Samstag, 28. Dezember 2019

Für Genossenschaftsmitglieder lohnt ein Blick über den Tellerrand: credit unions in den USA

Ich führe hier 4 Zitate über credit unions aus dem englischen wikipedia https://en.wikipedia.org/wiki/Credit_union auf und zeige, wie man damit genossenschaftliche Prinzipien insbesondere in Wohnungsgenossenschaften klarer herausarbeiten und stärker anwenden kann. Um den Lesefluss nicht zu behindern, füge ich die Übersetzungen der 4 Zitate ganz unten an:

1.

In Deutschland nimmt der GDW https://de.wikipedia.org/wiki/GdW_Bundesverband_deutscher_Wohnungs-_und_Immobilienunternehmen als größter Verband von Wohnungsunternehmen Einfluss auf die Gesetzgebung, auch im Genossenschaftsrecht. Da in ihm sowohl gewinnfokussierte Unternehmen als auch Genossenschaften organisiert sind, besteht das Problem, dass er gegensätzliche Interessen vertreten muss und grundsätzlich nicht die bestmögliche Position vertritt, die im Sinne der Mitglieder von Genossenschaften ist.

Dass diese Gegensätze in der unterschiedlichen Natur der Unternehmensformen liegen also struktureller Art sind und nicht im bösem Willen oder Unvermögen der Führungskräfte des Verbandes liegen, zeigt der Blick auf credit unions:

Tension has always existed between member-owned cooperative credit unions and for-profit banks in the United States. When credit unions were first organizing in the US in the early 20th century, the banking industry was opposed, remaining so ever since. Banks and bank trade associations consistently put anti-credit union legislation at the top of their agendas.[39]
 
D.h. für gewinnmaximierende Unternehmen sind mitgliederfokussierte Unternehmen grundsätzlich eine Bedrohung. Da ist es sicher ein Gewinn, sie innerhalb eines gemeinsamen Verbandes einbinden zu können. Schaut man sich die Mietenpolitik der meisten großen Wohnungsgenossenschaften an, ist dies insoweit gelungen, dass diese meistens Mietsteigerungen lokaler Mietmärkte mitvollziehen und sich vom genossenschaftlichen Prinzip von Nutzungsentgelten auf Selbstkostenbasis seit den 1990er Jahren abgewendet haben. Auch das Bemühen der Vorgabe von Mustersatzungen durch den GDW - siehe http://www.genossenschaft-von-unten.eu/zu-satzungsaenderungen-gdw-2019-05.html - oder der Einsatz einer intransparenten Kampagne anlässlich des Berliner Mietendeckels - siehe https://www.heise.de/tp/features/Immobilienlobby-Mit-Geo-Targeting-gegen-den-Mietendeckel-4557668.html - sind nach meiner Wahrnehmung Belege dafür, dass die Interessen von Mitgliedern von Wohnungsgenossenschaften beim GDW nicht das Gewicht haben, das sie in einem Verband hätten, der allein die Interessen von Wohnungsgenossenschaften und deren Mitglieder vertritt. In einem dritten Fall recherchiere ich noch zur Rolle des GDW: In Deutschland haben wir ein Genossenschaftsrecht, das "bei mitgliederstarken Genossenschaften das Minderheitsrecht praktisch ausschließt "(Zitat Referententwurf der Bundesregierung zur Änderung des Genossenschaftsgesetzes aus 2006, Seite 88  http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/010/1601025.pdf  ) Es geht dabei um die Regel unter welchen Voraussetzungen Mitglieder Tagesordnungspunkte auf Generalversammlungen (alle Mitlieder) oder auf Vertreterversammlungen (Delegiertenversammlungen in Genossenschaften über 1500 Mitgliedern) einbringen können und ob statt 10% 150 Mitglieder ausreichen sollen. Bei einer Genossenschaft mit 10.000 Mitlgiedern wären dass statt 1000 nur 150. Die Option von 150 Mitgliedern aus dem Novellierungsentwurf wurde wieder gestrichen und wurde nicht Gesetz. Ich habe derzeit beim Deutschen Bundestag angefragt, wer alles 2006 als Sachverständige im Rechtsausschuss zu dieser Frage Stellung genommen hat, um hier am Einzelfall beurteilen zu können, ob sich der GDW für die Stärkung der Minderheitsrechte eingesetzt hat.


 2. Due to their status as not-for-profit, member-owned financial institutions with no source of secondary investment capital, credit unions in the US are exempt from federal and state income taxes[40]

Der Ausdruck not-for-profit passt auch für Genossenschaften. Er zeigt, es ist nicht falsch Gewinne zu machen, aber sie sind nicht das, das Genossenschaften primär motivieren sollte. Motivation sollte der Nutzen für die Mitglieder sein. Da es keinen anderen Unternehmenszweck gibt, sollte der bestmöglich erfolgen, also eine Nutzenmaximierung statt eine Gewinnmaximierung stattfinden, allerdings nicht absolut gesetzt, sonderm im Rahmen guter Unternehmensführung (corporate governance) also zugleich Rücksicht auf die anderen vom Unternehmenshandeln Betroffenen genommen werden wie Mitarbeiter, Lieferanten, Kommune,Staat und Umwelt. Nach meiner Wahrnehmung steht es noch aus, ein betriebswirtschaftliches Grundkonzept auf Basis von Nutzenmaximierung an Stelle der gängigen Gewinnmaximierung zu formulieren (siehe zB Wöhe Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 15. Auflage, Kapitel: Die Produktion als betriebliche Hauptfunktion Seite 401). Dieses könnten zum Beispiel Wohnungsgenossenschaften als Leitplanken für unternehmerische Entscheidungen nutzen. 

3. Typically, members' families – such as immediate family or household members – can also join the credit union.[24]

Auch in Wohnungsgenossenschaften macht es Sinn, wenn alle Bewohner Mitglieder werden können.

4. Credit unions generally follow the principle of "once a member, always a member", which allows a member with a current credit union membership to remain a member even if s/he would otherwise no longer qualify to be such, such as leaving the company with whom s/he initially gained membership or moving outside the credit union's defined geographic area. However, many credit unions reserve the right of expulsion against a member who causes a financial loss.[26]

Übertragen auf eine Wohnungsgenossenschaft heist das, dass zum Beispiel eine Privatinsolvenz kein Grund sein sollte, ein Mitglied auszuschließen soweit es weiter das Nutzungsentgelt bezahlt.

Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Credit_unions_in_the_United_States

Credit unions in the United States serve 100 million members, comprising 43.7% of the economically active population.[1][2] U.S. credit unions are not-for-profit, cooperative, tax-exempt organizations.[3]

1. "Tension has always existed between member-owned cooperative credit unions and for-profit banks in the United States. When credit unions were first organizing in the US in the early 20th century, the banking industry was opposed, remaining so ever since. Banks and bank trade associations consistently put anti-credit union legislation at the top of their agendas.[39] "

Es gab immer Spannungen zwischen im Eigentum von Mitgliedern befindlichen kooperativen credit unions und auf Gewinn ausgerichteten Banken in den USA. Als die ersten credit unions Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden, war die Bankenbranche dagegen, was bis heute so blieb. Banken und Bankenverbände gaben einer gegen credit unions gerichtete Gesetzgebung dauerhaft eine hohe Priorität.

2. "Due to their status as not-for-profit, member-owned financial institutions with no source of secondary investment capital, credit unions in the US are exempt from federal and state income taxes[40]"

Aufgrund ihres Status als nicht auf Gewinn ausgerichtete, im Eigentum von Mitgliedern befindliche Finanzorganisation ohne Zugang zu weitergehendem Investivkapital. sind credit unions in den USA von der Einkommensteuer befreit.

3. Typically, members' families – such as immediate family or household members – can also join the credit union.[24]

Normalerweise können Familienangehörige von Mitgliedern, sowohl wie direkte Angehörige (gemeint sind wohl Kinder und Eltern) als auch im gleichen Haushalt wohnende, auch Mitglieder der credit union werden.

4. Credit unions generally follow the principle of "once a member, always a member", which allows a member with a current credit union membership to remain a member even if s/he would otherwise no longer qualify to be such, ... However, many credit unions reserve the right of expulsion against a member who causes a financial loss.[26]

Credit unions folgen in der Regel dem Prinzip, "einmal Mitglied, immer Mitglied". Das erlaubt einem Mitglied auch dann Mitglied zu bleiben, wenn es die Zulassungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt, ...Viele credit unions behalten sich jedoch das Recht vor, ein Mitglied auszuschließen, wenn durch das Mitglied ein finanzieller Verlust entsteht.

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