Dienstag, 7. Juni 2022

Gedanken zu Horst Albachs "Gutenberg und die Zukunft der Betriebswirtschaftslehre"

 Text in Arbeit noch nicht fertig!

 Horst Albach schreibt in "Gutenberg und die Zukunft der Betriebswirtschaftslehre", 1997, über das Solidaritätsaxiom in der BWL [Betriebswirtschaftslehre] Erich Gutenbergs und dass es sich in der Empirie nicht durchgängig halten lässt. Dabei bedeutet Solidaritätsaxiom laut Albach "Jeder Mitarbeiter im Betrieb verfolgt solidarisch dasselbe Ziel, nämlich das Unternehmensinteresse zu maximieren." [Anmerkung: das Unternehmensinteresse besteht dabei darin, die Unternehmensziele bestmöglich zu erreichen dh. zu maximieren. Unternehmen haben anders als Menschen keinen Selbstzweck. In der Praxis geht diese Unterscheidung mitunter verloren.]  Neue Ansätze der BWL sind laut Albach seitdem entstanden, insbesondere die entscheidungsorientierte, die systemorientierte, die verhaltensorientierte und die handlungsorientierte BWL. Auch die institutionenökonomische BWL wäre hier zu nennen. Albach schreibt zurecht, dass es genauso unrealistisch wäre anzunehmen, dass das Axiom der verhaltensorientierten BWL immer richtig ist, dass Akteure in Unternehmen immer primär ihre eigenen Interessen verfolgen wie es unrealistisch wäre anzunehmen, dass sie primär das Teaminteresse verfolgen. Um aus diesem Bewertungsdilemma herauszukommen, sehe ich folgenden Pfad: Die Frage lässt sich klären bzw. in ein einziges Denksystem integrieren, wenn man versteht, dass in Entscheidungsystemen, in denen Menschen beteiligt sind, es neben der Rationalität auf der Sachebenee , das heist bei der Disposition innerhalb des Unternehmens in den Bereichen Unternehmensplanung und bei den operativen Ebenen Bereitsstellung der Produktionsfaktoren (Einkauf, Finanzierung, Personalwesen), Leistungserstellung, Leisterungsverwertung (Absatz) immer auch um Leitideen, Bewusstheit, Kapazitäten und Kommunikationsakte geht. Meine These ist, dass eine neue BWL, die diese Faktoren integriert ohne ihre Grundlagen zu vernachlässigen, normativ sinnvolle Aussagen treffen kann, die in der Praxis dann auch tatsächlich angewandt werden, soweit der diese neue BWL bekannt ist bzw sie sie an sich heranlässt und sie an den Universitäten gelehrt wird. Auf der Metaebene, also bei der Reflexion der BWL über sich selbst, sollte ihr bewusst sein, dass sie mit der Praxis eine Einheit bildet, eine Welt, und sie sich nicht darin erschöpfen kann, von außen auf ein Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt zu blicken, sondern dass sie ein Teil davon ist und sie diese Welt neu gestaltet. Albach schreibt dazu "Man kann eben nicht betriebswirtschaftliche Steuerlehre unterrichten, ohne auch Unternehmen steuerlich zu beraten. Man kann nicht Investitionstheorie lehren, ohne auch in Unternehmen Systeme der Investitionsrechnung einzurichten. Man kann nicht über Führungsorganisation im Unternehmen forschen, ohne an Hauptversammlungen teilzunehmen oder Erfahrungen im Aufsichtsrat von Unternehmen gesammelt zu haben." (Seite 12,13) Bei Albach ist die Relevanz von Bewusstheit bereits angelegt, wie ich unten aufzeigen werde.

 1. Leitideen

In der BWL Gutenbergs sind  Leitideen vorhanden und werden ausreichend weit ausgeführt, allerdings mit dem Fokus auf gewinnmaximierende Unternehmen. Dies ist aber auch ohne weiteres möglich für  bedarfswirtschaftliche Unternehmen wie Genossenschaften, öffentliche Unternehmen und Stiftungsunternehmen über das Nutzenmaximierungskalkül mit Blick auf  die Abnehmer der Produkte oder Dienstleistuungen der jeweiligen bedarfswirtschaftlich konstituierten Unternehmens. Es ist deshalb sinnvoll in die BWL eine 2. Säule einzuführen. Ich habe dazu bereits häufig hier gebloggt.

2. Bewusstheit

Meine These ist, dass sowohl die gute Anwendung einer BWL in der Praxis als auch die Qualität der BWL selbst von der Qualität der Bewusstheit der Protagonisten abhängt. Sehe ich zum Beispiel mich selbst oder andere als ein Mensch an, der nur ganz eng indivduelle Ziele ohne Rücksicht auf andere verfolgt, ist das mein Menschenbild, werde ich eher einer BWL zuneigen, die auf Dauer sich mit Konflikten auch innerhalb von Unternehmen befassen muss. Albach spricht in diesem Zusammenhang von der möglichen Zukunft der BWL als Konfliktlehre. Dann wären zum Beispiel Ansätze wie Mediation in den Werkzeugksten der BWL zu integrieren und es ginge darum standardmässig bei Entscheidungsituationen die möglichen Interessen derjenigen im den Blick zu bekommen, die an der Entscheidung beteiligt sind. [Gute Mediation basiert darauf die Interessen mit den Konfliktparteien herauszuarbeiten, siehe zum Beispiel Silke Freitag, Jens Richter (Hrsg.) Mediation - das Praxisbuch - Denkmodelle, Methoden und Beispiele, Beltz Verlag 2015.] Sehen Protagonisten in Wissenschaft und Praxis bei sich selbst, dass sie sowohl Eigeninteressen haben als auch, dass sie es gut finden, wenn sie etwas für andere tun können, ist das ihr Menschenbild, werden sie mehr dem Solidaritätsaxiom zuneigen und nur am Rande auf mögliche Egoismen von anderen Protogonisten achten. Das scheint mit einer möglichen Zukunft der BWL zu korrespondieren, die Albach als Harmonielehre bezeichnet. Historisch kommen wir im "Westen" von einer individualisierten Selbst- und Fremdwahrnehmung [siehe zB die protestantische Gnadenlehre und ihr Einfluss in der Wirtschaft ausgeführt von Max Weber in "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus", 1904/1905]  Allerdings hat der Historiker Rutger Bregmann in seinem bahnbrechenden Buch "Im Grunde gut" 2020 belegt, dass dies eine falsche Selbst- und Fremdwahrnehmung ist. Im "Osten" war eher ein kollektives Selbstverständnis vorherrschend und dort geht es vielleicht mehr darum, dass sich Menschen bewusst werden, dass sie auch indiviudell das Recht auf freie Entfaltung und eigene Interessen haben. Die bisherige wirtschaftliche Leitidee des Westen zeigt sich vielleicht am deutlichsten in dem Satz von Thomas Jefferson "Every man has the right to persue his own happiness" in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Auch wenn dieser Satz richtig ist, kann man ihn unterschiedlich verstehen. Ein Mensch, der sich als isoliertes Individuum versteht, wird dabei rücksichtsloser vorgehen als ein Mensch , der sich als Individuum und zugleich als Teil eines oder eher viele Kollektive auf unterschiedlichen Aggregationstufen erlebt und sich dieser Ebenen bewusst ist. Das geht bis dahin, dass er sich als Teil des Erdsystems wahrnimmt und deshalb auch Ziele wie Klimaschutz und Artenschutz bei seinen Handlungen berücksichtigt.

Die Frage der Bewusstheit hat auch eine ökologische Dimension. Sind Menschen  noch kollektiv von Mangelerfahrungen geprägt, werden stark wachsende persönliche Konsummöglichkeiten für sie attraktiver sein als für Menschen im Gesellschaften, in denen die Erfahrung zu bekommen, was man braucht, das Normale ist. Menschen schauen dann genauer, was sie brauchen und konsumieren dann möglicherweise weniger aber bewusster, oder sie fokussieren nicht so sehr darauf, noch mehr Geld zu verdienen, noch mehr Rendite zu erwirtschaften, als sie eh schon haben, sondern arbeiten lieber für Unternehmen, die wirklich nachhaltig agieren und investieren lieber in entsprechende Unternehmen oder beteiligen sich lieber an Genossenschaften. Siehe zum Beispiel https://liberalundkooperativ.blogspot.com/2021/02/mehr-zu-marshall-ii-inklusive-einer.html oder auch Binswanger zum Beispiel https://www.metropolis-verlag.de/Die-Wachstumsspirale/956/book.do

Bewusstheit bei Albach

Albach prognostiert, dass die künftige BWL entweder eine Konfliktlehre oder eine Harmonielehre sein wird. Er selbst neigt der Harmonielehre zu, wenn er schreibt "Ich sehe die Zukunft der Betriebswirtschaftslehre in der Entwicklung einer Theorie der Unternehmung, die auf den Prinzipien des Harmoniemodells beruht." (Seite 34). Er gibt aber auch dem Konfliktmodell seine Daseinsberechtigung, wenn er schreibt: "Solange sich Vertrauen und Loyalität noch nicht haben entwickeln können und solange Institutionen außer der Privatautonomie noch nicht entwickelt sind, liefert das Konfliktmodell wichtige Einsichten in die Entwicklung von höheren gesellschaftlichen Institutionen, wie z.B.das römische Recht mit seiner Idee der juristischen Person. Die Vertragstheorie
ist, so gesehen, eine ökonomische Theorie von Einschwingvorgängen." (Seiten 34). Vielleicht kann man sagen, dass über die erfolgreiche Austragung von Konflikten Vertrauen in und Loyaliät zu dem  jeweiligen Unternehmen und der an ihm beteiligten Menschen entsteht. Das ist dann eine hohe Bewusstheit. Das Albachsche Konfliktmodell wäre dann ein Submodell innerhalb des Harmoniemodells. Oder in Beherzigung eines Postulates der Themenzentrierten Interaktion [TZI - eines Konzept zur Arbeit in Gruppen, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Themenzentrierte_Interaktion ] "Störungen haben Vorrang" werden solange Konflikte erfolgreich ausgetragen und Interessen zusammengeführt bis ein hohes Harmonielevel erreicht wird.   

3. Kapazitäten

In einem Interview stellt Miki Kashtan einen Ansatz vor, der in Prozessen bzw. Entscheidungssituationen in Organisationen oder Gesellschaften die Orientierung an Kapazitäten als Alternative zu dem Konzept der Fairness vorstellt. 

https://lesen.oya-online.de/texte/3734-vom-vermoegen-grenzen-zu-wahren-zu-erweitern.html




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