Samstag, 6. August 2022

verblüffende Unwirtschaftlichkeit in Wohnungsgenossenschaften

Vorbemerkung (Achtung lang, wen das Umfeld weniger interessiert als die Frage selbst, kann  direkt zum Sachverhalt springen)

In der Praxis vieler Unternehmen hat die Betriebswirtschaftslehre als normative Wissenschaft oft einen geringeren Stellenwert als es sinnvoll ist. Dies gilt sowohl für erwerbswirtschaftliche Unternehmen als auch für bedarfswirtschaftliche wie öffentlich-rechtliche und Beschaffungsgenossenschaften. Die Klagen darüber in der Literatur in beiden Bereichen sind zahlreich (zB. Bestmann, Henseler, Blome-Drees). Wenn sich aber in einer Branche ein unwirtschaftliches Prinzip wenn nicht zum Branchenstandard so doch zu einer weit verbreiteten Praxis herausgebildet hat, ist das schon sehr verblüffend. Im Bereich traditioneller, im Verband GdW organisierter Wohnungsgenossenschaften könnte dies der Fall sein. Inwieweit der GdW Bundesverband der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen oder seine Vorgängerorganisation der GGW Gesamtverband gemeinnütziger Wohnungsunternehmen diese Entwicklung mit verursachte, welche Rolle die vom Verband gegründete  EBZ Business School Bochum spielte, soll hier genausowenig untersucht werden wie die Frage, ob die dem Verband zugehörigen Prüfverbände diese Unwirtschaflichkeiten im Rahmen ihrer Prüfungen eigentlich hätten beanstanden müssen und ob hier wie schon andernorts Schwächen des staatlich verordneten Prüfwesens zu Tage treten zulasten der Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften. Das Genossenschaftsgesetz macht den Prüfern in §58 (1) folgende Vorgabe: " Im Prüfungsbericht ist Stellung dazu zu nehmen, ob und auf welche Weise die Genossenschaft im Prüfungszeitraum einen zulässigen Förderzweck verfolgt hat." Dies gebietet Hinweise auf unwirtschaftliche Praktiken zu Lasten der Mitgliederförderung, wenn man denn das methodische Rüstzeug hat, sie selbst zu erkennen. Dieser Artikel will dieses Rüstzeug für bedarfswirtschaftliche Wohnungsunternehmen darlegen.und zeigen inwieweit eine derzeit häufig zu beobachtende Praxis unwirtschaftlich ist und damit den jeweiligen Unternehmenszielen als abträglich zu beurteilen ist.

Anknüpfungspunkt dieses Artikels ist die sogenannte Wohnwertmiete oder Unternehmenskostenmiete, wie sie der Jurist Prof. Volker Beuthien in seinem Buch 1992 den Wohnungsgenossenschaften  anempfohlen hat unter Verwerfung des genossenschaftlich eigentlich angezeigten Nutzungsentgeltes der Basis Selbstkosten. Näheres siehe Beuthien, Volker, "Wohnungsgenossenschaften zwischen Tradition und Zukunft - Rechtsfragen der genossenschaftlichen Wohnungswirtschaft nach Wegfall des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes", Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 1992 und meine erste Beurteilung dazu an Hand zweier Fallstudien unter https://liberalundkooperativ.blogspot.com/2021/02/kostenmiete-oder-wohnwertmiete-in.html

Das Buch Beuthiens basierte wie er selbst im Vorwort schreibt auf einer Auftragsarbeit für den Verband der südwestdeutschen Wohnungswirtschaft eV, Frankfurt, einem Tochterverband des GdW. Dass ein Verband, der Wirtschaftsunternehmen vertritt, sich an einen Juraprofessor wendet, um Orientierung zu erlangen zu Fragen der unternehmerischen Preisgestaltung, dem Kern unternehmerischen Handelns statt an einen Fachmann für Betriebswirtschaft, wirft die Frage auf, ob das betriebswirtschaftliche Verständnis allgemein und im Sinne einer genossenschaftlichen Betriebswirtschaftslehre in diesem Verband eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Eine spätere betriebswirtschaftliche Publikation des GdW zu balanced Scorecards lässt hier ebenfalls noch erstaunliche Defizite erkennen, obwohl es dort mittlerweile einen "Fachbeirat" gibt, in dem neben Praktikern auch einige Vertreter von Hochschulen zu finden sind. siehe

Gewinnorientierung als Zeitgeistsaspekt in der Fachliteratur zur Wohnungswirtschaft

 http://liberalundkooperativ.blogspot.com/2022/05/

Eine positive Entwicklung war mit der Besetzung des Gdw finanzierten Stiftungslehrstuhls Wohnungsgenossenschaften an der EBZ mit  Katja Lepper zu verzeichnen. Es war aber anscheinend nur ein leichtes Aufflackern. Ihr Beitrag zum Fördercontrolling in Wohnungsgenossenschaften zusammen mit der EBZ-Rektorin Sigrid Schaefer ist inhaltlich wertvoll und nach meiner Einschätzung konsequent wissenschaftlich ausgerichtet und zeigt keine Kompromisse gegenüber Geldgebern. siehe "Co-Operative Social Accounting – Potenziale für Nachhaltigkeit und Controlling in Genossenschaften" Sigrid Schaefer, Katja Lepper, in "Handbuch Controlling" Wolfgang Becker · Patrick Ulrich, Herausgeber, Springer-Verlag, 2016. Seltsam ist, dass in obigem Buch sie bereits 2016 als Professorin geführt wird, dann aber 2019 zum Thema Social Accounting in Wohnungsgenossenschaften an der Universität Köln eine Dissertation vorlegt. Dieses kommt zu einem negativen Ergebnis zur Praxis wenn sie schreibt in ihrer Zusammenfassung "Im Ergebnis zeigt die Arbeit eine Diskrepanz zwischen der seit Jahrzenten in der Genossenschaftswissenschaft geforderten genossenschaftsadequaten, d.h. mitglieder- und sozialraumförderlichen, Berichterstattung und deren Umsetzung in der wohnungsgenossenschaftlichen Berichtspraxis."  Sehr merkwürdig oder vielleicht auch gar nicht merkwürdig ist, dass Frau Leppers Tätigkeit bei der vom Gdw finanzierten EBZ endete zu einer Zeit als sie zu negativen Ergebnissen bezüglich der Praxis der Mitgliedsunternehmen des gdw kam im Kern dessen was Genossenschaften eigentlich ausmacht. 

Laut einem newsletter der EBZ war die Arbeit Ergebnis eines Forschungsstipendiums Frau Leppers in Kanada: "An dieser Stelle setzt das Forschungsprojekt von Katja Lepper an. Sie erhielt dafür ein Forschungsstipendium vom Centre of Excellence in Accounting and Reporting for Co-operatives (CEARC) der Sobey Business School an der Saint Mary’s University Halifax (Kanada). Das CEARC verfolgt das Ziel, die finanzielle und nichtfinanzielle Berichterstattung von Genossenschaften unter Einbezug der aktuell angewandten Praxis weiter zu entwickeln und vergibt daher jährlich bis zu 4 Stipendien und Forschungsvorhaben in diesem Bereich zu unterstützen. Die Projektlaufzeit des Vorhabens beträgt zwei Jahre." 

https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwi8pNHLztn4AhUIwAIHHeVEAYcQFnoECAMQAQ&url=https%3A%2F%2Fwww.ebz-business-school.de%2Ffileadmin%2Febz-bs%2Fpublikationen%2Fskill%2FSkills_eG_GenossenschaftsNewsletter_A4_300dpi_SEP2015_WEB2.pdf&usg=AOvVaw0TEk4OC7k2ybPJSQoUJ-2D

Mittlerweile ist dieser Lehrstuhl mit Katharina Böhm von einer Juristin besetzt https://www.ebz-business-school.de/forschung/professoren.html 

Diese Hinweise sind erlaubt, da Wissenschaft sich nicht kontextlos irgendwo manifestiert, sondern in einem konkreten Umfeld und es wichtig ist, dies transparent zu machen. Auch ich nehme als Berater entgeltlich Aufträge von Wohnungsgenossenschaften entgegen, um sie in ihrer Arbeit zu unterstützen, insbesondere in den Bereichen Betriebswirtschaft, Kostenrechnung, Mitgliederförderung, Nachhaltigkeit und partizipative und deliberative Mitgliederbeteiligung.

weitere Hintergrund: https://www.konii.de/news/stiftungsprofessur-wohnungsgenossenschaften-ebz-business-school-beruft-prof-dr-jurgen-kessler-201212035072  auch die Bundesregierung steckt viel Geld in die EZB, 2020 über eine Million Euro laut https://www.energieforum-west.de/news.html , dort unter "Große Potenziale: CO2-Emissionen senken durch „betreutes Heizen“"  in ein Projekt namens BaltBest (auch das sehe ich sehr kritisch, da man mit Heizungsoptimierung nicht von fossilen Brennstoffen wegkommt. Auch hier wird wieder der Gdw an erster Stelle genannt).

Nun zum eigentlichen Sachverhalt

In der wohnungsgenossenschafltichen Praxis wird oft ein Preismodell gewählt, bei dem das Nutzungsentgelt (die Nettokaltmiete) für eine Wohnung sich am Mietenspiegel bzw. an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientiert. Mitunter wird der Mittelwert des Mietenspiegels gewählt und um Auf-und Abschlagsfaktoren ergänzt, um eine sogenannte "Wohnwertmiete" zu erhalten, mitunter wird einfach ein gewisser Abschlag oder Aufschlag kalkuliert oder man gibt sich mit Blick auf die zu fördernden Mitglieder zufrieden, indem man die obere Spanne des Mietenspiegels nicht überschreitet. Dem Autor ist ein besonders eindrückliches Beispiel bekannt, in dem in der Satzung einer Wohnungsgenossenschaft sich noch eine Formulierung findet, die eine Selbstkostenmiete vorgibt, diese aber von der Leitungsebene interpretiert wird als "Unternehmeskostenmiete" dh. dass um die Satzung einzuhalten nur das Erfordernis bestünde, dass in Summe über das ganze Unternehmen Kostendeckung und weitere Kriterien erfüllt sein müssten.

Ausgangsfrage

Wie ist die Praxis einer Unternehmenskostenmiete in Wohnungsgenossenschaften betriebswirtschaftlich zu bewerten?

In diesem Zusammenhang wird es nicht darum gehen, das Buch von Beuthien in seiner juristischen Argumentation zu hinterfragen. Rechtsaspekte sind aus betriebswirtschaftlicher Sicht hilfswissenschaftlichen Charakters und können betriebswirtschaftliche Vorgaben per se nicht aushebeln. Sie können nicht dazu führen von wirtschaftlichen Unternehmen zu verlangen sich unwirtschaftlich zu verhalten, soweit dies nicht durch konkrete gesetzliche Vorschriften unabdingbar ist. Dazu schreibt Gerhard Weisser "Soweit theoretische Grundlegungen erforderlich sind, betreffen sie die wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Grundlagen und nicht die (logisch nachgeordneten)  rechtswissenschaftliche Frage, in welcher Weise die zu erörternden Ordnungsgedanken in Rechtsvorschriften verwirklicht werden sollen. In der überaus wichtigen Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftswissenschaftlern (ggf. Soziologen) und Rechtswissenschaftlern hat regelmäßig aus logischen Gründen zunächst der Sozialwissenschaftler und erst dann der Jurist das Wort." (zitiert aus Weisser, Gerhard, "Genossenschaft und Gemeinschaft - Bemerkungen zum 'Kulturellen Optimum'
der Genossenschaftsgröße", Gemeinnütziges Wohnungswesen Organ des Gesamtverbandes
Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen, Dezember 1954, Heft 12, Seite 565-572)

betriebswirtschaftliche Bewertung 

Erich Gutenberg schreibt, dass in wirtschaftlichen Betrieben (wozu auch Wohnungsgenossenschaften gehören) das Unternehmensziel Vorrang vor dem Wirtschaftlichkeitsprinzip hat. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip hat also keinen Selbstzweck, sondern dient der bestmöglichen Erreichung des Unternehmenszieles. Es ist also mehr ein Prinzip, das möglichst immer zur Anwendung kommen soll, um das Unternehmensziel zu erreichen und ist kein Selbstzweck. Unwirtschaftlichkeit ist also nur insoweit ein Problem, soweit es dazu führt, dass das eigentliche Ziel weniger gut erreicht wird.

Untersuchung selbst

Wöhe (1959 S.199) formuliert für erwerbswirtschaftliche Unternehmen: "Wir sehen also: Zwischen Rentabilität und Wirtschaftlichkeit bestehen enge Beziehungen. Das Ziel der Unternehmung  - das zeigt die Erfahrung - ist Maximierung des Gewinns, ausgedrückt durch die relative Maßgröße der Kapitalrentabilität. Dieses Ziel wäre aber nicht zu erreichen ohne die genaue Kenntnis und Beachtung der Probleme der Wirtschaftlichkeit und der Wirtschaftlichkeitsmessung. Denn der praktische Betrieb weiß ja nicht, wann er das Gewinnmaximum erreicht  hat (das lässt sich exakt doch nur im theoretischen Modell feststellen). Folglich muss der Betrieb bestrebt sein, durch Verbesserung seiner Wirtschaftlichkeit seinen Gewinn zu erhöhen. Er kann den Gewinn außerdem durch Erringen einer Machtstellung am Markt vergrößern. Das ändert aber nichts daran, daß der Gewinn in jedem Fall relativ größer wird, wenn es gelingt, die Wirtschaftlichkeit zu vergrößern."  Hier wird zu zeigen sein, dass auch bei bedarfswirtschaftlichen Unternehmen ein analoger Zusammenhang besteht, wenn man im Sinne der unternehmerischen Zwecksetzung optimale Bedarfsdeckung und damit Nutzenmaximierung für die Kunden durch das Minimalkostenprinzip bzw. das Selbstkostenprinzip erstrebt.

Wie aber misst man Wirtschaftlichkeit in Produktionsunternehmen wozu auch Wohnungsunternehmen gehören? Technisch-physikalisch wird Wirtschaftlichkeit definiert als das maximal mögliche Verhältnis von Output zu Input. Betriebswirtschaftlich als maximal mögliches Verhältnis von in Geld bewertetem Output zu Input oder anderes ausgedrückt Erreichen eines bestimmten gewünschten Outputs zu minimalen Kosten. Dies nennt man Minimalkostenprinzip. Wird ein Produkt nach diesem Preis Kunden angeboten, spricht man von Selbstkostenprinzip. 

Die Wirtschaftlichkeit ergibt sich also vom Ergebnis des betrieblichen Leistungsprozesses her. Das heist alle Produkte, die das Unternehmen als Absatz verlassen sind auf ihre Wirtschaftlichkeit hin zu optimieren. Dazu gehört, dass man versucht zu minimalen Kosten herzustellen und das Ergebnis im Rahmen einer Kostenträgerrechnung ermittelt. Dazu genügt es weder eine Gesamtkostenbetrachtung also über das gesamte Unternehmen anzustellen, noch im Rahmen eines abteilungsbezogenen Denkens alle möglichen Kostenstellen anzusehen und zu versuchen die Kosten dieser Kostenstellen zu minimieren. Das kann deshalb kein Ersatz für eine Kostenträgerrechnung bzw. Produkterfolgsrechnung sein, weil der Output von Kostenstellen ja nicht unbedingt einen direkten Bezug zum Output des Unternehmens hat. Es ist ja gerade Aufgabe der Kostenträgerrechnung diesen Bezug bestmöglich im Rahmen einer Vollkostenrechnung und einer Teilkostenrechnung herzustellen.

Das Gesagte ist eigentlich von ganz allein einsichtig. Es besteht deshalb keine Notwendigkeit nach analogen Aussagen in der betriebswirtschaftlichen Literatur zu suchen. Zur allgemeinen Orientierung quasi im Rahmen der Geschichte des Faches kann geschaut werden, ob diese oder ähnliche Aussagen früher bereits getätigt wurden. 

Etwas konkreter als bei Wöhe 1959 wird bei Wöhe Einführung in die allgemeine BWL in Anlehnung an Gutenberg dies ausgeführt, wenn die Produktionskostenfunktion entwickelt wird, zum einen als technische input-output Funktion und anschließend als Kostenfunktion. (zum Beispiel 27. Auflage, Einführung in die allgemeine BWL, 2020, dort S. 16/17, Produktivitätsorientierter Ansatz von Erich Gutenberg [der konzeptionelle Kern der BWL in Deutschland]. Kapitel 2.2. Grundlagen der Produktionstheorie und 2.3. Grundlagen der Kostentheorie S.275-294 oder auch in der 15. Auflage Zitat von 1984 im Kapitel C I. "Aufgaben, Teilgebiete, Systeme der Kostenrechnung": "Theoretisch einwandfrei ist allein das Kostenverursachungsprinzip: jeder Kostenbereich (Kostenstelle) und jeder Kostenträger ist mir dem Kostenbetrag zu belasten, den er verursacht hat. Nur wenn eine kausale Beziehung zwischen angefallenen Kosten und einer Kostenstelle bzw. einem Kostenträger nicht feststellbar ist, kommen die anderen Zurechnungsprinzipien [wie das Prinzip der Kostentragfähigkeit oder das Prinzip der Durchschnittsbildung] zur Anwendung." S.1135)

zum Unterschied zwischen bedarfswirtschaftlichen und erwerbswirtschaftlichen Unternehmen

Der Einfachheit halber wird mit Bezug auf den Wohnungsmarkt von einem Markt vieler Anbieter und Nachfrager ausgegangen mit hoher Konkurrenz (Polypol). Hier besteht der einzige Unterschied darin, dass bei erwerbswirtschaftlichen Unternehmen für alle Produkte Kostenminimierung angestrebt wird, um bei gegebenem Marktpreis bzw. reguliertem gedeckeltem Marktpreis insgesamt Gewinnmaximierung zu erreichen, während bei bedarfswirtschaftlichen Unternehmen grundsätzlich Ersparnismaximierung für die Produktnutzer möglich ist, indem bei Kostenminimierung und einer Preisgestaltung orientiert an den Selbstkosten also den langfristig notwendigen Kosten dies dazu führt, dass der Nutzen für die Nutzer maximiert wird unter Beachtung der Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit des Unternehmens und seiner gesellschaftlichen Verantwortung im Rahmen guter Unternehmensführung (good governance). 

Wäre es ein gültiges Gegenargument zu sagen, dass insoweit zwar eine Kostenträgerrechnung auf Ebene der Wohnanlagen betriebswirtschaftlich als betrieblich Steuerungspraxis gerechtfertigt ist, dass dies nicht aber automatisch bedeuten muss, dass nicht auch die Kalkulation und Preissetzung mittels einer Wohnwertmiete betriebswirtschaftlich akzeptabel ist? Wenn das stimmt, dann würde sich die Kritik an der Praxis darin erschöpfen dass bzw. insoweit gar keine Kostenträgerrechnung durchgeführt wird, also gar keine Kostensteuerung und Kostenminimierung als Managementfunktion erfolgen kann, nicht aber, dass das Preissystem Wohnwertmiete generell abgelehnt wird.

Selbst dann würde eine Wohnwertmiete dazu führen, dass Preise unter den Selbstkosten lägen bei Wohnanlagen mit hohen Kosten und und Preise über den Selbstkosten bei Wohnanlagen mit sehr niedrigen Kosten. Das Kostenverursachungsprinzip würde also verletzt. Es würden also Verlustbringer dauerhaft und langfristig im Portfolio der Wohnanlagen belassen. Dies widerspricht der grundlegenden Ausrichtung von Wirtschaftsunternehmen nur Projekte zu betreiben, die sich selbst tragen. Die dauerhafte und wissentliche Nichtbeachtung des Kostenverursachungsprinzips führt letztlich dazu, dass die Grenze eines wirtschaftlich handelnden Unternehmens verlassen wird.

Die Bereitschaft der Praxis sich zu ändern ist manchmal sehr gering ausgeprägt, die Suche nach Argumenten kann mitunter sehr kreativ werden, um ja nichts ändern zu müssen. Wäre es ein mögliches Argument der Praxis zu sagen, dass auch ohne Kostenträgerrechnung und mit Wohnwertmiete die Gewinnsituation des Unternehmens sehr gut ist und dies Indiz genug ist, dass das Unternehmen wirtschaftlich geführt wird? Dem wäre zum einen entgegenzuhalten, dass ohne Kostenträgerrechnung gar keine eindeutigen Informationen über die Wirtschaftlichkeit aller Produkte vorliegen und deshalb keine Beurteilung der Einsparungsmöglichkeiten erfolgen kann. Zum anderen geht es in bedarfswirtschaftlichen Unternehmen ja gerade nicht um die Gewinnsteigerung, sondern um die Nutzensteigerung bzw. Ersparnismaximierung und diese bleibt bei einer Wohnwertmiete und ohne eine Kostenträgerrechnung ohne spezifische Förderung und in ihrem Potential im Dunkeln. Zum Dritten liese sich der Verzicht auf eine Kostenträgerrechnung wohl nur rechtfertigen, wenn man glaubt, dass die Erkenntnisse nicht dazu führen würden, dass im Anschluss Kosten da gesenkt werden könnten, wo sie überproportional hoch sind. Man würde also den eigenen Managementfähigkeiten absolut keinen Einfluss auf die künftige Kostenminimierung zubilligen. Dies wäre sicher keine akzeptable Haltung für einen betriebswirtschaftlich ausgebildeten Manager. Die einzige wissenschaftlich begründbare Begrenzung einer Kostenträgerrechnung in der Praxis liegt in den Kosten, die durch die Berechnung selbst erfolgt. Eine Kostenträgerrechnung sollte also wahrscheinlich eher jährlich als monatlich durchgeführt werden und nicht bis in alle Details exakt ausgearbeitet werden, sondern es ist legitim, ja notwendig, bei der Ausführung Aufwand und Ergebnisbeiträge von Nebenrechnungen zu beurteilen. Sicher ist es aber nicht gerechtfertigt, sich gar nicht erst auf den Weg zu machen.

positive Ansätze in der Praxis

Mir ist ein Fall einer großen, traditionsreichen deutschen Wohnungsgenossenschaft bekannt, bei der sich die Geschäftsführung gründlich mit den betriebswirtschaftlichen Fragen beschäftigt hat und bereit ist, ihre eigenen Ansätze der Preissetzung und Kostenrechnung weiterzuentwickeln. In der Praxis ergibt sich auch für den wissenschaftlich gebildeten Betriebswirt die Herausforderung, ob die Theorie nicht mitunter über das Ziel hinausschießt: was ist zum Beispiel, wenn in einer Metropole eine Wohnanlage sehr niedrige Kosten hat und eine frei werdende Wohnung tatsächlich zu Selbstkosten einem neuen Mitglied zur Verfügung gestellt würde, das dann ohne großes Eigenkapital und ohne besonders genossenschaftliches Engagement in eine eigentümerähnliche Position käme? Wäre dies nicht ungerecht? Wäre es da nicht besser, das Ersparnispotential in der Genossenschaft gleichmässiger zu verteilen oder mehr zu bauen und/oder an künftige Generationen zu geben? Dazu lässt sich sagen, dass solche Fragen wenigstens zum Teil über das betriebwirtschaftliche hinausgehen und eher Verteilungsfragen sind, während die Betriebswirtschaft dazu beiträgt, dass überhaupt erst einmal möglichst viel zu verteilen ist. Zum anderen ist es in einer Genossenschaft tatsächlich so, dass man hier gemeinsam für sich entscheiden kann, wie man die Ersparnis verteilen möchte. Betriebswirtschaftlich spricht viel dafür, dem Kostenverursachungsprinzip einen erheblichen Stellenwert zuzubilligen. Kompromisspielräume bieten sich zum Beispiel bei all den Kosten, die nicht direkt der jeweiligen Wohnanlage zuordenbar sind wie zum Beispiel Rückstellungen für unvorhersehbare Ereignisse wie Schäden durch Starkregen oder geänderte Kosten wegen geänderten technischen Anforderungen wie zum Beispiel beim Brandschutz. Hier wäre es denkbar, dass die Wohnanlagen, die sehr niedrige Kosten haben, einen größeren Anteil übernehmen. Falsch wäre es dagegen, die Förderung grundsätzlich an künftige Generationen zu übertragen, die real noch gar nicht Mitglied sind. Das widespräche dem Prinzip der Mitgliederförderung. Man kann nur Mitglied sein oder eben nicht. Das gilt übrigens auch für die Vergangenheit. Man sollte nicht eine Politik hoher Rücklagen fortführen aus Respekt und Dankbarkeit vor bereits verstorbenen Generationen von Mitgliedern, zu deren Zeit dies vielleicht erforderlich war, weil damals noch wenig Eigenkapital verfügbar war. In der Praxis gibt es solches irrationales Verhalten tatsächlich. Insgesamt wird hier vielleicht klar, dass normative betriebswirtschaftliche Aussagen nicht in Stein gemeiselt sind, sondern ein wichtiger Teil eines breiten Gestaltungsprozesses in ganz konkreten Unternehmen mit konkreten Situationen sind. Sie sind Teil der Lösung aber nicht die Lösung schlechthin. Sie können und sollten einen guten Gestaltungsprozess nicht ersetzen, sondern sind Teil davon.

 

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