Aus dem Text von Marina http://marinaslied.de/zeit-zu-kaempfen/ und der
starken Resonanz auf twitter wird für mich deutlich, dass Linke eine starke
gesellschaftliche Veränderung wahrnehmen, die ihnen Angst macht. Die
Veränderung wird als bedrohlicher Rechtsruck wahrgenommen. Die Angst bezieht sich darauf, dass
verstärkte Ausländerfeindlichkeit und vermutlich letztlich ein 2.
Nazideutschland oder Nazieuropa befürchtet wird. Dies zeigt wie
stark das Erlebnis von Weltkrieg und Holocaust immer noch den
kollektiven Denkraum in Europa prägt.
Ich stimme mit Maria überein, dass es
gesellschaftliche Verschiebungen gibt, die über das Maß
hinausgehen, wie sie in den 20 Jahren zuvor stattfanden. In Ländern
wie Frankreich, England, Schweden, Dänemark, Finnland, Polen, Ungarn
und Griechenland setze diese Entwicklung früher als in Deutschland
ein. Das neue ist, dass es keine deutliche gesellschaftliche Mitte
mehr in Deutschland sondern eine Polarisierung zwischen
refugeeswelcome und flüchtlingskritischen Meinungen gibt. Während
früher vielleicht 80% der Menschen zumindest eine gewisse
Übereinstimmung mit den Parteien Grüne, SPD CDU, CSU, FDP hatten,
fühlen sich immer mehr Menschen von diesen nicht mehr gut vertreten.
Es geht nicht mehr um jeweils 10% am linken und rechten Rand, sondern um
deutlich mehr Menschen.
Spannend ist, dass diese
gesellschaftliche Veränderung zum einen bei den anderen Parteien und
links davon Angst erzeugt aber selbst ebenfalls auf der Angst in
weiten Teilen der Bevölkerung basiert, dass durch Migration unsere
zentralen Werte zerstört werden.
Es scheinen beide Seiten für
fundamentale Werte einzutreten, die Linken wollen diese den
Flüchtlingen gewähren und die Rechten wollen diese Werte als
Grundwerte für die eigene Gesellschaft erhalten. Es scheint
erstaunlich, dass dies zu einem Konflikt führt, statt dass sich
beide Seite freuen, dass die jeweils andere Seite offenbar die
gleichen Werte gut findet.
Liegt hier ein Dilemma vor, eines das
gelöst werden kann?
Ich vermute es könnte relativ leicht
gelöst werden. Es wird wohl deshalb nicht so schnell gelöst
werden, weil ein neue Mehrheit erst mal dazu führt, dass
jetzige Parteien Macht und Einfluss abgeben müssten und sie deshalb
lieber gegen den neuen politischen Gegener kämpfen werden statt nach
gemeinsamen Lösungen zu suchen. Aus Sicht der etablierten Parteien
ist die Chance die AfD doch noch als Nazis hinstellen oder outen zu
können wesentlich attraktiver, da sie dann das politische Spektrum
wieder allein bespielen könnten.
Noch eines fällt mir in Marinas Blog
auf. Es geht es um gut und böse und um kämpfen. Da schwingt zumindest etwas
die Frage mit, ob Gewalt zur Erreichung der eigenen politischen Ziele
doch erlaubt sein könnte, wenn das Ziel nur gut genug ist und wir
sicher genug sind, dass wir die Guten sind und die anderen die Bösen.
Auch hier spiegelt sich wieder, dass sowohl die extreme Rechte und die
extreme Linke gewalttätig sind und damit eine Grundprinzip unserer
demokratischen Gesellschaft verletzen.
Wie könnte eine neue Lösung aussehen,
eine Lösung die zumindest eher wieder 80% der Menschen in Europa ins
Boot holt und mit jeweils 10% am rechten und linken Rand auskommt?
Linksaussen-Leute würden einer solchen
Lösung sicher skeptisch gegenüberstehen, genauso wie
Rechtsaussen-Leute, da die Gesellschaft dadurch ja wieder
stabilisiert würde und sie der Chance benommen wären, dass durch
eine große Krise sich so starke gesellschaftliche Turbulenzen
ergäben, dass sich in einem günstigen Augenblick doch ihre eigenen
Sicht der Dinge durchsetzen könnte.
vielleicht eine Lösung:
1. sollten sich alle an den Grundsatz
halten, dass das Ziel nicht das Mittel heiligt, dass wir selbst keine
Gewalt in der politischen Auseinandersetzung bei uns oder anderen
akzeptieren, auch wenn wir sehen, dass wir überstimmt werden. Die
Menschenrechte können nur erhalten werden, wenn wir uns selbst daran
halten und wenn unser Gemeinwesen sich daran hält.
2. Es ist legitim in einem
gesellschaftlichen Diskurs in Europa zu ermitteln, wie viele
Migranten/innen wir aufnehmen wollen. Wir sollten dabei versuchen den
Wert zugrunde zu legen, der gemeinsam eine starke Mehrheit hat,
sowohl auf gesamteuropäischer Ebene als auch in einzelen Staaten.
3. Falls wir weniger aufnehmen wollen,
als tatsächliche Asylsuchene und Kriegsflüchtlinge bei uns
Aufnahme suchen, sind dafür aus humanitären Gründen Hilfen zu
organisieren, die so gestaltet sind, dass sie so viel Hilfe gewähren
wie nötig um die grundsätzlichen Rechte dieser Menschen zu sichern
und so wenig wie möglich um sicherzustellen, dass möglichst wenig
Anreize geschaffen werden, dass Menschen aufgrund anderer Motive zu
uns kommen. Nach meiner Vermutung sind dafür Hilfsstrukturen nahe
der EU-Außengrenzen für Wirtschaftsmigranten wesentlich
unattraktiver als die frühe Verteilung aller Migranten über ganz
Europa, während es für Kriegsflüchtlinge, die um ihr Leben
fürchten, ausreichend wäre in Europa Schutz auch nahe der EU-Außengrenze zu finden und es
psychologisch für sie sogar einfacher sein könnte relativ nahe ihrer
ursprünglichen Heimat zu sein.
4. Neben Asylsuchenden und
Kriegsflüchtlingen sollte Europa grundsätzlich auch offen sein für
einen gesteuerten Zugang von globaler Migration. Auch hierzu sollte
europaweit ein breiter Konsens angestrebt werden und die Grundlage
für die Art und Höhe der Umsetzung bilden.
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