Die aktuelle Entwicklung in der
Eurozone zeigt, dass in Krisensituationen auch die Bundesregierung
mit einer grundsätzlich demokratischen Verfasstheit, Tradition und
Ausrichtung im gut gemeinten Willen die Krise zu bewältigen,
Tendenzen entwickelt, die faktisch die Demokratie gefährden, zum
Beispiel, indem sie andere Teilnehmer im demokratischen Prozess
tendenziell schwächt: wie die faktische Einschränkung der Rechte
des Bundestages durch EU-Verträge (siehe ESM), das Unter-Druck-Setzen
des Bundesverfassungsgerichtes über die Medien durch einzelne
Politiker oder der Versuch notwendige Debatten über die Richtigkeit
ihrer Politik zu unterbinden (Darstellung als alternativlos, auf die
kritische Stellungnahme von mittlerweile 200 Ökonomen zum ESM wird
mit Empörung und herabsetzender Kritik reagiert). Noch größer ist
die Gefahr der Schwächung demokratischer Institutionen auf der
europäischen Ebene, da hier die Institutionen bis dato ein
strukturelles Demokratiedefizit aufweisen (keine Verfassung, keine
repräsentative Wahl, keine vom Parlament gewählte Regierung, kein
Recht zur Gesetzesinitiative des Parlamentes). In der Bevölkerung
ist hier viel eher eine Wahrnehmung für diese Gefahren vorhanden.
Bezüglich einer Debatte über die
demokratische Qualität unserer politischen Institutionen und von sinnvollen Schlussfolgerungen und Lösungsmöglichkeiten
stehen wir sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene
noch ganz am Anfang.
Nach dem Buch "Why nations fail"
von Acemoglu und Robinson
http://www.amazon.de/Why-Nations-Fail-Origins-Prosperity/dp/0307719219/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1339484282&sr=8-1 bestimmt die Qualität der politischen
Institutionen eines Landes entscheidend den langfristigen Wohlstand
einer Gesellschaft. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, daß dies
langfristig wichtiger ist als eine mehr oder weniger gute
Wirtschaftspolitik oder kulturelle Faktoren. Qualität machen sie
dabei daran fest, ob die Institutionen extraktiv sind, also eher so
konstruiert sind, dass sie einer Minderheit dazu dienen eine Mehrheit
materiell auszunutzen oder „inkludierend“ also so konstruiert
sind, dass mehr oder weniger alle in der Gesellschaft am Wohlstand
teilhaben, zumindest hinsichtlich einer gewissen Chancengleichheit (historisch z.B. Nordamerika versus Südamerika). Auch hier
stehen wir erst am Anfang der Wahrnehmung dieser Zusammenhänge und
einer Debatte über die sinnvollen Schlußfolgerungen. Inbesondere
stellen sich die Fragen, 1. ob die Autoren recht haben, 2. wie diese Erkenntnisse grundsätzlich zu
einer Stärkung der demokratischen Qualität von politischen
Institutionen genutzt werden können, 3.ob und wie sich diese Erkenntnisse auch auf die supranationale Ebene übertragen lassen, insbesondere die Europäische Union und wie sie dort angewandt werden können und 4. ob
nicht auch in den historisch eher inkludierenden westlichen
Industrienationen sich mehr und mehr Tendenzen breitmachen, die eher
extraktiven Charakter haben und wie sinnvoll damit umgegangen werden
kann.
Mein bisheriger Stand ist der, dass man versuchen sollte, die demokratische Qualität von politischen Institutionen zu messen, indem man geeignete Meßkriterien festlegt und unabhängige Organisationen findet, die dies übernehmen können (evtl. ähnlich wie Transparency International oder abgeordnetenwatch.de ein institutionenwatch.de/eu.) Die Ergebnisse sollte man bei einer zukünftigen institutionellen Umgestaltung Europa berücksichtigen.
Außerdem sollte man alle demokratischen Prozesse unterstützen, bei denen die Bevölkerung sich politisch einbringt und so selbst quasi ständig auf die politischen Institutionen Druck ausübt, dass diese inkludierend werden oder bleiben. Ich glaube, dass eine Debattenkultur durch das Internet mit Foren, Blogs, Kommentierungsmöglichkeiten genau in die richtige Richtung geht, ebenso wie Volksentscheide.
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