Dienstag, 20. Oktober 2020

Wohnungsbaupolitik Zürichs mit Vorbildfunktion für deutsche Metropolen?

Im Programm Wohnen der Stadt Zürich in der aktuellen Fassung von 2017 heißt es:: 

"Stoßrichtungen:

I. Mehr gemeinnütziger und preisgünstiger Wohnungsbau

Die Stadt Zürich setzt auf die Bereitstellung preisgünstiger Wohnungen durch gemeinnützige Wohnbauträgerschaften mit dem Prinzip der Kostenmiete, deren Anteil sie gemäss dem in der Volksabstimmung vom 27.11.2011 angenommenen Grundsatzartikel in der Gemeindeordnung bis zum Jahr 2050 auf einen Drittel der Mietwohnungen ausbauen soll.

Massnahmen

1. Die Stadt kauft auch in Zukunft Bauland beziehungsweise Häuser für den kommunalen Wohnungsbau und für die günstige Abgabe an andere gemeinnützige Wohnbauträgerschaften zum Richtlinienlandwert. Dabei strebt sie unter dem Strich einen Ausbau des gemeinnützigen Portfolios an. (Liegenschaftenverwaltung)"

Hervorzuheben ist dabei der Bezug zur Kostenmiete. Obwohl dies bei Wohnungsgenossenschaften auch in Deutschland eine Selbstverständlichkeit sein sollte, ist es dies in der Praxis nicht. Oft gibt es in der ein oder anderen Form eine Orientierung an lokalen Mietenspiegeln.

Würden auch deutsche Metropolen dieses Prinzip anwenden, könnte damit ein Teil des Wohnungsbedarfs komplett dem Markt entzogen werden, ohne sinnvolle Investionen in die Bausubstanz zu gefährden, wie dies durch die Mietobergrenzen im Rahmen des "Mietendeckelsgesetzes" aktuell in Berlin riskiert wird. Sie müssten dazu aber die beteiligten Unternehmen zum Selbstkostenprinzip verpflichten.

Die Zielformulierung der Wohnpolitik wurde der Bevölkerung Zürichs 2011 zum Entscheid vorgelegt und  angenommen. Zur Kostenmiete heist es darin "Sie [die Stadt Zürich] sorgt dafür, dass sich die Zahl der Wohnungen im Eigentum von gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen oder Wohnbauträgern, die ohne Gewinnabsichten dem Prinzip kostendeckender Mieten verpflichtet sind, stetig erhöht." siehe Seite 30 in der Masterarbeit von Martin Broder "Umsetzung des Volksentscheides der Stadt Zürich von 2011 für
‚Bezahlbare Wohnungen für Zürich‘ Eine Standortbestimmung sowie die Untersuchung von möglichen Massnahmen und Risiken der angestrebten Ziele bis 2050"

Um das Potential der Zürcher Wohnbaupolitk für deutsche Metropolen angemessen beurteilen zu können, braucht es jedoch einen genaueren Blick, der so arbeitsintensiv ist, dass ich ihn hier nicht leisten kann. Soweit zeigt sich jedoch, dass sich eine genauere Analyse lohnen würde. Sie sollten sowohl Bezug nehmen auf die kritischen Fragen der hier verlinkten Masterarbeit von Martin Broder, auf den aktuellen Bericht des Zürcher Stadtrates zur Zielerreichung vom September 2020 und auf die Betrachtung grundlegender statistischer Größen wie Baupreisentwicklung, Bautätigkeit und Mietzinsentwicklung. Sie sollte auch eine aktuelle Literaturrecherche beinhalten und Interviws mit beteiligten Wohnungsunternehmen und Mitarbeitern der Stadt Zürich.


Sonntag, 18. Oktober 2020

offener Brief an Prof. Norbert Lammert, Bundestagspräsident a.D., eine Rundumbetrachtung

aktualisiert um 13:05
 
Sehr geehrter Prof. Lammert,

ich habe gerade das Ende Ihres Interviews in 3Sat mitbekommen. Sie sagen, für eine wirkungsvolle Partei sei es entscheidend, die Pole Stabilität und Veränderung gleichermassen zu integrieren. Das passt gut zu dem

Riemann-Thomann Modell und seiner Anwendung auf Gruppen

siehe:

https://www.google.com/search?q=riemann+thomann+modell&client=firefox-b-d&sxsrf=ALeKk01RnryJyXwpcJiHcOkopKUo4Ywc_Q:1603014134698&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=2ahUKEwjU7cWA7b3sAhULJBoKHTB0BLsQ_AUoAXoECCQQAw&biw=1600&bih=786#imgrc=LlQVP1PsqefAYM

und https://de.wikipedia.org/wiki/Riemann-Thomann-Modell

Hier wird deutlich, dass es ein zweite Achse gibt, Nähe und Distanz, also in Beziehung gehen und Unabhängigkeit.

Politisch-gesellschaftlich und in Bezug auf wirkmächtige Parteien bedeutet das, sich den Polen von Globalisierung und lokaler Gemeinschaft zu stellen. Dies erklärt, warum in Europa in so gut wie allen Staaten neue konservative Parteien entstanden sind und die CSU da vergleichsweise gut wegkommt als Regionalpartei. Global governance, verstanden aus der Notwendigkeit, in einer zusammenwachsenden Welt globale Antworten zu finden, wie beim Regeln der Finanzwirtschaft, beim Klimanotstand und dem Artensterben, muss zusammengeführt werden mit dem Erhalt einer lokalen Gemeinschaft.

Ich habe diese Woche für mich die Tiefe des Begriffes Weggemeinschaft entdeckt. Sie lässt sich auf Lebenspartnerschaften anwenden, auf Genossenschaften, auf Staaten, auf die EU und die Menschheit als Ganzes. Gemeinschaften finden sich im obigen Modell im linken oberen Quadranten, also mit einem Schwerpunkt auf Stabilität und In-Beziehung-Gehen. Formuliert als Weggemeinschaft ist ihnen aber eine Entwicklung mitgegeben, ziemlich genial wie ich finde. Gefunden hatte ich den Begriff Weggemeinschaft in einem Essay des Internet-Männerforum der evangelischen Kirche Norddeutschlands
 
Auf welchem Weg ist die Menschheit als Ganzes? Entwicklungspsychologisch verstanden waren Kriegszeiten Zeiten des Sich-Behauptens und des Kräfte Austestens, des Heranswachsens. Die meisten Hollywood Filme werden noch von Männern gemacht. Der Held ist ein Kämpfer, der sich behaupten muss. Die Frau die Belohnung. Am 16.10 lief auf ARTE eine andere Art Film "Take this waltz" von der Kanadierin Sarah Polley als Regisseurin und Hauptdarstellerin. Es geht darin darum, Ängste zu erkennen, sie hinter sich zu lassen und in Beziehung zu gehen mit allen. Die Frau war die Heldin in ihrer Entwicklung und konnte die ganze Komplexität ihres Denkens und Fühlens zeigen, ihre Versuche gut zu handeln, andern gegenüber aber auch sich selbst gegenüber. Ich glaube, wir sind dabei das Stadium der Konkurrenz, des Kampfes, des Jagens hinter uns zu lassen und in das Stadium einzutreten des In-Beziehung-Gehens von mit uns selbst bis zu allen Lebewesen auf diesem Planeten. Warum spreche ich das Jagen an? Ballsportarten wie Fussball, American Football sind immer noch sehr beliebt. Es lohnt sich für Poltikerinnen sich bei wichtigen Spielen zu zeigen. Diese Beliebtheit  wurde von Evolutionspsychologen damit erklärt, dass es die Jäger-Gemeinschaft nachbildet und erlaubt, sie auszuagieren oder an deren Energie als Zuschauer teilzuhaben. In Zeiten von Corona fällt das Interesse deutlich ab, es ist unklar, ob es sich danach wieder gleich hoch einstellen wird. Irgendwie ist die Luft ein Stück weit raus. Wettkampfsport, das Sich-Vergleichen und In-Konkurrenz-Gehen, ist nicht mehr das A und O. Es kommt in Zukunft mehr darauf an, mit dem Ganzen in Einklang zu sein und seine Kräfte weise einzusetzen und ganzheitlich, individuell und gemeinsam, schönes, gutes und richtiges zu gestalten und sich daran zu erfreuen.
 
Ganz konkret, warum kann es sein, dass in der EU Produkte von Tieren verkauft werden dürfen, die keinen einzigen Tag in ihrem Leben den freien Himmel und die Sonne gesehen haben? Es müsste eine EU-Richtlinie geben, die vorschreibt, dass nur Produkte von Tieren verkauft werden dürfen, die täglich die Möglichkeit zu einem Aufenthalt im Freien hatten. Die EU-Agrarpolitik erwähnt Tiere in ihren Zielen nicht einmal. https://ec.europa.eu/info/food-farming-fisheries/key-policies/common-agricultural-policy/cap-glance_de Auch Tiere haben legitime Anliegen, die wir in unser Handeln integrieren sollten. Die EU sollte dafür Bürgerinnenversammlungen (citizen assemblies) nutzen, wie es Extinction Rebellion bereits für die Klimakrise fordert und die EU selbst bei übergeordneten Fragen bereits austestet.

Es ist Zeit, dass die Menschenheit ins Erwachsenenalter eintritt. Wir sind so groß geworden, dass wir sonst den Planeten mit seinen endlichen Ressourcen und als Lebensraum für sehr viele andere Lebewesen an die Wand fahren. Dazu ist es hilfreich, individuell und kollektiv, die Dimensionen Veränderung, Stabilität, In-Beziehung-Gehen und Unabhängigkeit zu integrieren.

freundliche Grüße

Frank Giebel
http://liberalundkooperativ.blogspot.com/

Es gibt zum Optimismus keine vernünftige Alternative. Karl Popper.

Wenn Deine Aufmerksamkeit auf das Ergebnis fokussiert ist, bist Du nicht mehr im Prozesss. Aber wenn Du im Prozess bist, wird sich das Ergebnis sicher einstellen. Deepak Chopra

Not everything that is faced can be changed; but nothing can be changed until it is faced. —James Baldwin