Ein Spatenstich
Wer am 08.04.2025 im Katalog der Staats-und Universitätsbibliothek Hamburg nach der Regenburger Verbundklassifikation QQ700 = Genossenschaftsbetriebslehre suchte, erhielt 111 Treffer. Davon erschienen in den 30 Jahren von 1961-1990 74 Bücher und in den 34 Jahren seitdem nur noch 13 Bücher.
Immerhin hat diese Klassifikation überhaupt eine Kennziffer für Genossenschaftsbetriebslehre. Für die Wirtschaftslehre öffentlicher Betriebe, für die erwerbswirtschaftliche BWL und die bedarfswirtschaftliche BWL hat sie es nicht. Bücher zur öffentlichen Betriebswirtschaftslehre werden zum Beispiel unter der speziellen Betriebswirtschaftslehren QQ in der Klassifikation 000 Allgemeines geführt. Bücher zur bedarfswirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre gibt es nicht! Autoren/innen schreiben im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre entweder zu öffentlichen Unternehmen oder zu Genossenschaften. Zu Stiftungsunternehmen, die ebenfalls zu den bedarfswirtschaftlichen Unternehmen zu rechnen sind, konnte ich ebenfalls kein einziges (!) betriebswirtschaftliches Buch finden. Zur bedarfswirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre als der übergeordneten Ebene habe nur ich nur eine Hochschulschrift und einen Artikel neben meinem eigenen Artikel und meinem eigenen Blog gefunden. Beide sind von Hans Schüler: "Probleme der Erfolgsmessung bei bedarfswirtschaftlichen Unternehmen, im besonderen bei Wohnungsunternehmen", 1959 und "Der Spielraum für eine bedarfswirtschaftliche Preispolitik : Bemerkungen über einige Vorfragen zur Theorie der Preisbildung bedarfswirtschaftlicher Unternehmen" in Archiv für öffentliche und freigemeinnützige Unternehmen : Zeitschr. für Strukturlehre d. Einzelwirtschaften u. für Einzelwirtschaftspolitik, 1967
Erkenntnisse
Daran wird deutlich, dass es in Deutschland einen Forschungsschwerpunkt im Bereich der genossenschaftlichen Betriebswirtschaftslehre gegeben hat in der Zeit von 1960 - 1990. Weiter zeigt sich, dass der übergeordnete Ansatz einer bedarfswirtschaftlichen Nutzer-Nutzen maximierenden Betriebswirtschaftslehre gegenüber der erwerbswirtschaftlichen, Eigentümer-Gewinn maximierenden Betriebswirtschaftslehre noch weitgehend unentdeckt ist. Die Klassifikation QP 120 Gesamtdarstellungen zur allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (ABWL) ergibt analog 22.062 (!) Treffer. Ich schätze es so ein, dass diese Bücher sich ganz überwiegend fast ausschließlich mit der erwerbswirtschaftlichen Säule der ABWL befassen.
Ausblick
Es wäre ein ebenfalls wichtiges Unterfangen zu schauen wie es im englischprachigen Raum aussieht. Ich vermute es wird sich dabei zeigen, dass die allgemeine Betriebswirtschaftslehre deutscher Prägung so im englischen Sprachraums nichts vergleichbares hat. Schon allein der Begriff Betriebswirtschaftslehre ist nur ungenügend mit "business administration" und auch nicht ganz klar mit "business economics" übersetzbar. Was sich wohl an Literatur zu "needs-based business economics" findet?
Vielleicht würde sich schließen lassen, dass deutschprachige Unternehmen mit ihrem direkten Zugang zur ABWL durchaus strategische Vorteile haben. Es spricht nichts dagegen sich unterschiedliche Forschungspfade nutzbar zu machen. Auch in den USA wurde zum Beispiel Kostenrechnung deutscher Präung als hilfreich für amerikanische Unternehmen entdeckt, siehe zum Beispiel "Lessons-from-German-Cost-Accounting", Paul A. Sharman, Kurt Vikas, in: Strategic Finance, December 2004, "German Cost Accounting", Paul A. Sharman, in: Strategic Finance, December 2003 und "Rewards-and-Realities-of-German-Cost-Accounting" Kip. R. Krumwiede, in: Strategic Finance, April 2005.
Deutschland täte währscheinlich gut daran im Bereich der Betriebswissenschaft die eigenen Forschungstradtionen wertzuschätzen und diese weiterzuentwickeln und selbstbewusst in den internationalen Diskurs einzubringen. Insbesondere der normative Ansatz (Schmalenbach, Gutenberg, Wöhe) sollte nach meiner Einschätzung nicht einfach durch empirsche Analyse "dessen was ist" ersetzt werden. Sönke Hundt hat hierzu sehr erhellendes und gründliches beigetragen mit "Die wissenschaftstheoretische Diskussion in der Betriebswirtschaftslehre .- ein Überblick", in "Beiträge zur Kritik der Betriebswirtschaftslehre", 1981.
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