Freitag, 13. Juli 2012

Neues von der Eurozonenkrise

1. Spanien: Der spanische Wirtschaftsminister hat einen schweren Stand, aber er macht das Beste daraus, Respekt:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/spaniens-wirtschaftsminister-luis-de-guindos-wir-nehmen-uns-an-den-deutschen-ein-beispiel-11818177.html

Unter dem Strich wird es vermutlich mittelfristig nicht reichen, aber langfristig sehe ich Spanien mit solchen Politikern auf einem guten Weg.

2. Griechenland: Wie erwartet erfüllt Griechendland die Sparvorgaben nicht.

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/europas-schuldenkrise/griechenland/schuldenkrise-griechenland-hat-offenbar-210-sparvorgaben-nicht-erfuellt-11819024.html

Schützenhilfe für das Bundesverfassungsgericht

1. Bundesbankpräsident Weidmann stellt sich im Streit um den ESM nach meiner Interpretation nicht auf die Seite der Bundesregierung :

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/verhandlung-vor-bundesverfassungsgericht-der-bundesbankpraesident-zweifelt-an-den-esm-regeln-11816452.html

2. der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof stellt sich nach meiner Interpretation auf die Seite der Kläger:

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/europas-zukunft/paul-kirchhof-zur-krise-der-eu-verfassungsnot-11817188.html

Mit den 200 Ökonomen um Sinn, mit Bundesbankpräsident Weidmann und mit dem ehemaligen Bundesverfassungrichter Kirchhof gibt es eine wichtige Personengruppe, eine wichtige Institution und eine nicht unwichtige Einzelperson, die bei einer Ablehnung des Vertrages zum ESM durch das Bundesverfassungsgericht informell die Verantwortung für die Folgen mit dem Bundesverfassungsgericht teilen würden. Ich denke, dass sind gute Voraussetzungen dafür, dass das Bundesverfassungsgericht auch bei dem riesigen faktischen Druck der Regierungen Europas, in ihrem Sinn zu entscheiden, sachlich fundiert entscheiden kann und wird.

Donnerstag, 12. Juli 2012

Alternativen zum ESM

Ergänzend zu dem Vorschlag von debt equity swaps zur Rekapitalisierung südeuropäischer Problembanken siehe hier http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/oekonomen-aufruf-die-risiken-der-rettungspolitik-11814959.html und hier http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/oekonomen-aufruf-im-wortlaut-zur-europaeischen-bankenunion-11815081.html  könnte auch Schwarmfinanzierung ein konstruktiver Beitrag sein:

Verständnis-Frage:

Wie ist das eigentlich, wenn man sich bzgl. der südeuropäischen Krisenbanken auf debt equity swaps zur Rekapitalisierung einigen könnte. Würde das nicht bedeuten, dass in Bezug auf die jeweiligen Staatsschulden letztlich auch eine Teilinsolvenz wie in Griechenland geschehen weniger problematisch ist? Bisher wird ja so argumentiert, dass eine Teilinsolvenz von Staaten Probleme bei den systemrelevanten Banken auslöst, mit der Gefahr einer unkalkulierbaren Kettenreaktion.
Wäre so nicht dieser Teufelskreis von Staats- und Bankschulden unterbrochen? Und das Ganze sogar ohne einen ESM!?!



Dienstag, 10. Juli 2012

demokratische Qualität von politischen Institutionen


Die aktuelle Entwicklung in der Eurozone zeigt, dass in Krisensituationen auch die Bundesregierung mit einer grundsätzlich demokratischen Verfasstheit, Tradition und Ausrichtung im gut gemeinten Willen die Krise zu bewältigen, Tendenzen entwickelt, die faktisch die Demokratie gefährden, zum Beispiel, indem sie andere Teilnehmer im demokratischen Prozess tendenziell schwächt: wie die faktische Einschränkung der Rechte des Bundestages durch EU-Verträge (siehe ESM), das Unter-Druck-Setzen des Bundesverfassungsgerichtes über die Medien durch einzelne Politiker oder der Versuch notwendige Debatten über die Richtigkeit ihrer Politik zu unterbinden (Darstellung als alternativlos, auf die kritische Stellungnahme von mittlerweile 200 Ökonomen zum ESM wird mit Empörung und herabsetzender Kritik reagiert). Noch größer ist die Gefahr der Schwächung demokratischer Institutionen auf der europäischen Ebene, da hier die Institutionen bis dato ein strukturelles Demokratiedefizit aufweisen (keine Verfassung, keine repräsentative Wahl, keine vom Parlament gewählte Regierung, kein Recht zur Gesetzesinitiative des Parlamentes). In der Bevölkerung ist hier viel eher eine Wahrnehmung für diese Gefahren vorhanden.

Bezüglich einer Debatte über die demokratische Qualität unserer politischen Institutionen und von sinnvollen Schlussfolgerungen und Lösungsmöglichkeiten stehen wir sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene noch ganz am Anfang.

Nach dem Buch "Why nations fail" von Acemoglu und Robinson http://www.amazon.de/Why-Nations-Fail-Origins-Prosperity/dp/0307719219/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1339484282&sr=8-1 bestimmt die Qualität der politischen Institutionen eines Landes entscheidend den langfristigen Wohlstand einer Gesellschaft. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, daß dies langfristig wichtiger ist als eine mehr oder weniger gute Wirtschaftspolitik oder kulturelle Faktoren. Qualität machen sie dabei daran fest, ob die Institutionen extraktiv sind, also eher so konstruiert sind, dass sie einer Minderheit dazu dienen eine Mehrheit materiell auszunutzen oder „inkludierend“ also so konstruiert sind, dass mehr oder weniger alle in der Gesellschaft am Wohlstand teilhaben, zumindest hinsichtlich einer gewissen Chancengleichheit (historisch z.B. Nordamerika versus Südamerika). Auch hier stehen wir erst am Anfang der Wahrnehmung dieser Zusammenhänge und einer Debatte über die sinnvollen Schlußfolgerungen. Inbesondere stellen sich die Fragen, 1. ob die Autoren recht haben, 2. wie diese Erkenntnisse grundsätzlich zu einer Stärkung der demokratischen Qualität von politischen Institutionen genutzt werden können, 3.ob und wie sich diese Erkenntnisse auch auf die supranationale Ebene übertragen lassen, insbesondere die Europäische Union und wie sie dort angewandt werden können und 4. ob nicht auch in den historisch eher inkludierenden westlichen Industrienationen sich mehr und mehr Tendenzen breitmachen, die eher extraktiven Charakter haben und wie sinnvoll damit umgegangen werden kann.

Mein bisheriger Stand ist der, dass man versuchen sollte, die demokratische Qualität von politischen Institutionen zu messen, indem man geeignete Meßkriterien festlegt und unabhängige Organisationen findet, die dies übernehmen können (evtl. ähnlich wie Transparency International oder abgeordnetenwatch.de ein institutionenwatch.de/eu.) Die Ergebnisse sollte man bei einer zukünftigen institutionellen Umgestaltung Europa berücksichtigen.

Außerdem sollte man alle demokratischen Prozesse unterstützen, bei denen die Bevölkerung sich politisch einbringt und so selbst quasi ständig auf die politischen Institutionen Druck ausübt, dass diese inkludierend werden oder bleiben. Ich glaube, dass eine Debattenkultur durch das Internet mit Foren, Blogs, Kommentierungsmöglichkeiten genau in die richtige Richtung geht, ebenso wie Volksentscheide.

Sonntag, 8. Juli 2012

Soll Europa langfristig ein Bundesstaat oder ein Staatenbund sein?



"Bei Staatenbünden liegt die staatliche Souveränität immer noch bei den einzelnen Staaten. Bei der Gründung eines föderalen Gesamtstaates hingegen geben die nachmaligen Gliedstaaten – wie etwa in Deutschland und Österreich die Länder/Bundesländer, in der Schweiz die Kantone oder in den USA die Bundesstaaten (states) – ihre Souveränität teilweise an den Bund ab"
 
Bei einem föderalen Europa würde also staatliche Souveränität an eine europäisch Exekutive, Legislative und Judikative abgegeben.

weiter bei Wikipedia:
"Dies äußert sich insbesondere dadurch, dass im Bundesstaat der Bund die sogenannte Kompetenz-Kompetenz (oder auch Kompetenzhoheit) besitzt. Diese ermöglicht es ihm, die Kompetenzen zur Wahrnehmung neuer Staatsaufgaben aus seiner eigenen Machtfülle heraus an sich zu binden. Die Gliedstaaten können die Erfüllung von Staatsaufgaben nur in dem Maße selbst leisten, wie ihnen die dafür nötigen Kompetenzen vom Bund zugestanden werden. In Staatenbünden hingegen entscheiden die einzelnen Staaten, ob sie dem Bund Kompetenzen überlassen wollen."

Aha, letztlich muss klar sein, wer das Sagen hat.

In einer Demokratie mit einer Verfassung sollte die Souveränität vom Volk ausgehen.

These 1: Solange sich in Europa die überwiegende Mehrzahl der Menschen in ihrer Identität noch mehr als Teil eines Staatsvolkes als als Teil des europäischen Volkes begreifen, solange geht von den einzelnen Völkern die Souveränität aus und solange sollte die Kompetenz-Kompetenz auf nationalstaatlicher Ebene verbleiben.

These2: Langfristig ist die Vision eines zentral verfassten Europas, legitimiert durch ein europäisches Staatsvolk, dennoch sinnvoll.

These 3: Auch wenn die Kompetenz-Kompetenz auf nationaler Ebene verbleibt, ist es sinnvoll und möglich eine demokratisch verfasste europäische Föderation zu schaffen, bei der eine europäische Exekutive, Legislative und Judikative in einigen Politikbereichen die wichtigste Ebene darstellt.

These 4: Um dort hinzugelangen, sollten wir einen europaweiten Diskurs führen und die bestehende Europäische Union auf dem jetzigen Stand fortführen, aber nicht versuchen kurzfristig weiter Souveränität nach Brüssel abzugeben. Sollte der Euro nicht mehr zu halten sein und die Euro-Zone (17 Staaten) zerbrechen, sollten wir auf der Ebene der Europäischen Union (27 Staaten) auf der derzeitigen Vertragsbasis weiter zusammenarbeiten.

weitere Fragen:

Ist die Tatsache, dass in Europa viele Sprachen gesprochen werden, die für die Menschen identitätsstiftend sind, ein Hinderungsgrund, um langfristig zu einem europäischen Staatsvolk als souveräner verfassungsgebender Ausgangspunkt für eine europäische Föderation mit Bundesstaatscharakter zu gelangen?

Es erschwert sicher die Sache, ist aber kein absoluter Hinderungsgrund. Die Schweiz zeigt, dass eine nationale Identität auch bei mehreren Sprachen möglich ist. In der Schweiz gibt es aber einen Gründungsmythos, der identitätsstiftend ist und eine gemeinsame Geschichte. Und es gab wohl einen sehr großen Druck sich gegen übermächtige Gegner zusammenzuschließen. Ich denke mit den Erfahrungen aus dem 2. Weltkrieg und der historischen Entwicklung der Europäischen Union, mit den „Gründervätern“ De Gaulle und Adenauer haben auch wir eine identitätsstiftende Geschichte als Europäer, eingebettet in den weiten historischen Kontext der europäischen Geschichte mit der griechisch/römischen Zivilisation und dem christlich-jüdischen Erbe. Ich denke aber, dass zu unserer Geschichte kurz-und mittelfristig eher eine europäischen Föderation passt, bei der die Kompetenz-Kompetenz noch auf nationalstaatlicher Ebene liegt, als dazu bereits jetzt einen föderalen Bundesstaat nach amerikanischem Vorbild zu gestalten. Ich glaube ein guter Umgang mit der aktuellen Finanz-und Eurozonenkrise kann aber dazu beitragen in diesem Sinne weiter zusammenzuwachsen. Das hiese für mich aber eher Euroaustritte und Staatsinsolvenzen zuzulassen und dabei die Erfahrung zu machen, dass uns das in Europa eben nicht auseinanderreisst!

Würde in einem europäischen Bundesstaat sich letztlich eine gemeinsame Amts- und Geschäftssprache durchsetzen, was bei globaler Perspektive wohl Englisch wäre?

Ich vermute ja und für mich persönlich wäre es in Ordnung, da ich zwei Jahre in England gelebt habe. Ich vermute aber, dass es bei der Mehrheit der Europäer dazu eher Vorbehalte gibt. Vielleicht entschärft sich aber bis dahin dieses Problem durch technische Hilfsmittel wie spracherkennungsbasierte simultane Übersetzungsprogramme auf Smartphones oder ähnlichem.

2 Aspekte zum ESM, 1 Aspekt zum Euro

1. zum Thema, dass Bundespräsident Gauck das Gesetz zum ESM auf Bitten des Bundesverfassungsgericht nicht unterschrieb und Eilanträge deshalb behandelt werden können, schreibt die FAZ heute, dass beim EFSF Herr Gauweiler ebenfalls einen Eilantrag stellte, aber Bundespräsident Köhler dem durch eine Unterschrift zuvorgekommen ist. Ich bin sehr froh, dass Herr Gauck aktuell dieses Amt bekleidet. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/bundesverfassungsgericht-europa-haengt-an-einer-unterschrift-11813446.html

2. Den 172 Ökonomen wurde vorgeworfen, keine Lösungsvorschläge zu machen. Prof. Sinn bereits am 29.06.2012 sehr knapp und einfach in Bezug auf die südeuropäsichen Bankschulden von ca. 2 Billionen Euro ab 32min50sec: http://www.youtube.com/watch?v=Ui0NOk_lSbU&feature=tn debt equity swaps: also die jeweiligen Gläubiger der jeweiligen Banken müssen ihre Forderungen in Eigenkapital der Banken umwandeln lassen. Finde ich sehr gut.

3. Bernard Lietaer argumentiert, dass ein Finanzsystem durch eine Vielfalt von Währungen mit paralleler Gültigkeit an Stabilität gewinnt. Auch wenn ich mir bei vielen seiner Aussagen nicht sicher bin, ob er recht hat, leuchtet mir obige Grundaussage ein. Sie ist genau das Gegenteil des Euro. http://www.youtube.com/watch?v=5Zoud9tFEmwhttp://www.youtube.com/watch?v=T9EI2PrDpmw

Freitag, 6. Juli 2012

Gastbeitrag von Alan Winkleman als Antwort auf Singulus

Eine sehr gute Analyse, Singulus !

Alles was man entscheidet birgt Risiken und keine® weiß wo das endet. Im
Schachspiel nennt man so eine Position 'Zugzwang'. Man möchte eigentlich
alles so stehen lassen, aber das geht eben nicht.

Wir erleben Geschichte ....... und die bleibt eben nie still. Ganz kleine
Spannungen fürhren langsam und unaufhörlich zu Situationen, wo die
aufgestaute Spannungen sich in einem Beben entladen.

Überall wo man hinschaut, steigern sich die Spannungen - eine Experte
sagte vor 3 Tagen, daß er vermutet, Chinas Wachstum läge eher bei 0% als
die offizielle Statistiken (7 bis 8%). Vor ein paar Monaten hat Chinas
Regierung verfügt, daß Beamte keine ausländische Autos mehr kaufen
dürfen - ein Desaster für BMW usw.

Japan - laut deren Finanzminister ist in 10 Wochen zahlungsunfähig, wenn
die Anleihe-Gesetze nicht geändert werden.

http://derstandard.at/1341526711298/Blockade-Japan-drohen-Zahlungsschwierigkeiten

Die Probleme Europas und der USA sind bekannt.

Die globalisierte Weltwirtschaft sitzt in *einem *überschuldeten Boot,
das leck geworden ist. Man versucht überall die Löcher zu stopfen
........
Bloß kein Panik !

Alan Winkleman
Hannover

Gastbeitrag von Singulus zur Eurozonenkrise

Ohne Abwertungsmöglichkeit und Strukturreformen werden Länder wie Griechenland nicht auf eigene Beine kommen bzw. die Arbeitslosigkeit wird sich weiter steigern (in Spanien Jugendarbeitslosigkeit jetzt 54%!).

Während die Politiker das Gesicht wahren wollen und aus politischen Gründen ("Frieden für Europa") am Euro festhalten wollen, wird die öffentliche Meinung in den Krisenländern früher oder später erkennen, daß die Probleme nicht an Deutschland liegen (wie man zu ca. 70% heute annimmt), sondern an der Euro-bedingten fehlenden eigenen Wettbewerbsfähigkeit. Da notwendige Lohnsenkungen von ca. 20-30% politisch nicht durchsetzbar sind, wird sich das Arbeitslosenproblem so lange verschärfen, bis die
Arbeitnehmer erkennen werden, daß die simple Frage lautet: Will man den Euro oder will man wieder einen Arbeitsplatz? Damit dürfte sich das Schicksal des Euros von dieser Seite her entscheiden, so daß es voraussichtlich in zwei bis drei Jahren den Euro in seiner heutigen Form nicht mehr geben wird.
Die volkswirtschaftlich wohl beste Lösung wäre ein deutscher Euro-Austritt (Artikel am 02. Juli in der britischen "Financial Times": "A Euro crisis solution – a German exit"), dies wird aber aus politischen Gründen nicht stattfinden. Es ist also eher wahrscheinlich, daß die Mittelmeerländer nach und nach in den nächsten zwei bis drei Jahren austreten werden. Bis dahin können sich allerdings erhebliche weitere Verschuldungsberge auftürmen.
Bis zu einer marktwirtschaftlischen Lösung gibt es im Grunde nur zwei Wege, den praktisch schon seit Dezember nicht mehr selbständig lebenden Euro zu erhalten: Die Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen in den Mittelmeerländern kann einerseits durch – im wesentlichen – Gelder aus Deutschland, andererseits durch neu gedrucktes Geld geschlossen werden. Zunehmend wird die zweite Alternative (EZB-Gelddrucken) notwendig werden, da, die Club Med-Probleme Deutschlands Finanzkraft
weit übersteigen. Dies hieße am Schluß dann auch deutlich mehr Inflation ....

Mittwoch, 4. Juli 2012

Bundestag und ESM


Mit dem Einknicken der Bundeskanzlerin beim EU-Gipfel letzten Donnerstag und der Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates zum ESM und zum Fiskalpakt haben die wichtigsten bundesdeutschen politischen Institutionen der Exekutive (Bundessregierung) und der Legislative (Bundestag, Bundesrat) versagt insofern, dass sie die Interessen des Souveräns sehr schlecht vertreten haben. 

In der historischen Perspektive ist Deutschland nicht das Land, das sich durch eine hohe Qualität von demokratischen Institutionen auszeichnet. England, die Schweiz aber auch Frankreich und die Niederlande haben da eine weitaus längere und bessere Tradition. 

Wenn die These von Acemolgu und Robinson in ihrem Buch „Why nations fail“ stimmt, dass für den langfristigen Wohlstand einer Gesellschaft weniger deren Wirtschaftspolitik oder kulturelle Faktoren sondern die demokratische Qualität ihrer politischen Institutionen zählt, dann ist es eigentlich nur konsequent, dass Deutschland mit diesen aktuellen Entscheidungen einen erheblichen Anteil seines Wohlstandes an die europäischen Nachbarn und/oder an weltweit agierende Finanzinteressen abgibt und in seinem Wohlstandsniveau zurückfallen wird.

Es bleibt abzuwarten, ob die Judikative (das Bundesverfassungsgericht) so stark ist, dass sie das Versagen der anderen Institutionen ausgleichen kann. Wie auch immer, letztlich ist es Aufgabe des Souveräns, also von uns allen, an der Qualität seiner Institutionen zu arbeiten und sich so einzubringen, dass sie in Zukunft besser werden. Für noch nicht etablierte Parteien in Deutschland, die es diesbezüglich besser machen wollen, könnte es derzeit keine besseren Voraussetzungen geben.

Sonntag, 1. Juli 2012

Tipp einer Neuenjährigen


Gestern abend versuchte ich meiner Tochter in einem Satz die aktuelle Eurozonenkrise zu erklären: Das Problem sei, dass unsere Steuergelder in die schwächeren Euroländer flössen und deshalb dort weniger Anreize entstünden, selbst effizienter zu wirtschaften. Die Antwort meiner Tochter erstaunte mich: Immer würde über Geld geredet und gestritten. Es wäre doch klar, dass wir in Europa einander helfen wollen. Wir sollten einfach den schwächeren Ländern dabei helfen, dass sie diese Dinge hinbekommen aber eben ohne Geld. Das erinnert mich an die Hinweise von Nils Minkmar in seinem FAZ-Artikel, http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-methode-merkel-ich-bin-doch-hier-was-wollt-ihr-mehr-11804172.html : Außenminister Genscher hätte in dieser Situation seinen 2. Wohnsitz in Athen genommen und sich erst einmal mit dem griechischen Außenminister angefreundet und der amerikanische Stil von public diplomacy wäre es gewesen, Bill Clinton oder Bush Senior mit Kraftwerken oder Krankenhäusern im Gepäck hinzuschicken. 

Millionen als Mutmacher unter Freunden statt Milliarden.

"Währung" das falsche Wort für den Euro ?


Erstaunlich wie viel Wahrheit in der tieferen Bedeutung eines Wortes liegen kann:

Das Wort „Währung“ stammt vom mittelhochdeutschen „Werunge“ ab. „Werunge“ ist mit dem Wortstamm „Wert“ und „Wahr“ verwandt. Das Englisch/Amerikanische „currency“ stammt vom mittleralter-lateinischen „currentia“ ab, was widerum vom lateinischen „currens“ abstammt. „currens“ bedeutet „rennend“. Im lateinischen und englisch/amerikanischen Kulturraum stand und steht also die Funktion des Geldes umzulaufen im Vordergrund, also den Warenverkehr zu erleichtern. Im deutschen Kulturraum war die Funktion des Geldes als Wertaufbewahrungsmittel wortbildend. Beide Funktionen sind wichtige Geldfunktionen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es in der jeweiligen Gewichtung tatsächlich unterschiedliche Vorlieben gibt, die sich nicht nur in der Wortwahl, sondern auch in der Wertentwicklung einer Währung auswirken. Außerdem könnte man auch umgekehrt argumentieren, dass die mehr oder weniger unbewußt wahrgenommene Wortbedeutung die kulturellen Präferenzen einer Gesellschaft beeinflussen, ob sie eher eine stabile Währung entwickelt oder eher die Funktion eines flüssigen Warenaustausches im Vordergrund steht und der Werterhalt der genutzten Währung zweitrangig ist.
Im heutigen europäischen Zusammenhang schätze ich, dass die „lateinische“ Sichtweise dominierend ist und sich relativ schnell durchsetzen wird, auch und gerade in bezug auf den Euro. Dies konnte nicht deutlicher werden, als mit dem Ergebnis des EU-Gipfels vom Donnerstag. Die Idee Geld auf dem Sparbuch liegen zu lassen, wird wohl bald verschwinden. Deutschland ist seit einigen Jahren bereits in diesem Lernprozess wie der Anstieg der Immobilienpreise zeigt. Ich vermute, wenn wir Deutsche Europa wollen, sollten wir uns dieser Entwicklung öffnen. Vielleicht sollten wir nicht mehr von Währung sprechen, das wäre zu frustrierend, sondern, von „Lauferli“ ;-)? Wer hat eine gute Idee?