Sonntag, 15. August 2021

Meine Auseinandersetzung mit dem Buch "Auf dem Weg zu einer Green Economy"

Zunächst hatte ich das Buch "Auf dem Weg zu einer Green Economy - Wie die sozialökologische Transformation gelingen kann" von Walter Kahlenborn, Jens Clausen, Siegfried Behrendt, Edgar Göll (Hg.) mit großen Interesse gelesen. Besonders gefiel mir die Entdeckung, dass es drei Grundprinzipien gibt, die die Basis bilden können, um Wirtschaft und Ökologie zu integrieren: Effizienz, Konsistenz und Suffizienz, siehe mein Blog-Artikel hier. Vielen Dank auch an die Autoren, dass sie das Buch kostenlos online verfügbar gemacht haben.

Ich wunderte mich allerdings, dass ich darin nichts dazu fand, dass Genossenschaften Nachhaltigkeit leichter fällt als Aktiengesellschaften, da ihnen der Druck zu Rendite und Gewinnmaximierung fehlt. Ihr Zweck ist ja die Förderung der Wirtschaft ihrer Mitglieder durch das Angebot von Produkten und Dienstleistungen.

Das Buch will Antworten geben, wie eine gute Umweltpolitik aussieht, die zu einer Transformation der Wirtschaft in die Nachhaltigkeit führt. Da erscheint es mir naiv und unwissenschaftlich, gar nicht auf des Grund-Paradigma der Gewinnmaximierung der Betriebswirtschaftslehre und der Wirtschaftswissenschaft insgesamt einzugehen. Eigentlich müsste man darlegen, inwieweit es zu ändern ist. Oder man hofft, dass die Unternehmen schon mitspielen im Rahmen von Prinzipien guter Unternehmensführung und ansonsten über harte Regulierung dazu gezwungen werden. Hier wäre das Buch dann aber widersprüchlich, da es viel davon handelt, wie Transformationen ganzheitlich angestossen werden können. Die Forschung, die hierzu dargelegt wird, ist sehr interessant und die Erfolgsfaktoren für funktionierende Veränderungsprozesse ebenso, aber das derzeit in der Betriebswirtschaftslehre und in Bezug auf "normale" Unternehmen in der Mikroökonomie  dominierende Gewinnmaximierunspostulat (Ausnahmen können müssen aber nicht sein Genossenschaften, Stiftungsunternehmen, kirchliche oä Unternehmen und öffentliche Unternehmen) wird nur als ein Faktor unter vielen erwähnt im Gegensatz zur Ökonomie, wo es als das einzige gängige Ziel zugrunde gelegt wird.

Das Buch erklärt, dass und wie Pfadabhängigkeiten Veränderungen oft sehr erschweren. Es scheint aber  zu ignorieren, dass aktuelle Unternehmen in ihren jeweiligen Unternehmensformen und Zielausrichtungen damit selbst gravierende Pfadabhängigkeiten darstellen.

Es wäre gut, wenn ein Buch über die nachhaltige Transformation der Wirtschaft auch theoretisch zeigen kann, wie zum einen nachhaltigere Unternehmensformen wirtschaftlich erfolgreich und besser in einer neuen ökologischen Welt agieren können und wie eine Transformation von herkömmlichen Unternehmensformen möglich ist. So waren Aktiengesellschaften ursprünglich eine Art wirtschaftlicher Renditeverein und Kapitalsammelstellen. Über Crowdfunding gibt es heute eine andere Möglichkeit,  Kapital für Unternehmen zu sammeln, die Rendite und Nachhaltigkeit ausgewogen berücksichtigen wollen oder noch überzeugender in Form von Genossenschaften gar nicht auf Gewinnmaximierung ausgelegt sind. Dieses Feld genauer zu untersuchen, halte ich für geboten in der derzeitigen Situation und das hätte ich erwartet von einem Buch mit dieser Themensetzung.

Ein Gegenargument zu meiner Kritik könnte sein, dass es ja Aktiengesellschaften gibt, die deutlich auf Nachhaltigkeit setzen wie zum Beispiel Unternehmen, die am The Climate Pledge teilnehmen wie Amazon, die bis 2040  (immer noch deutlich zu spät aber besser als 2050, 2040 enstpricht dem Ziel von Österreich ggü Deutschland und USA mit 2050 und China mit 2060) klimaneutral sein wollen oder Microsoft, die laut eigener Aussage seit 2012 als klimaneutral gelten und es bis 2050 hinbekommen wollen, alle CO2 Emmissionen ihrer Unternehmensgeschichte nachträglich zu kompensieren. Ökonomisch ist das schwer herleitbar und deshalb bleibt unklar, ob bei weniger in der Öffentlichkeit exponierten Unternehmen auf breiter Linie ebenso gehandelt würde. Es kann natürlich immer Unternehmer/innen geben, die ein Unternehmen mit ihren persönlichen Priortäten dominieren, auch Aktiengesellschaften über entsprechende Mehrheitsverhältnisse oder informell, aber dies ist willkürlich. 

Blicke in die Praxis zeigen zum einen, dass viele Unternehmen von sich aus klimaneutral werden wollen wenn auch eine Minderheit. In Deutschland sind es laut bitcom 46%, davon 33% rechtzeitig (bis 2030; genauer 22% dieser 46% bis 2025 und 50% der 46% in 2026-2030). Eine andere Untersuchung zeigt dagegen, dass Mitarbeiter bei klein- und mittelständischen Unternehmen auf dem Land zwar Klimaschutz wichtig finden, in ihren Entscheidungen aber eigene Interessen bei der Wahl eines Arbeitgebers im Zweifel dominieren. Selbst bei jungen Menschen (Auszubildende und Studenten/innen seien es eine Minderheit (37%), denen ökologisches Engagement ihres Arbeitsgebers wichtig oder sehr wichtig sei. Ein Negativ-Beispiel ist die Unternehmensberatung Accenture, 569.000 Mitarbeiter, die zwar viele Worte macht und anscheinend auch Unternehmen zu Nachhaltigkeit beraten will sogar unter der Überschrift "Path to net zero", also der Pfad zu nettonull, aber für sich kein Ziel nennt, bis wann sie Klimaneutralität erreichen will. Dass dies nicht nur der Branche geschuldet ist mit einer hohen Reisefrequenz mit Flügen von Beratern/innen zeigt der Konkurrent Cap Gemini, 270.000 Mitarbeiter, der Klimaneutralität 2030 erreichen will.

Fazit: Insgesamt halte ich das Buch für sehr lesenswert aber in einem zentralen Punkt für unfertig.

 

Samstag, 14. August 2021

Fallstrick gemeinwohlökonomischer Betrachtungen

Ohne hier darauf einzugehen, was unter Gemeinwohlökonomie verstanden werden kann, bekam ich beim Querlesen eines Sammelbandes (1) zum Thema aus den 1970er Jahren eine Idee, welcher Fallstrick bei dem Thema lauert.

Ich vermute viele Autoren und Aktivisten damals und heute (2) hoffen, einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus zu finden oder suchen eine Möglichkeit einen funktionierenden Sozialismus zu finden. Sie suchen Gestaltungsmöglichkeiten und wollen dazu konzeptionelle Grundlagen schaffen.

Das Problem scheint mir zu sein, dass sie dabei übersehen, dass es bereits einen dritten Weg gibt, der funktioniert: bedarfswirtschaftlich ausgerichtete Genossenschaften, die keine Gewinn- und Renditemaximierung betreiben, sondern sich am Nutzen ihrer Abnehmer ausrichten (ausführlich siehe zum Beispiel hier). Ich glaube es ist beim Prüfen von Konzeptionen zur Gemeinwohlökonomie oder Gemeinwirtschaft wichtig zu verstehen, ob die jeweiligen Autoren/innen die Potentialentfaltung einer bestimmten Unternehmensform ermöglichen wollen unter Einhaltung des Prinzips der Gewerbefreiheit oder von außen regeln oder Druck aufbauen und auf Unternehmen Einfluss nehmen wollen. Es steht ja bereits jedem frei gemeinwohlökonomische Unternehmen zu gründen und sich dazu mit anderen zusammen zu schließen oder das eigene Investitions- und Kaufverhalten danach auszurichten. Und auch Staaten und Kommunen können Unternehmen für bestimmte Zwecke gründen und tun dies ja auch insbesondere in Bereichen in denen das Sinn macht weil ein Monopol ökonomisch und gesellschaftlich sinnvoll ist solange es nicht auf der Preisseite die Nutzer ausnutzt (hohe Kosten für Infrastruktur, bei denen mehrere parallele Strukturen unökonomisch wären).

Ein mögliche Kritik an meiner Behauptung mit Genossenschaften gäbe es bereits einen dritten Weg könnte sein, dass dieser offenkundig noch nicht breit genug gegangen wird, um massive gesellschaftliche Auswirkungen zu haben. Ich denke tatsächlich, dass Genossenschaften erst am Anfang ihres Aufstieges als sinnvolle weil nachhaltige und sozial positive Unternehmensform stehen und man auch nicht den Anspruch haben sollte, alles über Unternehmensformen zu lösen. Der Schutz der Umwelt und soziale Ausgewogenheit sollte in einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft über die Parlamente als Gesetzgebungsinstitutionen erfolgen.

(1) "Gemeinwirtschaft" im Wandel der Gesellschaft, Festschrift für Hans Ritschl u.a. mit Beiträgen von Theo Thiemeyer, Burkhardt Röper und Gisbert Rittig

(2) am populärsten Christian FelberGemeinwohl-Ökonomie ab circa 2010