Mittwoch, 6. März 2019

Hamburger Erklärung

Heute veröffentliche ich hier den aktuellen Stand der Hamburger Erklärung, einer Auflistung wichtiger Prinzipien, nach denen Wohnungsgenossenschaften ihre Unternehmenspolitik ausrichten sollen. Wer Interesse hat die Erklärung als Ertsunterzeichner zu unterstützen, möge sich melden bei frankgiebel(at)web.de

Hamburger Erklärung

Wir, die Unterzeichner der Hamburger Erklärung geben diese Erklärung ab, weil wir die Genossenschaftsidee lebendig halten wollen und weil wir dafür eintreten, dass sie die Unternehmenspolitik in Wohnungsgenossenschaften (Woges) prägt.

Dazu tragen wir bei, indem wir die Prinzipien formulieren, die sich aus der Genossenschaftsidee für die Führung von Woges ergeben, diese öffentlich bekannt machen und zum Mitunterzeichnen einladen:

1. Förderzweck

Zweck von Wohnungsgenossenschaften wie von jeder wirtschaftlichen Genossenschaft ist die wirtschaftliche Förderung ihrer Mitglieder. Dies ist in § 1 des Genossenschaftsgesetzes in Deutschland so benannt. Da dies ihr einziger Zweck ist, ist dieser bestmöglich zu erfüllen. Im Gegensatz zu gewinnmaximierenden wohnungswirtschaftlichen Unternehmen sind wir Wohnungsgenossenschaften deshalb nutzenmaximierende Unternehmen für unsere Mitglieder.

2. Daraus lassen sich folgende Grundprinzipien und Auswirkungen ableiten:

2.1.Verursacherprinzip

Die Nutzungsgebühr orientiert sich an den Selbstkosten, das heißt im Grundsatz verlangen wir als Nutzungsgebühr den Betrag, den uns die jeweilige Wohnung selbst kostet. Dies wird je nach Bedarf ergänzt um Beträge, die wir benötigen, um ausreichend Eigenkapital aufbauen zu können um die langfristige Entwicklung unserer Unternehmens im Sinne unserer Mitglieder sicherstellen zu können.

2.2. Gleichbehandlungsprinzip

Aus dem Verursacherprinzip folgt, dass allen Mitgliedern die jeweiligen Wohnungen zu den gleichen Gebühren angeboten werden, soweit nicht für das jeweilige Mitglied zusätzliche Einbauten auf Kosten der Gemeinschaft vorgenommen werden. Das heißt bei einem Wohnungswechsel erhalten neu einziehende Mitglieder gleich gute Konditionen wie die dort bereits wohnenden.

2.3. Beschränkung von Quersubventionierung

Aus dem Verursacherprinzip und aus dem betriebswirtschaftlichen Prinzip, dass nur kostendeckende "Produkte und Dienstleistungen" zum langfristigen Unternehmenserfolg beitragen können, folgt außerdem, dass Wohnanlagen sich dauerhaft selber tragen müssen und keine Quersubventionierung durch andere Wohnanlagen erfolgt. Sollte ausnahmsweise und fallbedingt von diesem Grundsatz abgewichen werden, ist dies nur über einen Beschluss der Generalversammlung bzw. der Vertreterversammlung möglich.

3. Wohnrecht

Die Liegenschaften der Genossenschaften dürfen nicht weiterverkauft werden. Sie sind der Gewinnmaximierung entzogen und bleiben langfristig günstig. Die Bewohner genießen eine hohe Wohnsicherheit. Mitglieder der Genossenschaft haben ein Wohnrecht und man kann ihnen die Wohnung nicht einfach kündigen.


4. Mitbestimmung

Wer etwas verändern oder ein Projekt lancieren möchte, kann einen Antrag an die Generalversammlung stellen. In großen Woges mit einer Vertreterversammlung hat dieses Recht jeder Vertreter. Noch aktiver mitgestalten kann sein Wohnumfeld wer im Aufsichtsrat oder in einer Arbeitsgruppe mitwirkt.

5. Gesellschaftspolitische Wirkung

Unsere größte gesellschaftspolitische Wirkung entfalten wir Wohnungsgenossenschaften dadurch, dass wir guten und günstigen Wohnraum bieten, wir durch niedrige Nutzungsgebühren breiten Bevölkerungskreisen eine höhere Kaufkraft aus ihren Einkommen ermöglichen und dadurch, dass wir dafür sorgen, dass sie als anteilige Eigentümer an einem Immobilienunternehmen nachhaltig Vermögen bzw. Kapital aufbauen können im Sinne des Distributismus.

Wir wollen gute und faire Arbeitgeber sein und ein wertvoller Teil der Quartiere und Kommunen, in denen wir angesiedelt sind. Wir unterstützen den Ansatz der guten Unternehmensführung in Genossenschaften - good governance - und die Weiterentwicklung der Grundsätze guter Unternehmensführung im Geist und Sinn dieser Erklärung.

Danksagung

Viele Anregungen kommen aus der lebendigen Kultur der Schweizer Woges, insbesondere den Grundprinzipien, wie sie durch "Wohnbaugenossenschaften Schweiz, Verband der gemeinnützigen Wohnbauträger " formuliert werden. Weitere Inspirationen waren die Rochdaler Prinzipien, das Leitbild der Selbstbau eG in Berlin, die gemeinsame Arbeit in der Basisgruppe Genossenschaftsidee der gem. Wohnungsbaugenossenschaft Bergedorf Bille und die dortige Gremienarbeit mit Vorstand und Kollegen/innen im Aufsichtsrat. Dank geht an Gerald Wiegner von der Interessengemeinschaft der Genossenschaftsmitglieder igenos eV. Hilfreich waren Treffen Hamburger Genossenschaftsmitglieder unter der Schirmherrschaft von Dr. Bosse vom Mieterverein zu Hamburg und die Autoren von inspirierenden Schriften und Vorträgen Daniel Brunner, Prof. Volker Beuthin, Prof. Ernst-Bernd Blümle, Hartmut Glenk, Prof. Jürgen Keßler, Prof. Manfred Kühnberger, Günther Ringle, Georg Scheumann, Prof. Reinbert Schauer und Jozef Zolk, .









Sonntag, 6. Januar 2019

Europa versöhnlich neu denken

Angeregt durch eine gestrige Diskussion auf twitter zu Europa https://twitter.com/HCSchlueter/status/1081556307436621827 will ich mit diesem Post Menschen dazu bewegen, sich für einen Neuanfang bei der Gestaltung der politischen Institutionen auf unserem Kontinent zu engagieren, also einen Mix von europäischen und nationalstaatlichen politischen Institutionen hinzubekommen, der von der großen Mehrheit aller demokratisch eingestellten Europäer für gut und zukunftstragend empfunden wird. Es gibt die Möglichkeit die Spaltung zwischen rechten und linken Strömungen zu überwinden, sowohl in Europa als auch in Deutschland.

Der erste Schritt, um Europa politisch-institutionell gut zu gestalten, ist sich darüber einig zu werden, warum man das überhaupt will. Politik, die Regelung der öffentliche Sache, sollte die Rahmenbedingungen schaffen, innerhalb derer die Menschen ihr Leben gestalten können. Dazu haben sich in Europa Staaten gebildet, die auf Basis eines Mixes an Erfolgsfaktoren organisiert sind wie allgemeine, freie, unabhängige, gleiche, geheime Wahlen https://www.machs-ab-16.de/waehlen-ab-16/so-funktionieren-wahlen-allgemein-unmittelbar-frei-gleich-und-geheim, Verfassungsbasiertheit, Parlamentarismus, Rechtsstaatlichkeit, Teilung der Gewalt zwischen Exekutive (Regierung und Behörden wie zum Beispiel Polizei), Legislative (Gesetzgebung) und Judikative (Gerichtsbarkeit), Menschenrechte, Gewerbefreiheit, Tariffreiheit, Trennung von Staat und Religion, freie Forschung uvm. Diese Staaten werden letzlich von Zivilgesellschaften mit einem demokratischen Verständnis und Gespür getragen, das in der Welt nicht einmalig aber auch keine Selbstverständlichkeit ist. Ein immer noch starkes Plädoyer diese Aspekte wahrzunehmen, ist das Buch von Robinson und Acemoglu "Warum Nationen scheitern" https://www.amazon.de/Warum-Nationen-scheitern-Urspr%C3%BCnge-Wohlstand/dp/3596195586/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1546769388&sr=8-1&keywords=warum+nationen+scheitern Gerade unter dem Aspekt von Einwanderungsfragen aus Kulturen, die diesen Grundkonsens nicht haben, gilt es diesen Grundkonsens langfristig zu erhalten. Zusätzlich hat sich ein europäischer Staatenverbund gebildet, der diese Erfolgsfaktoren bei der Einrichtung neue politischer Institutione bisher nur in Teilen anwendet, vielleicht, weil man historisch mehr Gewicht darauf legte, Politikfelder gemeinsam bearbeiten zu können, statt auf das wie zu achten und sich des warum zu vergewissern. So sind zum Beispiel die Wahlen zun Europaparlament nicht gleich, d.h. es zählt nicht jede Stimme gleich viel, eine Stimme eines Bürgers aus Malta zählt circa 12 mal so viel wie eine Stimme einen deutschen Staatsbürgers. http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/europawahl/183203/stimmengewichtung-und-sitzverteilung
 
Viele sich als progressiv verstehende Linke gerade in Deutschland und Österreich hatten es sich zum Ziel gesetzt mit der Schaffung eines europäischen Staates die Nationalstaaten zu überwinden. Sehr laut war diesbezüglich Robert Menasse und Ulrike Guerot zu hören, die eine europäische Republik vorschlug, und viel Zustimmung und Aufmerksamkeit erfuhr. Nachdem Manesse überführt wurde mit falschen Zitaten zu Walter Hallstein operiert zu haben, machte Ulrike Guerot eine Kehrtwendung und scheint erkannt zu haben, dass die Abschaffung der Nationalstaten kein sinnvoller Zweck für die Gestaltung Europas sein kann  https://www.welt.de/politik/deutschland/article186139730/Falsche-Zitate-Co-Autorin-Ulrike-Guerot-zum-Fall-Robert-Menasse.html

Damit könnte der Weg auch für immer mehr Linke frei werden hin zu einer Mehrheit derjenigen, die Nationalstaaten als historische gewachsende demokratische Gebilde akzptieren und bereit sind, diese beim Bau der künftigen europäischen politischen Institutionen als positive Strukurelemente zu begreifen und miteinzubeziehen. Damit besteht die Aussicht, dass dies mehrheitsfähig in der Zivilgesellschaft wird.

Was kann also der Zweck eines demokratischen politischen Europa unter Einbeziehung der Nationalstaaten sein? Eigentlich ist das klar: die eigenen öffentlichen Sachen, die res publica, zu gestalten und dabei zu begreifen, dass man das gemeinsam besser hinbekommt. Dazu gehört sich als eigenen Machtpol in einer global vernetzten Welt zu begreifen, kein entscheidend großer, kein Hegemon, aber doch eine Stimme von Gewicht und mit Einfluss mit Gestaltungskraft im innen und nach außen. Im Innen heist das nicht, dass man alles auf einer zentralen europäischen Ebene lösen will, sondern dass man weiss, dass es gut ist, sehr viel auf politischen Ebenen vor Ort, angefangen bei den Kommunen zu gestalten. Am überzeugendsten sind nach meiner Erfahrungen die Elemente der Schweizer Demokratie mit starken Kantonen und direkter Demokratie. Im Außen heist das nicht, dass man die Verbindungen zu den USA kappen müsste, grundsätzlich gibt es mit den Vereinigten Staaten als offener demokratische Gesellschaft sehr viele gemeinsame Werte, dennoch sind wir mit Ihnen keine Einheit, es gibt Unterschiede bezüglich der Ausgestaltung der Marktwirtschaft  und auch wie wir denken dass es Sinn macht eigene Interessen mit den Interessen anderen Länder zum Ausgleich zu bringen.  Wir müssen uns ein Stück weit emanzipieren von dem in den USA verbreiteten Verständnis selbstverständlicher Teil ihrer hegemonialen Einflussphäre zu sein.

Wie könnte man zu so einem breit akzeptierten Institutionenmix kommen? Durch einen offenen basisdemokratischen Prozess, zum Beispiel mit dem Anstoss eines verfassungsgebenden Prozesses, der die Zivilgesellschaft dauerhaft miteinbezieht. Eine große Hilfe bei der Frage welche Politikfelder künftig europäisch oder national angegangen werden sollten, kann darin bestehen dass bei Geltung des one-man-one-vote Prinzips auf europäischer Ebene gerade Bürger kleinerer Staaten sich klar werden, ob sie sich in Bezug auf das jeweilige Politikfeld mehr als Europäer sehen oder als Belgier oder Niederländer.

Was könnte dabei herauskommen? Klare, breit akzeptierte Zuständigkeitsverteilungen zwischen europäischer Ebene, nationalstaatlichen Ebenen und Bundesländern, Kreisen und Kommunen, das Recht niedrigerer Ebenen sich Kompetenzen zurückzuholen, Berücksichtigung aller oben genannten Erfolgsfaktoren auf allen politischen Ebenen, mehr direkte Demokratie, eine europäische Verfassung als Föderation oder Konföderation die kompatibel zu den Nationalstaaten ist, ein Kerneuropa das außenpolitisch demokratisch legitimiert mit einer Stimme spricht und im Innern ausreichend Freiräume für unterschiedliche Lösungen lässt.

Wer bereit ist sich gemeinsam mit mir dafür zu engagieren, möge sich bei mir melden.