was für eine Wohltat: Ralf Dahrendorf in Bezug auf Karl Marx et al.:
"Karl Popper hat das Historizismus genannt. Analytische Begriffe werden hypostasiert (d.h. zu einer Sache gemacht). Sie werden nicht benutzt, um Aspekte und Elemente wirklicher Gesellschaften mit dem Scheinwerfer der Theorie zu erhellen; sie werden vielmehr mit der Wirklichkeit selbst verwechselt. Tatsächlich hat es so etwas wie Kapitalismus natürlich nie gegeben, sondern immer nur Wirtschaften und Gesellschaften, die mehr oder minder ausgeprägt als kapitalistisch definierbare Züge tragen. Das Elend des Historizismus liegt darin, daß er seine Anhänger blind macht für die Phantasie der wirklichen Welt."
zitiert aus Ralf Dahrendorf: "Der moderne soziale Konflikt. Essay zur Politik der Freiheit" dtv wissenschaft, 1994, S.18
Dienstag, 30. April 2013
Sonntag, 28. April 2013
Europa, werde erwachsen!
Bundeskanzlerin Merkels Diktum http://de.wikipedia.org/wiki/Diktum
„Scheitert der Euro scheitert Europa“ , geäußert in ihrer
europapolitischen Grundsatzrede im Deutschen Bundestag am 26.Oktober
2011
http://www.euractiv.de/finanzen-und-wachstum/artikel/merkels-euro-rede-scheitert-der-euro-dann-scheitert-europa-005550
ist ein fataler Satz:
Er ist gefährlich, weil er ein Körnchen
Wahrheit enthält und doch grundlegend falsch ist. Deshalb hat er bei
den meisten Hörern wohl den Gedanken ausgelöst, er könnte
vielleicht richtig sein, ohne dass sie selbst davon überzeugt waren.
Der Satz hat Überrumpelungspotential und hat durch seine Kürze und
Prägnanz eine ideale massenmediale Transportfähigkeit. Dadurch ist
er wahrscheinlich Teil des kollektiven Bewusstseins in Deutschland,
vielleicht sogar in Europa geworden.
Das Körnchen Wahrheit ist, dass
Europa als politisches Gebilde noch nicht so gefestigt ist, dass die
Mehrheit den Menschen den Satz ganz entspannt als unsinnig von sich
weisen können.
Die Wirkung des Satzes ist deshalb fatal: Er
verstärkt die Vorstellung, dass Europa als politisches Gebilde
gefährdet und sehr verletzlich ist. Er behauptet, dass Europa so
schwach ist, dass am Euro als Währung festgehalten werden müsste,
selbst wenn er aus ökonomischen Gründen für die Europäer für ihr
Wohlergehen eigentlich schädlich ist, was ja auch der Fall ist. Er
manövriert Europa damit in eine Sackgasse, aus der es kein Entrinnen
gibt.
Zum Glück ist der Satz Unsinn. Die
Alternative lautet:
Wenn der Euro scheitern wird, wird
Europa die Erfahrung machen, dass die Befürchtung, daran selbst als
politisches Gebilde zu scheitern, unbegründet war und wird statt
dessen eine neue Qualität von Identität und Selbstvertrauen
aufbauen.
Es wird sich zeigen, dass Europa eben
nicht nur ein Projekt von Politikern ist, abgehoben von den Menschen,
ein Zug unterwegs nach nirgendwo http://www.youtube.com/watch?v=NFNtPyvvXBI dessen Fahrplan und Route an keiner
Stelle hinterfragt werden darf, sondern viel eher mit einem
lebendigen Baum vergleichbar ist, der Stürme übersteht und aus sich
heraus weiter wächst.
Interessant an Merkels Diktum ist auch,
dass er in einer sehr langen faktenreichen Rede fast ganz am Schluss
(im drittletzten Absatz) als persönliches Wort angekündigt wurde.
Er fusst offensichtlich nicht auf den Fakten, sondern ist eine
persönliche Bewertung und lebt von der Kraft der Autorität der
Kanzlerin, also sowohl dem Ansehen ihres ganzes politischen Lebens
als auch der Tatsache, dass sie sich offensichtlich ausführlich mit
dem Thema beschäftigt hat, was die lange Rede belegt.
Psychologisch gedeutet nimmt Merkel mit
ihrem Satz eine mahnende und schützende Mutterrolle für Europa ein,
der in seinem Inhalt aber völlig an der Realität vorbeigeht.
Es ist deshalb an Europa als gelebter
Idee für ein politisches Gebilde, aus kindlicher Unselbständigkeit
herauszuwachsen und erwachsen zu werden und gut gemeinte aber falsche und ängstliche "mütterliche" Vorstellungen, wie es sich organisieren soll,
abzuschütteln.
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