Gute politische Antworten liegen in der
Regel in der Mitte. Doch wo ist die Mitte? Merkel ist als Kanzlerin
per se in der Rolle, diese Mitte zu suchen und zu halten, um an der
Macht bleiben zu können. Bisher hat sie es immer verstanden, diese
Mitte zu halten sowohl in der Euro-Frage, bei der Abwendung von der
Atomkraft, bei der Abschaffung der Wehrpflicht, bei der
Mietpreisbremse oder beim Mindestlohn. Aus meiner Sicht hätte es im
Bereich Eurokrise für Europa eine bessere politische Antwort gegeben, die Ergänzung des Euro um
nationale Parallelwährungen in einigen süd- und nordeuropäischen Ländern, aber
offensichtlich war dafür nicht genügend Mut vorhanden bzw. die
derzeitige Lösung immer noch akzeptabel genug. Persönliche Präferenzen spielten
für Merkel nur eine untergeordnete Rolle. Aktuell bekennt sie sich
zu einer Einwanderungspolitik ohne Obergrenze in Übereinstimmung mit
SPD und Grünen und versucht innerparteiliche Opposition durch
kleinere Zugeständnisse zu integrieren. Wie schon beim Euro nimmt
Merkel in Kauf, daß sich dadurch mit der AfD eine Partei rechts von
CDU/CSU etabliert. Mittelfristig ist Deutschland damit wahrscheinlich
auf SPD/CDU/CSU-Regierungen festgelegt.
Gute politische Antworten liegen zwar
in der Mitte, um diese bestimmen zu können, bedarf es aber eines
öffentlichen Diskurses, bei dem alle Seiten zu Wort kommen. In den USA
nimmt Trump zur Zeit dezidiert provokante Gegenpositionen zu Obama
ein und überflügelt damit seine innerparteilichen republikanischen
Konkurrenten. Das heißt, die Amerikaner wollen diesen offenen
Diskurs, der teilweise beleidigend ist lieber als einen
eingehegten politisch-korrekten Diskurs. Ich halte es für
wahrscheinlich, daß im Endeffekt Hillary Clinton gewählt werden
wird, weil ihre Politik mehrheitsfähiger sein wird, auch weil
der Anteil der hispanischen Einwanderer das frühere Pari zwischen
Republikanern und Demokraten zu den Demokraten verschoben hat, aber
auch kritische Töne waren damit Teil der öffentlichen
Meinungsbildung. Daß jemand wie Trump mit so provokanten, teilweise
sexistischen und ausländerfeindlichen Äußerungen soviel Zustimmung
erfährt, ist ein Zeichen dafür, daß andere Kandidaten zu sehr
davor zurückgeschreckt sind, auch strittige Themen in ihrer ganzen
Komplexität aufzugreifen.
Auch in Deutschland und in Europa
insgesamt ist unsere Diskursfähigkeit teilweise schwach. Dies zeigt
sich an der Schwierigkeit, die viele damit haben, Parteien wie die
AfD, den Front National oder auch Bewegungen wie Pegida als Teil des
öffentlichen Diskurses zu akzeptieren. Es wird oft damit gearbeitet,
nicht auf der Sachebene zu diskutieren, sondern die Personen mit der
Nazikeule anzugreifen (aktuelle Beispiele Holger Zastrow in der FAZ http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/afd-die-neue-voelkische-bewegung-13937439.html
und nachgelegt von Friederike Haupt http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/rechtsextremismus/alternative-fuer-deutschland-die-voelkische-bewegung-stellt-sich-vor-13950691.html oder Jakob Augstein im Spiegel http://www.spiegel.de/politik/deutschland/rechtes-denken-in-europa-die-voelkische-revolution-kolumne-a-1066432.html# ), von
gewaltbereiten linksradikalen und antidemokratischen Aktivisten wie
der Antifa ganz abgesehen. Dadurch entsteht natürlich das
genaue Gegenteil dessen was beabsichtigt wird: Immer mehr Menschen
erkennen, dass in der Sache der Diskurs einseitig wird und ergreifen
Partei für die Positionen, die nicht ausreichend
vorkommen. Aktuell erhalten Bewegungen, Parteien und Medien, die
konservative Werte vertreten, deshalb europaweit Zulauf.
Wo könnte denn in der
Einwanderungsfrage die politisch sinnvolle Antwort in der Mitte
liegen, die sich als Mitte eines Diskurses versteht, der sowohl
einwanderungsfreundliche als auch einwanderungskritische Positionen
als Teil des Diskurses zulässt?
Und vor allem wo liegt diese politische
mittige Antwort nicht nur für Deutschland sondern für Europa als
Ganzes?
Mein Vorschlag dazu lautet wie folgt:
Die Integration von Millionen Migranten
aus in weiten Teilen patriachalen, autoritären, vormodernen Gesellschaften stellt
eine riesige Herausforderung für Europa dar. Wir können und wir
werden das schaffen, weil die Werte der Aufklärung die bessere Basis
ist um zusammenzuleben und diese selbst in der Auseinandersetzung mit autoritären vormodernen Weltanschaungen hervorgegangen ist. Die Antworten der Aufklärung werden sich als die besseren Antworten langfristig global durchsetzen. Aber es wird sehr anstrengend und mit vielen
Rückschlägen verbunden sein. Gewalt von radikalen Ausländerfeinden
wird genauso wenig 100%ig vermeidbar sein wie Gewalt von islamischen
Fundamentalisten und Europa die nächsten Jahre oder gar Jahrzehnte
begleiten. Ein Rückgang dieser Gewalt wird nur dann gelingen, wenn
wir aktiv für unsere Werte eintreten, falls diese verletzt oder
mißachtet werden. Dabei wird Zivilcourage von Menschen abverlangt
werden, die nicht so gut gebildet sind und in sozial schwachen
Verhältnissen leben. Es wird immer wieder Auswüchse von
Parallelgesellschaften geben und Wohngebiete geben, die drohen zu
no-go-areas zu werden, Jeder, der sich davon überfordert fühlt, und
sich lieber abschotten will, hat mein Verständnis. Jeder, der diese
Aufgabe kleinredet oder für eine Selbstverständlichkeit hält, redet naiven Stuss. Auch Parteien, die sich für Abschottung
einsetzen, sind Stimmen im demokratischen
Diskurs, die es zu respektieren gilt. Dennoch ist es richtig, diesen
Weg der Integration zu gehen. Die Welt wächst zusammen. Langfristig
werden wir alle davon profitieren. Alle Kulturen sind grundsätzlich
anschlussfähig an Demokratie und Aufklärung, weil diese
Anschlußfähigkeit nicht nur in jedem Menschen angelegt ist, sondern
seinem Potential weit besser entspricht als Rückständigkeit, Gewalt
und Intoleranz. Bei manchen Denkgebäuden wie dem Islam muss noch
viel auf der Strecke bleiben, bis er zu unserer offenen
pluralistischen demokratischen Gesellschaft passt, zum Beispiel die
sakrosankte Stellung von Mohamed und dem Koran und der Anspruch des Islam seit seiner Entstehung unter Mohamed eine
Gesellschaft politisch zu prägen statt als
eine Stimme unter vielen zu wirken und grundsätzlich die Trennung von Staat und Religion zu akzeptieren.