Die gestrige sehr spannende Diskussionsrunde von Genossenschaft-von-unten Hamburg https://genossenschaft-von-unten-hamburg.de/ hat bei mir weitergehende Überlegungen angeregt, die ich hier teilen will:
Ole von Beust hatte als Bürgermeister von Hamburg in den 2000er Jahren die Parole der wachsenden Stadt ausgegeben und dabei viel Zuspruch der Hamburger erfahren. Seitdem wächst Hamburgs Bevölkerung. Durch Migration hat sich dieser Trend verstärkt und Hamburg hat sich unter Olaf Scholz höhere Ziele beim Wohnungsneubau gesetzt. Die meisten Wohnungsgenossenschaften Hamburgs versuchen dazu ihren Beitrag zu leisten und haben sich dazu im Hamburger Bündnis für Wohnen verpflichtet https://www.hamburg.de/bsw/buendnis-fuer-das-wohnen/ . Da viele Wohnungsgenossenschaften durch ihre Satzung als Baugenossenschaften aufgestellt sind, sind sie darauf ausgerichtet, neu zu bauen und zu expandieren. Dies führt in der Praxis in der Regel dazu, dass sie jedes Jahr Umsatz- und Gewinnsteigerungen planen und mit stetigen Erhöhungen ihrer Nutzungsentgelte planen.
Meine These an dieser Stelle ist, dass wir gerade an einem Punkt ankommen, bei dem wir merken, dass diese gut gemeinte positive Einstellung zum Wachstum auf Dauer nicht sinnvoll ist und wir eine neue Perspektive benötigen: Ich sehe die Notwendigkeit, dass wir sowohl als Metropolen davon wegkommen, expandieren zu wollen wie auch als Baugenossenschaften eine Änderung von immer weiter bauen hin zu einem Bestandshalter vollziehen sollten. Wann und in welcher Geschwindigkeit hier ein Umsteuern erforderlich ist, ist sicher im Einzelfall zu klären, aber dass dies erfolgen muss, wird unvermeidbar sein. Nach meinem Gefühl löst das Widerstände hervor, da Stillstand sich negativ anfühlt. Vielleicht kann man sogar sagen, dass der dem Kapitalismus innewohnende Wachstumsgedanke deshalb so schwer aufgegeben wird, weil wir dann das Gefühl haben, dem Tod näher zu sein. Kein Wachstum heist in gewisser Weise Stagnation und das fühlt sich an, als sei man näher beim Tod. Bezogen auf ein Lebenswesen ist es ja auch so: Menschen, wie auch alle Wirbeltiere, wachsen bis sie erwachsen sind und bleiben dann weitgehend gleich groß. Damit ist diese Lebensphase der Reife näher am Tod als die Wachstumsphase als Kinder und Jugendliche. Kommen wir als Menschheit auf diesem Planeten Erde gerade an den Punkt, wo wir langsam erwachsen werden und entdecken, dass wir nicht weiter wachsen müssen und dennoch ein gutes Leben führen können? Ist es sogar so, dass wir dazu auch als Kollektiv "mental" erwachsen werden müssen, sprich die Verantwortung für unser Handeln voll übernehmen? Und ist es nicht so, dass gerade darin die Chance besteht eine hohe ganzheitliche Lebensqualität leben zu können, die an dieser Stelle gut und richtig ist?
In Bezug auf Wohnungsgenossenschaften wäre wohl die richtige Antwort, bei der wirtschaftlichen Planung und der Mietenpolitik sich von stetiger Expansion als Grundsatz zu verabschieden und sich frei zu machen, die aktuelle Situation frisch zu betrachten und mit mehr Freiheit sie so zu gestalten, wie sie für die Mitglieder passend ist, eingebettet in das Ziel, ein konstruktiver Akteur für das lokale und globale Umfeld zu sein.
In Bezug auf die Wohnungspolitik in Metropolen wäre die Antwort wohl, sich von der Vision wachsender Metropolen zu verabschieben und die jeweilige Situation ebenfalls ganz neu zu betrachten und zu schauen was die Bedürfnisse der Bewohner sind, gemeinsam mit den Bürgern Antworten zu formulieren und zu schauen welche Beiträge geleistet werden müssen, um mit unserem Planeten Erde insgesamt gut umzugehen und eine Klimakatastrophe durch zu hohe CO2 Emssionen zu verhindern.
Freitag, 27. September 2019
Samstag, 31. August 2019
Was passiert, wenn Genossenschaften sich wie Stiftungen verhalten?
Dass es in der Praxis dazu kommen kann,
dass Genossenschaften sich wie Stiftungen verhalten, ist nicht weiter
verwunderlich. Nehmen wir mal an, es gäbe eine Stiftung, die ein
großes Portofolio von Wohnungen verwaltet, dass sie allen denjenigen
zugute kommen lässt, die dem Förderziel der Stiftung entsprechen.
Ist man vom Ziel der eigenen Stiftung fest überzeugt und will man sie in ihrem Wirken langfristig erhalten, ist es wichtig und
richtig, darauf zu achten, dass der Wohnungsbestand in einem guten
bis sehr guten Zustand erhalten wird und dass genügend Mieteinnahmen
erzielt werden, um alle Kosten der Wohnungensinstandhaltung und der
Verwaltung zu decken und in der Lage zu sein, in die Jahre gekommene
Wohnhäuser falls notwendig durch neue zu ersetzen, sowie auch zusätzliche
Häuser zu bauen, sollte das Teil des Stiftungsziels sein. Es ist
dann verantwortlich absolut sicher zu gehen, dass keine Wohnungen zu
günstig vermietet werden, um die Substanz der Stiftung nicht zu schmälern. Umso mehr Substanz aufgebaut wird, umso besser ist dies für die zukünftigen Möglichkeiten der Stiftung, wohltätig zu wirken. Solange die Mieten für die Mieter gut
finanzierbar sind und die Wohnungen in einem guten Zustand sind, sind
die Mieter zufrieden und freuen sich Begünstigte der Stiftung zu
sein. Sie sind der Stiftung und ihren Repräsentanten wohl gesonnen. Sie
vertrauen der Geschäftsführung und wünschen sich die Fortsetzung
dieser Entwicklung für die kommenden Jahre.
In einer Genossenschaft ist die Situation
etwas anders gelagert. Ziel einer Genossenschaft im Bereich Wohnen
ist die wirtschaftliche Förderung der Mitglieder durch die
Bereitstellung von Wohnungen in guter Qualität zu Nutzungsentgelten
so niedrig wie möglich und so hoch wie nötig. Da die Mitglieder
gemeinsam Eigentümer des Unternehmens sind, sind sie zugleich
Mitunternehmer und eine Wohneigentümergemeinschaft. Sie zahlen keine
Miete sondern Nutzungsentgelte, die sich danach richten wie hoch
die Kosten der Bewirtschaftung für Bau, Erhalt und Bewirtschaftung
der jeweiligen Wohnanlage sind. Gerade in Wohnungen, die schon lange
genutzt werden und deren Herstellkosten abgeschrieben sind oder bei einem Bruchteil dessen lagen, zu dem heute gebaut werden kann, kann dies bedeuten, dass die "Kostenmiete" deutlich unter dem
liegt, was Mietern am freien Wohnungsmarkt für solche Wohnungen
abverlangt wird, die nicht zugleich Eigentümer innerhalb einer
Genossenschaft sind. Da im Gegensatz zu einer Stiftung es in einer
Genossenschaft darum geht, die Mitglieder wirtschaftlich zu fördern
und es kein weiteres rang-gleiches Ziel gibt, gilt der Grundsatz,
dass dieses Ziel bestmöglich zu erfüllen ist, im Rahmen der
allgemein anerkannten Prinzipien guter Unternehmensführung, nach der
ein Unternehmen sich immer auch als guter Arbeitgeber und
verantwortlich handelnder Akteur im öffentlichen Gemeinwesen und
gegenüber der Umwelt verstehen sollte. In der Praxis kann dies
bedeuten, dass Wohnungsgenossenschaften ältere Wohnungen oft zu
Nutzungsentgelten anbieten, die weit unter der ortsüblichen
Vergleichsmiete liegen. Diese Genossenschaften sind dann gewinnorientiert mit dem Fokus auf eine Nutzenmaximieung für ihre Mitglieder statt im Sinne
der Substanzmaximierung einer Stiftung.
Beide Unternehmensformen können
verantwortliches wirtschaftlichen Handeln bedeuten, sind aber in
ihren Auswirkungen deutlich unterscheidbar.
Falls Genossenschaften aufgrund von
Dyamiken lebendiger Organisationen sich über lange Zeit hin zu Unternehmen mit Stiftungscharakter entwickelt haben oder
weiter entwickeln, ist dies empirisch eine Entwicklung, die in den
Wirtschaftswissenschaften im Feld der neuen Institutionenökonomik
seit Jahrzehnten bekannt ist und erforscht wird (siehe zum
Beispiel das Prinzipal-Agenten-Dilemma, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Prinzipal-Agent-Theorie ). Fällt so eine
Entwicklung auf, ist dies immer eine Einladung, sich darauf zu
besinnen, welches Potential in der einmal gewählten Unternehmensform
steckt und sich daran zu machen, dieses zu heben.
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