Ergänzend zu meinen Feststellungen vom 12.09.2012 hat das Urteil des BVerG eine noch tiefergehende Bedeutung:
Wie an anderer Stelle noch näher auszuführen gibt es in Europa unterschiedliche Politikstile, die auf unterschiedlichen Ansätzen der politischen Philosophie der jeweiligen Länder basieren. In Deutschland wird über einen stark von Kant geprägten "Konstruktivismus", der die Welt im Schillerschen Sinn geistig vorweg nimmt, ein Ideal gestaltet und versucht dieses umzusetzen. In Frankreich und England und möglicherweise auch in Südeuropa dominiert ein Pragmatismus, der schaut wie die Verhältnissen sind und wie sie im Sinne der jeweiligen Interessen verändert werden können, wenn man die Erfahrungen der Vergangenheit berücksichtigt.
Mein bisheriger Stand war der, dass durch die europäische Integration die Notwendigkeit und die Chance besteht, beide Ansätze zu einer Synthese zu integrieren und dass auf dieser Basis eine bessere politische Praxis entstehen könnte.
Das BVGer ist bisher von seinem Grundverständnis und auch mit seinen Positionen zur Europäischen Integration sehr vom deutschen Konstruktivismus geprägt.
Wie das Urteil zeigt, kann es diese Linie aber in der aktuellen Konstellation nicht aufrecht erhalten. Das bedeutet, dass es wohl weniger zu einer Synthese dieser Politikstile kommt, sondern es wahrscheinlicher ist, dass Deutschland seine Kultur Politik zu gestalten auf der europäischen Ebene aufgeben oder zumindest stark anpassen muss. Es wäre dann naiv für deutsche Parteien anzunehmen, dass sie zum Beispiel in Europa gemeinsam mit den Partnern politische Instiutionen aufbauen können (europäische Verfassung, Europäischer Verfassungsgerichtshof), der anolog zur deutschen Situation durch einen starken Konstitutionalismus geprägt ist. Analog zu der von mir am 12.09. beschriebenen Situation des Euro, der nach derzeitigem Ermessen wohl zur Weichwährung wird, wären auch eine Europäische Verfassung und eine europäische Verfassungsgerichtsbarkeit stärker der Politik untergeordnet und damit defakto pragmatisch ausgerichtet. Hier hat sich das BVerG bereits eingeordnet.
Beleg:
siehe zum Beispiel hier
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/1864919/
Auszug:
ZITAT: "Ich denke, dass sicherlich in sehr vielen
Mitgliedsstaaten, das hängt auch sehr stark von ihrer Prägung ab,
vielleicht auch der französische Rechtskreis, das französische
Verständnis von Recht und Politik, das ist ja nicht nur in Frankreich,
sind ja auch andere Mitgliedsstaaten, die so ticken dann, doch der
Primat des Politischen höher ist, und deshalb diese starke
Verrechtlichung, für die das Verfassungsgericht ja steht, mit einem
Stirnrunzeln gesehen wird"
, sagt Frank Schorkopf, Völker- und Europarechtsprofessor von der Universität Göttingen.
"Ich
habe das selbst mal erlebt, dass dann französische Juristen sagen: Wenn
es einen politischen Konsens gibt, wo ist dann das Problem? Dann wird
das Recht eben geändert und angepasst."
In Deutschland ist
man gewohnt, die Politik als ein Produkt der Verfassung zu sehen. In
den meisten anderen Ländern ist es eher umgekehrt: Die Verfassung ist
ein Produkt der Politik. ZITAT ENDE
link zum Konstruktivisums in der Politikwissenschaft:
http://www.blogger.com/blogger.g?blogID=1515654764863071672#editor/target=post;postID=7759830528328212971
link zum Konstitutionalismus:
http://de.wikipedia.org/wiki/Konstitutionalismus
Mittwoch, 19. September 2012
Freitag, 14. September 2012
Euro Dollar AUD
Der starke Anstieg des Euro gegenüber
dem Dollar im letzten Monat hat mich sehr verblüfft. Fundamental
sehe ich dies in dieser Größenordnung nicht begründet. Das
Einzige, das mir als Erklärung dazu einfällt, ist, dass auf den
Finanzmärkten durch die Entscheidungen der EZB, des BVerG und der
FED und deren Vorwegnahme durch die Märkte innerhalb kurzer Zeit
sehr grosse Anlagebeträge in den Euroraum geflossen sind. Wie geht
es weiter? Bis auf weiteres werden diese Gelder hier bleiben, es
werden möglicherweise noch welche hinzukommen. Wenn aber andere
Meldungen auftauchen, die kritisch gegenüber der Eurozone sind, kann
sich diese Entwicklung sehr schnell umkehren. Außerdem kann es
grosse Volatilitäten geben. Sieht das bezüglich EUR.AUD anders aus?
Fundamental scheint mir die Aufwertung des AUD stabiler und weniger
volatil (auch wenn die 4 letzten Wochen und die heutige
Tagesentwicklung das nicht zeigen), da die Probleme in Südeuropa
gross sind und fundamental fortbestehen und die Massnahmen von ESM
und EZB die Geldmenge eher erhöhen werden. Vielleicht ist der AUD
aber insofern volatiler, dass der Markt dafür kleiner ist. Ausserdem
gibt es da auch Risiken, wenn der Rohstoffhunger Südostasiens
im Zuge einer möglichen konjunkturellen Abkühlung nachlässt. Falls es zu einem grösseren Krieg kommt, was ich nicht hoffe, wird die
Risikoneigung der Finanzmärkte zurückgehen und das den Dollar
stärken.
Felix Zulauf skeptisch gegenüber dem Euro:
Arbeitslosigkeit im Vergleich
Spanien http://www.tradingeconomics.com/spain/unemployment-rate
Griechenland http://www.tradingeconomics.com/greece/unemployment-rate
Portugal http://www.tradingeconomics.com/portugal/unemployment-rate
Euro-Zone http://www.tradingeconomics.com/euro-area/unemployment-rate
USA http://www.tradingeconomics.com/united-states/unemployment-rate
Australien http://www.tradingeconomics.com/australia/unemployment-rate
Mittwoch, 12. September 2012
Nach dem Urteil
Wo stehen wir in Europa heute?
Erstens haben sich traditionelle
deutsche Interessen an einer stabilen Währung und soliden
Haushaltspolitik offenkundig in Europa nicht durchsetzen können.
Rückblickend betrachtet muss sagen, dass eine gegenteilige
Erwartungshaltung sehr ambitioniert war. Unabhängig von den
Europäischen Verträgen und den politischen Akteuren und
Institutionen ist das europäische Projekt so weit fortgeschritten,
dass es soviel Masse hat, dass es quasi einfach weiter fährt.
Das heisst wir werden wohl eher eine
Weichwährung in Europa bekommen, bzw. kein Geld mit der Funktion
der Wertaufbewahrung, sondern eher ein Zahlungsmittel mit der
Funktion Kauf/Verkauf und Zahlungen zu ermöglichen. Deutsche werden
sich dem weiter anpassen, wie sie das bereits seit einigen Jahren tun,
insofern sie Immobilien und andere Sachwerte kaufen. Das Sparbuch und
die klassische Lebensversicherung haben ausgedient.
Etwas offener scheint die Frage, ob
Europa bereits eine Transferunion ist und bleibt. Hier muss
sich zeigen, wie die politische Willensbildung erfolgt.
Wie ist das insgesamt zu bewerten? Mit
einem Zahlungsmittel anstelle einer Währung kann man auch als
Deutscher leben. Letztlich ist hier wohl eine Mehrheit bereit dies als Nachteil für die europäische
Integration zu akzeptieren, quasi ein praktischer Kurs in „savoir
vivre“. Man kann sicher versuchen, das Zahlungmittel etwas stabiler
zu machen, aber ob dies ins Gewicht fällt, muss sich zeigen.
Vom übergeordneten Standpunkt aus
betrachtet gilt:
1. Der Wunsch nach einem vereinten
friedlichen Europa mit guten demokratischen Institutionen auf allen
Ebenen kann und sollte weiter verfolgt werden. Die Frage, wie die
Institutionen und die Politiken auszugestalten sind, damit in Europa
Ziele wie Freiheit, Lebensqualität und Wohlstand, soziale
Gerechtigkeit/Fairness und soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit
möglichst gut erreicht werden, ist im politischen Prozess zu
konkretisieren.
2. Es ist ziemlich transparent
geworden, dass Demokratie kein Automatismus ist und dass auch unsere
politischen Institutionen anfällig sind, an demokratischer Qualität
einzubüßen und letztlich in ihrer Qualität durch die Wachsamkeit
und die Beteiligung der Menschen immer wieder gestärkt werden
müssen. Das heisst, es hat sich gezeigt, dass Demokratie letztlich
nicht komplett deligiert werden kann, übrigens auch nicht an die
Piraten. Jeder Mensch, der sich politisch engagiert und
verantwortlich fühlt, ist grundsätzlich ein Gewinn für die
Gesellschaft.
Ein differenzierter Artikel zur Zukunft Europas hier:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/gastbeitrag-zur-zukunft-europas-der-grosse-preis-11886472.html
Montag, 27. August 2012
EZB statt ESM
Aktuell spricht vieles dafür, dass die ECB entgegen dem Widerstand der Bundesbank Staatsschuldenfinanzierung in Europa betreibt, siehe hier:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/jens-weidmann-gegen-anleihekaeufe-eine-gegenstimme-viele-deutungen-11842817.html
Interessant wäre zu erfahren, ob Deutschland irgend eine Handhabe hat, falls die ECB dauerhaft und massiv entgegen ihrem vertraglich festgesetzen Mandat Staatsfinanzierung und Bankenrettung betreiben wird. Könnte man die ECB verklagen auf Unterlassung? Ich vermute nicht.
Oder
ist das eher ein Fall, dass wir nicht so borniert sein sollten und uns
neuen Erfordernissen anpassen sollten? Eher nicht, denn dann müßte
darüber offen debatiert werden und zum Beispiel das Mandat der ECB
angepasst werden. Ich sehe nicht, dass dies Debatte geführt wird und
dieser Prozess demokratisch stattfindet.
In einer politikphilosophischen Perspektive zeigt sich auch hier, das Deutschland quasi "kantisch"/konstruktivistisch mit den Vorgaben eines klaren Mandates Geldwertstabilität und Unabhängigkeit unterwegs ist und dass alle anderen Länder eher pragmatisch/realpoltisch agieren.
Wie ist das zu bewerten? Am kreativsten wäre es wohl, das Positive daran zu sehen, dass wir uns eben gerade mit unseren unterschiedlichen Kulturen in Europa auseinandersetzen und die Chance haben, zu einer Synthese zu finden. Draghi geht ja auch zumindest etwas auf die deutsche Position mit der Forderung nach Konditionalität ein. Ich vermute unter dem Strich kann dabei sogar etwas Besseres herauskommen als bei der Geldpoltitk der FED oder der Bank of England. Falls alle drei Finanzsysteme kollabieren, ist es wohl aber nur ein gradueller Unterschied oder die Frage wer zuerst kollabiert. Zur Zeit ist mehr Drama in Europa aber mittelfristig fährt die USA die riskantere Geldpolitik. Dazu passt:
Maximilian Steinbeis: Generally, the treaties have stirred a tremendous lot of unrest in Germany. Many fear for democracy itself. Not so in France, apparently. Why is that?
Guy Carcassonne, professor of constitutional law at the University of Paris: The explanation is quite simple: German people are far more serious than French people (laughs). They are far more into principles, whereas in French politics they struggle about symbols. As to parliamentary democracy, the French parliament is not as prominent as the German one. People here are much accustomed to parliament being quite obedient to the executive power, and so, if the parliament loses some ability or another, it’s not a trauma. Most of the budget is run by the government, anyway.
http://verfassungsblog.de/embark-global-constitutional-process-fail/#comments
Meine aktuelle Einschätzung zur Frage einer möglichen Synthese ist allerdings, dass das zu optimistisch ist und die unterschiedlichen Kulturen in Europa nicht genügend berücksichtigt. Vielleicht könnten wir dorthin nach 20 Jahren eines guten Miteinanders gelangen, bei dem in diesem Bereich erst mal jeder nach seiner Facon glücklich werden kann.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/jens-weidmann-gegen-anleihekaeufe-eine-gegenstimme-viele-deutungen-11842817.html
Interessant wäre zu erfahren, ob Deutschland irgend eine Handhabe hat, falls die ECB dauerhaft und massiv entgegen ihrem vertraglich festgesetzen Mandat Staatsfinanzierung und Bankenrettung betreiben wird. Könnte man die ECB verklagen auf Unterlassung? Ich vermute nicht.
Ist
das jetzt ein Fall, der zeigt, dass es schief gehen kann, wenn man von
einer relativ starken Institution (Bundesbank) Souveränität auf eine
andere politische Institution überträgt (ECB)? Ich vermute ja.
Ist
das eh alles egal, insofern dass auch Deutschland ja selbst frühzeitig
z.B die Maastricht-Kriterien gebrochen hat? Ich denke
Rechtsstaatlichkeit ist immer noch ein extrem wichtiges Prinzip, auf allen Ebenen. Ich denke außerdem, dass
es zeigt, dass es besser wäre auf europäsicher Ebene auch eine
Verfassung und ein Verfassungsgericht zu haben (wenn auf dieser Ebene
bereits so viele Entscheidungsbefugnisse angesiedelt sind) und im
Zweifel sogar eines, dass berechtigt wäre Mandantsverletzungen einer
sonst unabhängigen Institution wie einer Zentralbank zu unterbinden
(wenn sie eindeutig gegen die Verfassung verstösst).
In einer politikphilosophischen Perspektive zeigt sich auch hier, das Deutschland quasi "kantisch"/konstruktivistisch mit den Vorgaben eines klaren Mandates Geldwertstabilität und Unabhängigkeit unterwegs ist und dass alle anderen Länder eher pragmatisch/realpoltisch agieren.
Wie ist das zu bewerten? Am kreativsten wäre es wohl, das Positive daran zu sehen, dass wir uns eben gerade mit unseren unterschiedlichen Kulturen in Europa auseinandersetzen und die Chance haben, zu einer Synthese zu finden. Draghi geht ja auch zumindest etwas auf die deutsche Position mit der Forderung nach Konditionalität ein. Ich vermute unter dem Strich kann dabei sogar etwas Besseres herauskommen als bei der Geldpoltitk der FED oder der Bank of England. Falls alle drei Finanzsysteme kollabieren, ist es wohl aber nur ein gradueller Unterschied oder die Frage wer zuerst kollabiert. Zur Zeit ist mehr Drama in Europa aber mittelfristig fährt die USA die riskantere Geldpolitik. Dazu passt:
Maximilian Steinbeis: Generally, the treaties have stirred a tremendous lot of unrest in Germany. Many fear for democracy itself. Not so in France, apparently. Why is that?
Guy Carcassonne, professor of constitutional law at the University of Paris: The explanation is quite simple: German people are far more serious than French people (laughs). They are far more into principles, whereas in French politics they struggle about symbols. As to parliamentary democracy, the French parliament is not as prominent as the German one. People here are much accustomed to parliament being quite obedient to the executive power, and so, if the parliament loses some ability or another, it’s not a trauma. Most of the budget is run by the government, anyway.
http://verfassungsblog.de/embark-global-constitutional-process-fail/#comments
Meine aktuelle Einschätzung zur Frage einer möglichen Synthese ist allerdings, dass das zu optimistisch ist und die unterschiedlichen Kulturen in Europa nicht genügend berücksichtigt. Vielleicht könnten wir dorthin nach 20 Jahren eines guten Miteinanders gelangen, bei dem in diesem Bereich erst mal jeder nach seiner Facon glücklich werden kann.
Freitag, 3. August 2012
Olympia 2012
Ich denke einen Medaillenspiegel muss man nicht übertrieben wichtig nehmen, aber wenn er schon mal da ist, warum dann nicht ergänzend die Europäische Union ausweisen?
Freitag, 13. Juli 2012
Neues von der Eurozonenkrise
1. Spanien: Der spanische Wirtschaftsminister hat einen schweren Stand, aber er macht das Beste daraus, Respekt:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/spaniens-wirtschaftsminister-luis-de-guindos-wir-nehmen-uns-an-den-deutschen-ein-beispiel-11818177.html
Unter dem Strich wird es vermutlich mittelfristig nicht reichen, aber langfristig sehe ich Spanien mit solchen Politikern auf einem guten Weg.
2. Griechenland: Wie erwartet erfüllt Griechendland die Sparvorgaben nicht.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/europas-schuldenkrise/griechenland/schuldenkrise-griechenland-hat-offenbar-210-sparvorgaben-nicht-erfuellt-11819024.html
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/spaniens-wirtschaftsminister-luis-de-guindos-wir-nehmen-uns-an-den-deutschen-ein-beispiel-11818177.html
Unter dem Strich wird es vermutlich mittelfristig nicht reichen, aber langfristig sehe ich Spanien mit solchen Politikern auf einem guten Weg.
2. Griechenland: Wie erwartet erfüllt Griechendland die Sparvorgaben nicht.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/europas-schuldenkrise/griechenland/schuldenkrise-griechenland-hat-offenbar-210-sparvorgaben-nicht-erfuellt-11819024.html
Schützenhilfe für das Bundesverfassungsgericht
1. Bundesbankpräsident Weidmann stellt sich im Streit um den ESM nach meiner Interpretation nicht auf die Seite der Bundesregierung :
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/verhandlung-vor-bundesverfassungsgericht-der-bundesbankpraesident-zweifelt-an-den-esm-regeln-11816452.html
2. der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof stellt sich nach meiner Interpretation auf die Seite der Kläger:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/europas-zukunft/paul-kirchhof-zur-krise-der-eu-verfassungsnot-11817188.html
Mit den 200 Ökonomen um Sinn, mit Bundesbankpräsident Weidmann und mit dem ehemaligen Bundesverfassungrichter Kirchhof gibt es eine wichtige Personengruppe, eine wichtige Institution und eine nicht unwichtige Einzelperson, die bei einer Ablehnung des Vertrages zum ESM durch das Bundesverfassungsgericht informell die Verantwortung für die Folgen mit dem Bundesverfassungsgericht teilen würden. Ich denke, dass sind gute Voraussetzungen dafür, dass das Bundesverfassungsgericht auch bei dem riesigen faktischen Druck der Regierungen Europas, in ihrem Sinn zu entscheiden, sachlich fundiert entscheiden kann und wird.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/verhandlung-vor-bundesverfassungsgericht-der-bundesbankpraesident-zweifelt-an-den-esm-regeln-11816452.html
2. der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof stellt sich nach meiner Interpretation auf die Seite der Kläger:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/europas-zukunft/paul-kirchhof-zur-krise-der-eu-verfassungsnot-11817188.html
Mit den 200 Ökonomen um Sinn, mit Bundesbankpräsident Weidmann und mit dem ehemaligen Bundesverfassungrichter Kirchhof gibt es eine wichtige Personengruppe, eine wichtige Institution und eine nicht unwichtige Einzelperson, die bei einer Ablehnung des Vertrages zum ESM durch das Bundesverfassungsgericht informell die Verantwortung für die Folgen mit dem Bundesverfassungsgericht teilen würden. Ich denke, dass sind gute Voraussetzungen dafür, dass das Bundesverfassungsgericht auch bei dem riesigen faktischen Druck der Regierungen Europas, in ihrem Sinn zu entscheiden, sachlich fundiert entscheiden kann und wird.
Donnerstag, 12. Juli 2012
Alternativen zum ESM
Ergänzend zu dem Vorschlag von debt equity swaps zur Rekapitalisierung südeuropäischer Problembanken siehe hier http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/oekonomen-aufruf-die-risiken-der-rettungspolitik-11814959.html und hier http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/oekonomen-aufruf-im-wortlaut-zur-europaeischen-bankenunion-11815081.html könnte auch Schwarmfinanzierung ein konstruktiver Beitrag sein:
Verständnis-Frage:
Wie ist das eigentlich, wenn man sich bzgl. der südeuropäischen
Krisenbanken auf debt equity swaps zur Rekapitalisierung einigen könnte. Würde
das nicht bedeuten, dass in Bezug auf die jeweiligen
Staatsschulden letztlich auch eine Teilinsolvenz wie in Griechenland
geschehen weniger problematisch ist? Bisher wird ja so argumentiert,
dass eine Teilinsolvenz von Staaten Probleme bei den systemrelevanten
Banken auslöst, mit der Gefahr einer unkalkulierbaren Kettenreaktion.
Wäre so nicht dieser Teufelskreis von Staats- und Bankschulden unterbrochen? Und das Ganze sogar ohne einen ESM!?!
Dienstag, 10. Juli 2012
demokratische Qualität von politischen Institutionen
Die aktuelle Entwicklung in der
Eurozone zeigt, dass in Krisensituationen auch die Bundesregierung
mit einer grundsätzlich demokratischen Verfasstheit, Tradition und
Ausrichtung im gut gemeinten Willen die Krise zu bewältigen,
Tendenzen entwickelt, die faktisch die Demokratie gefährden, zum
Beispiel, indem sie andere Teilnehmer im demokratischen Prozess
tendenziell schwächt: wie die faktische Einschränkung der Rechte
des Bundestages durch EU-Verträge (siehe ESM), das Unter-Druck-Setzen
des Bundesverfassungsgerichtes über die Medien durch einzelne
Politiker oder der Versuch notwendige Debatten über die Richtigkeit
ihrer Politik zu unterbinden (Darstellung als alternativlos, auf die
kritische Stellungnahme von mittlerweile 200 Ökonomen zum ESM wird
mit Empörung und herabsetzender Kritik reagiert). Noch größer ist
die Gefahr der Schwächung demokratischer Institutionen auf der
europäischen Ebene, da hier die Institutionen bis dato ein
strukturelles Demokratiedefizit aufweisen (keine Verfassung, keine
repräsentative Wahl, keine vom Parlament gewählte Regierung, kein
Recht zur Gesetzesinitiative des Parlamentes). In der Bevölkerung
ist hier viel eher eine Wahrnehmung für diese Gefahren vorhanden.
Bezüglich einer Debatte über die
demokratische Qualität unserer politischen Institutionen und von sinnvollen Schlussfolgerungen und Lösungsmöglichkeiten
stehen wir sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene
noch ganz am Anfang.
Nach dem Buch "Why nations fail"
von Acemoglu und Robinson
http://www.amazon.de/Why-Nations-Fail-Origins-Prosperity/dp/0307719219/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1339484282&sr=8-1 bestimmt die Qualität der politischen
Institutionen eines Landes entscheidend den langfristigen Wohlstand
einer Gesellschaft. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, daß dies
langfristig wichtiger ist als eine mehr oder weniger gute
Wirtschaftspolitik oder kulturelle Faktoren. Qualität machen sie
dabei daran fest, ob die Institutionen extraktiv sind, also eher so
konstruiert sind, dass sie einer Minderheit dazu dienen eine Mehrheit
materiell auszunutzen oder „inkludierend“ also so konstruiert
sind, dass mehr oder weniger alle in der Gesellschaft am Wohlstand
teilhaben, zumindest hinsichtlich einer gewissen Chancengleichheit (historisch z.B. Nordamerika versus Südamerika). Auch hier
stehen wir erst am Anfang der Wahrnehmung dieser Zusammenhänge und
einer Debatte über die sinnvollen Schlußfolgerungen. Inbesondere
stellen sich die Fragen, 1. ob die Autoren recht haben, 2. wie diese Erkenntnisse grundsätzlich zu
einer Stärkung der demokratischen Qualität von politischen
Institutionen genutzt werden können, 3.ob und wie sich diese Erkenntnisse auch auf die supranationale Ebene übertragen lassen, insbesondere die Europäische Union und wie sie dort angewandt werden können und 4. ob
nicht auch in den historisch eher inkludierenden westlichen
Industrienationen sich mehr und mehr Tendenzen breitmachen, die eher
extraktiven Charakter haben und wie sinnvoll damit umgegangen werden
kann.
Mein bisheriger Stand ist der, dass man versuchen sollte, die demokratische Qualität von politischen Institutionen zu messen, indem man geeignete Meßkriterien festlegt und unabhängige Organisationen findet, die dies übernehmen können (evtl. ähnlich wie Transparency International oder abgeordnetenwatch.de ein institutionenwatch.de/eu.) Die Ergebnisse sollte man bei einer zukünftigen institutionellen Umgestaltung Europa berücksichtigen.
Außerdem sollte man alle demokratischen Prozesse unterstützen, bei denen die Bevölkerung sich politisch einbringt und so selbst quasi ständig auf die politischen Institutionen Druck ausübt, dass diese inkludierend werden oder bleiben. Ich glaube, dass eine Debattenkultur durch das Internet mit Foren, Blogs, Kommentierungsmöglichkeiten genau in die richtige Richtung geht, ebenso wie Volksentscheide.
Montag, 9. Juli 2012
Sonntag, 8. Juli 2012
Soll Europa langfristig ein Bundesstaat oder ein Staatenbund sein?
Zitat aus Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Souver%C3%A4nit%C3%A4t
"Bei Staatenbünden liegt die staatliche
Souveränität immer noch bei den einzelnen Staaten. Bei der
Gründung eines föderalen Gesamtstaates hingegen geben die
nachmaligen Gliedstaaten
– wie etwa in Deutschland und Österreich die
Länder/Bundesländer,
in der Schweiz die Kantone
oder in den USA
die Bundesstaaten
(states)
– ihre Souveränität teilweise an den Bund
ab"
Bei einem föderalen Europa würde also
staatliche Souveränität an eine europäisch Exekutive, Legislative
und Judikative abgegeben.
"Dies äußert
sich insbesondere dadurch, dass im Bundesstaat der Bund die
sogenannte Kompetenz-Kompetenz
(oder auch Kompetenzhoheit) besitzt. Diese ermöglicht es ihm, die
Kompetenzen zur Wahrnehmung neuer Staatsaufgaben aus seiner
eigenen Machtfülle heraus an sich zu binden. Die Gliedstaaten
können die Erfüllung von Staatsaufgaben nur in dem Maße selbst
leisten, wie ihnen die dafür nötigen Kompetenzen vom Bund
zugestanden werden. In Staatenbünden hingegen entscheiden die
einzelnen Staaten, ob sie dem Bund Kompetenzen überlassen wollen."
Aha, letztlich muss klar sein, wer das
Sagen hat.
In einer Demokratie mit einer
Verfassung sollte die Souveränität vom Volk ausgehen.
These 1: Solange sich in Europa die
überwiegende Mehrzahl der Menschen in ihrer Identität noch mehr als
Teil eines Staatsvolkes als als Teil des europäischen Volkes
begreifen, solange geht von den einzelnen Völkern die Souveränität
aus und solange sollte die Kompetenz-Kompetenz auf
nationalstaatlicher Ebene verbleiben.
These2: Langfristig ist die Vision
eines zentral verfassten Europas, legitimiert durch ein europäisches
Staatsvolk, dennoch sinnvoll.
These 3: Auch wenn die
Kompetenz-Kompetenz auf nationaler Ebene verbleibt, ist es sinnvoll
und möglich eine demokratisch verfasste europäische Föderation zu
schaffen, bei der eine europäische Exekutive, Legislative und
Judikative in einigen Politikbereichen die wichtigste Ebene
darstellt.
These 4: Um dort hinzugelangen, sollten
wir einen europaweiten Diskurs führen und die bestehende Europäische
Union auf dem jetzigen Stand fortführen, aber nicht versuchen
kurzfristig weiter Souveränität nach Brüssel abzugeben. Sollte der
Euro nicht mehr zu halten sein und die Euro-Zone (17 Staaten)
zerbrechen, sollten wir auf der Ebene der Europäischen Union (27
Staaten) auf der derzeitigen Vertragsbasis weiter zusammenarbeiten.
weitere Fragen:
Ist die Tatsache, dass in Europa viele
Sprachen gesprochen werden, die für die Menschen identitätsstiftend
sind, ein Hinderungsgrund, um langfristig zu einem europäischen
Staatsvolk als souveräner verfassungsgebender Ausgangspunkt für
eine europäische Föderation mit Bundesstaatscharakter zu gelangen?
Es erschwert sicher die Sache, ist aber kein absoluter Hinderungsgrund. Die Schweiz zeigt, dass eine nationale Identität auch bei mehreren Sprachen möglich ist. In der Schweiz gibt es aber einen Gründungsmythos, der identitätsstiftend ist und eine gemeinsame Geschichte. Und es gab wohl einen sehr großen Druck sich gegen übermächtige Gegner zusammenzuschließen. Ich denke mit den Erfahrungen aus dem 2. Weltkrieg und der historischen Entwicklung der Europäischen Union, mit den „Gründervätern“ De Gaulle und Adenauer haben auch wir eine identitätsstiftende Geschichte als Europäer, eingebettet in den weiten historischen Kontext der europäischen Geschichte mit der griechisch/römischen Zivilisation und dem christlich-jüdischen Erbe. Ich denke aber, dass zu unserer Geschichte kurz-und mittelfristig eher eine europäischen Föderation passt, bei der die Kompetenz-Kompetenz noch auf nationalstaatlicher Ebene liegt, als dazu bereits jetzt einen föderalen Bundesstaat nach amerikanischem Vorbild zu gestalten. Ich glaube ein guter Umgang mit der aktuellen Finanz-und Eurozonenkrise kann aber dazu beitragen in diesem Sinne weiter zusammenzuwachsen. Das hiese für mich aber eher Euroaustritte und Staatsinsolvenzen zuzulassen und dabei die Erfahrung zu machen, dass uns das in Europa eben nicht auseinanderreisst!
Es erschwert sicher die Sache, ist aber kein absoluter Hinderungsgrund. Die Schweiz zeigt, dass eine nationale Identität auch bei mehreren Sprachen möglich ist. In der Schweiz gibt es aber einen Gründungsmythos, der identitätsstiftend ist und eine gemeinsame Geschichte. Und es gab wohl einen sehr großen Druck sich gegen übermächtige Gegner zusammenzuschließen. Ich denke mit den Erfahrungen aus dem 2. Weltkrieg und der historischen Entwicklung der Europäischen Union, mit den „Gründervätern“ De Gaulle und Adenauer haben auch wir eine identitätsstiftende Geschichte als Europäer, eingebettet in den weiten historischen Kontext der europäischen Geschichte mit der griechisch/römischen Zivilisation und dem christlich-jüdischen Erbe. Ich denke aber, dass zu unserer Geschichte kurz-und mittelfristig eher eine europäischen Föderation passt, bei der die Kompetenz-Kompetenz noch auf nationalstaatlicher Ebene liegt, als dazu bereits jetzt einen föderalen Bundesstaat nach amerikanischem Vorbild zu gestalten. Ich glaube ein guter Umgang mit der aktuellen Finanz-und Eurozonenkrise kann aber dazu beitragen in diesem Sinne weiter zusammenzuwachsen. Das hiese für mich aber eher Euroaustritte und Staatsinsolvenzen zuzulassen und dabei die Erfahrung zu machen, dass uns das in Europa eben nicht auseinanderreisst!
Würde in einem europäischen Bundesstaat
sich letztlich eine gemeinsame Amts- und Geschäftssprache
durchsetzen, was bei globaler Perspektive wohl Englisch wäre?
Ich vermute ja und für mich persönlich wäre es in Ordnung, da ich zwei Jahre in England gelebt habe. Ich vermute aber, dass es bei der Mehrheit der Europäer dazu eher Vorbehalte gibt. Vielleicht entschärft sich aber bis dahin dieses Problem durch technische Hilfsmittel wie spracherkennungsbasierte simultane Übersetzungsprogramme auf Smartphones oder ähnlichem.
Ich vermute ja und für mich persönlich wäre es in Ordnung, da ich zwei Jahre in England gelebt habe. Ich vermute aber, dass es bei der Mehrheit der Europäer dazu eher Vorbehalte gibt. Vielleicht entschärft sich aber bis dahin dieses Problem durch technische Hilfsmittel wie spracherkennungsbasierte simultane Übersetzungsprogramme auf Smartphones oder ähnlichem.
2 Aspekte zum ESM, 1 Aspekt zum Euro
1. zum Thema, dass Bundespräsident Gauck das Gesetz zum ESM auf Bitten des Bundesverfassungsgericht nicht unterschrieb und Eilanträge deshalb behandelt werden können, schreibt die FAZ heute, dass beim EFSF Herr Gauweiler ebenfalls einen Eilantrag stellte, aber Bundespräsident Köhler dem durch eine Unterschrift zuvorgekommen ist. Ich bin sehr froh, dass Herr Gauck aktuell dieses Amt bekleidet. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/bundesverfassungsgericht-europa-haengt-an-einer-unterschrift-11813446.html
2. Den 172 Ökonomen wurde vorgeworfen, keine Lösungsvorschläge zu machen. Prof. Sinn bereits am 29.06.2012 sehr knapp und einfach in Bezug auf die südeuropäsichen Bankschulden von ca. 2 Billionen Euro ab 32min50sec: http://www.youtube.com/watch?v=Ui0NOk_lSbU&feature=tn debt equity swaps: also die jeweiligen Gläubiger der jeweiligen Banken müssen ihre Forderungen in Eigenkapital der Banken umwandeln lassen. Finde ich sehr gut.
3. Bernard Lietaer argumentiert, dass ein Finanzsystem durch eine Vielfalt von Währungen mit paralleler Gültigkeit an Stabilität gewinnt. Auch wenn ich mir bei vielen seiner Aussagen nicht sicher bin, ob er recht hat, leuchtet mir obige Grundaussage ein. Sie ist genau das Gegenteil des Euro. http://www.youtube.com/watch?v=5Zoud9tFEmw , http://www.youtube.com/watch?v=T9EI2PrDpmw
3. Bernard Lietaer argumentiert, dass ein Finanzsystem durch eine Vielfalt von Währungen mit paralleler Gültigkeit an Stabilität gewinnt. Auch wenn ich mir bei vielen seiner Aussagen nicht sicher bin, ob er recht hat, leuchtet mir obige Grundaussage ein. Sie ist genau das Gegenteil des Euro. http://www.youtube.com/watch?v=5Zoud9tFEmw , http://www.youtube.com/watch?v=T9EI2PrDpmw
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