Mittwoch, 15. Januar 2014

Gedanken zu einer internationalen Überwachungsabrüstung

Anke Domscheit-Berg fordert in einem Beitrag bei piratenpartei.de  http://www.piratenpartei.de/2014/01/14/anke-domscheit-berg-glaube-an-no-spy-abkommen-ist-naiv-und-realitaetsfern/ zurecht ein weltweites Überwachungsabrüstungsabkommen.

Das Thema lohnt einer genauen Betrachtung: Auffällig ist erst einmal, dass die USA nicht nur Länder überwacht, die sie als feindlich einschätzen, sondern verbündete Staaten und millionfach einfache Bürger dieser Staaten, neben Unternehmen und möglicherweise auch amerikanische Bürger. Sind die alle zu potentiellen Feinden geworden? Allein durch die Möglichkeit, hier an Informationen zu gelangen, werden sie gesammelt. Es existiert keine moralische Grenze. Sogar die eigene Exekutive oder Legislative kann überwacht werden, aus welchen Motiven heraus auch immer. Allein dadurch, dass die Kosten der Überwachung vernachlässigbar klein sind, kann und wird wahrscheinlich alles überwacht. Rückblickend kann man überlegen, ob früher nicht einfach deshalb nicht mehr überwacht wurde, weil der Aufwand in einem Missverhältnis zum möglichen Erkenntnisgewinn gestanden hätte, man also auf Überwachung allein aus ökonomischen Gründen und nicht aus ethischen Gründen verzichtet hat.

Das heist, es hat nie eine moralische Grenze bestanden, sondern nur eine ökonomische. Da durch das Internet und den Mobilfunk etc. keine ökonomische Grenze mehr besteht, muss man sich auf eine ethische Grenze einigen. Eine nationale Perspektive ist dabei Unsinn. Es kann nicht sein, dass Frankreich Deutschland ausspioniert oder die USA Frankreich oder umgekehrt, weder staatliche Institutionen noch Unternehmen noch Medien noch die Bürger oder NGO's oder Vereine. Es muss transparent sein, wenn jemand überwacht wird, zum Beispiel verfassungsfeindliche Vereine/Parteien oder Staaten, die offensichtlich keine Demokratien sind und ihre Bevölkerung unterdrücken oder eine aggressive Politik gegenüber anderen Staaten verfolgen.

Mich würde interessieren, wie weit die Bewohner der Welt diese Einschätzung teilen und sie bereit sind ihre Länderinteressen dieser globalen Perspektive einzuordnen.

Könnte man dazu eine globale Meinungsumfrage starten? Wenn ja wie?

Das könnte eine Grundlage bilden, um zu schauen, in wie weit denn eine globale Bereitschaft vorhanden ist, so eine globale Perspektive einzunehmen. Dies könnte dann national gewählten Regierungen helfen, sich aus ihrer nationalen einseitigen Perspektive zu emanzipieren und das gemeinsame Interesse an einer Einhaltung der Menschenrechte ernst zu nehmen und tatsächlich Schritte hin zu einer Abrüstung von Überwachung zu gehen.


Samstag, 11. Januar 2014

Antifa und Feminismus bei den Piraten

Die Piraten sind von ihrem Herkommen und ihrer Affinität zu Netzthemen (z.B. viele Systemadministratoren) unaggressiv und antiautoritär (Nerdkultur). Als politische Partei kamen auch viele Piraten dazu,  die die gleichen Kernthemen interessiert, die aber zusätzlich Themen wie Antifaschismus und Feminismus einbringen und oft schon politische Erfahrung aus anderen Gruppierungen mitbringen und damit Erfahrungen politische Positionen aggressiver zu vertreten. Das wird auch durch das #Fahnengate deutlich.

Gegenseitiges Verständnis hilft. Was klar sein sollte ist, dass die Piratenpartei Deutschland Gewalt ausnahmslos ablehnt und das auch ausnahmslos für alle Mitglieder zu gelten hat. Sich gegen Faschismus, Rassismus, Fremdfeindlichkeit und Diskriminierung jeder Art einzusetzen, passt dagegen sehr gut zu den Piraten und ist Konsens. Bei der Wahl der Mittel gibt es jedoch keine Alternative zum demokratischen Handeln innerhalb der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Das sollte sowohl für Aktionen der Partei nach außen gelten (was es tut) als auch für alle Mitglieder für Handeln nach außen und innerparteiliches Handeln gelten (hier möge jeder sich selbst prüfen und auch den Mund aufmachen, wenn andere Piraten das im Eifer für die Sache aus dem Blick verlieren).

Zum gegenseitigen Verständnis und Respekt der verschiedenen Strömungen gehört aber auch, nicht nur aggressiven Antifaschismus oder zum Beispiel auch aggressiven Feminismus als "Störenfriede" in der Piratenpartei wahrzunehmen, die es zu integrieren oder zu bekämpfen gilt (ich bin fürs integrieren siehe auch https://wiki.piratenpartei.de/Benutzer:Michael_Ebner/lebenlassen und dort mein statement unter Diskussion https://wiki.piratenpartei.de/Benutzer_Diskussion:Michael_Ebner/lebenlassen), sondern zu sehen, dass die ausgeprägte unaggressive Nerdkultur quasi ein Vacuum geschaffen hat, das von Piraten in aus ihrer Sicht guter Absicht gefüllt wurde, die sozusagen mit aggressiveren Politikmethoden in Berührung kamen. Innerhalb einer politischen Partei gehört es insofern auch für die Ruhigeren dazu, sich deutlich einzubringen und ein Stück weit eigene Aggressivität zu entdecken und auf humane Art und Weise in den innerparteilichen Diskurs einzubringen.


Freitag, 10. Januar 2014

Wählerpotentiale für die Piraten

Das Ganze hier ist nur ein Diskussionsvorschlag und soll eine grobe Richtung aufzeigen. Es geht keinesfalls darum irgend jemand Vorschriften zu machen, ob sie sich zur Piratenpartei zugehörig fühlt oder nicht. Das ist imo ihre Entscheidung, solange sie sich auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung bewegt und keine no-go-Positionen wie Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit vertritt.

Vorschlag:

Statt links/rechts nutzen wir ein Kreuz mit der Vertikalen national/kosmopolitisch und der Horizontalen etatistisch/freiheitlich.

hier die Grafik:

https://wiki.piratenpartei.de/wiki/images/7/76/W%C3%A4hlerpotentiale2014.pdf


Die Piraten sind imo im Großen und Ganzen kosmopolitischer als die anderen Parteien und grundsätzlich freiheitlich (zeigt sich bei Bürgerrechten und dass wir im Prinzip die Marktwirtschaft/Vertragsfreiheit akzeptieren) je nach gesellschaftlichen Verhältnissen sind wir aber auch für etatistische Antworten (BGE, Mindestlohn, fahrscheinloser Nahverkehr) bzw. wenn Teilhabe als Bürgerrecht nur über etatistische Intervention erreichbar ist. 


Donnerstag, 19. Dezember 2013

Mein finales statement zu Stuttgart_21 :)

Auf dem Parteitag der Piraten in Bremen kam immer wieder die Frage an die Kandidaten, was sie von Stuttgart_21 halten. Offensichtlich hatte da noch jemand Klärungsbedarf. Die Kandidaten antworten meistens kundig, dennoch blieb bei mir ein vages Gefühl, dass noch nicht alles gesagt war:

Unter dem Strich finde ich Stuttgart_21 klasse! Nicht den Bahnhof, der ist Bockmist, aber durch Stuttgart_21 wurde mir klar, dass es eine starke Zivilgesellschaft gibt, die bereit ist, sich einzubringen und die sehr vielfältig und breit verteilt ist.

Eine historische Wegmarke einer Bürgerdemokratie ist für mich die Schlichtung gewesen http://de.wikipedia.org/wiki/Schlichtung_zu_Stuttgart_21. Nicht, weil da was Gutes bei rausgekommen ist. Der Vorschlag des Schlichters Heiner Geisler für ein Stuttgart_21Plus war Schrott, aber das Verfahren, das da abging!:

1974 gab es nachts im Fernsehen den legendären Boxkampf „rumble in the jungle“ zwischen Muhammad Ali gegen George Foreman im Fernsehen http://de.wikipedia.org/wiki/Rumble_in_the_Jungle. Wir hatten im lifestream bei Phoenix 9 x 4 Stunden Streitgespräche. Ich saß stundenlang am PC, die Arbeit stapelte sich um mich herum und ich genoss diesen Austausch von Argumenten auf meist hohem Niveau, vor allem die Expertenbeiträge von beiden Seiten: Demokratie durch Information. Politiker wurden greifbar. Ich erinnere noch, wie die CDU Umweltministerin Tanja Gönner in eine Brezel biß und die schnell versteckte, als sie merkte dass die Kamera auf sie zeigte. Das Kalkül gut anzukommen, dominiert das, was man eigentlich will :)
Oder wie der Grüne Boris Palmer mit der Überheblichkeit des vermeintlich versierten politischen Redners plötzlich alt aussah gegenüber einem Tunnelbaubauingenieur, der so gut war, dass ich es von Herzen bedauerte, nicht jünger zu sein und an seiner Hochschule ein Technikstudium aufnehmen zu können. Unter dem Strich blieb es für mich bei einer deutlichen Ablehnung von Stuttgart_21, aber mit einem besseren Verständnis der Verhältnisse und unserer Gesellschaft.

Ich bin sicher Stuttgart_21 hat im kollektiven Gedächtnis gewichtige Spuren hinterlassen und wird uns helfen, weiter zu einer informierten Zivilgesellschaft zu wachsen, in der Basisdemokratie ihren Platz hat.

Montag, 18. November 2013

Highlights Wahlprogrammvorschläge der Piraten zur Europawahl

Auch wenn aus Zeitgründen auf den kommenden zwei Bundesparteitagen der Piraten wenig Chancen bestehen, außer den Sammelanträgen themenspezifische Texte für das Europawahlprogramm abzustimmen, hat die Abstimmung der Mitglieder über die Reihenfolge auf der Tagesordnung nach meiner Wahrnehmung sehr gute Texte nach vorne gestellt, die es in jedem Fall lohnen, nicht in Vergessenheit zu geraten und eine gute Orientierungsmöglichkeit für eine künftige Gruppe von Piraten im Europaparlament bieten.

Ich verlinke hier die Top 10 Anträge:

1. Sicherheit in Freiheit  http://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2013.2/Antragsportal/WP054
 Hier gefällt mir gut, dass die Europäische Grundrechteagentur http://de.wikipedia.org/wiki/Agentur_der_Europ%C3%A4ischen_Union_f%C3%BCr_Grundrechte genutzt werden soll, um alle Programme und Befugnisse von Sicherheitsbehörden in Europa zu untersuchen

2. Europäische Bildungspolitik http://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2013.2/Antragsportal/WP065
viele gute Bausteine

3. Europäische Asylpolitik  http://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2013.2/Antragsportal/WP002

4. EU-Demokratisierung vor Übertragung neuer Aufgaben  http://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2013.2/Antragsportal/WP056 diesen Grundsatz zu formulieren, halte ich persönlich für sehr wichtig

5. Prinzipien für internationale Handelsabkommen  http://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2013.2/Antragsportal/WP024


die Anträge 6.-10. sind:

6. digitale Kultur http://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2013.2/Antragsportal/WP042
7. Spekulation mit Nahrungsmitteln verbieten http://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2013.2/Antragsportal/WP027
8.Energiepolitik in Europa http://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2013.2/Antragsportal/WP058
9. Transparenzvorgaben für Rettungskredite http://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2013.2/Antragsportal/WP049
10. Transparenz bei öffentlichen Aufträgen http://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2013.2/Antragsportal/WP026

Das Ranking der 25 am höchsten abgestimmten Anträge findet sich hier http://wiki.piratenpartei.de/Bundesparteitag_2013.2/Tagesordnung

Dienstag, 29. Oktober 2013

2 Linien einer möglichen Europapolitik bei den Piraten

Das Folgende ist meine subjektive Meinung - ich kann da ziemlich falsch liegen - und richtet sich in erster Linie an Piraten/innen im Rahmen eines parteiinternen Diskurses:

Im Gegensatz zu meinem post "Europa gemeinsam gestalten" http://liberalundkooperativ.blogspot.de/2013/10/europa-gemeinsam-gestalten.html möchte ich hier eine andere politische Linie aufzeigen, die ich bei der Piratenpartei Deutschland wahrnehme:

Die Idee ist wir wollen Demokratie auf allen politischen Ebenen und dabei möglichst viel auf der Europäischen und vielleicht noch auf der regionalen und kommunalen Ebene, die nationale Ebene kann ohne grundsätzliche Vorbehalte ausgedünnt werden.

Ich halte diese Einstellung zwar für verständlich, aber für zu platt. Das Demokratiedefizit in der Europäschen Union http://de.wikipedia.org/wiki/Demokratiedefizit_der_Europ%C3%A4ischen_Union liegt nicht nur an noch nicht ausreichend demokratischen politischen Institutionen (EU-Kommission, Rat der EU, Parlament), sondern auch daran, dass es noch keine vollwertige europäische Öffentlichkeit gibt, angefangen über eine gemeinsame Sprache bis zu gemeinsamen Medien. Damit fehlt ein gesamteuropäischer Diskursraum und damit auch eine vollentwickelte gesamteuropäische Zivilgesellschaft. Selbst die Piratenpartei als transnationale Bewegung ist parteiintern hier nicht fortschrittlich. Die im September gegründete Europäische Piratenpartei PP-EU hat in ihrer Satzung festgelegt, dass jede nationale europäische Piratenpartei eine Stimme hat, statt des denkbaren Prinzips von one woman one vote europaweit für alle Mitglieder europäischer Piratenparteien. http://ppeu.net/wiki/doku.php?id=statutes:final#art_8_observer_members Das ist hier keine Kritik an der PP-EU, es ist einfach die derzeitige Realität. Deshalb bin ich zwar dafür, die europäischen politischen Institutionen bereits jetzt demokratischer zu gestalten,  aber ich rate zur Vorsicht bei der schnellen Übertragung weiterer Kompetenzen nach Brüssel. Lasst uns erst mit dem europäischen Diskurs weitermachen. Mehr Piraten im Europaparlament sind dafür ein Meilenstein. Ganz gut passt dazu eine Position, die wir schon mal im liquid feedback abgestimmt hatten: https://lqfb.piratenpartei.de/lf/initiative/show/4232.html






Montag, 28. Oktober 2013

Europa gemeinsam gestalten

Ich will in einem vereinten Europa leben, das seine Vielfalt bewahrt und eine konstruktive Rolle darüber hinaus spielt.

Dazu gehört für mich, die EU-Institutionen demokratischer zu gestalten und mittelfristig eine europäische Verfassung, die in der Lage ist, das Grundgesetz abzulösen.

Dazu gehört für mich aber auch, bis das mit der Verfassung so weit ist, nicht noch mehr Souveränität „nach Brüssel“ über zwischenstaatliche Verträge abzugeben.

Das mag wie ein Spagat aussehen, ist aber letztlich das Gleiche: Demokratie funktioniert nur, wenn sie auf einer starken Zivilgesellschaft fusst, die sich auf allen Ebenen der politischen Willensbildung einmischt. Auf der gesamteuropäischen Ebene sollte darauf geachtet werden, diese Zivilgesellschaft in ihrem eigenen Tempo zusammenwachsen zu lassen und die Weiterentwicklung der politischen Institutionen in Europa darauf abzustimmen.

Das EU-Parlament ist trotz seiner "Schwächen" gerade dabei, ein eigener Machtfaktor in der europäischen Politik zu werden, es bietet bereits jetzt eine sehr gute Möglichkeit für einen europaweiten Diskursraum, in dem parteiübergreifend Sachpolitik betrieben wird wie zum Beispiel aktuell in der Flüchtlingspolitik http://www.sven-giegold.de/2013/lampedusa-resolution-des-europaparlaments .Es ist damit ein ideales Betätigungsfeld für uns Piraten.

Ich will, dass diese Linie im Europäischen Parlament, im Ausschuss für konstitutionelle Fragen vertreten und im Dialog mit den Piraten und den Bürgern Europas ausgestaltet wird.

Anmerkung: der Text hat sich nach der Erstveröffentlichung noch ein paar mal verändert; letzter Stand 29.10.2013 9:18

Dienstag, 22. Oktober 2013

Optionen für eine nachhaltige europäische Geldpolitik

Anlässlich des Gespräches der Piraten mit dem Grünen Finanzexperten aus dem Europaparlament Sven Giegold http://www.geldsystempiraten.de/wp/sven-giegold-kommt-zum-podiumsgesprach/ möchte ich hier einige sehr "grobe" Optionen einer nachhaltigen europäischen Geldpolitik auflisten und kurz kommentieren:

Aktuell leidet inbesondere Südeuropa unter sehr hoher Arbeitslosigkeit als Folge der Finanzkrise seit 2008, einer strikten Sparpolitik und fehlender Währungsflexibilität.

Problemfelder im Einzelnen:
1. Störanfälligkeit der Realwirtschaft durch die Finanzwirtschaft

2. hohe möglicherweise nicht nachhaltige Staatsschulden/Bankschulden in Südeuropa im Vergleich zur Wirtschaftsleistung

3. stark ungleiche Vermögensverteilung der Privathaushalte

4. Defizite staatlicher Institutionen in Südeuropa und daraus resultierend Wettbewerbsdefizite der südeuropäischen Wirtschaft bei fehlender Währungsflexibilität

Lösungen:
Regulierung des Finanz-und Bankensektors um Schieflagen zu bereinigen und zukünftig zu vermeiden (z.B. Trennbankensystem) -> auf jeden Fall gut, ändert aber nichts an der Wettbewerbsproblematik der südeuropäischen Wirtschaft.

grundlegende Neugestaltung des Geldsystems -> ein sehr dickes Brett, bei dem sich noch nicht abzeichnet, welche Alternativen in eine engere Wahl kommen könnten. Außerdem wird ein Systemwechsel gesellschaftlich nur akzeptiert werden, wenn das derzeitige System deutlich gescheitert ist. Das ist bis jetzt trotz aller Probleme nicht der Fall.

Staatliches Europäisches Invesititionsprogramm -> kann nur eine Ergänzung sein, da es die Ursachen nicht wesenlich verändert.

Refinanzierung marroder Banken über Gläubigerbeteiligung -> eine gute Lösung.

Entlastung der Südeuropäischen Staatshaushalte durch Schuldenschnitte oder durch Überleitung der Staatsschulden an die europäische Zentralbank, letzteres wirft ordnungspolitische Fragen auf -> ich halte Schuldenschnitte für die derzeit beste Variante: über die Gläubigerbeteiligung bei der Bankenrekapitalisierung kann man den Teufelskreis von der gegenseitigen Gefährdung von Bankenbilanzen und Staatshaushalten durchbrechen und der von der Bankenlobby an die Wand gemalte allgemeine Finanzkollaps, wenn sie nicht mit Steuergeldern gerettet würden, wäre wenig wahrscheinlich.

einheitliche europäische Wirtschaftspolitik Voraussetzung: demokratische Strukturen auf europäischer Ebene, europäische Verfassung -> geht nur mittelfristig, ich fände es falsch die Krise zu nutzen, um neue Strukturen durchzusetzen, die die Macht der Parlamente weiter beschneiden, ohne eine von den Europäern in Referenden bestätigte neue Verfassung.

Transferzahlungen innerhalb Europas zugunsten der derzeit schwachen Wirtschaftsregionen
-> auf Dauer nicht nachhaltig und für die Emfängerländer als Dauerlösung auch nicht angenehm.

Parallelwährungen: Antwort auf die Wettbewerbsproblematik, begegnet aber viel Skepsis,-> sollte man näher prüfen.

Vermögenssteuer, um die Ungleichverteilung von Vermögen direkt anzugehen -> halte ich ergänzend für notwendig.

weiteres Vorgehen:
Vielleicht sollten die Piraten für jedes Problemfeld zwei oder drei Optionen in die politische Diskussion einbringen, die nachhaltig sind. Wichtig ist es, diese Diskussion auf europäischer Ebene zu führen und dabei keine Optionen auszuklammern aus Angst die europäische Idee zu gefährden: Wenn ein vereintes Europa eine Zukunft hat, dann hält es solche Diskussionen nicht nur aus, sondern wächst daran.


Mittwoch, 16. Oktober 2013

Der jetzige Euro ist nicht plattformneutral

Das Folgende ist meine subjektive Meinung, ich kann da ziemlich falsch liegen und richtet sich in erster Linie an Piraten im Rahmen eines parteiinternen Diskurses:

Viele Piraten sind nach meiner Vermutung für den Euro, weil es auf den ersten Blick so aussieht, als sei er eine gute Idee, weil er eine neutrale Bezahl-Plattform für alle bietet. Aus Verbrauchersicht kann das so aussehen. Der Euro ist in seiner jetzigen Form aber gerade nicht plattformneutral, weil er Teil eines komplexen Wirtschafts- und Währungssystems ist, das immer noch von vielen nationalen Komponenten dominiert wird. Das kann man natürlich bedauern und auch politisch ändern wollen - was ich befürworte - aber es ist die Realität, von der wir ausgehen müssen.

Angestrebte Plattformneutralität ist nichts Neues. Eine unabhängige Justiz ist eine neutrale Plattform, die wir für eine gerechte Gesellschaft brauchen, genauso wie zum Beispiel freie, geheime, allgemeine und gleiche Wahlen, Bürgerrechte oder wie ein Bildungssystem, das allen gute Bildung ermöglicht.

Um Plattformneutralität für die Menschen und Unternehmen im Währungs- und Wirtschaftsbereich in Europa herzustellen, braucht es langfristig - wenn man den Euro in seiner jetzigen Form erhalten will - statt einer völkerrechtlich basierten EU eine verfassungsbasierte wirklich demokratische europäische Föderation mit sehr viel Entscheidungsmacht auf der Zentralebene. Die Piraten konnten sich dazu bisher noch nicht durchringen. Die Vorschläge in der Initiative gemeinsames Wahlprogramm (29,31,36,51,52) inklusive meiner eigenen http://wiki.piratenpartei.de/Initiative_gemeinsames_Europawahlprogramm/Antr%C3%A4ge_f%C3%BCr_die_Umfrage_2013#Zukunft_Europa_-_Europa_in_20_Jahren kamen auf Zustimmungsquoten von 36-52%.

Kurzfristig braucht es entweder große Transferleistungen, um die fehlende Plattformneutralität auszugleichen, was aus “systemischer” Sicht nicht sehr befriedigend ist oder Parallelwährungen als Ergänzungen zum Euro, um die Plattformneutralität doch noch hinzubekommen. Letzteres solle man nicht aus rein ideologischen Gründen ablehnen oder weil Leute, deren sonstigen politischen Einstellungen man schlimm findet, ähnliche Lösungsvorschläge machen. Ein solches Verhalten wäre gerade nicht plattformneutral, das es Informationen nicht nach ihrer Informationsqualität bemisst, sondern nach ihrem Absender.

Wenn man nichts dergleichen macht, so wie jetzt, leiden sehr viele Menschen in Südeuropa unter den Defiziten.

Donnerstag, 19. September 2013

eine Wegmarke hin zu einer europäischen Außenpolitik

Ich hatte vor fast drei Wochen in einer mail bei den Piraten unter dem Titel "Ein Sieg für den Parlamentarismus" die Ablehnung eines Militärschlages gegen Syrien durch das Britische Unterhaus gegen Premierminister Cameron kommentiert, dass ich das klasse finde, da

- anscheinend Inhalt vor Parteiraison geht.
- anscheinend auch nicht gleich gefragt wird, ob Cameron deshalb als Regierungschef wackelt.
- in der Begründung auch auf die Meinung der Bevölkerung Bezug genommen wurde.


Erst mit etwas Abstand ist mir die mögliche historische Tragweite dieser Entscheidung klar geworden:

Im Gegensatz zur Frage der Beteiligung am Irakkrieg hat sich Großbritannien hier gegen seinen engsten strategischen Verbündeten, die USA, gestellt  und eine eigene Position eingenommen, auf der Seite der Mehrheitsmeinung der eigenen Bevölkerung. 2003 war Robin Cook als amtierender Aussenminister unter Tony Blair wegen dem Kriegseintritt Großbritanniens als Außenminster zurückgetreten, ebenfalls an der Seite der Mehrheitsmeinung der Bevölkerung. In seiner damaligen Begründung http://news.bbc.co.uk/2/hi/2859431.stm, finden sich sehr viele Parallelen zu heute, mit dem einzigen Unterscheid,  dass diesmal das britische Parlament entsprechend abgestimmt hat. Seine Rede wurde als eine der besten Reden im Unterhaus bezeichnet, angeblich hat er sogar ein Art standing ovations dafür bekommen, was es so im Unterhaus noch nicht gegeben haben soll, er hat also wohl einen Eindruck hinterlassen, aber die Entscheidung verlief anders. Vielleicht muss man die jetzige Entscheidung des Parlaments in diesem Zusammenhang sehen.

Ich glaube, wir sind in Europa an einem Punkt angekommen, dass wichtige politische Positionen mehr hinterfragt und neu gedacht werden können, dass Sachpolitik vor Ideologie geht. In Europa haben wir die Chance, dass sich mehr und mehr wirklich eine gemeinsame europäische Außenpolitik entwickeln kann, die auf gemeinsamen Werten basiert und darauf, sich als Teil Europas zu verstehen. Robin Cook zeigt in seiner chicken tikka masala Rede http://www.theguardian.com/world/2001/apr/19/race.britishidentity, dass britische Identität und Europäische Identität (neben einer kosmopolitischen Identität :) ) nicht in Konkurrenz zueinander stehen, sondern sich ergänzen. Wasser auf meine Mühlen :)

Vielleicht bleiben diese positiven Entwicklungen noch lange eher die Ausnahme, ein Selbstgänger sind sie sicher nicht und eine Bewegung wie die Piratenpartei, die basisdemokratisch und im Diskurs europa- und kosmopolitisch fundierte Positionen entwickelt, kann hier sicher wertvolle Beiträge leisten, auch wenn das breite Kreise der Bevölkerung derzeit nicht wahrnehmen.

Dennoch..., dass solche Entscheidungen bereits heute ab und an getroffen werden, macht Lust auf mehr.

Dienstag, 30. April 2013

Ralf Dahrendorf über Kapitalismus

was für eine Wohltat: Ralf Dahrendorf in Bezug auf Karl Marx et al.:

"Karl Popper hat das Historizismus genannt. Analytische Begriffe werden hypostasiert (d.h. zu einer Sache gemacht). Sie werden nicht benutzt, um Aspekte und Elemente wirklicher Gesellschaften mit dem Scheinwerfer der Theorie zu erhellen; sie werden vielmehr mit der Wirklichkeit selbst verwechselt. Tatsächlich hat es so etwas wie Kapitalismus natürlich nie gegeben, sondern immer nur Wirtschaften und Gesellschaften, die mehr oder minder ausgeprägt als kapitalistisch definierbare Züge tragen. Das Elend des Historizismus liegt darin, daß er seine Anhänger blind macht für die Phantasie der wirklichen Welt."

zitiert aus Ralf Dahrendorf: "Der moderne soziale Konflikt. Essay zur Politik der Freiheit" dtv wissenschaft, 1994, S.18

Sonntag, 28. April 2013

Europa, werde erwachsen!

Bundeskanzlerin Merkels Diktum http://de.wikipedia.org/wiki/Diktum „Scheitert der Euro scheitert Europa“ , geäußert in ihrer europapolitischen Grundsatzrede im Deutschen Bundestag am 26.Oktober 2011 http://www.euractiv.de/finanzen-und-wachstum/artikel/merkels-euro-rede-scheitert-der-euro-dann-scheitert-europa-005550 ist ein fataler Satz: 

Er ist gefährlich, weil er ein Körnchen Wahrheit enthält und doch grundlegend falsch ist. Deshalb hat er bei den meisten Hörern wohl den Gedanken ausgelöst, er könnte vielleicht richtig sein, ohne dass sie selbst davon überzeugt waren. Der Satz hat Überrumpelungspotential und hat durch seine Kürze und Prägnanz eine ideale massenmediale Transportfähigkeit. Dadurch ist er wahrscheinlich Teil des kollektiven Bewusstseins in Deutschland, vielleicht sogar in Europa geworden. 

Das Körnchen Wahrheit ist, dass Europa als politisches Gebilde noch nicht so gefestigt ist, dass die Mehrheit den Menschen den Satz ganz entspannt als unsinnig von sich weisen können. 

Die Wirkung des Satzes ist deshalb fatal: Er verstärkt die Vorstellung, dass Europa als politisches Gebilde gefährdet und sehr verletzlich ist. Er behauptet, dass Europa so schwach ist, dass am Euro als Währung festgehalten werden müsste, selbst wenn er aus ökonomischen Gründen für die Europäer für ihr Wohlergehen eigentlich schädlich ist, was ja auch der Fall ist. Er manövriert Europa damit in eine Sackgasse, aus der es kein Entrinnen gibt.

Zum Glück ist der Satz Unsinn. Die Alternative lautet:

Wenn der Euro scheitern wird, wird Europa die Erfahrung machen, dass die Befürchtung, daran selbst als politisches Gebilde zu scheitern, unbegründet war und wird statt dessen eine neue Qualität von Identität und Selbstvertrauen aufbauen.

Es wird sich zeigen, dass Europa eben nicht nur ein Projekt von Politikern ist, abgehoben von den Menschen, ein Zug unterwegs nach nirgendwo http://www.youtube.com/watch?v=NFNtPyvvXBI dessen Fahrplan und Route an keiner Stelle hinterfragt werden darf, sondern viel eher mit einem lebendigen Baum vergleichbar ist, der Stürme übersteht und aus sich heraus weiter wächst.

Interessant an Merkels Diktum ist auch, dass er in einer sehr langen faktenreichen Rede fast ganz am Schluss (im drittletzten Absatz) als persönliches Wort angekündigt wurde. Er fusst offensichtlich nicht auf den Fakten, sondern ist eine persönliche Bewertung und lebt von der Kraft der Autorität der Kanzlerin, also sowohl dem Ansehen ihres ganzes politischen Lebens als auch der Tatsache, dass sie sich offensichtlich ausführlich mit dem Thema beschäftigt hat, was die lange Rede belegt.
Psychologisch gedeutet nimmt Merkel mit ihrem Satz eine mahnende und schützende Mutterrolle für Europa ein, der in seinem Inhalt aber völlig an der Realität vorbeigeht.

Es ist deshalb an Europa als gelebter Idee für ein politisches Gebilde, aus kindlicher Unselbständigkeit herauszuwachsen und erwachsen zu werden und gut gemeinte aber falsche und ängstliche "mütterliche" Vorstellungen, wie es sich organisieren soll, abzuschütteln.