In einem Blogbeitrag lehnt die
Redaktion der Internetseite der Piratenpartei Deutschland https://www.piratenpartei.de/2014/04/17/friedensbewegung-2-0-lasst-uns-auf-die-strasse-gehen-aber-nicht-dort/ die
aktuellen Montagsdemos in Berlin ab und ruft dazu auf, dort nicht
teilzunehmen. Sie erntet dabei einen Sturm der Entrüstung, wie die Mehrheit der veröffentlichten Kommentare zeigen.
Hintergrund ist nach meiner Meinung, daß auf diesen Demos auch Menschen reden,
die dem rechten politischen Spektrum zugeordnet werden. Im
Teilnehmerkreis waren zudem Funktionäre der NPD gesichtet worden,
allerdings auch Personen, die dem linksextremen politischen Spektrum
zuzurechnen sind. Die meisten Teilnehmer kommen aus der Mitte der
Gesellschaft.
Ich habe im Kommentarbereich begründet und mit der Redaktion diskutiert, warum ich eine neutrale Position der Piratenpartei zu den Demos für besser halten würde https://www.piratenpartei.de/2014/04/17/friedensbewegung-2-0-lasst-uns-auf-die-strasse-gehen-aber-nicht-dort/#comment-56818
Mittlerweile wurde mir klar: Letztlich geht es sich um einen
Zielkonflikt zwischen zwei positiven Zielen. Zum einen will man einen
offenen Diskurs führen, zum anderen will man politischen Kräften,
die man negativ bewertet, nicht durch die Einbeziehung in den Diskurs
stärken. Wie man diese Frage für sich entscheidet, hängt meiner
Meinung nach damit zusammen, was für ein Selbst- und Menschenbild man hat. Traut
man dem Diskurs letztlich nicht viel zu und glaubt man sowieso
schon zu wissen wo es lang geht, wäre es logisch, gerade so viele Leute vom Diskurs auszuschließen, um der
eigenen Position beste Geltung zu verschaffen, aber nicht so weit,
daß man sich durch sein Verhalten selbst zum Außenseiter macht. Im Blogbeitrag der
Piratenpartei wird dazu aufgerufen, bestimmte Personen und ein Forum, das diese Personen nicht vom Diskurs ausschließt, aus dem politischen Diskurs auszuschließen. Damit macht sich in der Realitität die
Piratenpartei nach meiner Wahrnehmung selbst zum Außenseiter
gegenüber der Mehrheit der Menschen. Die andere Linie hat ein
grundsätzlich kritischeres Selbstbild und ein positiveres Menschenbild und hält aus beiden Gründen einen offenen Diskurs
in einer Gesellschaft für wichtig. Diese nimmt in Kauf, dass auch
Leute mit teilweise haarsträubenden Aussagen an dem Diskurs teilnehmen und
vertraut darauf, dass die Leute diesen falschen Aussagen nicht auf den
Leim gehen. Diese Haltung hat es in Deutschland vor dem Hintergrund
des Nationalsozialismus schwer. Die Menschen haben insgesamt hier vor
70 Jahren versagt. Die Menschen, die dennoch wieder auf Diskurs
setzen, sind der Meinung, dass die Menschen zumindest so viel
dazugelernt haben, daß sie trotzdem einen offenen Diskurs wollen und
für die bessere Lösung halten.
Ich glaube es gibt in einer Gesellschaft tatsächlich so etwas wie ein kollektives Bewusstsein (siehe C.G. Jung). Das hat nichts mit Volk oder Ethnie zu tun, sondern gibt es wahrscheinlich auf allen Ebenen, sowohl auf globaler bis hin zu lokalen Ebenen und auch in Familien. Ich erinnere noch die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Damals gab es zum ersten Mal bei mir die Wahrnehmung, daß sich in Deutschland in Bezug auf die eigene schwierige Identität etwas Entspannung und Selbstannahme dazugesellte. Das Motto "die Welt zu Gast bei Freunden" wurde von den Gästen angenommen und von den Bewohnern in der großen Mehrheit auch so empfunden. Ich glaube dies war kein einmaliges Ereignis sondern Teil eines Prozesses, der durch die Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit und unserer Schuld geprägt wurde. Dieser Prozess geht in der Bevölkerung weiter und dem sollte man sich nicht verschließen oder aus Angst, dass wieder etwas massiv schief geht, ausblenden. Diese Angst ist da, darf auch gespürt und benannt werden, aber sie sollte nicht unser politisches Handeln leiten.
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