Donnerstag, 21. Februar 2013

Sollten die Piraten eine deutsche kulturelle Identität respektieren?

Ich habe gerade einen spannenden Artikel in der FAZ gelesen http://pressespiegel.zzf-pdm.de/?q=node/14223 der zu dem Problem passt, den ich mit dem Piraten-liquid Text https://lqfb.piratenpartei.de/lf/initiative/show/5711.html habe:  Zitat: “Die nationale Identität ist wiederum nichts anderes als eine schäbige Ideologie, die regelmäßig zu Kriegen und Verbrechen wider die Menschlichkeit geführt hat."

Hintergrund ist möglicherweise, dass nationale Identität rassistisch gemeint ist oder sein könnte. Wir Piraten lehnen sicher Rassismus ab, offen bleibt dann aber wie wir zu einer deutschen kulturellen Identität stehen. Lehnen wir auch diese ab auf Basis unseres eigenen transantionalen Selbstverständisses oder weil wir uns als progressiv verstehen?

Im Grundsatzprogramm Europa http://wiki.piratenpartei.de/AG_Europa/Programm gehen wir zwar auf die kulturelle Vielfalt Europas ein, sprechen später aber von der Stärkung der Regionen. Da Piraten auch gerne die Abschaffung der Nationalstaaten bzw. der Nationen fordern (siehe oben), stellt sich die Frage, ob eine deutsche kulturelle Identität von den Piraten als solche abgelehnt wird, indem kulturelle Identität nur der regionalen Ebene in Europa zugestanden werden soll.

Ich persönlich wehre mich gefühlsmässig dagegen, ich konnte zunächst gar nicht erklären warum. Ich war mir allerdings sicher, dass meine Gefühle weder rassistsch motiviert sind, noch dass ich einem übertriebenen Patriotismus anhänge. Als junger Mann war ich gegenüber Deutschland eher kritisch eingestellt. Erst nachdem ich zwei Jahre in England gelebt hatte und erst nachdem ich danach wieder in Deutschland lebte, entwickelte ich eine positive Einstellung gegenüber Deutschland als das Land in dem lebe. Ich behielt übrigens auch eine positive Einstellung gegenüber England und könnte mir auch vorstellen, dort wieder zu leben. Es geht hier nicht darum ein Land besser oder schlechter zu bewerten, sondern beide in ihrer jeweiligen kulturellen Identität wertzuschätzen. Aber auch das heisst nicht widerum, dass es nicht auch eine europäische Identität gibt, die ich empfinden kann oder auch regionale oder sonstige Identitäten.

Warum ich mich gegen die Ablehnung einer deutschen kulturellen Identität wehre:

Zufällig stiess ich in der FAZ auf eine Rezension zu „Das umstrittene Gedächtnis – Die Einnnerung an Nationalsozialismus, Faschismus und Krieg in Europa seit 1945 “ von Arnd Bauerkämper. Laut der Rezension und dem Buch hat Europa keine einheitliche Erinnerungskultur hervorgebracht, sondern sind diese stark national zentriert. Dabei gibt es zum einen familiäre, zivilgesellschaftliche Erinnerungskulturen bzw. -diskurse und eine offiziellere, allgemeinere Erinnerungskultur bzw. -diskurs, die nicht immer gleich laufen müssen. In Deutschland gab es demnach seit den frühen 1960er Jahren eine von massgeblichen Politikern und kulturellen Eliten praktizierte schonungslose Selbstaufklärung, die sich gesamtgesellschaftlich gegen anderslautende Aussagen aus vielen familären Diskursen durchsetzte. Das deckt sich mit meiner Wahrnehmung und ich halte das für einen Erfolg.

Meine Überlegung ist die, dass wenn man nun die deutsche kulturelle Identität als wertlos und ablehnenswert („schäbig“) einstufen würde, diese kollektive Erinnerungskultur damit ebenfalls entwertet würde. Würde man sich damit gesellschaftlich durchsetzen, würde dies Erinnerungskultur abgeschnitten. Das Projekt der Aufarbeitung der Vergangenheit, um ähnliche Monströsitäten für die Zukunft zu verhindern, würde damit gefährdet, da es auf europäischer Ebene noch keine Erinnerungskultur gibt, die diese Rolle übernehmen könnte. Die Lösung kann eigentlich nur lauten, dass mit einer deutschen kulturellen Identität und mit der deutschen Erinnerungskultur als ein Teil von ihr respektvoll umgegangen wird und man sie peu a peu sich in eine europäische Erinnerungskultur hineinentwickeln lässt bzw. diesen Prozess mit gestaltet. Ausserdem sind 60 Jahre europäische Integration sicher eine positive Entwicklung, die auch eine europäische Identität bereits begründet hat, auf der man aufbauen kann und von der man zuversichtlich sein, kann, dass sie sich positiv weiter entwickelt, wenn Europa so gestaltet wird, dass es demokratischer und bürgernäher wird.
 






1 Kommentar:

  1. Du hast verinnerlicht, dass Rassismus böse ist. Ist er in mancher Ausprägung auch.

    Andererseits ist in jedem Menschen ein "natürlicher Rassismus" angelegt, und das ist ein wesentlicher Selbstschutzmechanismus.

    Wir vertrauen zunächst unserer Familie, dann unseren Nachbarn, unseren Freunden etc. und misstrauen Fremden. Je fremder sie aussehen, desto mehr misstrauen wir ihnen.

    Wir müssen lernen, mit dieser durchaus menschlichen Eigenschaft vernünftig umzugehen, und wir gewinnen nichts, indem wir sie leugnen oder unterdrücken.

    Natürlich müssen wir unsere eigene Identität akzeptieren. Ja, wir haben eine nationale Identität, die von der kulturellen Identität nicht zu trennen ist. Derartige Versuche sind sinnlos.

    Wenn wir sie nicht akzeptieren, können wir sie nicht rational weiterentwickeln. Wenn wir uns selbst nicht akzeptieren, landen wir am Ende kollektiv in der Klappse.

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