Montag, 11. Januar 2021

Folgerungen aus dem Satz von Turing

Als Nicht-Mathematiker über Mathematik zu schreiben, ist vielleicht vermessen. Dennoch mache ich es hier, weil ich den Eindruck habe, dass ein Gedanke, der mir beim Sehen eines Video mit Bezug zum Satz von Turing kam, neu ist. 

Das Video ist Teil einer Videosammlung von Prof. Weitz von der HAW Hamburg zur theoretischen Informatik, einem Teilgebiet der Mathematik. Ich hatte einige der Videos gesehen mit Bezug zur Metamathematik, konkreter dem Hilbertprogramm, also dem Versuch des Mathematikers David Hilbert, Aussagen über die Mathematik mittels mathematischer Methoden zu machen. Gescheitert ist dieses Programm laut Weitz durch den ersten Unvollständigkeitssatz von Gödel. In die gleiche Richtung weist auch der Beweis von Turing zum sogenannten Halteproblem. Zitat Wikipedia: 

"Turingmaschinen sind bis zum heutigen Tag einer der Schwerpunkte der Theoretischen Informatik, nämlich der Berechenbarkeitstheorie. Mit Hilfe der Turingmaschine gelang Turing der Beweis, dass es keine Lösung für das „Entscheidungsproblem“ gibt. Er zeigte, dass die Mathematik in gewissem Sinne unvollständig ist, weil es allgemein keine Möglichkeit gibt, festzustellen, ob eine beliebige, syntaktisch korrekt gebildete mathematische Aussage beweisbar oder widerlegbar ist. Dazu bewies er, dass das Halteproblem für Turingmaschinen nicht lösbar ist, d. h., dass es nicht möglich ist, algorithmisch zu entscheiden, ob eine Turingmaschine, angesetzt auf eine Eingabe (initiale Bandbelegung), jemals zum Stillstand kommen wird, das heißt die Berechnung terminiert. "

Bei Min 13:47 schreibt Weitz " Satz von Turing 1936. Man kann keine Turingmaschine konstruieren, die für jede Turingmaschine und jede Eingabe entscheiden kann, ob die Maschine mit dieser Eingabe terminiert". Terminiert meint, dass das Programm, für das die Maschine fest programmiert wurde, zu einem Ende findet statt endlos weiterzulaufen. Bei Minute 19:37 folgert er: "Es kann kein Programm geben, das für jedes beliebige Programm und jede Eingabe korrekt entscheiden kann, ob das Programm mit dieser Eingabe terminiert."

Weitz spricht von "dem zweiten Wirkungstreffer, nach den Gödelschen Unvollständigkeitsätzen, den das Hilbertprogramm einstecken musste". Im gleichen Video sagt er bei 14:00 die "wesentliche Beweisidee, die Turing dafür brauchte, war neben der Gödelisierung Cantors Diagonalisierung.

Ich behaupte jetzt, dass daran deutlich wird, dass Mathematiker bis dahin und vielleicht auch noch heute nicht vollständig klar war oder ist, dass Beweise bei ihrer Generierung sich nicht vollständig formalisieren lassen. Ihr Ergebnis lässt sich zwar formalisieren, nicht aber der kreative Teil, die Beweisidee(n), die ihm zugrunde liegt/liegen bzw. die verwendet wurde(n), um die Formalisierung des Beweises zu erreichen. Es geht mir nicht darum Mathematiker zu kritisieren, sondern darum, zu inspirieren, den nächsten Schritt zu gehen. Oder vielleicht erst einmal darum, zu sehen, dass man hier genauer begreifen müsste, was einen Beweis ausmacht. Ein Beweis ist eben nicht nur Logik, sondern auch Annehmen was ist, anschauen was ist, Möglichkeiten und mögliche Zusammenhänge entdecken, ausprobieren, gestalten. Eigentlich weiss das jeder, aber wir laufen dennoch Gefahr es zu vergessen und begreifen vielleich noch nicht die Konsequenzen.

Wenn ich recht hätte, gäbe es keinen abgeschlossen, zeitlosen, statischen Ideenraum, sondern dann wären Mathematiker mit ihrer Kreativität auch im Bereich der abstrakten metyphysischen Ideenwelt ein lebendiger Teil dieser. Dies wäre analog zur Erkenntnis der Physik, dass der Beobachter das Ergebnis beeinflusst wie zum Beispiel beim Doppelspaltexperiment der Quantenphysik oder wie in der Sozialwissenschaft mit deren doppelten Selbstreferenz.

Weitz sagt an einer Stelle, dass Mathematiker auch heute in ihrer Forschungspraxis davon ausgehen, dass ihre Arbeit Sinn macht, obwohl es die Unvollständigkeitssätze gibt und Weitz spricht oben zum Beispiel ebenfalls von der "wesentlichen Beweisidee". Aber soweit Mathematiker es noch als ein "einstecken müssen" empfinden, dass der Satz von Turing stimmt, zeigt das, dass für sie die theoretische Vorstellung attraktiv war, einen Algorithmus bzw ein Programm zu konstruieren, das alle anderen denkbaren Programme beurteilen kann bzw. enthält. Intuitiv leuchtet es ein, warum das nicht geht. Wenn es einen kreativen Anteil an einem Beweis gibt und es gäbe einen Beweis, der alle anderen enthielte, müsste er auch alle kreativen Anteile dieser Beweise enthalten. Damit wäre die Kreativät begrenzt und statisch statt offen und dynamisch. Spekulativ würde ich sagen, wenn dies theoretisch denkbar wäre, dann könnte es kein Universum und kein Leben geben, da es sich nie aus seiner ersten Idee, seiner ersten Geschlossenheit heraus hätte weiter kreieren bzw. differenzieren können. 

Was wäre der nächste Schritt, den Mathematiker gehen können? Wenn man sich darauf einlässt, dass man Teil eines kreativen intelligenten Bewusstseins ist, das sich weiterentwickelt und dabei über die physische Welt hinaus geht, wäre man Teil einer metaphysischen Weggemeinschaft und gleichzeitig deren irdische Manifestation. In der Praxis würde es für viele Mathematiker vielleicht keinen Unterschied machen, weil sie sowieso schon einen Zugang zu ihrer Kreativität haben, aber es könnte noch einmal motivieren und fokussieren sie interessessierende Projekte anzugehen und sich dabei vielleicht mehr mit allem anderen Wissenschaften und allem, was es sonst so gibt, verbunden zu fühlen bzw. um die Verbindung zu wissen.

Donnerstag, 7. Januar 2021

Es ist nicht nur China, das besser durch die Covid-19-Pandemie kommt

Situation

China hat es bisher geschafft, die Zahl der Infektionen niedrig zu halten. Nach meinem Eindruck gelang dies durch rigorose staatliche Quarantänemassnahmen zu Beginn der Erkrankungswelle und hoher Selbstdisziplin der Bevölkerung. Mittlerweile zeigt sich, dass Deutschland nicht als Beispiel herhalten kann, dass dies auch einem westlichen Land gelungen ist. Man könnte meinen, dass der entscheidende Grund für das bessere Abschneiden Chinas dessen autoritäres Regierungssystem ist und dies deshalb im Westen bzw. in Demokratien nicht möglich ist. Schaut man sich aber andere asiatische Länder an wie Japan, Südkorea oder Thailand, sind auch dort die Infektionsraten niedrig. 

siehe https://www.corona-in-zahlen.de/weltweit/

Ich habe einmal das arithmetische Mittel berechnet der Infektionsraten der westlichen Ländergruppe USA, Canada, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien und der asiatischen Ländergruppe China, Japan, Südkorea, Thailand (d.h. nicht gewichtet nach Anzahl Bevölkerung). Die Infektionsrate im Westen liegt bei 3,67% im Osten bei 0,09%. Das heißt im Westen ist die Infektions 40,8 mal so hoch wie im Osten per heute!

Folgerungen

Ich vermute, dass es im Osten eine höhere Selbstdisziplin quer durch die ganze Bevölkerung gibt und dass dies mit einer anderen Auffassung damit zu tun hat, wie das Verhältnis von Individuum zu Gesellschaft auszubalancieren ist. Im Westen gibt es nach meinem Eindruck ein viel stärkeres indivdualistisches Selbstverständnis, im Osten ein kollektivistisches. 

Ich glaube nicht, dass es dabei darum geht, jetzt unsere Auffassung zu verwerfen und das asiatische Verständnis sich zum Vorbild zu nehmen, sondern überhaupt erst mal zu erkennen, dass dieser Unterschied ein Faktor sein kann, der die Wirklichkeit prägt. Auch beim Klimanotstand macht es einen großen Unterschied, ob wir das Austarieren von individuellen Zielen und das Gesamtwohl hinbekommen. Ich denke Covid-19 hilft den Menschen im Westen sich zu veranschaulichen, dass sie beides sind, Individuen und Kollektivwesen und dass es einen Unterschied macht, ob sie nur das eine leben oder beides.

Vielleicht bekommen wir nach und nach global eine gute Synthese hin von Individualismus und Kollektivismus, in dem wir uns immer mal wieder gegenseitig inspirieren in die eine oder andere Richtung. Diese Vorstellung gefällt mir besser als die Vorstellung, die eigene Weltauffassung sei anderen grundsätzlich überlegen und das würde sich auch nicht ändern. Dass passt zu meinem bereits früher geäußerten Gedanken, dass wir als Menschheit eine Weggemeinschaft sind.