Donnerstag, 2. Januar 2020

Ausrichtung auf Renditen bei Wohnungsgenossenschaften, macht das Sinn?

Welche Rolle sollte Rendite in Wohnungsgenossenschaften spielen? Betriebswirtschaftlich bedeutet Rendite den Gewinn, den eine bestimmte Investition im Betrachtungszeitraum abwirft, also Gewinn in Prozent der eingesetzten Summe. Ist es das eigene Kapital, das eingesetzt wird, spricht man von Eigenkapitalrendite, ist es aufgenommenes Kapital, also Kredite, spricht man von Fremdkapitalrendite und betrachtet man beides zusammen, addiert es also, ergibt sich die Gesamtkapitalrendite. Insoweit kann man sowohl Einzelinvesitionen wie zum Beispiel den Bau einer Wohnanlage betrachten als auch ganze Unternehmen, diese mittels Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung.

Da Gewinnerzielung in Genossenschaften kein Selbstzweck ist und nicht gleichrangig mit dem Ziel der Nutzenmaximierung für die Mitglieder ist, machen Gewinne nur insoweit Sinn, wie Sie für die langfristige wirtschaftliche Förderung der Mitglieder sinnvoll sind, indem sich das Unternehmen durch Aufbau von zusätzlichem Eigenkapital - also der Zuführung von Gewinnen eines Jahres in die Bilanz - so gut weiterentwickeln kann, dass der langfristige Nutzen für die Mitglieder maximiert wird. Mitglieder sind dabei jeweils die aktuellen Mitglieder, keine fiktiven, künftigen. Würde man zum Beispiel die Expansion in andere geographische Regionen damit rechtfertigen, dass die künftigen Wohnungsnutzer ebenfalls Mitglieder würden, würde das bedeuten, dass man bereits jetzt Geld nicht mit Blick auf die eigenen Mitglieder ausgibt bzw. auszugeben plant. Dies ist grundsätzlich nicht möglich. Würde es doch getan, wäre das ein sicheres Zeichen, dass die jeweilige Genossenschaft keine Genossenschaft mehr im Sinne des Genossenschaftsgesetzes und vor allem der Genossenschaftsidee ist, sondern nur noch dem Anschein nach.

Die Höhe der Beträge, die jährlich als Gewinne erwirtschaftet und in die Eigenkapital-Rücklagen eingestellt werden, sollten sich daran orientieren, wie viel Eigenkapital für künftige Bautätigkeiten benötigt wird. Dazu muss man den konkreten Bedarf der eigenen Mitglieder kennen hinsichtlich Menge an nachgefragtem Wohnraum, Lage, Ausgestaltung und Preis. Als Erfolgskontrolle sollte die Quote der Wohnungen, die von eigenen Mitgliedern bei Erstbezug eines Neubaus angemietet werden, ermittelt und im folgeden jährlichen Geschäftsbericht veröffentlicht werden.

Mitunter ist das Argument zu hören, dass es wohnungswirtschaftlich geboten sei, mit einer bestimmten Eigenkapitalrendite zu rechnen und dass diese bei mindestens 4,5% läge und sich auch Wohnungsgenossenschaften danach ausrichten müssten, weil sie ja auch wohnungswirtschaftlich solide agieren müssen. Gerade in den aktuellen Zeiten, wenn die Zinsen für Fremdkapital in Europa unter zwei Prozent gefallen sind, macht es einen großen Unterschied, ob ich Nutzungsentgelte (Mieten) so kalkuliere, dass beim Eigenkapital 4,5% erwirtschaftet werden müssen oder 2-2,5%. Mir selbst liegt keine betriebswirtschaftliche Herleitung vor, die zum Ergebnis kommt, dass 4,5% Eigenkapitalrendite wohnungswirtschaftlich geboten ist. Falls jemand eine kennt, wäre ich sehr interessiert, sie inhaltlich zu prüfen. Ein Blick in die Schweiz zeigt allerdings, dass dort eine gesetztliche Regelung existiert, die von allen Vermietern, seien es gewinnorientierte oder gemeinwohlorientierte, verlangt, dass sie Wohnungen zu einer sogenannten Kostenmiete anbieten. Diese wird so kalkuliert, dass zum einen natürlich die Zinsen für aufgenomme Kredite in Ansatz genommen werden dürfen und dass analog dazu Erträge für bereitgestelltes Eigenkapital in Ansatz gebracht werden darf. Dieses muss sich aber in der Höhe am üblichen Marktzins für Fremdkapital orientieren und darf diesen nicht um mehr als 0,5 Prozentpunkte übersteigen:

"Der zulässige Mietzins ergibt sich aus den durch die vermietende Partei zu tragenden Liegenschaftskosten (Fremdkapitalkosten, Unterhaltskosten und Betriebskosten) und der Nettorendite auf dem eingesetzten Eigenkapital. Das Eigenkapital entspricht der Differenz zwischen den Anlagekosten und dem Fremdkapital. Auf dem jeweils aktualisierten Eigenkapital darf nach geltender Rechtspraxis eine Rendite erzielt werden, die den mietrechtlichen Referenzzinssatz um nicht mehr als ein halbes Prozent übersteigt. "

Quelle:

Aus wohnungsgenossenschaftlicher Sicht ist dies der maxmiale Prozentsatz, der für eine Eigenkapitalrendite angesetzt werden sollte. Kann und darf eine Genossenschaft darunter bleiben? Grundsätzlich ja. Letztlich handelt es sich ja um eine Eigentümergemeinschaft, die sich nur auf ein sinnvolles Verfahren einigen muss, zu welchen Beträgen sie die Nutzung der Wohnungen an ihre Mitglieder innerhalb eines gemeinsamen Geschäftsbetriebes möglich macht, so, dass sie dies auch langfristig gut tun kann. Hierfür ist wie oben hergeleitet Rendite keine sehr sinnvolle Kennzahl und es ist viel sinnvoller, darauf zu achten, dass jedes Jahr in absoluten Beträgen so viel Eigenkapital gebildet wird, dass künftige Bautägigkeiten in einem sinnvollen Mix von Fremd- und Eigenkapital finanziert werden können. Dazu bedarf es neben einer sehr genauen Kenntnis der Bedarfe der eigenen Mitglieder einer ausreichend genauen Liquiditätsplanung über einen längeren Zeitraum, der auch quantitativ Neubauvorhaben und gebenenfalls Ersatzbauten berücksichtigt. Ich halte hier einen Zehnjahreszeitraum für nicht übertrieben. Selbst ein 20-Jahreszeitraum wäre etwas, was eine  Unternehmensführung dahingehend prüfen sollte, ob sie damit zu sinnvollen, d.h. ausreichend genauen Aussagen zu einem vertretbaren Aufwand kommt.
Noch zwei weitergehende Hinweise:

Es wäre interessant zu erfahren, wie der wichtigste Prüfungsverband von Wohnungsgenossenschaften, der GDW und seine Unterverbände zur Frage der Rendite, auch zu den 4,5% stehen.

Im Zusammenhang mit der Diskussion über den Berliner Mietendeckel, scheint mir die Schweizer Lösung der Kostenmiete vom Grundsatz her viel geeigneter, zu nachhaltig verträglichen Entwicklungen im Bereich Wohnen in Metropolen zu kommen, als die Preishammermethode der staatlichen Preisbestimmung, wie er mit dem Berliner Mietendeckel versucht wird. Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich gerne mehr über das Schweizer System lernen, was daran gut funktioniert, was nicht und im Austausch mit anderen schauen, was man für andere Metropolen übernehmen kann. Es ist schade, dass von Seiten des GDW hier kein Initiative kam, die Kostenmiete ins Spiel zu bringen. Da der GDW aber eben nicht nur Genossenschaften vertritt, ist dies letztlich verständlich. Dies zeigt einmal mehr, dass es wichtig wäre, wenn Wohnungsgenossenschaften sich bundesweit in einem eigenen Verband vernetzen und eigenes Know How aufbauen. Letztlich heist dass ja nicht, dass sie nicht auch im GDW Mitglied sein können mit Blick auf Fragen, die alle Wohnungsunternehmen gleichermassen betreffen. Ein solcher Verband könnte zum Beispiel zu Fragen wie dem Mietendeckel oder auch zum Thema Erbaugrundstücke und Vergabe öffentlicher Grundstücke eigene Akzente setzen, die uns als Gesellschaft insgesamt deutlich weiter bringen.

Samstag, 28. Dezember 2019

Für Genossenschaftsmitglieder lohnt ein Blick über den Tellerrand: credit unions in den USA

Ich führe hier 4 Zitate über credit unions aus dem englischen wikipedia https://en.wikipedia.org/wiki/Credit_union auf und zeige, wie man damit genossenschaftliche Prinzipien insbesondere in Wohnungsgenossenschaften klarer herausarbeiten und stärker anwenden kann. Um den Lesefluss nicht zu behindern, füge ich die Übersetzungen der 4 Zitate ganz unten an:

1.

In Deutschland nimmt der GDW https://de.wikipedia.org/wiki/GdW_Bundesverband_deutscher_Wohnungs-_und_Immobilienunternehmen als größter Verband von Wohnungsunternehmen Einfluss auf die Gesetzgebung, auch im Genossenschaftsrecht. Da in ihm sowohl gewinnfokussierte Unternehmen als auch Genossenschaften organisiert sind, besteht das Problem, dass er gegensätzliche Interessen vertreten muss und grundsätzlich nicht die bestmögliche Position vertritt, die im Sinne der Mitglieder von Genossenschaften ist.

Dass diese Gegensätze in der unterschiedlichen Natur der Unternehmensformen liegen also struktureller Art sind und nicht im bösem Willen oder Unvermögen der Führungskräfte des Verbandes liegen, zeigt der Blick auf credit unions:

Tension has always existed between member-owned cooperative credit unions and for-profit banks in the United States. When credit unions were first organizing in the US in the early 20th century, the banking industry was opposed, remaining so ever since. Banks and bank trade associations consistently put anti-credit union legislation at the top of their agendas.[39]
 
D.h. für gewinnmaximierende Unternehmen sind mitgliederfokussierte Unternehmen grundsätzlich eine Bedrohung. Da ist es sicher ein Gewinn, sie innerhalb eines gemeinsamen Verbandes einbinden zu können. Schaut man sich die Mietenpolitik der meisten großen Wohnungsgenossenschaften an, ist dies insoweit gelungen, dass diese meistens Mietsteigerungen lokaler Mietmärkte mitvollziehen und sich vom genossenschaftlichen Prinzip von Nutzungsentgelten auf Selbstkostenbasis seit den 1990er Jahren abgewendet haben. Auch das Bemühen der Vorgabe von Mustersatzungen durch den GDW - siehe http://www.genossenschaft-von-unten.eu/zu-satzungsaenderungen-gdw-2019-05.html - oder der Einsatz einer intransparenten Kampagne anlässlich des Berliner Mietendeckels - siehe https://www.heise.de/tp/features/Immobilienlobby-Mit-Geo-Targeting-gegen-den-Mietendeckel-4557668.html - sind nach meiner Wahrnehmung Belege dafür, dass die Interessen von Mitgliedern von Wohnungsgenossenschaften beim GDW nicht das Gewicht haben, das sie in einem Verband hätten, der allein die Interessen von Wohnungsgenossenschaften und deren Mitglieder vertritt. In einem dritten Fall recherchiere ich noch zur Rolle des GDW: In Deutschland haben wir ein Genossenschaftsrecht, das "bei mitgliederstarken Genossenschaften das Minderheitsrecht praktisch ausschließt "(Zitat Referententwurf der Bundesregierung zur Änderung des Genossenschaftsgesetzes aus 2006, Seite 88  http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/010/1601025.pdf  ) Es geht dabei um die Regel unter welchen Voraussetzungen Mitglieder Tagesordnungspunkte auf Generalversammlungen (alle Mitlieder) oder auf Vertreterversammlungen (Delegiertenversammlungen in Genossenschaften über 1500 Mitgliedern) einbringen können und ob statt 10% 150 Mitglieder ausreichen sollen. Bei einer Genossenschaft mit 10.000 Mitlgiedern wären dass statt 1000 nur 150. Die Option von 150 Mitgliedern aus dem Novellierungsentwurf wurde wieder gestrichen und wurde nicht Gesetz. Ich habe derzeit beim Deutschen Bundestag angefragt, wer alles 2006 als Sachverständige im Rechtsausschuss zu dieser Frage Stellung genommen hat, um hier am Einzelfall beurteilen zu können, ob sich der GDW für die Stärkung der Minderheitsrechte eingesetzt hat.


 2. Due to their status as not-for-profit, member-owned financial institutions with no source of secondary investment capital, credit unions in the US are exempt from federal and state income taxes[40]

Der Ausdruck not-for-profit passt auch für Genossenschaften. Er zeigt, es ist nicht falsch Gewinne zu machen, aber sie sind nicht das, das Genossenschaften primär motivieren sollte. Motivation sollte der Nutzen für die Mitglieder sein. Da es keinen anderen Unternehmenszweck gibt, sollte der bestmöglich erfolgen, also eine Nutzenmaximierung statt eine Gewinnmaximierung stattfinden, allerdings nicht absolut gesetzt, sonderm im Rahmen guter Unternehmensführung (corporate governance) also zugleich Rücksicht auf die anderen vom Unternehmenshandeln Betroffenen genommen werden wie Mitarbeiter, Lieferanten, Kommune,Staat und Umwelt. Nach meiner Wahrnehmung steht es noch aus, ein betriebswirtschaftliches Grundkonzept auf Basis von Nutzenmaximierung an Stelle der gängigen Gewinnmaximierung zu formulieren (siehe zB Wöhe Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 15. Auflage, Kapitel: Die Produktion als betriebliche Hauptfunktion Seite 401). Dieses könnten zum Beispiel Wohnungsgenossenschaften als Leitplanken für unternehmerische Entscheidungen nutzen. 

3. Typically, members' families – such as immediate family or household members – can also join the credit union.[24]

Auch in Wohnungsgenossenschaften macht es Sinn, wenn alle Bewohner Mitglieder werden können.

4. Credit unions generally follow the principle of "once a member, always a member", which allows a member with a current credit union membership to remain a member even if s/he would otherwise no longer qualify to be such, such as leaving the company with whom s/he initially gained membership or moving outside the credit union's defined geographic area. However, many credit unions reserve the right of expulsion against a member who causes a financial loss.[26]

Übertragen auf eine Wohnungsgenossenschaft heist das, dass zum Beispiel eine Privatinsolvenz kein Grund sein sollte, ein Mitglied auszuschließen soweit es weiter das Nutzungsentgelt bezahlt.

Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Credit_unions_in_the_United_States

Credit unions in the United States serve 100 million members, comprising 43.7% of the economically active population.[1][2] U.S. credit unions are not-for-profit, cooperative, tax-exempt organizations.[3]

1. "Tension has always existed between member-owned cooperative credit unions and for-profit banks in the United States. When credit unions were first organizing in the US in the early 20th century, the banking industry was opposed, remaining so ever since. Banks and bank trade associations consistently put anti-credit union legislation at the top of their agendas.[39] "

Es gab immer Spannungen zwischen im Eigentum von Mitgliedern befindlichen kooperativen credit unions und auf Gewinn ausgerichteten Banken in den USA. Als die ersten credit unions Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden, war die Bankenbranche dagegen, was bis heute so blieb. Banken und Bankenverbände gaben einer gegen credit unions gerichtete Gesetzgebung dauerhaft eine hohe Priorität.

2. "Due to their status as not-for-profit, member-owned financial institutions with no source of secondary investment capital, credit unions in the US are exempt from federal and state income taxes[40]"

Aufgrund ihres Status als nicht auf Gewinn ausgerichtete, im Eigentum von Mitgliedern befindliche Finanzorganisation ohne Zugang zu weitergehendem Investivkapital. sind credit unions in den USA von der Einkommensteuer befreit.

3. Typically, members' families – such as immediate family or household members – can also join the credit union.[24]

Normalerweise können Familienangehörige von Mitgliedern, sowohl wie direkte Angehörige (gemeint sind wohl Kinder und Eltern) als auch im gleichen Haushalt wohnende, auch Mitglieder der credit union werden.

4. Credit unions generally follow the principle of "once a member, always a member", which allows a member with a current credit union membership to remain a member even if s/he would otherwise no longer qualify to be such, ... However, many credit unions reserve the right of expulsion against a member who causes a financial loss.[26]

Credit unions folgen in der Regel dem Prinzip, "einmal Mitglied, immer Mitglied". Das erlaubt einem Mitglied auch dann Mitglied zu bleiben, wenn es die Zulassungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt, ...Viele credit unions behalten sich jedoch das Recht vor, ein Mitglied auszuschließen, wenn durch das Mitglied ein finanzieller Verlust entsteht.