in seinem Artikel "Es gibt nur einen richtigen Gewinn

Gewinnmaximierung sei nichts anderes als das Gegenteil von Verschwendung. "Denn sie strebt an, eine bestimmte Leistung mit minimalem Ressourceneinsatz, also möglichst ohne Verschwendung oder "Blindleistung" zu erbringen. Oder bei umgekehrter Betrachtung, aus einem gegebenen Ressourceneinsatz die größtmögliche Leistung herauszuholen." Er führt weiter aus: "Nichts anderes besagt die theoretische Grenzerlös=Grenzkosten-Bedingung für den maximalen Gewinn. Gewinnmaximierung ist Minimierung von Verschwendung und insofern vom Ansatz her resourcenschonend, nicht Resourcen verschwendend und führt damit gleichzeitig zur optimalen Wohlstandsleistung". 

Gut und richtig an dieser Aussage ist es, Gewinnmaximierung in den Dienst einer bestmöglichen Resourcennutzung zu stellen. Thomas Sowell hat in seinem Buch Basic Economics eindrücklich beschrieben, dass in einer staatlich-zentralen Planwirtschaft mit Preisvorgaben von oben nach unten genau dies nicht passiert und dadurch ein massive Blockierung von Ressourcen stattfindet. Wenn die Preisentdeckungsfunktion von Angebot und Nachfrage auf Märkten nicht genutzt wird, passiert genau das, Produktionsunternehmen kaufen um ihre Planungssicherheit zu optimieren zu viele Roh-und Hilfsstoffe ein und legen sie auf Halde, während sie an anderen Stelle fehlen und Produktion verhindert wird. 

Bei aller Kritik am Kapitalismus kann man sagen, dass nach der derzeitigen Empirie nur Marktwirtschaften vom Ansatz her in der Lage sind zu einer effizienten Ressourcenallokation zu kommen. Auch bei Wikipedia lässt sich das bündig nachlesen siehe Ressourcenallokation.

Allerdings führt eine Marktwirtschaft in die Katastrophe, wenn sie nicht in einem politischen Rahmen gezügelt wird, der für zwei Dinge sorgt: Zum einen gilt es für sozialen Ausgleich zu sorgen, damit öffentliche Güter wie Bildung, Existenzsicherung, politische Teilhabe allen zugänglich sind und  Vermögen und Einkommen fair verteilt sind und Ungleicheiten sich nicht aufschaukeln. Zum zweiten muss es möglich sein, für allgemeine externe Qualitäten wie Artenvielfalt und Güter wie Luft, Wasser, Klima Nutzungsverbote und soweit möglich Preise vorgegeben werden, damit diese nicht übernutzt oder zerstört werden.

Auf die Gefahren in diesem Bereich hatte der Mikrobiologe und Ökologe Garrit Hardin bereits 1968 hingewiesen in der Zeitschrift Science unter dem Titel die Tragik der Allmende. Hier werden die Grenzen individueller Gewinnmaximierung überdeutlich. Letztlich ist diese Frage so alt wie die Wirtschaftswissenschaft selbst. Deren Begründer, Adam Smith, hat in "Wohlstand der Nationen" schlüssig belegt, dass individueller Egoismus das Wohl aller mehrt. Er konnte das allerdings tun zu einer Zeit, 1776,  als die Menschheit noch nicht den ganzen Planeten an den Rand seiner Fähigkeiten gebracht hatte menschlichen Egoismus auszugleichen. 

So weit so gut. Heißt das nun, dass Hermann Simon zu folgen ist, dass indivduelle Gewinnmaximierung und die von Unternehmen im Rahmen einer öko-sozialen Marktwirtschaft unser Weg sein wird und sein sollte? 

Dies wäre nur die halbe Antwort. 

Bevor ich diese Antwort um wichtige Teilbereiche ergänze, möchte ich den Blick auf problematische Aspekte der Gewinnmaximierung richten, wie Hermann Simon sie beschreibt. Sein Artikel beginnt mit dem Satz: "Kaum jemand dürfte bestreiten, dass Gewinn die wichtigste Messgröße für unternehmerischen Erfolg darstellt." Und im zweiten Absatz:"Für mich gibt es nur eine relevante Gewinndefinition. Gewinn ist, was der Unternehmer (Eigentümer, Aktionär) behalten darf, wenn er alle vertraglich vereinbarten Ansprüche seiner Mitarbeiter, Zulieferer, Banken und sonstigen Gläubiger sowie des Staates erfüllt hat. Nur der Gewinn nach Steuern ist Gewinn". Dies sind klare Worte und es ist gut, dass sie so klar formuliert werden. Ein guter Teil unserer Entwicklung als Menschheit rührt aus einem Innovationsgeist, der auch von dieser Faszination beflügelt wurde, etwas zu unternehmen und dafür einen großen Rückfluss an Wohlstand für sich und seine Familie zu erreichen und daraus noch mehr gestalten zu können. Offenkundig problematisch daran ist, dass maximaler Gewinn keine natürliche Grenze hat und auch Attraktität von maximalem Gewinn nicht. Der Mensch ist kreativ genug, dass er auch mit einem Vermögen von 10 Milliarden oder 100 Milliarden oder 1000 Milliarden Euro noch etwas anzufangen wüsste, nicht mehr für sich indivduell, aber in der Form, dass er sich bestimmte Zwecke herausgreift, die er über Mäzenatentum unterstützt. Gewinnmaximierende Unternehmen sind deshalb darauf angelegt, Nachfrage zu vervielfältigen, selbst wo sich diese ihrer selbst gar nicht bewusst ist. Der oben von Hermann Simon zitierte Grenzerlös eines Produktionsunternehmens ist also keine feste Größe, sondern kann durch Produktioinnovationen und Produktvariationen, Marketing und Werbemassnahmen massiv erhöht werden. In einer perfekten ökosozialen Marktwirtschaft könnte der Ressourcenverbrauch, der damit einhergeht, vielleicht in ein vollständiges Stoffrecycling überführt werden, aber solange das nicht erfüllt ist, kann ein solches System dazu führen, dass wir die meisten Lebewesen auf diesem Planten uns eingeschlossen zu Tode wirtschaften.

Meine ergänzende Antwort zu Hermann Simon ist, dass es neben gewinnmaximierenden Unternehmen wie Aktiengesellschaften und GmbHs auch Genossenschaften gibt, die darauf angelegt sind, für ihre Mitglieder Nutzenmaximierung zu betreiben und keine Gewinnmaximierung,. Sie sind nicht auf Rendite ausgelegt, sondern sollten nur so viel Gewinn machen, dass sie nachhaltig weiterbestehen können (not-for-profit). Gerade in Bereichen der normalen Daseinsvorsorge wie Wohnen, Lebensmittelerzeugung und -bereitstellung, Energieversorgung und Pflege im Alter gibt es einen relativ klaren Grundbedarf bzw. Grundnutzen. Wird dieser nach dem genossenschaftlichen Selbstkostenprinzip im Rahmen einer Selbstorganisation zur Verfügung gestellt, ist es nach dem Minimalprinzip wirtschaftlich geboten, dies zu möglichst niedrigen Kosten zu realisieren. Auch dies führt demnach zu einer effizienten Resourcenallokation. Es gibt hier aber keinen systemimmanenten Expansionsdruck und somit auch keinen Wachstumsdruck wie in Aktiengesellschaften oder GmbHs.

Meine These ist somit, dass man zweigleisig fahren sollte und kann, um das Klima, die planetaren Ressourcen, die Artenvielfalt und damit das menschliche Leben künftiger Generationen zu schützen. Man sollte zum einen unsere Marktwirtschaft zu einer echten ökosozialen Marktwirtschaft ausbauen, die Grundfreiheiten wie Gewerbefreiheit, freie Berufswahl und die Tarifautonomie erhält und zum zweiten mehr Forschen und Fördern im Bereich von wirtschaftlichen Nutzergemeinschaften wie Genossenschaften, wirtschaftlichen Vereinen, Mietshaussyndikaten und Organisationen wie Buurtzorg. Ein Beispiel, wo dies nach meiner Einschätzung relativ gut gelingt, ist Zürich im Bereich Wohnen. Hier werden alle Wohnungsunternehmen bevorzugt behandelt, die sich an das Prinzip der Selbstkostennmiete halten. Dadurch bleibt privatwirtschaftliche Innovation weiter möglich, aber es gibt eine breite Basis für gemeinwohlorientiertes Wohnen, das dies auch inhaltlich und nicht nur dem Namen nach ist.

Zitat Stadtverwaltung Zürich:
" Als gemeinnützige Wohnungen im engeren Sinne werden gemäss Definition der Gemeindeordnung jene «Wohnungen im Eigentum von gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen oder Wohnbauträgern» gezählt, «die ohne Gewinnabsichten dem Prinzip kostendeckender Mieten verpflichtet sind».
 
Quelle
 
Ausblick 1
 
Vielleicht finden sich ja ein paar Mäzene, die ein Forschung-, Beratungs- und Bildungsinstitut in diesem Bereich fördern wollen :) Ein linkes Forschungsinstitut hat vorgemacht, wie das gehen kann, das Frankfurter Institut für Sozialforschung , das von einem kapitalistischen Mäzen finanziert wurde ;)

Ausblick 2

Zur Frage, wie wir zu einer ökosozialen Marktwirtschaft gelangen, sehe ich als einzigen Weg, dass wir ergänzend zu unserem parlamentarischen System Bürgerinnenversammlungen durchführen, um im ersten Schritt die Klimakreise abzumildern und im zweiten Schritt einen Ökozid zu verhindern. Wolfgang Schäuble hat das Potential dieses Instrumentes mittlerweile erkannt und setzt sich dankenswerterweise als Bundestagspräsident dafür ein, siehe Bürgerräte.

Ausblick 3

Entsprechend der neueren Institutionenökonomik, dem Prinzipal-Agenten-Dilemma und der Tragik der Allmende maximieren große Genossenschaften nicht selbstverständlich den Nutzen ihrer Mitglieder. Elisabeth Voss als erfahrene Publizistin und Praktikerin spricht dies in Ihrem Video bei min 21:12 klar an. Nach meinem Eindruck am intensivsten hat sich die Wirtschafts-Nobelpreisträgerin Elinor Ostram mit diesen Fragen befasst. Dies verdient einen eigenen Blogpost. Auch hier werden analog zu Bürgerräten in Demokratien Mitgliederräte ins Spiel kommen.

Ausblick 4

Neben den beiden oben genannten Schritten gibt es einen weitergehenden Schritt. Es ist an der Zeit dass sich individuell und kollektiv das menschliche Bewusstsein erweitert und wir zu einem tieferen Verständis kommen wer wir sind und wie wir mit allen und allem verbunden sind. Daraus werden bessere Antworten auf aktuelle Herausforderungen formuliert werden als das früher der Fall war, individuell und kollektiv. Friday for Future ist dafür ein Beispiel. Die Corona Pandemie war für viele Anlass Dinge in ihrem Leben anderes zu bewerten. Otto Scharmer vom MIT mit seinem Presencing Institute, mit Theory U und deep listening ist in dieser Richtung unterwegs aber auch Ansätze die auf Ken Wilber basieren wie Soziokratie und Holokratie oder die Arbeit von Bernd Österreich mit seinem Ansatz der kollegialen Unternehmensführung und der systemischen Organisationsentwicklung.