jetzt wird es spannend .... ich zitiere einfach mal :) Mashall S. 86, Chapter II wants in relation to activities:
"§1 Human wants and desires are countless in number and very various in kind: but they are generally limited and capable of being satisfied. The uncivilized man indeed has not many more than the brute animal; but every step in his progress upwards increases the variety of his needs together with the variety in his methods of satisfying them. He desires not mere larger quantities of the things he has been accustomed to consume, but better qualitities of those things, and the things that will satisfy new wants growing up in him."
Ich hatte gestern schon geschrieben, dass ich die Idee von Besanko/Braeutigam mit ihrem Beispiel holprig fand zu glauben, es gäbe Leute, die Kleidung durch Lebensmittel ersetzen würden oder umgekehrt. Letztlich ist das absurd. Vielleicht sagt es mehr über die Autoren aus als ihnen klar ist. Die Wirtschaftswissenschaft kommt aus eine Zeit als Mangel bei grundlegenden Dingen wie Kleidung und Nahrungsmittel entweder noch real war oder zumindest im kollektiven Bewusstsein noch präsent war. Heute haben in der westlichen Welt mehr Menschen ein Problem damit, dass sie zu viel essen und dass sie Kleidung aussortieren müssen als damit, neue kaufen zu müssen. Dass Fettleibigkeit in vielen Ländern der Welt sehr verbreitet ist, zeigt ein Artikel bei Spiegel online.
Offenkundig steht Marshall mit obiger Aussage im Gegensatz zu dem in Hexametern geschriebenen idyllischen Epos "Hermann und Dorothea" von Goethe "Vieles wünscht sich der Mensch, doch bedarf er nur wenig;". Der ganze Abschnitt bei Goethe (siehe unten) ist ein Plädoyer für die Beständigkeit im Gegensatz zum Fortschritt. Marshalls Einseitigkeit wird deutlich, wenn man sich einen meditierenden Buddha oder einen wandernden Jesus vorstellt und sieht, dass Mashall sie als "uncivilized" und "not many more than brute animals" bezeichnen müsste, um sich nicht zu widerprechen. Einfache Mahlzeiten sind oft die besten, noch dazu, wenn wir sie mit Menschen teilen, deren Anwesenheit uns freut.
Marshall unterscheidet also nicht zwischen Bedürnissen und Wünschen, sondern, glaubt sie seien letztlich unzählbar viel, und es würden durch die Zivilisation immer neue dazukommen also insgesamt immer mehr werden.
Karl-Heinz Brodbeck setzt sich zwar mit Marshall auseinander in seinem Werk "Die Herrschaft des Geldes",2. Auflage, 2012, in dem Kapitel "Die Ordnung der Bedürfnisse", S. 852f. und rezipiert weitere interessante Aspekte, wie sie verschiedene Wirtschaftswissenschaftler analysiert haben, aber die Beobachtung Goethes, dass es einen kategorialen Unterschied zwischen Bedürnissen und Wünschen gibt und dass dies wichtig ist in einer Welt mit begrenzten Ressourcen, weil es von dem einen nur wenige, von dem anderen aber zahllose gibt, entgeht auch ihm.
Meine These bleibt also bestehen, dass die Wirtschaftswissenschaft
zwischen Bedürfnis und in Geld ausdrückbaren Wunscherfüllungen
unterscheiden muss in Anlehnung an Goethe. Es geht also nicht darum, das eine über das andere zu stellen weder in die eine noch in die andere Richtung. Beides gelten zu lassen und beidem den richtigen Platz zuzuweisen, sowohl im eigenen Leben als auch in Gesellschaften als auch insgsamt auf diesem Planeten ist die Aufgabe, vor der wir stehen. Diese werden wir wohl nur lösen, wenn uns die Zusammenhänge bewusst sind und auch die Wirtschaftswissenschaft sie in ihren Aussagen berücksichtigt.
ganzes Zitat bei Goethe: fett einige "bedarfswirtschaftliche" Passagen
Aber der treffliche Pfarrer versetzte, würdig gesinnt, drauf:
Widersprechen will ich Euch nicht. Ich weiß es, der Mensch soll
Immer streben zum Bessern; und, wie wir sehen, er strebt auch
Immer dem Höheren nach, zum wenigsten sucht er das Neue.
Aber geht nicht zu weit! Denn neben diesen Gefühlen
Gab die Natur uns auch die Lust, zu verharren im Alten
Und sich dessen zu freun, was jeder lange gewohnt ist.
Aller Zustand ist gut, der natürlich ist und vernünftig.
Vieles wünscht sich der Mensch, und doch bedarf er nur wenig;
Denn die Tage sind kurz, und beschränkt der Sterblichen Schicksal.
Niemals tadl' ich den Mann, der immer, thätig und rastlos
Umgetrieben, das Meer und alle Straßen der Erde
Kühn und emsig befährt und sich des Gewinnes erfreuet,
Welcher sich reichlich um ihn und um die Seinen herum häuft,
Aber jener ist auch mir werth, der ruhige Bürger,
Der sein väterlich Erbe mit stillen Schritten umgehet
Und die Erde besorgt, so wie es die Stunden gebieten.
Nicht verändert sich ihm in jedem Jahre der Boden,
Nicht streckt eilig der Baum, der neugepflanzte, die Arme
Gegen den Himmel aus, mit reichlichen Blüthen gezieret.
Nein, der Mann bedarf der Geduld; er bedarf auch des reinen,
Immer gleichen, ruhigen Sinns und des graden Verstandes.
Denn nur wenige Samen vertraut er der nährenden Erde,
Wenige Thiere nur versteht er, mehrend, zu ziehen,
Denn das Nützliche bleibt allein sein ganzer Gedanke.
Glücklich, wem die Natur ein so gestimmtes Gemüth gab!
Er ernähret uns alle. Und Heil dem Bürger des kleinen
Städtchens, welcher ländlich Gewerb mit Bürgergewerb paart!
Auf ihm liegt nicht der Druck, der ängstlich den Landmann beschränket;
Ihn verwirrt nicht die Sorge der viel begehrenden Städter,
Die dem Reicheren stets und dem Höheren, wenig vermögend,
Nachzustreben gewohnt sind, besonders die Weiber und Mädchen.
Segnet immer darum des Sohnes ruhig Bemühen
Und die Gattin, die einst er, die gleichgesinnte, sich wählet.
Quelle hier und auf Englisch S.36/37 als pdf hier
und dazu im Gegensatz ein Gedicht von Wilhelm Busch über die Zahllosigkeit der Wünsche mit Dank an Inge Henschel für den Tipp:
Niemals
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