Eingebettet in einen größeren Zusammenhang leite ich hier her, warum es Sinn macht, Co-Working-Räume und ander Co-Living-Flächen in Städten öffentlich zu betreiben oder zu fördern.
Die neue Bausenatorin von Hamburg, Karen Pein, frühere Mitarbeiterin der Gewoba, eines sehr großen kommunalen Wohnungsunternehmens in Bremen, hat in einem Interview darauf hingewiesen, dass wir bei der Wohnraumnutzung effzienter werden müssen (1). Zu viele Menschen wohnen in Wohnungen, die größer sind als das, was sie real brauchen und andere finden keine Wohnung. Dies gilt insbesondere in Metropolen und Groß- und Mittelstädten. Der Autor Daniel Fuhrhop hat sich ebenfalls ausführlich mit dem Thema beschäftigt und Lösungsvorschläge formuliert (2,3) wie auch ich in meinem Blog (4,5). Gesamtgesellschaftlich ist seit dem Bericht des Club of Rome "Grenzen des Wachstums von 1974" klar, dass wir nicht mehr so weiter wachsen können, sondern dass es planetare Grenzen gibt. Sehr auf dem Punkt wird das sehr anschaulich und dennoch ausreichend komplex erklärt in einer 30-minütigen Arte-Dokumentation (6). Dabei wird deutlich, dass ein betulicher Konservatismus von alten politischen Modellen, sei es von der CDUCSU oder der SPD der Teilhabe an Wachstum und Wohlstand bei aller guten Absicht und bei allem historischen Verdienst unverantwortlich und wesentlicher Teil des Problems sind, wenn man sie einfach fortsetzen will. Dass die politischen Konzepte von FDP und AfD noch schlechter sind bei diesen Fragen, macht es nicht besser.
Letztlich ist es so, dass wir mit der Qualität unseres kollektiven Bewusstseins die Qualität der Organisation unserer Gemeinwesen bestimmen. Es gilt uns einzugestehen versagt zu haben seit dem Bericht des Club of Rome.
Was können wir tun?
Zum einen kann jeder in jeder Sekunde einen kleinen Schritt dahin machen, sein eigenes individuelles Bewusstsein auf einen guten Stand bringen und so zu einem besseren kollektiven Bewusstsein beitragen. Individuell und kollektiv können wir uns für unsere Fehler und Irrtümer verzeihen und uns wieder erinnern, wofür für wir auf der Erde angetreten sind, dass wir hier gemeinsam eine schöne Welt gestalten wollen. Es gilt zu schauen was wir tun können für eine gute Gegenwart und Zukunft.
Wenn Menschen Platz abgeben sollen und andere wenig zur Verfügung haben, kann ein kommunaler Ansatz darin bestehen, attraktive öffentlich zugängliche Räume für wichtige menschliche Lebensbereiche zu schaffen, die bisher viel Raum einnehmen, wenn jeder sie isoliert nutzt. Das sind neben dem Verkehr die Bereiche Wohnen, Arbeiten und Essen. Eigentlich sind wir Menschen Beziehnungswesen und genießen den Austausch mit anderen. Es braucht zwar auch immer Rückzugsmöglichkeiten, aber viele fänden wahrscheinlich weitgehend kostenfreie Co-Working-Bereiche und kostengünstige Co-Eating-Bereiche und Co-Living-Bereiche durchaus attraktiv. Dann könnten einige Büroflächen konsequent in solche neue Co-Living Spaces umgewandelt werden mit kleinen Appartements und Gemeinschaftsflächen.
Wichtig wäre hier, dass man nicht zu groß denkt und zentral eine one-fits-all-Lösung konzipiert, sondern unterschiedliche Flächen anbietet, einige für Co-Working und an anderen Standorten für Co-Eating (siehe als ein Beispiel Amsterdam -> 9) und wieder woanders Co-Living. Denn so findet eine viel bessere Durchmischung mit all den Menschen statt, die nur einen Aspekt für sich nutzen wollen. Außerdem wäre es wichtig sowohl den Planungsprozess als auch den späteren Betrieb partizipativ zu gestalten, eventuell in Form von öffentlich subventionierten Genossenschaften, die demokratisch organisiert sind wie zum Beispiel in der Form der Soziokratie (7). Ich denke nur mit dauerhaft funktionierenden selbstverantwortlichen Betreibermodellen vor Ort lassen sich Probleme wie soziale Einseitigkeiten bzw. Ungleichgewichte in der Nutzung vermeiden und sehr gute Kosten-Nutzen-Relationen erreichen. Letztlich werden solche Projekte von kommunaler Seite wahrscheinlich dann auf den Weg gebracht werden, wenn wichtige Entscheidergruppen ein positives und zugleich realistisches Menschenbild haben oder dazu finden im Sinne Rutger Bregmans Buch "Im Grunde gut" (8).
Quellen:
(1) Zitat Karen Pein in Interview in der Welt online: "Pein: Wenn wir uns den neuen Notfallfonds für Menschen ansehen, die sich ihre Energiekosten nicht mehr leisten können, dann sollten wir damit auch die Frage verbinden, ob Menschen dabei sind, die eigentlich auf zu viel Fläche leben und das gar nicht wollen. Können wir dann nicht parallel auch ein Angebot schaffen, damit die sich verkleinern können und somit ihre Miet- und Energiekosten wieder selbst stemmen können?"
https://www.welt.de/regionales/hamburg/article243700385/Stadtentwicklung-Wir-muessen-mehr-aus-bestehendem-Wohnraum-rausholen.html
vom 12.02.2023
(2) Danien Fuhrhop "Einfach anders wohnen", 2019
(3) Daniel Fuhrhop "Verbietet das Bauen", 2020
(4) Frank Giebel "Wohnraum ökologisch besser nutzen in Wohnungsgenossenschaften und anderen Wohnungsunternehmen" Blog liberal und kooperativ, August 2020
(6) Arte Dokumenatation "Brauchen wir Wirtschaftswachstum?" Sendung vom 22.10.2022
(7) https://de.wikipedia.org/wiki/Soziokratie
(8) Rutger Bregmann "Im Grunde gut - eine neue Geschichte der Menschheit." 2020
(9) Spiegel-Artikel "Gemeinsam essen gegen die Einsamkeit" vom 05.03.2023