Samstag, 31. August 2019

Was passiert, wenn Genossenschaften sich wie Stiftungen verhalten?

Dass es in der Praxis dazu kommen kann, dass Genossenschaften sich wie Stiftungen verhalten, ist nicht weiter verwunderlich. Nehmen wir mal an, es gäbe eine Stiftung, die ein großes Portofolio von Wohnungen verwaltet, dass sie allen denjenigen zugute kommen lässt, die dem Förderziel der Stiftung entsprechen. Ist man vom Ziel der eigenen Stiftung fest überzeugt und will man sie in ihrem Wirken langfristig erhalten, ist es wichtig und richtig, darauf zu achten, dass der Wohnungsbestand in einem guten bis sehr guten Zustand erhalten wird und dass genügend Mieteinnahmen erzielt werden, um alle Kosten der Wohnungensinstandhaltung und der Verwaltung zu decken und in der Lage zu sein, in die Jahre gekommene Wohnhäuser falls notwendig durch neue zu ersetzen, sowie auch zusätzliche Häuser zu bauen, sollte das Teil des Stiftungsziels sein. Es ist dann verantwortlich absolut sicher zu gehen, dass keine Wohnungen zu günstig vermietet werden, um die Substanz der Stiftung nicht zu schmälern. Umso mehr Substanz aufgebaut wird, umso besser ist dies für die zukünftigen Möglichkeiten der Stiftung, wohltätig zu wirken. Solange die Mieten für die Mieter gut finanzierbar sind und die Wohnungen in einem guten Zustand sind, sind die Mieter zufrieden und freuen sich Begünstigte der Stiftung zu sein. Sie sind der Stiftung und ihren Repräsentanten wohl gesonnen. Sie vertrauen der Geschäftsführung und wünschen sich die Fortsetzung dieser Entwicklung für die kommenden Jahre.

In einer Genossenschaft ist die Situation etwas anders gelagert. Ziel einer Genossenschaft im Bereich Wohnen ist die wirtschaftliche Förderung der Mitglieder durch die Bereitstellung von Wohnungen in guter Qualität zu Nutzungsentgelten so niedrig wie möglich und so hoch wie nötig. Da die Mitglieder gemeinsam Eigentümer des Unternehmens sind, sind sie zugleich Mitunternehmer und eine Wohneigentümergemeinschaft. Sie zahlen keine Miete sondern Nutzungsentgelte, die sich danach richten wie hoch die Kosten der Bewirtschaftung für Bau, Erhalt und Bewirtschaftung der jeweiligen Wohnanlage sind. Gerade in Wohnungen, die schon lange genutzt werden und deren Herstellkosten abgeschrieben sind oder bei einem Bruchteil dessen lagen, zu dem heute gebaut werden kann,  kann dies bedeuten, dass die "Kostenmiete" deutlich unter dem liegt, was Mietern am freien Wohnungsmarkt für solche Wohnungen abverlangt wird, die nicht zugleich Eigentümer innerhalb einer Genossenschaft sind. Da im Gegensatz zu einer Stiftung es in einer Genossenschaft darum geht, die Mitglieder wirtschaftlich zu fördern und es kein weiteres rang-gleiches Ziel gibt, gilt der Grundsatz, dass dieses Ziel bestmöglich zu erfüllen ist, im Rahmen der allgemein anerkannten Prinzipien guter Unternehmensführung, nach der ein Unternehmen sich immer auch als guter Arbeitgeber und verantwortlich handelnder Akteur im öffentlichen Gemeinwesen und gegenüber der Umwelt verstehen sollte. In der Praxis kann dies bedeuten, dass Wohnungsgenossenschaften ältere Wohnungen oft zu Nutzungsentgelten anbieten, die weit unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Diese Genossenschaften sind dann gewinnorientiert mit dem Fokus auf eine Nutzenmaximieung für ihre Mitglieder statt im Sinne der Substanzmaximierung einer Stiftung.

Beide Unternehmensformen können verantwortliches wirtschaftlichen Handeln bedeuten, sind aber in ihren Auswirkungen deutlich unterscheidbar.

Falls Genossenschaften aufgrund von Dyamiken lebendiger Organisationen sich über lange Zeit hin zu Unternehmen mit Stiftungscharakter entwickelt haben oder weiter entwickeln, ist dies empirisch eine Entwicklung, die in den Wirtschaftswissenschaften im Feld der neuen Institutionenökonomik seit Jahrzehnten bekannt ist und erforscht wird (siehe zum Beispiel das  Prinzipal-Agenten-Dilemma, siehe  https://de.wikipedia.org/wiki/Prinzipal-Agent-Theorie  ). Fällt so eine Entwicklung auf, ist dies immer eine Einladung, sich darauf zu besinnen, welches Potential in der einmal gewählten Unternehmensform steckt und sich daran zu machen, dieses zu heben.

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