Sonntag, 22. Dezember 2019

Praktische Hinweise zum Zusammenhang von Idee, Idealismus und Ideologie an Hand von Genossenschaften

In einer mir bekannten großen Wohnungsgenossenschaft hatte sich vor einiger Zeit eine Gruppe von Mitgliedern organisiert, die sich zum Ziel gesetzt hatten, Einfluss darauf zu nehmen, dass sich die Unternehmenspolitik mehr auf der wirtschaftliche Förderung der Mitglieder ausrichtet. Als die Gruppe im Rahmen des innergenossenschaftlichen Diskurses mehr und mehr zur Kenntnis genommen wurde, wurde seitens der Geschaftsführung geäußert, dass es gefährlich sei, einer Ideologie zu folgen. Wie kann man in einem organisierten Gemeinwesen verhindern, dass aus einem an sich guten Ansatz genau das passiert? Wäre das schlimm und wenn ja, ist es eine reale Möglichkeit und wie sollte man sich als Gruppe, die etwas zum Positiven bewegen will, positionieren, damit diese Gefahr in der Praxis keine Rolle spielt?

Dass die Genossenschaftsidee - sich gemeinschaftlich organisieren, um in einer Satzung festgelegte gesellschaftlich akzeptierte und legale Ziele zu erreichen - grundsätzlich eine sinnvolle und gute Sache ist, dem werden wohl die meisten zustimmen. Wenn eine Gruppe innerhalb einer Genossenschaft den Eindruck hat, dass es in diesem Bereich in ihrer Genossenschaft Verbesserungsbedarf gibt und sich dafür engagiert, gehört dazu eine ganze Menge Idealismus, da der Ausgang ihrer Aktivität unbestimmt ist und sie dafür nicht bezahlt werden. Gerade in großen Genossenschaften bringen sich die meisten Mitglieder in die gemeinschaftliche Organisation des Geschäftsbetriebs gar nicht mehr ein, trauen sich da oft auch nur wenig Mitsprachefähigkeit zu, in der Regel weniger als zum Beispiel in politischen Fragen oder im Fussball.

Ich persönlich rate an dieser Stelle grundsätzlich dazu, sich auf das zu fokussieren, was eine Genossenschaft ausmacht und gemeinsam zu prüfen und sich dafür einzusetzen, dass Grundprinzipien genossenschaftlichen Handelns in der jeweiligen Unternehmenspolitik erfüllt sind, Dies lässt sich relativ leicht prüfen. Die wichtigsten Prinzipien hatte ich vor einigen Monaten in der Hamburger Erklärung formuliert http://liberalundkooperativ.blogspot.com/2019/03/hamburger-erklarung.html. An Hand dieser Prinzipien kann man in Wohnungsgenossenschaften die eigene Geschäftspolitik weiter entwickeln. Allerdings ist es zumindest theoretisch denkbar, dass Menschen darauf drängen könnten, dass Grundprinzipien erfüllt werden, ohne auf die jeweilige Situation zu achten, was für die Mitglieder der Genossenschaft wirklich sinnvoll ist, kurz-, mittel- und langfristig. Prinzipien sind also kein Selbstzweck. Man muss allerdings gute Argumente haben, wenn man von ihnen abweicht und sind die Prinzipien gut gewählt, wird es in der Praxis nicht nötig sein und auch nicht sinnvoll sein, von ihnen abzuweichen. Als sich selbst organisierende Gruppe innerhalb einer größeren Genossenschaft kann man verhindern genossenschaftliche Ideale quasi als Selbstzweck zu verfolgen, indem klar wird, warum man aktiv ist. Es ist kaum vorstellbar, dass Menschen dies tun aus Prinzipienreiterei, weil sie einfach wollen, dass Regeln eingehalten werden. Sie werden es tun, entweder weil sie merken, dass die genossenschaftliche Wirklichkeit zu wenig mit dem zu tun hat, was Genossenschaft eigentlich bedeutet, oder sie werden es tun, wenn sie eine innere Intuition haben, was für ein Potential in der Genossenschaftsidee steckt und sie dieses konkret in einer bestimmten Genossenschaft zur Entfaltung bringen wollen. Der letzte Punkt erlaubt einen praktischen Hinweis zum Umgang miteinander in Genossenschaften, wenn zum einen gewachsene Unternehmenskulturen kaum noch Mitbestimmung nutzen und sie zu normalen am Markt und am Gewinn orientierten Wirtschaftsunternehmen geworden sind und auf Mitglieder treffen, die ihre Ideale Wirklichkeit werden lassen wollen: Man sollte Managern und anderen Funktionsträgern diesen fehlenden Idealismus nicht zum Vorwurf machen. Große Genossenschaften sind eben auch Wirtschaftsunternehmen, die effizient und erfolgreich organisiert und geführt werden müssen. Wenn Menschen ohne genossenschaftsideele Visionen und Intuitionen in Führungspositionen gekommen sind, dann ist das nicht deren Schuld, sondern einfach das Ergebnis der jeweiligen kollektiven Entscheidungen der Mitglieder der jeweiligen Genossenschaften, die eben über die Jahrzehnte diese Genossenschaftsidee nicht sehr stark gewichtet haben. In Deutschland spielen in großen traditionellen Wohnungsgenossenschaften ideelle Aspekte nach meiner Wahrnehmung eine untergeordnete Rolle, geringer als zum Beispiel bei Schweizer Genossenschaften. Das fängt schon damit an, dass die meisten gemeinsam mit gewinnmaximierenden Wohnungsunternehmen und kommunalen und kirchlichen Wohnungsunternehmen in einem Verband, dem GDW, organisiert sind. Dafür haben viele deutsche Wohnungsgenossenschaften eine deutlich größere Bautätigkeit über Jahrzehnte entfaltet als ihre Schweizer Pendants. Es gibt eine große Bandbreite inwieweit Menschen individuelle Freiheit gegenüber  wirtschaftlichen Vorteilen gewichten. Sowohl Erdogan in der Türkei als auch das Regime der kommunistischen Partei in China erhielten viel Akzeptanz aus der Bevölkerung, weil viele Menschen wirtschaftlich profitierten. Andere Gesellschaften wie die Schweiz und zum Beispiel auch Hongkong haben ein viel stärkeres kollektives Bewusstsein dafür, dass individuelle Freiheit und wirtschaftlicher Erfolg zusammengehören. 

In Bezug auf konkrete genossenschaftliche Wirklichkeiten plädiere ich dafür auf Schuldzuweisungen zu verzichten, die jeweilige aktuelle Unternehmenspraxsis und Unternehmenskultur als Ausgangslage zu akzeptieren und dann gemeinsam zu schauen, was man bestmöglich daraus machen kann.
Für eine Genossenschaft bedeutet das, dass es tatsächlich einen Unterschied macht, wie viele normale Mitglieder sich einbringen mit ihrer Vision, was aus ihrer Genossenschaft werden soll, was sie ihr zutrauen. Genossenschaftliche Prinzipien sind dabei Leitplanken, können aber den Blick für die Wirklichkeit des eigenen Unternehmens und vor allem für die noch nicht ganz entfalteten Teile dieser Wirklichkeit nicht ersetzen und brauchen es auch nicht zu tun. Genossenschaften leben ja gerade von dem lebendigen sich immer wieder Einbringen der Mitglieder, Es ist wie in einer Demokratie, auch die muss immer wieder von der Basis her Interesse und Impulse erhalten, je mehr und um so vielfältiger, umso besser.

Sonntag, 17. November 2019

Es ist an der Zeit für Mitgliederjurys in Genossenschaften, vielleicht auch in anderen Unternehmen

Als jemand, der sich seit Jahren dafür engagiert, das genossenschaftliche Potential von traditionellen Wohnungsgenossenschaften zu wecken, habe ich mich sehr gefreut mitzubekommen, welche guten Erfahrungen sich bei Bürgerinnenversammlungen aktuell zeigen. Ich hatte das Glück, dass ein Bekannter von mir vor einigen Monaten als einer von 160 Bundesbürgern per Losverfahren zur Mitarbeit in einem Bürgerrat von Mehr Demokratie eV ausgewählt wurde und er mir sehr angetan von seinen Erfahrungen erzählte. Es ging um die Frage, ob und wenn ja welche direktdemokratischen Elemente in der Bundespolitik Deutschlands künftig eine stärkere Rolle spielen sollen. Vor kurzem berichtete die Tagesschau: 


Seit dem sind die Ergebnisse und die Beschreibung des Verfahrens veröffentlicht:


Außerdem gibt es von Extinction Rebellion einen ausführlichen Leitfaden, der über viele positive Erfahrungen mit ähnlichen Verfahren in der ganzen Welt berichtet- download im rechten Quadranten https://extinctionrebellion.de/wer-wir-sind/unsere-forderungen/bv/


Der Fachbegriff für diesen Bestandteil der Demokratie ist deliberative Demokratie

Da viele traditionelle Wohnungsgenossenschaften ihr Potential deshalb nicht entfalten, weil die meisten Mitglieder passiv bleiben in ihrer Rolle als Mitunternehmer und Miteigentümer bzw. keine Möglichkeit sehen, wie sie sich gut einbringen können, bin ich mir sicher, dass dieses Instrument auch in Wohnungsgenossenschaften und sogar in der genossenschaftlichen Verbandsarbeit sehr erfolgreich angewendet werden könnte. Viele Wohnungsgenossenschaften orientieren sich stark an Empfehlungen ihres Verbandes, der durch seine Prüfungstätigkeit und durch den Aufbau eines festen Mitarbeiterstamms Eigeninteressen hat, die per se keinen Zusammenhang mit der Genossenschaftsidee haben. Auch wenn dies im Prinzip nicht verwerflich ist, sehe ich derzeit ein sehr deutliches Machtungleichgewicht zulasten der Genossenschaftsmitglieder, was daraus zum Ausdruck kommt, dass sie wirtschaftlich weniger stark gefördert werden als möglich: Insbesondere zeigt sich dies an der Mietenpolitik vieler Genossenschaften, wenn diese sich mehr am Mietenspiegel orientiert, statt an den Selbstkosten, zu denen Wohnungen eigentlich den Mitgliedern überlassen werden könnten wie dies in der Schweiz noch gang und gäbe ist. Dies wird daran deutlich, dass der Schweizer Verband der Wohnungsgenossenschaften zum Prinzip der Kostenmiete noch öffentlich steht

https://www.wbg-schweiz.ch/information/genossenschaftlich_wohnen/was_ist_eine_genossenschaft

Viele große deutsche Wohnungsgenossenschaften zeigen dagegen mehr oder weniger deutlich, dass sie sich am Mietenspiegel orientieren und verlangen bei Neuvermietungen von Wohnungen aus dem Altbestand in der Regel höhere Nutzungsentgelte. Dies führt nicht nur dazu, dass Nutzungsentgelte höher sind als nötig und Mitgliedern mehr Kaufkraft entzogen wird als nötig, sondern auch dazu , dass die genossenschaftliche Gleichbehandlung zu kurz kommt - gleicher Wohnraum zum gleichen Preis - und dazu, dass es für ältere Menschen unattraktiv wird aus größeren Wohnungen in kleinere Wohnungen umzuziehen und Wohnungen frei zu machen, zum Beispiel für Mitglieder mit Kindern. Auch im Hinblick auf den Klimanotstand und den Bedarf, die Emission von CO2 stark zu reduzieren sollte das Potential, Wohnungen auf freiwilliger Basis besser zu nutzen, unbedingt ausgeschöpft werden. Es ist die mit Abstand ressourcenschonendste Möglichkeit, Wohnraum zu schaffen, noch vor einer ökologischen Gebäudeaufstockung in Holzbauweise, vor einer Grundstücksnachverdichtung im Bestand und erst recht vor neuen Wohnquartieren auf der grünen Wiese. Die Mustersatzung für Genossenschaften, wie sie vom Verband GDW vorgegeben wird, enthält gar keine Hinweise mehr auf das Prinzip der Kostenmiete. So entwickeln sich viele Genossenschaften zu gewinnorientierten Wohnungsunternehmen, die nur noch eine genossenschaftliche Fassade habe. Das genossenschaftliche Prinzip der Selbstorganisation spielt oft keine Rolle mehr. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass in genossenschaftseigenen Mitgliederzeitschriften von Mitgliedern keine Leserbriefe oder Artikel zu finden sind. Die Zeitschriften sind in der Regel ein normales Instrument der Kundenbindung, der Informationsfluss wird zentral gesteuert. Marketing ersetzt selbstorganisierte Beteiligung. Ein anderes Beispiel ist, dass die Hürden als Mitgliedervertreter einen Vorschlag auf einer Jahresversammlung in Form eines Quorums so hoch gesetzt sind, dass mir kein Fall bekannt ist, dass es in größeren Wohnungsgenossenschaften überhaupt dazu gekommen ist, dass ein Vertreter oder ein Mitglied einen inhaltlichen Vorschlag zur Geschäftspolitik machen konnte, der von der Vertreterversammlung beraten wurde, zu dem ein Meinungsbild erhoben wurde  oder der entschieden wurde.

Dem allen steht das Instrument eines Mitgliederrates oder einer Mitgliederjury entgegen. Es eröffnet neue Chance der Beteiligung. Die meisten Mitglieder und Mitgliedervertreter haben wenig Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, wichtige unternehmerische Fragen mitzuentscheiden. Es fehlt oft an Zeit aber auch an Vertrauen. Gerade hier wurde bei dem Bürgerrat von mehr Demokratie eV deutlich, dass die Teilnehmenden erheblich an Selbstvertrauen in sich und ihre Partizipanden gewonnen haben. Da es eine Aufwandsentschädigung für die Teilnehmenden gibt, lohnt es sich auch für sie ausreichend Zeit zur Verfügung zu stellen. So können sie gemeinsam zu Ergebnissen kommen, die wirklich fundiert sind, statt nur die Lösung einer Führungskraft anzuhören und vor die Entscheidung gestellt zu sein dieser zuzustimmen oder sie abzulehnen und damit den üblichen Prozess zu stören.

Wie schon auf Seite 5 des Ergebnispapiers vom Bürgerrat deutlich wird, geht es nicht darum die Expertise von Experten oder Verbänden per se zu missachten, aber sie werden nur gehört und nicht exklusiv sondern neben anderen, dort zum Beispiel der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft. In Wohnungsgenossenschaften wird bei Klärung von Fragen oft nur der eigene Verband, der GDW bzw. seine Unterverbände angefragt. Dies ist nicht zuletzt deshalb problematisch, da im GDW auch sehr große private gewinnorientierte Wohnungsunternehmen wie die im Aktienindex DAX vertretene Vonovia SE Mitglied sind und zudem kirchliche und kommunale Wohnungsunternehmen. Der Zweck von Genossenschaften, die Wirtschaft der Mitglieder zu fördern, kann damit schon grundsätzlich in diesem Verband keine oberste Priorität haben. Dies wird auch deutlich bei seiner letzten Kampagne im Rahmen des Berliner Mietendeckels, bei denen Mitglieder über eine Facebook Kampagne angesprochen werden soll, die ich für manipulativ halte, statt zum Beispiel ein Panel zu diesem Thema mit Mitgliedern von Berliner Wohnungsgenossenschaften mit zu organisieren, siehe https://www.heise.de/tp/features/Immobilienlobby-Mit-Geo-Targeting-gegen-den-Mietendeckel-4557668.html

Zwei Wortmeldungen von Teilnehmern eines Bürgerpanels in Belgien (XR Leitfaden Seite 25) sind aufschlussreich:

"Wenn wir der Logik von Big Brother (gemeint ist wohl die Idee alles zentral steuern zu können und zu sollen) folgen würden, würden wir allmählich die Leute eliminieren, die uns auf die Nerven gingen. Aber hier tun wir es nicht. Wir müssen zusammenhalten und zeigen, dass man Dinge erreichen kann, wenn man zusammenarbeitet." Pierre, Mitglied des Bürgerpanels Belgien

In meiner Genossenschaft habe ich vor zweieinhalb Jahren mit anderen eine Basisgruppe Genossenschaftsidee gegründet, in der wir uns basisdemokratisch, selbstorganisiert und konstruktiv in die innergenossenchaftlichen Prozesse einschalten und versuchen mittels Kooperation mit den bestehenden Organen, wie Vertreterversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand die Unternehmenspolitik stärker am Genossenschaftsgedanken auszurichten. Auch wir haben immer wieder Situationen, wo es uns schwer fällt niemand auszugrenzen. Dennoch gelingt uns immer wieder die Gratwanderung , jedenfalls bisher, dass die Gruppe weder zu einer verschworenen Gemeinschaft wird, die andere als aussenstehend betrachtet, noch zu einem losen Haufen, der sich mehr untereinander streitet als etwas zu bewirken, sondern erfüllen immer wieder den Anpruch einen Konsens zu erzielen und als Team in der größeren genossenschaftlichen Gemeinschaft zu wirken.

"Ich war in der nacht im Parlament, als Abgeordnete aller sechs Parteien sich über ideologische Differenzen hinweg setzten, um dem Gesetz zuzustimmen. Es war ein mutiger Schritt, ein Zeichen für andere Politiker*innen- die ihre Wähler*innen eher als Bedohung denn als Resource betrachten- dass man den Bürger*innen vertrauen sollte, anstatt sie zu fürchten oder zu manipulieren." David Van Reybrouck, Mitorganisator des belgischen Bürgerpanels

Auch ich habe wahrgenommen, dass viele Führungskräfte in Genossenschaften, vom Verband ganz abgesehen, wenig bis gar kein Vertrauen in die unternehmerischen Fähigkeiten normaler Mitglieder von Genossenschaften haben. Bei wichtigen unternehmerischen Fragen werden nicht mehrere Optionen jeweils mit für und wieder dargestellt, sondern fertige Lösungen präsentiert. Als ich einmal in der Fortbildung bei einem Unterverband des GDW-Verbandes den Ausbilder fragte, ob denn aus seiner Sicht etwas dagegen sprechen würde, wenn ein Vorstand auf einer Jahresversammlung die erheblichen stillen Reserven, die nicht bilanziert sind, beziffert, bekam ich zur Antwort, das könnte Begehrlichkeiten wecken. Wie sollen solche Vertreter unternehmerisch gut entscheiden können, wenn ihnen wichtige Information vorenthalten werden, aus Angst sie könnten  falsch entscheiden?  Normale Mitglieder, die sich überdurchschnitllich stark in Genossenschaften engagieren, werden oft als störend empfunden. Mitunter wird beklagt, dass sie nicht mehr Vertrauen in die Leitungskräfte hätten. Hier zeigt sich ein Wunsch nach Harmonie und Ordnung, der zwar verständlich ist, aber nach meiner Vermutung in die falsche Richtung geht. In einer Genossenschaft sollte man zunächst einmal Vertrauen in die Entscheidungsfähigkeit der Mitgliederbasis richten. Traditionelle Wohnungsgenossenschaften entstanden oft zu Zeiten, als eine autoritäre Führungskultur gang und gäbe war. Selbst der Vorläufer der SPD, die sich oft und gut um die Demokratie in der Bundesrepublik verdient gemacht hat und noch am ehesten versuchte, sich der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 bei der Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz zu widersetzen, wurde in ihren Anfängen als deutscher Arbeiterverein von dessem Vorsitzenden geprägt, Ferdinand Lassalle, der einen sehr autöritären Führungsstill und teilweise eine menschenverachtende Ausdrucksweise an den Tag legte. Dies wird deutlich an seiner Auseinandersetzung mit Hermann Schulze-Delitsch, einem der Gründerväter der Genossenschaftsbewegung in Deutschland, der gegen Lassalle und Bismarck(!) durchsetzte, dass Genossenschaften ihre Unternehmenspolitik selbständig gestalten können (Gewerbefreiheit) siehe

Die SPD beginnt erst seit wenigen Jahren parteiintern mehr partizipatorische Methoden der Entscheidungsfindung einzusetzen, im Gegensatz zu den Grünen, die das schon viel länger praktizieren. Da viele Wohnungsgenossenschaften in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von und für Menschen mit geringerem Einkommen gegründet wurden, sind viele Mitglieder und Vertreter SPD-nah und noch einen autoritären Führungstil gewohnt, der die eigene Rolle darauf beschränkt, zu entscheiden, ob man eine Person x als Führungsperson für vertrauenswürdig hält oder nicht. Es ist kein Zufall, dass in der Schweiz Wohnungsgenossenschaften in ihrer Praxis noch im Durchschnitt deutlich näher an der Genossenschaftsidee handeln, da zum einen basisdemokratische Elemente wie Volksentscheide selbstverständlicher Teil der politischen Kultur sind aber auch liberale Politik, verstanden als die Idee dass die Leute selbst in der Lage sind sich zu organisieren und etwas zu bewegen, in der Politik einen größeren Stellenwert hat als in Deutschland: Die FDP gilt in der Schweiz als die staatstragende Partei, sie stellte mit Abstand die meisten Bundesräte, also die Mitglieder des oberstes Schweizer Regierungsorgans, eine Art kollegiale Kanzlerschaft:


Auch dass die Schweiz im Namen als Eidgenossenscahft die Idee der Genossenschaft trägt ist kein Zufall. Frühe Genossenschaften gab es dort bereits zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert um die Bewirtschaftung von Almen zu ermöglichen http://www.korporation-kerns.ch/de/alpgenossenschaft/geschichteag/

Der Weg muss also dahin gehen, Vertrauen in die eigenen Kräfte als Unternehmergemeinschaft und Eigentümergemeinschaft zu entdecken und zu entfalten. Dafür wäre ein Mitgliederrat eine ideale Möglichkeit, unter Beachtung wichtiger Strukturelemente wie 
- einer Zusammensetzung die tatsächlich alle Altersgruppen und Bildungstände der Mitglieder beinhalten würde und auch 
- einer neutralen Moderation und Protokollierung, 
- der Anhörung von unterschiedlichen Experten, 
- einer Ergebnissoffenheit,
- einem Willen zur Konsensfindung und 
- einem verpflichtenden Charakter, dass die Ergebnisse von den Leitungsgremien der jeweiligen Organisation nach bestem Wissen und Gewissen umgesetzt werden.
- einer Aufwandsentschädigung, die auch die Wertschätzung gegenüber der übernommen Aufgabe ausdrückt

Samstag, 19. Oktober 2019

Tagung zum Genossenschaftsgedanken zeigt große Chancen durch Weiterbildung auf

Gestern fand eine sehr interessante Veranstaltung des Bundesvereins zur Förderung des Genossenschaftsgedankens in Berlin statt. Thema war die Mitgliederförderung in der genossenschaftlichen Praxis, wobei für mich auch die Hinweise interessant waren, die aufzeigten, welche Konzepte von seiten der Wissenschaft über viele Jahre erarbeitet wurden und als Leitlinie dienen können, um das Potential von Genossenschaften voll zu entfalten.

Es gab mehrere Vorstände aus Genossenschaften unterschiedlicher Branchen, die berichteten, wie sie in der Praxis Mitgliederförderung betreiben. Für mich wurde deutlich, dass Vorstände in einem Spannungsverhältnis stehen, da sie zum einen wirtschaftlich erfolgreich sein wollen und müssen und in der Regel auf Märkten mit Unternehmen konkurrieren, die keine Genossenschaften sind und dass sie zum anderen als Leiter/innen von Genossenschaften zusätzlich einen Förderauftrag haben, der eine andere Sichtweise und andere Zielsetzungen nahelegt, als dies in ihrer jeweiligen Branche üblich ist. Über die Jahrzehnte hat sich nach meiner Wahrnehmung in Deutschland im Gegensatz zur Schweiz und möglicherweise auch in Wien kein starkes genossenschaftliches Verständis der Mitgliederförderung herausgebildet bzw. ist die konsequente Mitgliederförderung immer auch in der Praxis der Möglichkeit ausgesetzt, dass der wirtschaftliche Erfolg zur allein prägenden Handlungsleitlinie wird, nicht zuletzt deshalb, da dieser ja nicht selbstverständlich ist.  Ist dieses Förderverständnis wenig verbreitet, führt dies dazu, dass wenig Führungskräfte damit in ihrer beruflichen Praxis in Kontakt gekommen sind. In der Regel haben sie, wie auch andere Mitarbeiter/innen in Genossenschaften, kein spezifisches Studium oder eine Ausbildung mit genossenschaftlichem Bezug absolviert, da dafür die Verbreitung von Genossenschaften noch zu gering war. Soweit ich weiss gibt es zum Beispiel im Ausbildungsbereich für Immobilienkaufleute keinen Bezug zu Genossenschaften. Dies müsste insofern von Genossenschaftsseite als Zusatzmodul selbst zur Verfügung gestellt werden. Ich habe Interesse in diesem Bereich aktiv zu werden und mein Know How einzubringen. Wer Interesse hat, daran mitzuarbeiten oder Bedarf in diesem Bereich hat, kann sich gerne bei mir melden.


Insgesamt ist nach meiner Wahrnehmung der Trend zu mehr Kooperation statt Kompetition, zur ganzheitlichen Wertschöpfung statt Gewinnmaximierung in der Wirtschaft wie in der Gesellschaft schon voll im Gang, da nicht zuletzt angesichts der Klimakrise der Mehrheit der Menschen klar ist, dass wir unsere Art zu wirtschaften umstellen müssen. Nach meiner Wahrnehmung will die junge Generation gut ausgebildeter Hochschulabsolventen nicht nur lieber in Unternehmen arbeiten, die glaubwürdig wertorientiert agieren, sondern ist auch bereit, ihre Karriereentscheidung danach auszurichten.  Sehr deutlich wurde das für mich auf der weciety Konferenz im openmindspace in Hamburg Ende September, siehe  https://www.klimawoche.de/veranstaltungen/weciety-world/ Die Gesellschaft hat Bedarf an dem, was Genossenschaften zu leisten imstande sind, und unabhängig, wie weit der Genossenschaftsgedanke in einer Genossenschaft bereits gelebte Praxis ist, wird es in Zukunft potentiell leichter werden, ihn mit Leben zu füllen und Mitstreiter dafür zu finden.


Tagungsprogramm:

https://genossenschaftsgedanke.de/wp-content/uploads/2019/10/Programm-Forum-F%C3%B6rderzweck-18-10-2019.pdf

Freitag, 27. September 2019

Mankinds fear of death and our chance to mature and grow up


Being a climate activist and trying to bring to life the full potential of cooperative enterprices for housing, I realized, it is still a wide held view that growing metropoles and expanding large housing cooperatives are something attractive.

Deciding to offer less new flats and restricting urban growth feels for many like standing still and curbing potential for growth and may be even happiness. The climate situation however shows, that unlimited growth does not work and treathens us all.

I started to compare the situation with an individual life, where childhood and youth also means growth, but becoming an adult we, like most animals, stop growing and stand still in this respect. I wondered could there be an connection that as collective mankind we subtly know that, if we stop to grow, we have to leave behind the phase of youth and are thus one phase closer to our collective death, extinction?

Otto Schamer writes in "The Essentials of Theory U on page 28,29 regarding 3 obstacles to inner knowing:"The third enemy blocks the gate to open will. This is the voice of fear (VoF). It seeks to prevent us from letting go of what we have and who we are. It can show up as a fear of losing things.....Or a fear of death".

I realized, that is actually the case, that we fear death within our collective awareness and thus hesitate to grow up as mankind, to make this step from youth to adult.

Being an adult would mean taking full responsibilty for ones action. Obviously we struggle very hefty to manage this in respect of a a good relationship with our planet earth. Therefore it is up to us, to mankind, now to see this fear and to put it aside, so we can take this step. Otherwise we will call to us the death which we fear. If we know this fear, we know, it is only a fear and not reality. Then the seeing and knowing can come, that a really attractive land lies before us, that we can walk in there together, explore it and cultivate it and thus come in our full life and power as mankind.

Loslassen des Wachstumsdenkens bei Metropolen und Wohnungsgenossenschaften

Die gestrige sehr spannende Diskussionsrunde von Genossenschaft-von-unten Hamburg https://genossenschaft-von-unten-hamburg.de/ hat bei mir weitergehende Überlegungen angeregt, die ich hier teilen will:

Ole von Beust hatte als Bürgermeister von Hamburg in den 2000er Jahren die Parole der wachsenden Stadt ausgegeben und dabei viel Zuspruch der Hamburger erfahren. Seitdem wächst Hamburgs Bevölkerung. Durch Migration hat sich dieser Trend verstärkt und Hamburg hat sich unter Olaf Scholz höhere Ziele beim Wohnungsneubau gesetzt. Die meisten Wohnungsgenossenschaften Hamburgs versuchen dazu ihren Beitrag zu leisten und haben sich dazu im Hamburger Bündnis für Wohnen verpflichtet https://www.hamburg.de/bsw/buendnis-fuer-das-wohnen/ . Da viele Wohnungsgenossenschaften durch ihre Satzung als Baugenossenschaften aufgestellt sind, sind sie darauf ausgerichtet, neu zu bauen und zu expandieren. Dies führt in der Praxis in der Regel dazu, dass sie jedes Jahr Umsatz- und Gewinnsteigerungen planen und mit stetigen Erhöhungen ihrer Nutzungsentgelte planen.

Meine These an dieser Stelle ist, dass wir gerade an einem Punkt ankommen, bei dem wir merken, dass diese gut gemeinte positive Einstellung zum Wachstum auf Dauer nicht sinnvoll ist und wir eine neue Perspektive benötigen: Ich sehe die Notwendigkeit, dass wir sowohl als Metropolen davon wegkommen, expandieren zu wollen wie auch als Baugenossenschaften eine Änderung von immer weiter bauen hin zu einem Bestandshalter vollziehen sollten. Wann und in welcher Geschwindigkeit hier ein Umsteuern erforderlich ist, ist sicher im Einzelfall zu klären, aber dass dies erfolgen muss, wird unvermeidbar sein. Nach meinem Gefühl löst das Widerstände hervor, da Stillstand sich negativ anfühlt. Vielleicht kann man sogar sagen, dass der dem Kapitalismus innewohnende Wachstumsgedanke deshalb so schwer aufgegeben wird, weil wir dann das Gefühl haben, dem Tod näher zu sein. Kein Wachstum heist in gewisser Weise Stagnation und das fühlt sich an, als sei man näher beim Tod. Bezogen auf ein Lebenswesen ist es ja auch so: Menschen, wie auch alle Wirbeltiere, wachsen bis sie erwachsen sind und bleiben dann weitgehend gleich groß. Damit ist  diese Lebensphase der Reife näher am Tod als die Wachstumsphase als Kinder und Jugendliche. Kommen wir als Menschheit auf diesem Planeten Erde gerade an den Punkt, wo wir langsam erwachsen werden und entdecken, dass wir nicht weiter wachsen müssen und dennoch ein gutes Leben führen können? Ist es sogar so, dass wir dazu auch als Kollektiv "mental" erwachsen werden müssen, sprich die Verantwortung für unser Handeln voll übernehmen? Und ist es nicht so,  dass gerade darin die Chance besteht eine hohe ganzheitliche Lebensqualität leben zu können, die an dieser Stelle gut und richtig ist?

In Bezug auf Wohnungsgenossenschaften wäre wohl die richtige Antwort, bei der wirtschaftlichen Planung und der Mietenpolitik sich von stetiger Expansion als Grundsatz zu verabschieden und sich frei zu machen, die aktuelle Situation frisch zu betrachten und mit mehr Freiheit sie so zu gestalten, wie sie für die Mitglieder passend ist, eingebettet in das Ziel, ein konstruktiver Akteur für das lokale und globale Umfeld zu sein.

In Bezug auf die Wohnungspolitik in Metropolen wäre die Antwort wohl, sich von der Vision wachsender Metropolen zu verabschieben und die jeweilige Situation ebenfalls ganz neu zu betrachten und zu schauen was die Bedürfnisse der Bewohner sind, gemeinsam mit den Bürgern Antworten zu formulieren und zu schauen welche Beiträge geleistet werden müssen, um mit unserem Planeten Erde insgesamt gut umzugehen und eine Klimakatastrophe durch zu hohe CO2 Emssionen zu verhindern.


Samstag, 31. August 2019

Was passiert, wenn Genossenschaften sich wie Stiftungen verhalten?

Dass es in der Praxis dazu kommen kann, dass Genossenschaften sich wie Stiftungen verhalten, ist nicht weiter verwunderlich. Nehmen wir mal an, es gäbe eine Stiftung, die ein großes Portofolio von Wohnungen verwaltet, dass sie allen denjenigen zugute kommen lässt, die dem Förderziel der Stiftung entsprechen. Ist man vom Ziel der eigenen Stiftung fest überzeugt und will man sie in ihrem Wirken langfristig erhalten, ist es wichtig und richtig, darauf zu achten, dass der Wohnungsbestand in einem guten bis sehr guten Zustand erhalten wird und dass genügend Mieteinnahmen erzielt werden, um alle Kosten der Wohnungensinstandhaltung und der Verwaltung zu decken und in der Lage zu sein, in die Jahre gekommene Wohnhäuser falls notwendig durch neue zu ersetzen, sowie auch zusätzliche Häuser zu bauen, sollte das Teil des Stiftungsziels sein. Es ist dann verantwortlich absolut sicher zu gehen, dass keine Wohnungen zu günstig vermietet werden, um die Substanz der Stiftung nicht zu schmälern. Umso mehr Substanz aufgebaut wird, umso besser ist dies für die zukünftigen Möglichkeiten der Stiftung, wohltätig zu wirken. Solange die Mieten für die Mieter gut finanzierbar sind und die Wohnungen in einem guten Zustand sind, sind die Mieter zufrieden und freuen sich Begünstigte der Stiftung zu sein. Sie sind der Stiftung und ihren Repräsentanten wohl gesonnen. Sie vertrauen der Geschäftsführung und wünschen sich die Fortsetzung dieser Entwicklung für die kommenden Jahre.

In einer Genossenschaft ist die Situation etwas anders gelagert. Ziel einer Genossenschaft im Bereich Wohnen ist die wirtschaftliche Förderung der Mitglieder durch die Bereitstellung von Wohnungen in guter Qualität zu Nutzungsentgelten so niedrig wie möglich und so hoch wie nötig. Da die Mitglieder gemeinsam Eigentümer des Unternehmens sind, sind sie zugleich Mitunternehmer und eine Wohneigentümergemeinschaft. Sie zahlen keine Miete sondern Nutzungsentgelte, die sich danach richten wie hoch die Kosten der Bewirtschaftung für Bau, Erhalt und Bewirtschaftung der jeweiligen Wohnanlage sind. Gerade in Wohnungen, die schon lange genutzt werden und deren Herstellkosten abgeschrieben sind oder bei einem Bruchteil dessen lagen, zu dem heute gebaut werden kann,  kann dies bedeuten, dass die "Kostenmiete" deutlich unter dem liegt, was Mietern am freien Wohnungsmarkt für solche Wohnungen abverlangt wird, die nicht zugleich Eigentümer innerhalb einer Genossenschaft sind. Da im Gegensatz zu einer Stiftung es in einer Genossenschaft darum geht, die Mitglieder wirtschaftlich zu fördern und es kein weiteres rang-gleiches Ziel gibt, gilt der Grundsatz, dass dieses Ziel bestmöglich zu erfüllen ist, im Rahmen der allgemein anerkannten Prinzipien guter Unternehmensführung, nach der ein Unternehmen sich immer auch als guter Arbeitgeber und verantwortlich handelnder Akteur im öffentlichen Gemeinwesen und gegenüber der Umwelt verstehen sollte. In der Praxis kann dies bedeuten, dass Wohnungsgenossenschaften ältere Wohnungen oft zu Nutzungsentgelten anbieten, die weit unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Diese Genossenschaften sind dann gewinnorientiert mit dem Fokus auf eine Nutzenmaximieung für ihre Mitglieder statt im Sinne der Substanzmaximierung einer Stiftung.

Beide Unternehmensformen können verantwortliches wirtschaftlichen Handeln bedeuten, sind aber in ihren Auswirkungen deutlich unterscheidbar.

Falls Genossenschaften aufgrund von Dyamiken lebendiger Organisationen sich über lange Zeit hin zu Unternehmen mit Stiftungscharakter entwickelt haben oder weiter entwickeln, ist dies empirisch eine Entwicklung, die in den Wirtschaftswissenschaften im Feld der neuen Institutionenökonomik seit Jahrzehnten bekannt ist und erforscht wird (siehe zum Beispiel das  Prinzipal-Agenten-Dilemma, siehe  https://de.wikipedia.org/wiki/Prinzipal-Agent-Theorie  ). Fällt so eine Entwicklung auf, ist dies immer eine Einladung, sich darauf zu besinnen, welches Potential in der einmal gewählten Unternehmensform steckt und sich daran zu machen, dieses zu heben.

Donnerstag, 29. August 2019

Genossenschaftliches Miteinander

Wenn Sie diese 15 Grundsätze beherzigen, zünden Sie die nächste Stufe in der Entwicklung Ihrer Wohnungsgenossenschaft


15 Grundsätze für das Genossenschaftliche Miteinander in Wohnungsgenossenschafen

1. Wir reden lieber miteinander statt übereinander.

2. Wir sprechen alle wichtigen Aspekte bei anstehenden Entscheidungen an und ermöglichen so jedem Mitglied, sich ein gründliches Bild der Gesamtlage und von Einzelprojekten zu machen und so seine Rolle und Funktion als Mitunternehmer im Rahmen seiner/ihrer Möglichkeiten ausfüllen zu können.

3. Wir haben grundsätzlich Vertrauen in den guten Willen unserer Mitglieder, unsere Genossenschaft auch in Zukunft weiter erfolgreich zu betreiben und dabei nicht nur die eigenen Interessen zu sehen, sondern die gemeinsamen Interessen wahrzunehmen und unser gemeinsames Handeln daran auszurichten.

4. Wir bemühen uns, Sachzusammenhänge kurz und prägnant zu beschreiben und möglichst lösungsorientiert zu denken und zu arbeiten, um die verfügbare Zeit effizient zu nutzen.

5. Die Vertretung unserer Genossenschaft nach außen überlassen wird dem Vorstand und diskutieren Änderungesvorschläge nur intern miteinander. Andere Meinungen sehen wir als Bereichung und gehen aktiv aufeinander zu, um mehr über die Meinung des/der anderen zu erfahren.

6. Wenn uns etwas stört, werten wir einander nicht als Person ab, sondern erklären, was uns an einem bestimmten Verhalten belastet und formulieren Änderungsvorschläge.

7. Bei unterschiedlichen Auffassungen, insbesondere zu wichtigen Grundfragen der Unternehmenspolitik und zu wichtigen Projekten, versuchen wir gemeinsam zu Lösungen zu kommen, die die Interessen aller berücksichtigen, die von den Entscheidungen betroffen sind.

8. Bei Meinungsunterschieden greifen wir auf das Bewusstsein zurück, was unser gemeinsamens Ziel ist, die wirtschaftliche Förderung unserer Mitglieder durch die Versorgung mit Wohnungen in guter Qualität in der Metropolregion Hamburg zu Nutzungsgebühren so niedrig wie möglich und so hoch wie nötig.

9. Jeder ist bei uns grundsätzlich eingeladen, sich nach seinen/ihren Möglichkeiten einzubringen. Es gibt dabei Unterschiede und Grenzen zwischen Aufbauorganisation (Mitarbeitern) und Ehrenamt.

10. Ehrenamtlich Engagierte haben unterschiedlich viel Zeit zur Verfügung. Jeder bringt sich soweit ein, wie es ihm seine Zeit erlaubt. Wir versuchen dabei, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Insoweit sind zum Beispiel schriftliche Kommunikation untereinander per email in der Regel Angebote, Dinge zur Kenntnis zu nehmen, beinhalten aber keine Verpflichtung dies zu tun.

11. Da Kommunikationsvorlieben und Kommunikationsfähigkeiten unterschiedlich sind (zum Beispiel mündlich oder schriftlich), befürworten wir grundsätzlich die Nutzung mehrerer alternativer Kommunikationswege, deren Nutzung die Mitglieder und Organe nach eigenem Gutdünken und in Absprache miteinander gestalten. Als Organisation versuchen wir durch einen geeigneten Rahmen hier viel selbstorganisierte Vernetzung grundsätzlich zu ermöglichen (Vertreterliste, Onlineforum, Leserbriefe, Artikel in "bei uns", frei Nutzung der Nachbarschaftstreffes, Ermöglichung von Aushängen in Häusern, eigene im Geschäftsbericht veröffentliche Genossenschafts-E-mail für Aufsichtsräte ermöglichen), neben den Angeboten, gemeinsam und unter der Schirmherrschaft von Vorstand und Aufsichstrat ins Gespräch zu kommen.

12. Als Wirtschaftsunternehmen gibt es bei allen gewollten Beteiligungsmöglichkeiten als Mitglied, Vertreter/in, Aufsichsrat eine unverzichtbare, vom Vorstand geführte Aufbauorganisation mit festen Mitarbeitern, die die Geschäfte geordnet plant und ausführt und zusammen mit dem Aufsichtsrat auf Basis der Satzung verantwortet. Über Grundsatzfragen entscheidet dabei bei Bedarf auch über Satzungsänderungen die Vertreterversammlung. Sie ist das wichtigste Organ unserer Genossenschaft.

13. Als lebendiges Unternehmen interessieren wir uns dafür, wo wir herkommen und achten und respektieren unsere Ursprünge und entwickeln unser Unternehmen sorgsam und fürsorglich gemeinschaftlich und kooperativ weiter. Wir verweigern uns Veränderungen nicht grundsätzlich, sondern prüfen Änderungsimpulse sorgfältig und fassen sie als konstruktive Beiträge auf und integrieren sie in gemeinschaftlich getragene Veränderungen im Sinne unserer Ziele.

14. Dem Aufsichstrat kommt hierbei als Interessenvertretung der Mitglieder gegenüber dem Vorstand eine besondere Verantwortung zu. Neben der Begleitung des operativen Geschäfts durch Kontrolle und Beratung des Vorstandes legt der Aufsichtsrat deshalb sein besonderes Augenmerk auf die Formulierung der Grundaspekte der Unternehmensstrategie bzw. der Unternehmenspolitik zum Beispiel mit Hilfe von Leitsätzen für die Bereiche Bauen, Wohnen und gegebenenfalls Sparen. Er ist gemeinsam mit dem Vorstand aktiv beteiligt an der Formulierung und Fortschreibung der Unternehmensstrategie und sucht dazu auch das Gespräch mit interessierten Mitgliedern und Vertretern/innen.

15. Soweit in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden, sehen wir sie als die damals im besten Wissen und Gewissen von unserer Organisation getroffenen Entscheidungen an und als sinnvolle Schritte des Lernens. Wir Mitglieder streben gemeinsam zu besseren Lösungen und gestalten gemeinsam die Gegenwart und die Zukunft unserer Baugenossenschaft.

Autor: Frank Giebel, Stand 29.08.2019; kann unter Quellenangabe frankgiebel(at)web.de weiter verbreitet werden