Mittwoch, 16. Oktober 2013

Der jetzige Euro ist nicht plattformneutral

Das Folgende ist meine subjektive Meinung, ich kann da ziemlich falsch liegen und richtet sich in erster Linie an Piraten im Rahmen eines parteiinternen Diskurses:

Viele Piraten sind nach meiner Vermutung für den Euro, weil es auf den ersten Blick so aussieht, als sei er eine gute Idee, weil er eine neutrale Bezahl-Plattform für alle bietet. Aus Verbrauchersicht kann das so aussehen. Der Euro ist in seiner jetzigen Form aber gerade nicht plattformneutral, weil er Teil eines komplexen Wirtschafts- und Währungssystems ist, das immer noch von vielen nationalen Komponenten dominiert wird. Das kann man natürlich bedauern und auch politisch ändern wollen - was ich befürworte - aber es ist die Realität, von der wir ausgehen müssen.

Angestrebte Plattformneutralität ist nichts Neues. Eine unabhängige Justiz ist eine neutrale Plattform, die wir für eine gerechte Gesellschaft brauchen, genauso wie zum Beispiel freie, geheime, allgemeine und gleiche Wahlen, Bürgerrechte oder wie ein Bildungssystem, das allen gute Bildung ermöglicht.

Um Plattformneutralität für die Menschen und Unternehmen im Währungs- und Wirtschaftsbereich in Europa herzustellen, braucht es langfristig - wenn man den Euro in seiner jetzigen Form erhalten will - statt einer völkerrechtlich basierten EU eine verfassungsbasierte wirklich demokratische europäische Föderation mit sehr viel Entscheidungsmacht auf der Zentralebene. Die Piraten konnten sich dazu bisher noch nicht durchringen. Die Vorschläge in der Initiative gemeinsames Wahlprogramm (29,31,36,51,52) inklusive meiner eigenen http://wiki.piratenpartei.de/Initiative_gemeinsames_Europawahlprogramm/Antr%C3%A4ge_f%C3%BCr_die_Umfrage_2013#Zukunft_Europa_-_Europa_in_20_Jahren kamen auf Zustimmungsquoten von 36-52%.

Kurzfristig braucht es entweder große Transferleistungen, um die fehlende Plattformneutralität auszugleichen, was aus “systemischer” Sicht nicht sehr befriedigend ist oder Parallelwährungen als Ergänzungen zum Euro, um die Plattformneutralität doch noch hinzubekommen. Letzteres solle man nicht aus rein ideologischen Gründen ablehnen oder weil Leute, deren sonstigen politischen Einstellungen man schlimm findet, ähnliche Lösungsvorschläge machen. Ein solches Verhalten wäre gerade nicht plattformneutral, das es Informationen nicht nach ihrer Informationsqualität bemisst, sondern nach ihrem Absender.

Wenn man nichts dergleichen macht, so wie jetzt, leiden sehr viele Menschen in Südeuropa unter den Defiziten.

Donnerstag, 19. September 2013

eine Wegmarke hin zu einer europäischen Außenpolitik

Ich hatte vor fast drei Wochen in einer mail bei den Piraten unter dem Titel "Ein Sieg für den Parlamentarismus" die Ablehnung eines Militärschlages gegen Syrien durch das Britische Unterhaus gegen Premierminister Cameron kommentiert, dass ich das klasse finde, da

- anscheinend Inhalt vor Parteiraison geht.
- anscheinend auch nicht gleich gefragt wird, ob Cameron deshalb als Regierungschef wackelt.
- in der Begründung auch auf die Meinung der Bevölkerung Bezug genommen wurde.


Erst mit etwas Abstand ist mir die mögliche historische Tragweite dieser Entscheidung klar geworden:

Im Gegensatz zur Frage der Beteiligung am Irakkrieg hat sich Großbritannien hier gegen seinen engsten strategischen Verbündeten, die USA, gestellt  und eine eigene Position eingenommen, auf der Seite der Mehrheitsmeinung der eigenen Bevölkerung. 2003 war Robin Cook als amtierender Aussenminister unter Tony Blair wegen dem Kriegseintritt Großbritanniens als Außenminster zurückgetreten, ebenfalls an der Seite der Mehrheitsmeinung der Bevölkerung. In seiner damaligen Begründung http://news.bbc.co.uk/2/hi/2859431.stm, finden sich sehr viele Parallelen zu heute, mit dem einzigen Unterscheid,  dass diesmal das britische Parlament entsprechend abgestimmt hat. Seine Rede wurde als eine der besten Reden im Unterhaus bezeichnet, angeblich hat er sogar ein Art standing ovations dafür bekommen, was es so im Unterhaus noch nicht gegeben haben soll, er hat also wohl einen Eindruck hinterlassen, aber die Entscheidung verlief anders. Vielleicht muss man die jetzige Entscheidung des Parlaments in diesem Zusammenhang sehen.

Ich glaube, wir sind in Europa an einem Punkt angekommen, dass wichtige politische Positionen mehr hinterfragt und neu gedacht werden können, dass Sachpolitik vor Ideologie geht. In Europa haben wir die Chance, dass sich mehr und mehr wirklich eine gemeinsame europäische Außenpolitik entwickeln kann, die auf gemeinsamen Werten basiert und darauf, sich als Teil Europas zu verstehen. Robin Cook zeigt in seiner chicken tikka masala Rede http://www.theguardian.com/world/2001/apr/19/race.britishidentity, dass britische Identität und Europäische Identität (neben einer kosmopolitischen Identität :) ) nicht in Konkurrenz zueinander stehen, sondern sich ergänzen. Wasser auf meine Mühlen :)

Vielleicht bleiben diese positiven Entwicklungen noch lange eher die Ausnahme, ein Selbstgänger sind sie sicher nicht und eine Bewegung wie die Piratenpartei, die basisdemokratisch und im Diskurs europa- und kosmopolitisch fundierte Positionen entwickelt, kann hier sicher wertvolle Beiträge leisten, auch wenn das breite Kreise der Bevölkerung derzeit nicht wahrnehmen.

Dennoch..., dass solche Entscheidungen bereits heute ab und an getroffen werden, macht Lust auf mehr.