Dienstag, 23. Februar 2021

Verbesserungsvorschlag an den Stiftungsrat der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit schlage ich ein Projekt vor,  das untersucht, ob es sinnvoll ist, die Jahresgebühr für Erwachsene von derzeit 45 € auf 20 € zu senken. 

Begründung:

als Diplom-Betriebswirt (FH) befasse ich mich mit Preistheorie und Preispolitik von bedarfswirtschaftlichen Unternehmen. Dazu gehören zum Beispiel Wohnungsgenossenschaften, öffentliche Unternehmen und Stiftungsunternehmen. Mir ist aufgefallen, dass die Preispolitik der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen in einem zentralen Punkt  wahrscheinlich deutlich verbessert werden kann, nämlich bei der Jahresgebühr von 45,- € für Erwachsene,  die älter als 26 Jahre sind. Damit erzielen Sie wahrscheinlich eine suboptimale Wirkung, die nicht Ihren Zielen entspricht:

Sie bieten ein öffentliches Gut an, das möglichst von all denen genutzt werden soll, die eine Nachfrage danach haben. Wirtschaftswissenschaftlich kommt hier die sogenannte Ausgleichsfunktion des Preises ins Spiel, also die möglichst optimale Zusammenführung von Angebot und Nachfrage (siehe unten). 

Ein Beispiel für ein vergleichbares Unternehmen, das hier besser aufgestellt ist, ist die Münchner Stadtbibliothek mit 20,- € Jahresgebühr. Die New York Public Library verlangt 0$. Ich bewerte hier nicht welche dieser beiden Optionen für die Hamburger Bücherhallen langfristig besser wäre. Hier kommt die Erziehungsfunktion und die Selektionsfunktion ins Spiel (siehe Tabelle).

Preise haben ökonomisch sechs Funktionen, die mal mehr mal weniger wichtig sind. Ich liste diese hier auf ergänzt um Hinweise, inwieweit dies im Kontext einer öffentlichen Bibliothek relevant ist:

Es soll hier angenommen werden, dass Menschen mit einem hohen Ausleihebedarf (>= 10 Bücher pro Jahr) in diesem Alterssegment die 45,.- € bereitwillig bezahlen (bei Lastschrift 40,-). Bei Menschen, die nur wenige Bücher im Jahr ausleihen würden, zum Beispiel, weil sie selbst viele haben und/oder kaufen und deshalb einen niedrigeren Bedarf nach Ausleihe haben oder weil sie wenig Interesse an Büchern haben, soll angenommen werden, dass der Preis dazu führt, dass mit einem Anteil von 10-50% diese keine Jahersmitgliedschaft abschließen, obwohl sie eigentlich daran Interesse haben, das heißt eine Nachfrage besteht. Ein weiterer Grund dafür, dass Menschen mit einer Nachfrage nach Ausleihungen dies nicht bei Kosten von 45 € tun ist, dass Fachbücher auch in anderen Hamburger Bibliotheken günstiger ausleihbar sind: In der Universitätsbibliothek Hamburg kostet die Mitgliedschaft 20,- € pro Jahr, in der Wirtschaftsbibliothek ZBW des Leibnitz-Instituts an der Binnenalster (ehemals HWWA) ist sie kostenlos. Dadurch wird der Kreis der Bücher, die sie in der öffentlichen Bücherhalle ausleihen würden, noch kleiner und das Kosten-/Nutzenverhältnis schlechter. Zur Not lesen sie Bücher einfach vor Ort, um die Jahresgebühr zu vermeiden, auch wenn sie sie eigentlich gerne ausleihen würden. Es wird also angenommen, dass zumindest ein Teil der Erwachsenen in Hamburg mit einer Nachfrage nach Buchleihen auf eine Preisänderung reagiert. Ökonomisch ausgedrückt heist das, dass die Preiselastizität der Nachfrage nicht null ist, also dass die Nachfage nicht vollkommen unelastisch ist.

Nach meinem jetzigen Kenntnisstand führt der status quo zum einen dazu, dass ein Teil der Nachfrage von Hamburgerinnen ungedeckt bleibt und zum anderen, dass dadurch die Bücherhallen weniger relevant sind, als sie sein könnten und die Gefahr besteht, dass dies eher zunimmt als abnimmt.

Preis-Funktion Erklärung relevant für Bücherhallen
Signalfunktion macht deutlich, ob ein Produkt knapp ist nein, die Bereitstellung kostet Geld, weniger die Tatsache, ob Wenig-Ausleiher daran teilnehmen
Lenkungsfunktion die Produktionsfaktoren sollen nach ihren Kosten effizient genutzt werden nein, das Angebot wird als Ganzes bereit gehalten unabhängig von Jahrsgebühren
Ausgleichsfunktion Angebot und Nachfrage sollen möglichst weitgehend zusammengeführt werden ja, da das Angebot für alle als Ganzes bereit gestellt wird, sollte möglichst die ganze Nachfrage abgedeckt werden, soweit dadurch keine Verluste entstehen (Grenzkosten)
Erziehungsfunktion um Verschwendung zu vermeiden evtl., man könnte auch Achtungsfunktion sagen, ein Preis >0, zB 20€, macht deutlich, dass Kosten entstehen und dass ein guter Umgang als Nutzer angezeigt ist
Selektionsfunktion in der Konkurrenz mit anderen sollte man nicht zu teuer sein, sonst scheidet man aus dem Makrt aus ja, wenn andere Bibliotheken oder das Internet kostenlos sind, sollte man schauen, dass man nicht zu teuer ist, auch nicht für einzelne Nutzergruppen, sonst wird man weniger relevant
Zuteilungsfunktion Steuerung der Konsumfunktion der Haushalte ja, auch hier will man gerne, dass alle Haushalte, die Interesse habe, Ausleihungen nutzen

Wie groß die Fehllenkung ist, könnte man untersuchen, indem man ermittelt, ob es Unterschiede gibt in der Nutzerstuktur zu anderen öffentlichen Bibliotheken mit niedrigerem Preis und im Vergleich wie viel % der Einnahmen jeweils aus der Jahresgebühr Erwachsene stammen. Hat man hier Zahlen, sind diese mit Umsicht einzuordnen. Meine Vermutung ist, dass 20€ Jahresgebühr dazu führen würde, dass bis auf Ausnahmen alle Nachfrager das Angebot annehmen würden, man also eine signifikant höhere Ausgleichsfunktion über den Preis erhält als derzeit.

Als Stiftungsrat schauen Sie auf die Stiftungsziele. Ein Vorstand hat den Druck, das umgesetzt zu bekommen und da sind 45 € statt 20,- € Jahresgebühr erst einmal verlockend. Wenn das zu einer suboptimalen Bedienung der Nachfrage führt, braucht er Ihre Unterstützung, dass Alternativen entwickelt werden, damit er kostendeckend arbeiten kann. Zum einen kann das eine höhere öffentliche Zuwendung sein, zum anderen private Spenden. Beim ersten Faktor ist es sinnvoll, den Wohlfahrtsverlust abzuschätzen, der durch die jetzige mehr als doppelt so hohe Preisgestaltung wie bei einem vergleichbaren Unternehmen entsteht, als auch die Risiken zu untersuchen und ausgewogen zu bewerten, die sich dadurch langfristig ergeben. Dadurch bekommt man valide Argumente an die Hand, die eine höhere öffentliche Förderung rechtfertigen. Ich vermute, beim zweiten Faktor können wir alle von der amerikanischen Gesellschaft etwas lernen, sowohl als private Mäzene, als auch in der Kommunikation als Stiftung Spenden zu akquirieren. Anbei zur Inspiration ein link zur New York Public Library "Make a Memberhsip Gift".

 https://secure.nypl.org/site/Donation2?7823.donation=form1&df_id=7823&mfc_pref=T&s_src=FRQXXZZ_QAGO 

Anmerkung: Eine Preissenkung von 45 € auf 20 € wird wahrscheinlich nicht zu einem proportionalen Einnahmeverlust führen, sondern zu einem niedrigeren, da dadurch wahrscheinlich mehr Menschen einen Jahresbeitrag zahlen. Aber da insgesamt die Preiselastizität nicht allzu hoch sein wird, wird der Umsatz aus diesem Bereich wahrscheinlich zurückgehen. Es wird also unter sonst gleichen Bedingungen (keine Kostensenkungen oder Einnahmensteigerungen aus anderen Bereichen) notwendig, über die Faktoren 1 und/oder 2 weitere Einnahmen zu generieren.

 

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