Ich habe heute bei der Wissenschaftsministerkonferenz der Bundesländer, die Teil der Kultusministerkonferenz ist, angeregt einen Lehrstuhl bzw. ein Lehr- und Forschungsinstitut an einer deutschen Universität für bedarfswirtschaftliche Betriebswirtschaftslehre zu schaffen.
Ich werde den Vorschlag weiterleiten an den VHB Verband der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V.
Darin gebe ich unter anderem folgende Hinweise, die ich hier wiedergebe, weil sie nach meiner Einschätzung von öffentlichem Interesse sind:
KI ist in aller Munde und hat sicher viel für sich. Vielleicht überraschend zeigt sich daneben im Bereich der Lehre und Forschung im Feld der klassischen Betriebswirtschaftslehre ein wichtiger Ergänzungsbedarf zum bisherigen universitären Angebot.
Hintergrund / Bedarf
In einem Artikel zu öffentlichen Unternehmen "Die Korrumpierung bedarfswirtschaftlichen Handelns in öffentlichen Unternehmen" (2005)
kristisiert Thomas Edeling, dass viele Manager öffentliche Unternehmen wie am Kapitalmarkt ausgerichtete Unternehmen führen. Ähnliche Erfahrungen habe ich im Bereich Genossenschaften gemacht. Marcus Geschwandtner befindet in Bezug auf Genossenschaften: "Es mangelt den Mitgliedern und zahlreichen Organträgern an Kenntnis über den "innersten Kern" der eigenen Rechtsform". (1) Dazu gehören sicher auch Kenntnisse der bedarfswirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre. Soweit ich es beurteilen kann, fehlt es sowohl bei der kaufmännischen Ausbildung als auch der universitären betriebswirtschaftlichen Ausbildung daran, fundierte Einblicke in die Unterschiede einer erwerbswirtschaftlichen und einer bedarfswirtschaftlichen Betriebswirtschsftslehre zu erhalten. Mit ist nicht bekannt, dass es in Deutschland eine einzige Professur für Forschung und Lehre für bedarfswirtschaftliche Betriebswirtschaftslehre gibt. Ein Beispiel für den bedarfswirtschaftlichen Ansatz und seiner Abgrenzung vom erwerbswirtschaftlichen findet sich hier
https://mpra.ub.uni-muenchen.de/124086/
Bedarfswirtschaftlich sind für mich neben öffentlichen Unternehmen Genossenschaften, Stiftungsunternehmen und Sozialunternehmen. In Zukunft mag es aus Nachhaltigkeitsgründen auch Aktiengesellschaften geben, die bewusst einen Mix aus beiden Ansätzen verfolgen in Kooperation mit daran interessierten nachhaltigen Aktienfonds und Einzelaktionären.
Beispiele für Defizite gibt mein Artikel "Gewinnorientierung als Zeitgeistsaspekt in der Fachliteratur zur Wohnungswirtschaft"
In Deutschland hat die Betriebswirtschaftslehre mit den Arbeiten von Eugen Schmalenbach und Erich Gutenberg ein sehr starkes Fundament, das zukunftsfähig ist und an das man anknüpfen kann. Es spricht nichts dagegen, dass deutsche Hochschulen Business Schools nach dem Vorbild der Harvard Business School aufbauen und empirische Forschung mit Data Science betreiben. Aber daneben ist ein normativer Ansatz, der die Erkenntnisse früherer Forschergenerationen aus dem deutschen Sprachraum integriert und in die internationale Forschenden- und Lehrgemeinschaft einbringt, weiterhin wertvoll. Dazu gehört im Bereich allgemeine Betriebswirtschaftslehre der Ausbau des Zwei-Säulen-Ansatzes von Bedarfsdeckungsunternehmen und Gewinnmaximierungsunternehmen. Siehe dazu auch
Vorschlag zur Systematisierung des Untersuchungsgegenstandes der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (ABWL)
Quelle (1) Marcus Geschwandtner, "Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft: warum früher, warum heute?", Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, 2009. 59.2 Seite 159
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen