Wenn es nur um Parteiprogramme ging, würde ich sagen, die von der Piratenpartei sind richtig gut http://wiki.piratenpartei.de/Europawahl_2014/Wahlprogramm und http://wiki.piratenpartei.de/Parteiprogramm und auch die vier ersten Listenkandidaten/innen könnte ich mir gut im EP-Parlament vorstellen, aber mit einer bekennenden antideutschen Linksextremistin auf Platz 5, einem nach meiner Wahrnehmung linksextremen Bundesvorstandsvorsitzenden und möglichen linksextremen künftigen Mitarbeitern in Brüssel und Straßburg tue ich mich als Sozialliberaler damit schwer.
Manche Positionen der AFD halte ich für richtig (mehr Subsidiarität in Europa) und überschneiden sich mit den Positionen der Piraten (gegen TTIP, gegen ESM, gegen Überwachung) aber die Partei hat wohl einen starken nationalkonservativen Flügel (neben einem liberalen Selbstverständis) und das sagt mir ebenfalls nicht zu.
Unter Expiraten ist "Die Partei" mit Martin Sonneborn recht beliebt http://www.die-partei.de/aber eine reine Spaßpartei behagt mir auch nicht, dafür ist mir Politik zu wichtig.
Die Grünen? sind mir zu etatistisch, die FDP? zwar liberal aber nicht sozial und nicht umweltorientiert genug. Und die SPD und die CDU/CSU? Die beiden bestimmen eh schon die Politik der letzten Jahrzehnte und haben dabei so Sachen wie die Vorratsdatenspeichung eingeführt, wehren sich nicht gegen die Überwachung von uns durch die amerikanischen und britischen Geheimdienste, lassen Edward Snowden im undemokratischen Russland versauern, haben mich mit einem sehr national geführten Bundestagswahlkampf genervt, haben eine eher konfliktverstärkende Ukraine-Politik zu verantworten und sind für eine Politik in Europa verantwortlich, die zu einer extrem hohen Arbeitslosigkeit in Südeuropa wesentlich beiträgt, vor allem bei jungen Menschen, ganz zu schweigen davon, daß sie keine sichtbaren Schritte unternehmen, die Institutionen der Europäischen Union demokratisch zu gestalten.
Da es keine 3-Prozent Hürde mehr gibt und somit jede Stimme zählt, werde ich mir mal das Programm der Violetten genauer ansehen und der ÖDP und dann noch mal neu überlegen, aber eigentlich wünsche ich mir eine Partei, die durch und durch liberal ist und sich an den Menschenrechten orientiert, dabei sozial und nachhaltig, die für einen offenen Diskurs ist und dabei - so wie die Piraten das gemacht haben - das Internet einsetzt und sich über Telefonkonferenzen via Mumble vernetzt und gemeinsam mit Pads an politischen Antworten arbeitet, eine Partei, die deutlich kosmopolitscher ist als die anderen Parteien, aber kein Problem damit hat, wenn Mitglieder auch gerne Franzosen oder Italiener oder Deutsche sind, eine Partei, die sich europaweit organisiert und europäische Debatten über das Internet anstösst, die grundsätzlich allen Europäern offenstehen und eine Partei, die sich mit dem Internet auskennt (was ich nicht tue) und sich kompetent für ein freies neutrales Netz einsetzt, für Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung und für ein an das Internet angepasstes Urheberrecht.
Donnerstag, 24. April 2014
Zur Ablehnung der Berliner Montagsdemos durch die Piratenpartei
In einem Blogbeitrag lehnt die
Redaktion der Internetseite der Piratenpartei Deutschland https://www.piratenpartei.de/2014/04/17/friedensbewegung-2-0-lasst-uns-auf-die-strasse-gehen-aber-nicht-dort/ die
aktuellen Montagsdemos in Berlin ab und ruft dazu auf, dort nicht
teilzunehmen. Sie erntet dabei einen Sturm der Entrüstung, wie die Mehrheit der veröffentlichten Kommentare zeigen.
Hintergrund ist nach meiner Meinung, daß auf diesen Demos auch Menschen reden,
die dem rechten politischen Spektrum zugeordnet werden. Im
Teilnehmerkreis waren zudem Funktionäre der NPD gesichtet worden,
allerdings auch Personen, die dem linksextremen politischen Spektrum
zuzurechnen sind. Die meisten Teilnehmer kommen aus der Mitte der
Gesellschaft.
Ich habe im Kommentarbereich begründet und mit der Redaktion diskutiert, warum ich eine neutrale Position der Piratenpartei zu den Demos für besser halten würde https://www.piratenpartei.de/2014/04/17/friedensbewegung-2-0-lasst-uns-auf-die-strasse-gehen-aber-nicht-dort/#comment-56818
Mittlerweile wurde mir klar: Letztlich geht es sich um einen
Zielkonflikt zwischen zwei positiven Zielen. Zum einen will man einen
offenen Diskurs führen, zum anderen will man politischen Kräften,
die man negativ bewertet, nicht durch die Einbeziehung in den Diskurs
stärken. Wie man diese Frage für sich entscheidet, hängt meiner
Meinung nach damit zusammen, was für ein Selbst- und Menschenbild man hat. Traut
man dem Diskurs letztlich nicht viel zu und glaubt man sowieso
schon zu wissen wo es lang geht, wäre es logisch, gerade so viele Leute vom Diskurs auszuschließen, um der
eigenen Position beste Geltung zu verschaffen, aber nicht so weit,
daß man sich durch sein Verhalten selbst zum Außenseiter macht. Im Blogbeitrag der
Piratenpartei wird dazu aufgerufen, bestimmte Personen und ein Forum, das diese Personen nicht vom Diskurs ausschließt, aus dem politischen Diskurs auszuschließen. Damit macht sich in der Realitität die
Piratenpartei nach meiner Wahrnehmung selbst zum Außenseiter
gegenüber der Mehrheit der Menschen. Die andere Linie hat ein
grundsätzlich kritischeres Selbstbild und ein positiveres Menschenbild und hält aus beiden Gründen einen offenen Diskurs
in einer Gesellschaft für wichtig. Diese nimmt in Kauf, dass auch
Leute mit teilweise haarsträubenden Aussagen an dem Diskurs teilnehmen und
vertraut darauf, dass die Leute diesen falschen Aussagen nicht auf den
Leim gehen. Diese Haltung hat es in Deutschland vor dem Hintergrund
des Nationalsozialismus schwer. Die Menschen haben insgesamt hier vor
70 Jahren versagt. Die Menschen, die dennoch wieder auf Diskurs
setzen, sind der Meinung, dass die Menschen zumindest so viel
dazugelernt haben, daß sie trotzdem einen offenen Diskurs wollen und
für die bessere Lösung halten.
Ich glaube es gibt in einer Gesellschaft tatsächlich so etwas wie ein kollektives Bewusstsein (siehe C.G. Jung). Das hat nichts mit Volk oder Ethnie zu tun, sondern gibt es wahrscheinlich auf allen Ebenen, sowohl auf globaler bis hin zu lokalen Ebenen und auch in Familien. Ich erinnere noch die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Damals gab es zum ersten Mal bei mir die Wahrnehmung, daß sich in Deutschland in Bezug auf die eigene schwierige Identität etwas Entspannung und Selbstannahme dazugesellte. Das Motto "die Welt zu Gast bei Freunden" wurde von den Gästen angenommen und von den Bewohnern in der großen Mehrheit auch so empfunden. Ich glaube dies war kein einmaliges Ereignis sondern Teil eines Prozesses, der durch die Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit und unserer Schuld geprägt wurde. Dieser Prozess geht in der Bevölkerung weiter und dem sollte man sich nicht verschließen oder aus Angst, dass wieder etwas massiv schief geht, ausblenden. Diese Angst ist da, darf auch gespürt und benannt werden, aber sie sollte nicht unser politisches Handeln leiten.
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