Inspiriert von zwei Gesprächen mit
Harald Welzer (Sozialpsychologe, Leiter von Futurzwei) zu positiven
Entwürfen für eine nachhaltige Gesellschaft fiel mir auf, dass die
genossenschaftliche Betriebswirtschaftslehre (BWL) Teil dieser nachhaltigen,
lebenswerten Zukunft sein kann, ja sogar die gesamte
bedarfswirtschaftliche BWL in Ergänzung zu einer
ertragswirtschaftlichen d.h. gewinnmaximierenden BWL. Dies liegt
daran, dass, wenn statt Gewinnmaximierung Nutzenmaximierung zum
Entscheidungskalkül wird, nicht mehr ein immer mehr = immer besser
gilt, sondern die Haushaltsperspektive eingenommen wird, nämlich einen
definierten Nutzen mit möglichst wenig Mitteln zu erreichen. Global gesehen sind wir ein gemeinsamer Haushalt mit allen Lebenwesen als Mitglieder dieses Hauhaltes und wir müssen bei unserem Handeln das Wohlergehen und die Rechte aller Lebewesen auf Existenz im Blick haben, als auch die Begrenztheit unserer Haushaltsmittel. In der bedarfsorientierten BWL wird das wirtschaftliche Minimalprinzip statt dem Maximalprinzip
angewendet. Statt die volle Kaufkraft der Käufer über Werbung, Verkaufsförderung und Marketing
möglichst maximal auszuschöpfen, bedeutet bedarfswirtschaftliche
BWL zu sehen, dass das Gros der Bedürfnisse bei allen Menschen sehr
ähnlich ist und über effiziente Wirtschaftsunternehmen
ressourcenschonend gedeckt werden kann. Dabei kann mit Unternehmen der gleichen Branche kooperiert werden, statt dass mit ihnen konkurriert wird und da bei der Preisbildung diese Kooperation nicht zur Kartellbildung genutzt wird, um die Preise zu erhöhen, muss auch ein Bundeskartellamt als Wettbewerbsbehörde hier nicht eingreifen. Dabei sind solche Wirtschaftsunternehmensformen
auch potentiell offen für die flexible Mitarbeit von Kunden und im
Falle von Genossenschaften Mitgliedern, ohne davon abzuhängen. Die Potentiale der Anwendung
einer bedarfswirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre in
Genossenschaften, öffentlich-rechtlichen Unternehmen, Unternehmen
von kirchlichen und anderen gemeinnützigen Trägern, aber auch von
ganz oder teilweise gemeinnützig ausgerichteten Unternehmen ist
erst am Beginn ihrer Entfaltung. Hierzu trägt
möglicherweise auch die Nachfrage von nachhaltigen Geldanlagefonds
und Banken wie der ökologisch ausgerichteten Genossenschaftsbank GLS bei, die dazu führen könnte, dass sich nachhaltige Aktiengesellschaften herausbilden, die sich
konsequent und glaubwürdig nachhaltig und vielleicht sogar
bedarfswirtschaftlich statt gewinnmaximierend ausrichten. Dazu müsste nicht die Gewerbefreiheit aufgegeben werden und erst recht keine Verstaatlichung von unternehmerischem Eigentum stattfinden, wie das zur Zeit in Berlin für Wohnungsunternehmen diskutiert wird, siehe https://www.tagesspiegel.de/berlin/spd-und-gruene-legen-abneigung-ab-berliner-koalition-will-ueber-enteignung-von-immobilienkonzernen-verhandeln/26677160.html . Es wäre auch denkbar, dass nach dem Vorbild des norwegischen Staatsfonds mehr Länder Staatsfonds einrichten, die sich an solchen Unternehmen beteiligen.
Die Unterscheidung von bedarfswirtschaftlichen Unternehmen und ertrags- oder erwerbswirtschaftlichen hatte ich zuerst bei Max Weber gefunden, siehe https://liberalundkooperativ.blogspot.com/2020/10/verbluffende-erkennntis-gefunden-bei.html