Samstag, 10. Oktober 2020

Literaturrecherche zum Gewinnmaximierungskalkül


1. Günther Wöhe, Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 15. Auflage, Vahlen, München, 1984

Im Kapitel die Produktion als betriebliche Hauptfunktion (inkl. Dientleistungen) S.401: " Da es nicht das primäre Ziel des Betriebes ist , den Markt mit bestimmten Gütern zu versorgen, sondern der Prozeß der betrieblichen Leisungserstellung und -verwertung nur Mittel zur Realisierung der durch die marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung vorgegebenen obersten Zielsetzung der langfristigen Gewinnmaximierung ist, kommt keinem dieser drei betrieblichen Teilbereiche ein Vorrang zu (gemeint ist Leistungeserstellung/Produktion , Leistungsverwertung/Absatz und Finanzierung). Alle drei Bereiche müssen genau aufeinander abgestimmt sein, wenn der maximale Gewinn erzielt werden soll."

2. Uwe Bestmann, Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, 4. Auflage, , Oldenbourg, München

Bestmann bleibt etwas vager. Im Kapitel Unternehmensziele schreibt er auf Seite 12 "Das für Unternehmen offensichtlich bedeutungsvolle Gewinnstreben ist systemtheoretisch als Maximierung der Differenz zwsichen Output (Betriebsleistung bzw. Umsatz) und Input (entsprechende Kosten) anzusehen." Dann leitet er weiter zur Darstellung von Eigenkapitalrentabilität, Gesamtrentabilität, Umsatzrentabilität und Return-on-Investment. Er führt danach nicht-monetäre Ziele an wie soziale Wertvorstellungern oder Macht. Im Kapitel zur Produktion bzw. zur Leistungserstellung, die er auch Produktionswirtschaft oder Materialwirtschaft und Materialbewirtschaftung nennt, charakterisiert er als Gestaltungsaufgabe mit dem Begriff des Industrial Engineering: "darunter versteht man die Aufgabe ...Menschen, Machinen und Materialien so einzusetzen, zu steuern und zu koordinieren, daß Produkte und Dienste als Resultat dieses Wirkens in der erforderlichen Menge und Qualität, zum festgelegten Zeitpunkt unter geringsten Kosten- und Kapitalaufwand fertiggestellt werden (Engels 7. S.20)" S.160 Hier taucht also der Begriff Gewinnmaximierung nicht auf. In der Konkretisierung auf S.163 führt er dann aber wieder aus"Die Konsequenz ist, daß Einsparungem im Materialbereich direkt und spürbar (...) auf den Gewinn durchschlagen und die Wirtschaftlichkeit des Betriebes wesentlich bestimmen." Hier schreibt er weiter die ökonomische Zielsetzung,..möglichst wirtschaftlich, also mit minimalen Kosten durchzuführen. Im Kapitel zur Finanzierung nennt er dann" die Rentabilität als die zu maximierende Variable, während die anderen Ziele die Nebenbedingungen bilden". Ziel ist also die Maximierung des Gewinns in Relation zu entweder dem Gesamtkapital, dem Eigenkapital oder dem Umsatz (S.407)

 3. H.von Mangoldt, Die Lehre vom Unternehmergewinn, Teubner, Leipzig, 1855, 

S.45 Der Unternehmegewinn ist also derjenige Theil des Einkommens aus dem Unternehmen, welcher dem Unternehmer als solchem zufällt,S. 46 Wenn aber in einer Wirtschaftsperiode solche Verluste nicht eingetreten sind, so ist keineswegs alles, was nach Bestreitung der gewöhnlichen Kosten übrig bleibt, reiner Gewinn, sondern es muss davon noch ein entsprechender Teil (Reservefonds) abgegeben werden, um den voraussichtlichen Verlust einer späteren Periode zu übertragen.

4. Woll Artur, "Allgemeine Volkswirtschaftslehre"11. Auflage, Vahlen München, 1993, dort Unternehmenstherorie, Preistheorie und Verteilungstheorie, S. 177, Der Unternehmer möchte den Gewinn maximieren als Modellannahme. S. 178, Gewinntheorie "Im Gewinnmaximum sind Grenzerlös und Grenzkosten gleich". "Der Unternehmer dehnt das Angebot bis zu dem Punkt  aus, in dem sich die Grenzkostenkurve (K') und die Preisgerade (pE = const.) schneiden. Jede Menge, die größer oder kleiner OE ist, kann nicht gewinnmaximal sein."

und S.182 zahlreiche Kritiker an der Gewinnmaximierungsannahme erstens es werden andere ebenfalls expansive Ziele genannt wie Maximierung der Mitarbeiterzahl, des Umsatzes, Unternehmenswachstum, des Marktanteiles

S 183 "... haben Unternehmenseingentümer und -manager ein erhebliches Interesse daran, das Ziel Gewinnmaximierung nicht zu betonen; Gewinne oder Profite sind in fast allen Ländern Reizworte und Ansatzpunkte der gewerkschaftlicher Tarif- sowie der staatlichen Steuerpolitik."

5. Theory of the firm

Beispiel Steve Keen and Russel Standish, "Profit Maximization, Industry Strurcture, and Competition: A critique of neoclassical theory", 2008 and Russel K. Standish and Stephen L.. Keen, "Rationality in the Theory of the firm" 2011

Gewinnmaximierung jeder Unternehmung wird berechnet als das Produkt aus der produzierten Gütermenge q mit dem am Markt erzielten Preis abzüglich der Kosten. Er bezieht sich dabei auf J.R. Green,  A Mas-Colell, M.D. Whinston "Microeconomic Theory" Oxford University Press, 1995

6. Erich Gutenberg

 Für Gutenberg besitzt ein Unternehmen drei konstitutive Merkmale:

Quelle https://de.wikipedia.org/wiki/Unternehmen

 wobei gilt

Ein Unternehmen ist eine wirtschaftlich selbstständige Organisationseinheit, die mit Hilfe von Planungs- und Entscheidungsinstrumenten Markt- und Kapitalrisiken eingeht und sich zur Verfolgung des Unternehmenszweckes und der Unternehmensziele eines oder mehrerer Betriebe bedient. 

 

siehe auch Betriebswirtschaftslehre Zeit der systematischen Handlungswissenschaft

7. Max Weber

insbesondere als Erwerbswirtschaft

"Erwerbswirtschaft ist nach Max Weber eine Form des Wirtschaftens, die der Bedarfswirtschaft gegenübersteht und aus der Knappheit der Güter mittels Produktion und Tausch sich am Ziel der Gewinnerzielung orientiert."

Gesellschaftliche Zusammenschlüsse zum Zwecke der Bedarfsdeckung werden nach Weber Wirtschaftsgemeinschaften genannt siehe https://www.textlog.de/7766.html

Bedarfswirtschaft = Subsistenzwirtschaft

verblüffende Erkennntis gefunden bei Max Weber

Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Dann ist es klug, Abstand zu nehmen. Seit einigen Tagen habe ich versucht innerhalb der Wirtschaftswissenschaften zu recherchieren, welche Bedeutung in der Betriebswirtschaftslehre bzw in the "theory of the firm" die Gewinnmaximierung hat.  Hintergund war meine Erkenntnis, dass in der genossenschaftlichen Betriebswirtschaftslehre das Kalkül der Nutzenmaximierung für die Mitglieder gelten solle und gerade keine Gewinnmaximierung, auch wenn dies in der Praxis anders ist.

Meine Agenda dahinter war zu schauen, ob im Rahmen einer allgemeinen Betriebswirtschaftslehre es Sinn machen würde, eine zweite Säule einzuführen, neben einem Gewinnmaximierungskalkül für erwerbswirtschaftliche Unternehmensformen wie Aktiengesellschaften und GmbHs ein gleichberechtigtes Nutzenmaximierungskalkül für subsistenz- bzw. bedarfswirtschaftliche Unternehmensformen wie Genossenschaften und wirtschaftliche Vereine. Unter dem Erhalt der Gewerbefreiheit und der freien Wahl der Unternehmensform könnte so auch der normative wirtschaftswissenschaftliche Boden bereitet werden für eine stärke Verbreitung von bedarfsorientierter Unternehmensführung. Diese hätte in viel größeres Potential aus sich heraus zu einer nachhaltigen, das Leben auf diesem Planeten schützenden Unternehmensführung beizutragen, als auf Wachstum ausgelegte gewinnmaximierende Unternehmen in der Lage sind. Diese müssten sozusagen immer gezähmt werden durch eine ökologisch-soziale marktwirtschaftliche Ordnungspolitik. Solange diese suboptimal funktioniert und zum Beispiel zu leicht dem Druck von finanziell und personell gut ausgestatteten Lobbygruppen nachgibt und sich losbasierte Bürgerräte noch nicht als Korrektiv in der Praxis etabliert haben, passiert genau das, was derzeit passiert, dass im Bereich Klimaschutz und Artenschutz wir den Planenten an die Wand fahren.

Während sich bei einer ersten sehr groben Betrachtung unter wirtschaftswissenschaftlichen Autoren eine relativ große Bandbreite dazu ergab inwieweit Gewinnmaximierung für Unternehmen grundlegend oder strittig ist, siehe , fand ich erstaunliche Klarheit in "Wirtschaft und Gesellschaft" von Max Weber, der als Soziologe offenkundig über den notwendigen Abstand verfügte :)

 https://www.textlog.de/7766.html

"Gegenüber der Wirtschaft zur Deckung des eigenen Bedarfs ist die zweite Art des Wirtschaftens Wirtschaft zum Erwerb: die Ausnutzung des spezifisch ökonomischen Sachverhalts: [der] Knappheit begehrter Güter, zur Erzielung eigenen Gewinns an Verfügung über diese Güter."

Damit stellt Weber die Erwerbswirtschaft der Bedarfsdeckungswirtschaft gegenüber. Maja Göpel https://www.econstor.eu/handle/10419/182324 verweist auf Seite 58 pdf in "The Great Mindshift: How a New Economic Paradigm and Sustainability Transformations go Hand in Hand" auf Karl Polanyi aus seinem Buch "The Great Transformation. The Political and Economic Origins of our Times" entsprechend: "To Polanyi, the most powerful of those ideas was the substitution of the economic motive of subsistence with that of gain."

Inwieweit Ideen in der Praxis wirken oder nicht wird in der rational orientierten  Wirtschaftswissenschaft nicht primär untersucht.

Das Besondere an der genossenschaftlichen Unternehmensform in der Ausprägung als Fördergenossenschaften - zum Beispiel bei Wohnungsgenossenschaften, Energiegenossenschaften und Konsumgenossenschaften - und ihrer Betriebswirtschaftslehre ist, dass dadurch die Kunden die Mitglieder sind und zugleich die Unternehmenseigentümer und Kapitalgeber. Damit wird  Bedarfsdeckungsfunktion zum primären Unternehmensziel. Es verbindet sozusagen im Rahmen der Mikroökonomik die utility maximization/ Nutzenmaximierung der Konsumenten mit der Unternehmerökonomie.

Siehe theory of the firm mit Gewinnmaximierung ggü theory of the consumer mit Nutzenmaximierung als Teil der Mikroökonomie:A. Mas-Colell, M.D. Whinston, J.R.Green "Microeconomics, Oxford University Press, New York 1995, S. 50 "maximizing a consumption bundle" und S. 135 "We assume throughout this chapter that the firm's objective is to maximize its profit".."this is precisely total revenue minus total cost".

Es gibt dann kein für sich stehendes, nach oben offenes und damit nicht nachhaltiges Gewinn- oder Erwerbsziel mehr. Dies ist auf der einen Seite vielleicht weniger inspirierend oder weniger faszinierend als die Gewinnmaximieruing, da damit die Tür ins Unermessliche, in fantastische unbegreiflicher Reichtümer auch disruptive Veränderungen und Wandel damit geschlossen wird, wie sich dies zum Beipiel als Aussicht bei Aktiengesellschaften bietet. Man denke hier an Amazon, an dem man sich selbst als Kleinaktionöär hätte beteiligen können als schon klar war, dass es operativ funktioniert und das mittlerweile einen Marktwert von 1,3 Billionen Euro (Stand 07.10.2020) erreicht hat. Auf der anderen Seite passt es zu unserer Realtität, dass unser Planet als solcher endlich ist und solange wir darauf leben wollen, es gilt, das als Menschheit anzunehmen mit und seinen Resourcen und unseren Mitlebewesen sowohl aller anderen Menschen aber auch der Pflanzen und Tiere so umzugehen, dass wir anerkennen, dass sie unsere Mitgeschöpfe sind und ebenfalls berechtigte Interessen haben.

Was die Betriebswirtschaftslehre von Max Weber lernen kann, ist, die Einteilung von Unternehmen in wie weit sie sich primär erwerbswirtschaftliche Ziele oder Bedarfsdeckungsziele setzten.