Mittwoch, 17. Februar 2021

Kostenmiete oder Wohnwertmiete in Wohnungsgenossenschaften, was sagt die genossenschaftliche Betriebswirtschaftslehre?

zu meinem Artikel bitte den link nutzen, da das Format mit einigen Fussnoten so leichter zu nutzen ist

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Autor: Frank Giebel, Hamburg, veröffentlicht am  17.02.2021, 

Diplom-Betriebswirt (FH),  B.A.Hons. European Business Administration

Geschäftsführer der Woge Wohnungsgenossenschaftliche Initiative UG (haftungsbeschränkt)

Montag, 11. Januar 2021

Folgerungen aus dem Satz von Turing

Als Nicht-Mathematiker über Mathematik zu schreiben, ist vielleicht vermessen. Dennoch mache ich es hier, weil ich den Eindruck habe, dass ein Gedanke, der mir beim Sehen eines Video mit Bezug zum Satz von Turing kam, neu ist. 

Das Video ist Teil einer Videosammlung von Prof. Weitz von der HAW Hamburg zur theoretischen Informatik, einem Teilgebiet der Mathematik. Ich hatte einige der Videos gesehen mit Bezug zur Metamathematik, konkreter dem Hilbertprogramm, also dem Versuch des Mathematikers David Hilbert, Aussagen über die Mathematik mittels mathematischer Methoden zu machen. Gescheitert ist dieses Programm laut Weitz durch den ersten Unvollständigkeitssatz von Gödel. In die gleiche Richtung weist auch der Beweis von Turing zum sogenannten Halteproblem. Zitat Wikipedia: 

"Turingmaschinen sind bis zum heutigen Tag einer der Schwerpunkte der Theoretischen Informatik, nämlich der Berechenbarkeitstheorie. Mit Hilfe der Turingmaschine gelang Turing der Beweis, dass es keine Lösung für das „Entscheidungsproblem“ gibt. Er zeigte, dass die Mathematik in gewissem Sinne unvollständig ist, weil es allgemein keine Möglichkeit gibt, festzustellen, ob eine beliebige, syntaktisch korrekt gebildete mathematische Aussage beweisbar oder widerlegbar ist. Dazu bewies er, dass das Halteproblem für Turingmaschinen nicht lösbar ist, d. h., dass es nicht möglich ist, algorithmisch zu entscheiden, ob eine Turingmaschine, angesetzt auf eine Eingabe (initiale Bandbelegung), jemals zum Stillstand kommen wird, das heißt die Berechnung terminiert. "

Bei Min 13:47 schreibt Weitz " Satz von Turing 1936. Man kann keine Turingmaschine konstruieren, die für jede Turingmaschine und jede Eingabe entscheiden kann, ob die Maschine mit dieser Eingabe terminiert". Terminiert meint, dass das Programm, für das die Maschine fest programmiert wurde, zu einem Ende findet statt endlos weiterzulaufen. Bei Minute 19:37 folgert er: "Es kann kein Programm geben, das für jedes beliebige Programm und jede Eingabe korrekt entscheiden kann, ob das Programm mit dieser Eingabe terminiert."

Weitz spricht von "dem zweiten Wirkungstreffer, nach den Gödelschen Unvollständigkeitsätzen, den das Hilbertprogramm einstecken musste". Im gleichen Video sagt er bei 14:00 die "wesentliche Beweisidee, die Turing dafür brauchte, war neben der Gödelisierung Cantors Diagonalisierung.

Ich behaupte jetzt, dass daran deutlich wird, dass Mathematiker bis dahin und vielleicht auch noch heute nicht vollständig klar war oder ist, dass Beweise bei ihrer Generierung sich nicht vollständig formalisieren lassen. Ihr Ergebnis lässt sich zwar formalisieren, nicht aber der kreative Teil, die Beweisidee(n), die ihm zugrunde liegt/liegen bzw. die verwendet wurde(n), um die Formalisierung des Beweises zu erreichen. Es geht mir nicht darum Mathematiker zu kritisieren, sondern darum, zu inspirieren, den nächsten Schritt zu gehen. Oder vielleicht erst einmal darum, zu sehen, dass man hier genauer begreifen müsste, was einen Beweis ausmacht. Ein Beweis ist eben nicht nur Logik, sondern auch Annehmen was ist, anschauen was ist, Möglichkeiten und mögliche Zusammenhänge entdecken, ausprobieren, gestalten. Eigentlich weiss das jeder, aber wir laufen dennoch Gefahr es zu vergessen und begreifen vielleich noch nicht die Konsequenzen.

Wenn ich recht hätte, gäbe es keinen abgeschlossen, zeitlosen, statischen Ideenraum, sondern dann wären Mathematiker mit ihrer Kreativität auch im Bereich der abstrakten metyphysischen Ideenwelt ein lebendiger Teil dieser. Dies wäre analog zur Erkenntnis der Physik, dass der Beobachter das Ergebnis beeinflusst wie zum Beispiel beim Doppelspaltexperiment der Quantenphysik oder wie in der Sozialwissenschaft mit deren doppelten Selbstreferenz.

Weitz sagt an einer Stelle, dass Mathematiker auch heute in ihrer Forschungspraxis davon ausgehen, dass ihre Arbeit Sinn macht, obwohl es die Unvollständigkeitssätze gibt und Weitz spricht oben zum Beispiel ebenfalls von der "wesentlichen Beweisidee". Aber soweit Mathematiker es noch als ein "einstecken müssen" empfinden, dass der Satz von Turing stimmt, zeigt das, dass für sie die theoretische Vorstellung attraktiv war, einen Algorithmus bzw ein Programm zu konstruieren, das alle anderen denkbaren Programme beurteilen kann bzw. enthält. Intuitiv leuchtet es ein, warum das nicht geht. Wenn es einen kreativen Anteil an einem Beweis gibt und es gäbe einen Beweis, der alle anderen enthielte, müsste er auch alle kreativen Anteile dieser Beweise enthalten. Damit wäre die Kreativät begrenzt und statisch statt offen und dynamisch. Spekulativ würde ich sagen, wenn dies theoretisch denkbar wäre, dann könnte es kein Universum und kein Leben geben, da es sich nie aus seiner ersten Idee, seiner ersten Geschlossenheit heraus hätte weiter kreieren bzw. differenzieren können. 

Was wäre der nächste Schritt, den Mathematiker gehen können? Wenn man sich darauf einlässt, dass man Teil eines kreativen intelligenten Bewusstseins ist, das sich weiterentwickelt und dabei über die physische Welt hinaus geht, wäre man Teil einer metaphysischen Weggemeinschaft und gleichzeitig deren irdische Manifestation. In der Praxis würde es für viele Mathematiker vielleicht keinen Unterschied machen, weil sie sowieso schon einen Zugang zu ihrer Kreativität haben, aber es könnte noch einmal motivieren und fokussieren sie interessessierende Projekte anzugehen und sich dabei vielleicht mehr mit allem anderen Wissenschaften und allem, was es sonst so gibt, verbunden zu fühlen bzw. um die Verbindung zu wissen.

Donnerstag, 7. Januar 2021

Es ist nicht nur China, das besser durch die Covid-19-Pandemie kommt

Situation

China hat es bisher geschafft, die Zahl der Infektionen niedrig zu halten. Nach meinem Eindruck gelang dies durch rigorose staatliche Quarantänemassnahmen zu Beginn der Erkrankungswelle und hoher Selbstdisziplin der Bevölkerung. Mittlerweile zeigt sich, dass Deutschland nicht als Beispiel herhalten kann, dass dies auch einem westlichen Land gelungen ist. Man könnte meinen, dass der entscheidende Grund für das bessere Abschneiden Chinas dessen autoritäres Regierungssystem ist und dies deshalb im Westen bzw. in Demokratien nicht möglich ist. Schaut man sich aber andere asiatische Länder an wie Japan, Südkorea oder Thailand, sind auch dort die Infektionsraten niedrig. 

siehe https://www.corona-in-zahlen.de/weltweit/

Ich habe einmal das arithmetische Mittel berechnet der Infektionsraten der westlichen Ländergruppe USA, Canada, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien und der asiatischen Ländergruppe China, Japan, Südkorea, Thailand (d.h. nicht gewichtet nach Anzahl Bevölkerung). Die Infektionsrate im Westen liegt bei 3,67% im Osten bei 0,09%. Das heißt im Westen ist die Infektions 40,8 mal so hoch wie im Osten per heute!

Folgerungen

Ich vermute, dass es im Osten eine höhere Selbstdisziplin quer durch die ganze Bevölkerung gibt und dass dies mit einer anderen Auffassung damit zu tun hat, wie das Verhältnis von Individuum zu Gesellschaft auszubalancieren ist. Im Westen gibt es nach meinem Eindruck ein viel stärkeres indivdualistisches Selbstverständnis, im Osten ein kollektivistisches. 

Ich glaube nicht, dass es dabei darum geht, jetzt unsere Auffassung zu verwerfen und das asiatische Verständnis sich zum Vorbild zu nehmen, sondern überhaupt erst mal zu erkennen, dass dieser Unterschied ein Faktor sein kann, der die Wirklichkeit prägt. Auch beim Klimanotstand macht es einen großen Unterschied, ob wir das Austarieren von individuellen Zielen und das Gesamtwohl hinbekommen. Ich denke Covid-19 hilft den Menschen im Westen sich zu veranschaulichen, dass sie beides sind, Individuen und Kollektivwesen und dass es einen Unterschied macht, ob sie nur das eine leben oder beides.

Vielleicht bekommen wir nach und nach global eine gute Synthese hin von Individualismus und Kollektivismus, in dem wir uns immer mal wieder gegenseitig inspirieren in die eine oder andere Richtung. Diese Vorstellung gefällt mir besser als die Vorstellung, die eigene Weltauffassung sei anderen grundsätzlich überlegen und das würde sich auch nicht ändern. Dass passt zu meinem bereits früher geäußerten Gedanken, dass wir als Menschheit eine Weggemeinschaft sind.


Donnerstag, 3. Dezember 2020

Mehr bedarfsdeckende Unternehmen als Teil einer nachhaltigen, lebenswerten Zukunft

Inspiriert von zwei Gesprächen mit Harald Welzer (Sozialpsychologe, Leiter von Futurzwei) zu positiven Entwürfen für eine nachhaltige Gesellschaft fiel mir auf, dass die genossenschaftliche Betriebswirtschaftslehre (BWL) Teil dieser nachhaltigen, lebenswerten Zukunft sein kann, ja sogar die gesamte bedarfswirtschaftliche BWL in Ergänzung zu einer ertragswirtschaftlichen d.h. gewinnmaximierenden BWL. Dies liegt daran, dass, wenn statt Gewinnmaximierung Nutzenmaximierung zum Entscheidungskalkül wird, nicht mehr ein immer mehr = immer besser gilt, sondern die Haushaltsperspektive eingenommen wird, nämlich einen definierten Nutzen mit möglichst wenig Mitteln zu erreichen. Global gesehen sind wir ein gemeinsamer Haushalt mit allen Lebenwesen als Mitglieder dieses Hauhaltes und wir müssen bei unserem Handeln das Wohlergehen und die Rechte aller Lebewesen auf Existenz im Blick haben, als auch die Begrenztheit unserer Haushaltsmittel. In der bedarfsorientierten BWL wird das wirtschaftliche Minimalprinzip statt dem Maximalprinzip  angewendet. Statt die volle Kaufkraft der Käufer über Werbung, Verkaufsförderung und Marketing möglichst maximal auszuschöpfen, bedeutet bedarfswirtschaftliche BWL zu sehen, dass das Gros der Bedürfnisse bei allen Menschen sehr ähnlich ist und über effiziente Wirtschaftsunternehmen ressourcenschonend gedeckt werden kann. Dabei kann mit Unternehmen der gleichen Branche kooperiert werden, statt dass mit ihnen konkurriert wird und da bei der Preisbildung diese Kooperation nicht zur Kartellbildung genutzt wird, um die Preise zu erhöhen, muss auch ein Bundeskartellamt als Wettbewerbsbehörde hier nicht eingreifen. Dabei sind solche Wirtschaftsunternehmensformen auch potentiell offen für die flexible Mitarbeit von Kunden und im Falle von Genossenschaften Mitgliedern, ohne davon abzuhängen. Die Potentiale der Anwendung einer bedarfswirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre in Genossenschaften, öffentlich-rechtlichen Unternehmen, Unternehmen von kirchlichen und anderen gemeinnützigen Trägern, aber auch von ganz oder teilweise gemeinnützig ausgerichteten Unternehmen ist erst am Beginn ihrer Entfaltung. Hierzu trägt möglicherweise auch die Nachfrage von nachhaltigen Geldanlagefonds und Banken wie der ökologisch ausgerichteten Genossenschaftsbank GLS bei, die dazu führen könnte, dass sich nachhaltige Aktiengesellschaften herausbilden, die sich konsequent und glaubwürdig nachhaltig und vielleicht sogar bedarfswirtschaftlich statt gewinnmaximierend ausrichten. Dazu müsste nicht die Gewerbefreiheit aufgegeben werden und erst recht keine Verstaatlichung von unternehmerischem Eigentum stattfinden, wie das zur Zeit in Berlin für Wohnungsunternehmen diskutiert wird, siehe https://www.tagesspiegel.de/berlin/spd-und-gruene-legen-abneigung-ab-berliner-koalition-will-ueber-enteignung-von-immobilienkonzernen-verhandeln/26677160.html . Es wäre auch denkbar, dass nach dem Vorbild des norwegischen Staatsfonds mehr Länder Staatsfonds einrichten, die sich an solchen Unternehmen beteiligen.

Die Unterscheidung von bedarfswirtschaftlichen Unternehmen und ertrags- oder erwerbswirtschaftlichen hatte ich zuerst bei Max Weber gefunden, siehe https://liberalundkooperativ.blogspot.com/2020/10/verbluffende-erkennntis-gefunden-bei.html

Dienstag, 20. Oktober 2020

Wohnungsbaupolitik Zürichs mit Vorbildfunktion für deutsche Metropolen?

Im Programm Wohnen der Stadt Zürich in der aktuellen Fassung von 2017 heißt es:: 

"Stoßrichtungen:

I. Mehr gemeinnütziger und preisgünstiger Wohnungsbau

Die Stadt Zürich setzt auf die Bereitstellung preisgünstiger Wohnungen durch gemeinnützige Wohnbauträgerschaften mit dem Prinzip der Kostenmiete, deren Anteil sie gemäss dem in der Volksabstimmung vom 27.11.2011 angenommenen Grundsatzartikel in der Gemeindeordnung bis zum Jahr 2050 auf einen Drittel der Mietwohnungen ausbauen soll.

Massnahmen

1. Die Stadt kauft auch in Zukunft Bauland beziehungsweise Häuser für den kommunalen Wohnungsbau und für die günstige Abgabe an andere gemeinnützige Wohnbauträgerschaften zum Richtlinienlandwert. Dabei strebt sie unter dem Strich einen Ausbau des gemeinnützigen Portfolios an. (Liegenschaftenverwaltung)"

Hervorzuheben ist dabei der Bezug zur Kostenmiete. Obwohl dies bei Wohnungsgenossenschaften auch in Deutschland eine Selbstverständlichkeit sein sollte, ist es dies in der Praxis nicht. Oft gibt es in der ein oder anderen Form eine Orientierung an lokalen Mietenspiegeln.

Würden auch deutsche Metropolen dieses Prinzip anwenden, könnte damit ein Teil des Wohnungsbedarfs komplett dem Markt entzogen werden, ohne sinnvolle Investionen in die Bausubstanz zu gefährden, wie dies durch die Mietobergrenzen im Rahmen des "Mietendeckelsgesetzes" aktuell in Berlin riskiert wird. Sie müssten dazu aber die beteiligten Unternehmen zum Selbstkostenprinzip verpflichten.

Die Zielformulierung der Wohnpolitik wurde der Bevölkerung Zürichs 2011 zum Entscheid vorgelegt und  angenommen. Zur Kostenmiete heist es darin "Sie [die Stadt Zürich] sorgt dafür, dass sich die Zahl der Wohnungen im Eigentum von gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen oder Wohnbauträgern, die ohne Gewinnabsichten dem Prinzip kostendeckender Mieten verpflichtet sind, stetig erhöht." siehe Seite 30 in der Masterarbeit von Martin Broder "Umsetzung des Volksentscheides der Stadt Zürich von 2011 für
‚Bezahlbare Wohnungen für Zürich‘ Eine Standortbestimmung sowie die Untersuchung von möglichen Massnahmen und Risiken der angestrebten Ziele bis 2050"

Um das Potential der Zürcher Wohnbaupolitk für deutsche Metropolen angemessen beurteilen zu können, braucht es jedoch einen genaueren Blick, der so arbeitsintensiv ist, dass ich ihn hier nicht leisten kann. Soweit zeigt sich jedoch, dass sich eine genauere Analyse lohnen würde. Sie sollten sowohl Bezug nehmen auf die kritischen Fragen der hier verlinkten Masterarbeit von Martin Broder, auf den aktuellen Bericht des Zürcher Stadtrates zur Zielerreichung vom September 2020 und auf die Betrachtung grundlegender statistischer Größen wie Baupreisentwicklung, Bautätigkeit und Mietzinsentwicklung. Sie sollte auch eine aktuelle Literaturrecherche beinhalten und Interviws mit beteiligten Wohnungsunternehmen und Mitarbeitern der Stadt Zürich.


Sonntag, 18. Oktober 2020

offener Brief an Prof. Norbert Lammert, Bundestagspräsident a.D., eine Rundumbetrachtung

aktualisiert um 13:05
 
Sehr geehrter Prof. Lammert,

ich habe gerade das Ende Ihres Interviews in 3Sat mitbekommen. Sie sagen, für eine wirkungsvolle Partei sei es entscheidend, die Pole Stabilität und Veränderung gleichermassen zu integrieren. Das passt gut zu dem

Riemann-Thomann Modell und seiner Anwendung auf Gruppen

siehe:

https://www.google.com/search?q=riemann+thomann+modell&client=firefox-b-d&sxsrf=ALeKk01RnryJyXwpcJiHcOkopKUo4Ywc_Q:1603014134698&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=2ahUKEwjU7cWA7b3sAhULJBoKHTB0BLsQ_AUoAXoECCQQAw&biw=1600&bih=786#imgrc=LlQVP1PsqefAYM

und https://de.wikipedia.org/wiki/Riemann-Thomann-Modell

Hier wird deutlich, dass es ein zweite Achse gibt, Nähe und Distanz, also in Beziehung gehen und Unabhängigkeit.

Politisch-gesellschaftlich und in Bezug auf wirkmächtige Parteien bedeutet das, sich den Polen von Globalisierung und lokaler Gemeinschaft zu stellen. Dies erklärt, warum in Europa in so gut wie allen Staaten neue konservative Parteien entstanden sind und die CSU da vergleichsweise gut wegkommt als Regionalpartei. Global governance, verstanden aus der Notwendigkeit, in einer zusammenwachsenden Welt globale Antworten zu finden, wie beim Regeln der Finanzwirtschaft, beim Klimanotstand und dem Artensterben, muss zusammengeführt werden mit dem Erhalt einer lokalen Gemeinschaft.

Ich habe diese Woche für mich die Tiefe des Begriffes Weggemeinschaft entdeckt. Sie lässt sich auf Lebenspartnerschaften anwenden, auf Genossenschaften, auf Staaten, auf die EU und die Menschheit als Ganzes. Gemeinschaften finden sich im obigen Modell im linken oberen Quadranten, also mit einem Schwerpunkt auf Stabilität und In-Beziehung-Gehen. Formuliert als Weggemeinschaft ist ihnen aber eine Entwicklung mitgegeben, ziemlich genial wie ich finde. Gefunden hatte ich den Begriff Weggemeinschaft in einem Essay des Internet-Männerforum der evangelischen Kirche Norddeutschlands
 
Auf welchem Weg ist die Menschheit als Ganzes? Entwicklungspsychologisch verstanden waren Kriegszeiten Zeiten des Sich-Behauptens und des Kräfte Austestens, des Heranswachsens. Die meisten Hollywood Filme werden noch von Männern gemacht. Der Held ist ein Kämpfer, der sich behaupten muss. Die Frau die Belohnung. Am 16.10 lief auf ARTE eine andere Art Film "Take this waltz" von der Kanadierin Sarah Polley als Regisseurin und Hauptdarstellerin. Es geht darin darum, Ängste zu erkennen, sie hinter sich zu lassen und in Beziehung zu gehen mit allen. Die Frau war die Heldin in ihrer Entwicklung und konnte die ganze Komplexität ihres Denkens und Fühlens zeigen, ihre Versuche gut zu handeln, andern gegenüber aber auch sich selbst gegenüber. Ich glaube, wir sind dabei das Stadium der Konkurrenz, des Kampfes, des Jagens hinter uns zu lassen und in das Stadium einzutreten des In-Beziehung-Gehens von mit uns selbst bis zu allen Lebewesen auf diesem Planeten. Warum spreche ich das Jagen an? Ballsportarten wie Fussball, American Football sind immer noch sehr beliebt. Es lohnt sich für Poltikerinnen sich bei wichtigen Spielen zu zeigen. Diese Beliebtheit  wurde von Evolutionspsychologen damit erklärt, dass es die Jäger-Gemeinschaft nachbildet und erlaubt, sie auszuagieren oder an deren Energie als Zuschauer teilzuhaben. In Zeiten von Corona fällt das Interesse deutlich ab, es ist unklar, ob es sich danach wieder gleich hoch einstellen wird. Irgendwie ist die Luft ein Stück weit raus. Wettkampfsport, das Sich-Vergleichen und In-Konkurrenz-Gehen, ist nicht mehr das A und O. Es kommt in Zukunft mehr darauf an, mit dem Ganzen in Einklang zu sein und seine Kräfte weise einzusetzen und ganzheitlich, individuell und gemeinsam, schönes, gutes und richtiges zu gestalten und sich daran zu erfreuen.
 
Ganz konkret, warum kann es sein, dass in der EU Produkte von Tieren verkauft werden dürfen, die keinen einzigen Tag in ihrem Leben den freien Himmel und die Sonne gesehen haben? Es müsste eine EU-Richtlinie geben, die vorschreibt, dass nur Produkte von Tieren verkauft werden dürfen, die täglich die Möglichkeit zu einem Aufenthalt im Freien hatten. Die EU-Agrarpolitik erwähnt Tiere in ihren Zielen nicht einmal. https://ec.europa.eu/info/food-farming-fisheries/key-policies/common-agricultural-policy/cap-glance_de Auch Tiere haben legitime Anliegen, die wir in unser Handeln integrieren sollten. Die EU sollte dafür Bürgerinnenversammlungen (citizen assemblies) nutzen, wie es Extinction Rebellion bereits für die Klimakrise fordert und die EU selbst bei übergeordneten Fragen bereits austestet.

Es ist Zeit, dass die Menschenheit ins Erwachsenenalter eintritt. Wir sind so groß geworden, dass wir sonst den Planeten mit seinen endlichen Ressourcen und als Lebensraum für sehr viele andere Lebewesen an die Wand fahren. Dazu ist es hilfreich, individuell und kollektiv, die Dimensionen Veränderung, Stabilität, In-Beziehung-Gehen und Unabhängigkeit zu integrieren.

freundliche Grüße

Frank Giebel
http://liberalundkooperativ.blogspot.com/

Es gibt zum Optimismus keine vernünftige Alternative. Karl Popper.

Wenn Deine Aufmerksamkeit auf das Ergebnis fokussiert ist, bist Du nicht mehr im Prozesss. Aber wenn Du im Prozess bist, wird sich das Ergebnis sicher einstellen. Deepak Chopra

Not everything that is faced can be changed; but nothing can be changed until it is faced. —James Baldwin

Montag, 12. Oktober 2020

ökologische Marktwirtschaft mittels unterschiedlicher Umsatzsteuersätze

Zur Transformation des Wirtschaftssystems in Deutschland und Europa hin zu einer ökologisch-sozialen marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung schlage ich vor, Preisbeeinflussungen vorzunehmen durch unterschiedlich hoch ausgestaltete Umsatzsteuersätze für unterschiedliche Produktgruppen. Diese sollten sich danach richten, wie nachhaltig die Herstellung und der Verbrauch der jeweiligen Produktgruppen sind.

Dabei schlage ich ein stufenweises Anpassungsystem mit einem 5-Jahreszeitraum vor, um Produzenten die Möglichkeit zu geben, sich den steuerlichen Faktoren anzupassen und ihre Produktion auf nachhaltigere Produkte und Verfahren umzustellen. Es ist darauf zu achten, dass der Fiskus genug Geld einnimmt, aber nicht zu viel Kaufkraft abschöpft. Gegebenfalls muss nachgesteuert werden, ohne die Steuerungswirkung ggü. der Nachhaltigkeit zu vernachlässigen. Losbasierte Bürgerräte sollten in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.

Konkrete Beispiele            

Produktkategorie  /  Jahr 2021  /  nach 5 Jahren

pflanzliche Biolebensmittel   /   0%   /   5%

tierische Biomilch u.ä.  /   5%  /   7% (wie jetzt)

Biofleisch  / 10%  /  20%

pflanzliche Lebensmittel /  7% (wie jetzt)  / 15%

Milch   /  8%  /  20%

Fleisch    /   10%  /   30%-40%

Flugbenzin (zur Zeit 0%) /  25% /   50%

Schiffsdiesel (zur Zeit 0%?)   /  5%  /  25%

Es ist dabei auch zu untersuchen inwieweit Kosten für eine stufenweise sich erhöhende CO2 Abgabe bereits preistreibend wirken.


Einordnungsvorschläge für Potentiale nachhaltigen Wirtschaftens

Mir wurde gestern ein Kapitel ab Seite 52 aus dem Buch von Walter Kahlenborn / Jens Clausen / Siegfried Behrendt / Edgar Göll (Hg.) "Auf dem Weg zu einer Green Economy - Wie die sozialökologische Transformation gelingen kann" zur Lektüre empfohlen. 

Es kann kostenlose hier heruntergeladen werden.

Die Autoren schlagen drei Transformationswege hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft vor:

Effizienz, Konstistenz und Suffizienz. 

Nach meinem Verständnis bedeutet Effizienz planetare Ressourcen deutlich effizienter als bisher einzusetzen. Konsistenz bedeutet, sie im Einklang mit der Gesamtsituation einzusetzen. Suffizienz bedeutet, sich dabei mit dem zu begnügen, was man wirklich braucht.

Zu Effizienz ist eine Marktwirtschaft grundsätzlich in der Lage. Es ist sozusagen systemimmanent.

Konsistenz lässt sich mit einer ökologischen Marktwirtschaft erreichen. Dazu benötigt es allerdings nach meiner Erfahrung Bürgerinnenversammlungen als gängige Praxis, um den Einfluss von Lobbygruppen von gewinnorientierten Unternehmen auszugleichen und sicherzustellen, dass zum Beispiel die Emissionen von CO2 ausreichend hoch bepreist wwerden.

Näheres zu Bürgerinnenversammlungen findet sich bei Mehr Demokratie eV und extinction rebellion

Suffizienz korrespondiert gut mit Unternehmen, die nicht auf Erwerb und Gewinnmaximierung ausgerichtet sind, sondern auf Versorgung mit Grundbedürfnissen. Siehe zum Beispiel die Unterscheidung von Max Weber zu Erwerbswirtschaft und Bedarfswirtschaft. Genossenschaften sind nach meinem Dafürhalten beispielsweise die ideale bedarfswirtschaftliche Unternehmensform für die Grundversorgung mit Wohnraum, der ein sehr relevanter Sektor beim Klimaschutz darstellt. Dennoch ist die Unternehemensform allein kein Garant, dass sich eine passende Praxis herausstellt.  Großgenossenschaften können aber wie Gesellschaften insgesamt über das Pendant von Bürgerinnenversammlungen als Mitgliederjurys ihrem Potential gerecht werden.

Insoweit lassen sich alle drei Bereiche Effizienz, Konstistenz und Suffizienz potentiell innerhalb unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung verwirklichen. Man muss also nicht auf Errungenschaften wie die Gewerbefreiheit und die freie Wahl der Unternehmensform verzichten. 

Dennoch halte ich es noch ein weiten Weg hin zu eine nachhaltigen Praxis zu finden. Ob die Zeit dafür reicht, dass die Gesellschaften Staaten und Unternehmen, Menschen sich in diese Richtung wandeln, bleibt abzuwarten. Sonst käme es, wie die Autoren pointiert formulieren, zu einer Transformation by Desaster statt einer Transformation by Design (Seite 52). So oder so sind wir Menschen eine Weggemeinschaft.

Mein Forschungsinteresse liegt auf der Betriebswirtschaftslehre. Wenn diese anerkennt, dass sie zwei Säulen hat als Unternehmenslehre, eine ertrags-/erwerbswirtschaftliche/gewinnorientierte und eine subsistente/bedarfswirtschaftliche/nutzenorientierte, dann kann sie weiterbestehen bzw. auf dieser Basis weiter entwickelt werden.


Samstag, 10. Oktober 2020

Literaturrecherche zum Gewinnmaximierungskalkül


1. Günther Wöhe, Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 15. Auflage, Vahlen, München, 1984

Im Kapitel die Produktion als betriebliche Hauptfunktion (inkl. Dientleistungen) S.401: " Da es nicht das primäre Ziel des Betriebes ist , den Markt mit bestimmten Gütern zu versorgen, sondern der Prozeß der betrieblichen Leisungserstellung und -verwertung nur Mittel zur Realisierung der durch die marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung vorgegebenen obersten Zielsetzung der langfristigen Gewinnmaximierung ist, kommt keinem dieser drei betrieblichen Teilbereiche ein Vorrang zu (gemeint ist Leistungeserstellung/Produktion , Leistungsverwertung/Absatz und Finanzierung). Alle drei Bereiche müssen genau aufeinander abgestimmt sein, wenn der maximale Gewinn erzielt werden soll."

2. Uwe Bestmann, Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, 4. Auflage, , Oldenbourg, München

Bestmann bleibt etwas vager. Im Kapitel Unternehmensziele schreibt er auf Seite 12 "Das für Unternehmen offensichtlich bedeutungsvolle Gewinnstreben ist systemtheoretisch als Maximierung der Differenz zwsichen Output (Betriebsleistung bzw. Umsatz) und Input (entsprechende Kosten) anzusehen." Dann leitet er weiter zur Darstellung von Eigenkapitalrentabilität, Gesamtrentabilität, Umsatzrentabilität und Return-on-Investment. Er führt danach nicht-monetäre Ziele an wie soziale Wertvorstellungern oder Macht. Im Kapitel zur Produktion bzw. zur Leistungserstellung, die er auch Produktionswirtschaft oder Materialwirtschaft und Materialbewirtschaftung nennt, charakterisiert er als Gestaltungsaufgabe mit dem Begriff des Industrial Engineering: "darunter versteht man die Aufgabe ...Menschen, Machinen und Materialien so einzusetzen, zu steuern und zu koordinieren, daß Produkte und Dienste als Resultat dieses Wirkens in der erforderlichen Menge und Qualität, zum festgelegten Zeitpunkt unter geringsten Kosten- und Kapitalaufwand fertiggestellt werden (Engels 7. S.20)" S.160 Hier taucht also der Begriff Gewinnmaximierung nicht auf. In der Konkretisierung auf S.163 führt er dann aber wieder aus"Die Konsequenz ist, daß Einsparungem im Materialbereich direkt und spürbar (...) auf den Gewinn durchschlagen und die Wirtschaftlichkeit des Betriebes wesentlich bestimmen." Hier schreibt er weiter die ökonomische Zielsetzung,..möglichst wirtschaftlich, also mit minimalen Kosten durchzuführen. Im Kapitel zur Finanzierung nennt er dann" die Rentabilität als die zu maximierende Variable, während die anderen Ziele die Nebenbedingungen bilden". Ziel ist also die Maximierung des Gewinns in Relation zu entweder dem Gesamtkapital, dem Eigenkapital oder dem Umsatz (S.407)

 3. H.von Mangoldt, Die Lehre vom Unternehmergewinn, Teubner, Leipzig, 1855, 

S.45 Der Unternehmegewinn ist also derjenige Theil des Einkommens aus dem Unternehmen, welcher dem Unternehmer als solchem zufällt,S. 46 Wenn aber in einer Wirtschaftsperiode solche Verluste nicht eingetreten sind, so ist keineswegs alles, was nach Bestreitung der gewöhnlichen Kosten übrig bleibt, reiner Gewinn, sondern es muss davon noch ein entsprechender Teil (Reservefonds) abgegeben werden, um den voraussichtlichen Verlust einer späteren Periode zu übertragen.

4. Woll Artur, "Allgemeine Volkswirtschaftslehre"11. Auflage, Vahlen München, 1993, dort Unternehmenstherorie, Preistheorie und Verteilungstheorie, S. 177, Der Unternehmer möchte den Gewinn maximieren als Modellannahme. S. 178, Gewinntheorie "Im Gewinnmaximum sind Grenzerlös und Grenzkosten gleich". "Der Unternehmer dehnt das Angebot bis zu dem Punkt  aus, in dem sich die Grenzkostenkurve (K') und die Preisgerade (pE = const.) schneiden. Jede Menge, die größer oder kleiner OE ist, kann nicht gewinnmaximal sein."

und S.182 zahlreiche Kritiker an der Gewinnmaximierungsannahme erstens es werden andere ebenfalls expansive Ziele genannt wie Maximierung der Mitarbeiterzahl, des Umsatzes, Unternehmenswachstum, des Marktanteiles

S 183 "... haben Unternehmenseingentümer und -manager ein erhebliches Interesse daran, das Ziel Gewinnmaximierung nicht zu betonen; Gewinne oder Profite sind in fast allen Ländern Reizworte und Ansatzpunkte der gewerkschaftlicher Tarif- sowie der staatlichen Steuerpolitik."

5. Theory of the firm

Beispiel Steve Keen and Russel Standish, "Profit Maximization, Industry Strurcture, and Competition: A critique of neoclassical theory", 2008 and Russel K. Standish and Stephen L.. Keen, "Rationality in the Theory of the firm" 2011

Gewinnmaximierung jeder Unternehmung wird berechnet als das Produkt aus der produzierten Gütermenge q mit dem am Markt erzielten Preis abzüglich der Kosten. Er bezieht sich dabei auf J.R. Green,  A Mas-Colell, M.D. Whinston "Microeconomic Theory" Oxford University Press, 1995

6. Erich Gutenberg

 Für Gutenberg besitzt ein Unternehmen drei konstitutive Merkmale:

Quelle https://de.wikipedia.org/wiki/Unternehmen

 wobei gilt

Ein Unternehmen ist eine wirtschaftlich selbstständige Organisationseinheit, die mit Hilfe von Planungs- und Entscheidungsinstrumenten Markt- und Kapitalrisiken eingeht und sich zur Verfolgung des Unternehmenszweckes und der Unternehmensziele eines oder mehrerer Betriebe bedient. 

 

siehe auch Betriebswirtschaftslehre Zeit der systematischen Handlungswissenschaft

7. Max Weber

insbesondere als Erwerbswirtschaft

"Erwerbswirtschaft ist nach Max Weber eine Form des Wirtschaftens, die der Bedarfswirtschaft gegenübersteht und aus der Knappheit der Güter mittels Produktion und Tausch sich am Ziel der Gewinnerzielung orientiert."

Gesellschaftliche Zusammenschlüsse zum Zwecke der Bedarfsdeckung werden nach Weber Wirtschaftsgemeinschaften genannt siehe https://www.textlog.de/7766.html

Bedarfswirtschaft = Subsistenzwirtschaft

verblüffende Erkennntis gefunden bei Max Weber

Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Dann ist es klug, Abstand zu nehmen. Seit einigen Tagen habe ich versucht innerhalb der Wirtschaftswissenschaften zu recherchieren, welche Bedeutung in der Betriebswirtschaftslehre bzw in the "theory of the firm" die Gewinnmaximierung hat.  Hintergund war meine Erkenntnis, dass in der genossenschaftlichen Betriebswirtschaftslehre das Kalkül der Nutzenmaximierung für die Mitglieder gelten solle und gerade keine Gewinnmaximierung, auch wenn dies in der Praxis anders ist.

Meine Agenda dahinter war zu schauen, ob im Rahmen einer allgemeinen Betriebswirtschaftslehre es Sinn machen würde, eine zweite Säule einzuführen, neben einem Gewinnmaximierungskalkül für erwerbswirtschaftliche Unternehmensformen wie Aktiengesellschaften und GmbHs ein gleichberechtigtes Nutzenmaximierungskalkül für subsistenz- bzw. bedarfswirtschaftliche Unternehmensformen wie Genossenschaften und wirtschaftliche Vereine. Unter dem Erhalt der Gewerbefreiheit und der freien Wahl der Unternehmensform könnte so auch der normative wirtschaftswissenschaftliche Boden bereitet werden für eine stärke Verbreitung von bedarfsorientierter Unternehmensführung. Diese hätte in viel größeres Potential aus sich heraus zu einer nachhaltigen, das Leben auf diesem Planeten schützenden Unternehmensführung beizutragen, als auf Wachstum ausgelegte gewinnmaximierende Unternehmen in der Lage sind. Diese müssten sozusagen immer gezähmt werden durch eine ökologisch-soziale marktwirtschaftliche Ordnungspolitik. Solange diese suboptimal funktioniert und zum Beispiel zu leicht dem Druck von finanziell und personell gut ausgestatteten Lobbygruppen nachgibt und sich losbasierte Bürgerräte noch nicht als Korrektiv in der Praxis etabliert haben, passiert genau das, was derzeit passiert, dass im Bereich Klimaschutz und Artenschutz wir den Planenten an die Wand fahren.

Während sich bei einer ersten sehr groben Betrachtung unter wirtschaftswissenschaftlichen Autoren eine relativ große Bandbreite dazu ergab inwieweit Gewinnmaximierung für Unternehmen grundlegend oder strittig ist, siehe , fand ich erstaunliche Klarheit in "Wirtschaft und Gesellschaft" von Max Weber, der als Soziologe offenkundig über den notwendigen Abstand verfügte :)

 https://www.textlog.de/7766.html

"Gegenüber der Wirtschaft zur Deckung des eigenen Bedarfs ist die zweite Art des Wirtschaftens Wirtschaft zum Erwerb: die Ausnutzung des spezifisch ökonomischen Sachverhalts: [der] Knappheit begehrter Güter, zur Erzielung eigenen Gewinns an Verfügung über diese Güter."

Damit stellt Weber die Erwerbswirtschaft der Bedarfsdeckungswirtschaft gegenüber. Maja Göpel  verweist auf Seite 37 pdf in "The Great Mindshift: How a New Economic Paradigm and Sustainability Transformations go Hand in Hand" auf Karl Polanyi aus seinem Buch "The Great Transformation. The Political and Economic Origins of our Times" entsprechend: "To Polanyi, the most powerful of those ideas was the substitution of the economic motive of subsistence with that of gain."

Inwieweit Ideen in der Praxis wirken oder nicht wird in der rational orientierten  Wirtschaftswissenschaft nicht primär untersucht.

Das Besondere an der genossenschaftlichen Unternehmensform in der Ausprägung als Fördergenossenschaften - zum Beispiel bei Wohnungsgenossenschaften, Energiegenossenschaften und Konsumgenossenschaften - und ihrer Betriebswirtschaftslehre ist, dass dadurch die Kunden die Mitglieder sind und zugleich die Unternehmenseigentümer und Kapitalgeber. Damit wird  Bedarfsdeckungsfunktion zum primären Unternehmensziel. Es verbindet sozusagen im Rahmen der Mikroökonomik die utility maximization/ Nutzenmaximierung der Konsumenten mit der Unternehmerökonomie.

Siehe theory of the firm mit Gewinnmaximierung ggü theory of the consumer mit Nutzenmaximierung als Teil der Mikroökonomie:A. Mas-Colell, M.D. Whinston, J.R.Green "Microeconomics, Oxford University Press, New York 1995, S. 50 "maximizing a consumption bundle" und S. 135 "We assume throughout this chapter that the firm's objective is to maximize its profit".."this is precisely total revenue minus total cost".

Es gibt dann kein für sich stehendes, nach oben offenes und damit nicht nachhaltiges Gewinn- oder Erwerbsziel mehr. Dies ist auf der einen Seite vielleicht weniger inspirierend oder weniger faszinierend als die Gewinnmaximieruing, da damit die Tür ins Unermessliche, in fantastische unbegreiflicher Reichtümer auch disruptive Veränderungen und Wandel damit geschlossen wird, wie sich dies zum Beipiel als Aussicht bei Aktiengesellschaften bietet. Man denke hier an Amazon, an dem man sich selbst als Kleinaktionöär hätte beteiligen können als schon klar war, dass es operativ funktioniert und das mittlerweile einen Marktwert von 1,3 Billionen Euro (Stand 07.10.2020) erreicht hat. Auf der anderen Seite passt es zu unserer Realtität, dass unser Planet als solcher endlich ist und solange wir darauf leben wollen, es gilt, das als Menschheit anzunehmen mit und seinen Resourcen und unseren Mitlebewesen sowohl aller anderen Menschen aber auch der Pflanzen und Tiere so umzugehen, dass wir anerkennen, dass sie unsere Mitgeschöpfe sind und ebenfalls berechtigte Interessen haben.

Was die Betriebswirtschaftslehre von Max Weber lernen kann, ist, die Einteilung von Unternehmen in wie weit sie sich primär erwerbswirtschaftliche Ziele oder Bedarfsdeckungsziele setzten.


Freitag, 9. Oktober 2020

Meine Auseinandersetzung mit "Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre unter Rationalitätsaspekten - Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre" von Marcell Schweitzer und Marcus Schweitzer

zuletzt aktualisiert am 25.10.2020

Der Beitrag, mit dem ich mich hier beschäftige, ist das erste Kapitel des Sammelbandes "Allgemeine Betriebswirtschaftslehre - Theorie und Politik des Wirtschaftens in Unternehmen", herausgegeben von Alexander Baumeister, Marcell Schweitzer, Erich Schmidt Verlag, 11. Auflage, 2015

Ich stelle den Aussagen der Autoren eigene Antworten gegenüber, die sich in der Auseinandersetzung mit ihren Vorschlägen herausschälten. Insoweit danke ich beiden für ihre sehr umfangreiche, akribische Arbeit.

Einbettung der BWL in die Wirtschaftswissenschaften

Wirtschaftswissenschaft erklären sie als die wissenschaftliche Disziplin, die sich mit deskriptiven, theoretischen, pragmatischen und normativen Fragen des Wirtschaftens befasst. So weit so gut. Was Wirtschaften ist, wird zu Beginn nicht ausgeführt. 

Als Einschub sei hier erlaubt auf Uwe Bestmann hinzuweisen, der dazu schreibt: " Die Grundlage allen wirtschaftlichen Handelns bildet die Möglichkeit, über knappe Güter, die menschliche Bedürfnisse und Wünsche befriedigen, disponieren zu können". "Kompendium der Betriebswirtschaftslehre" S1., 4 Auflage, Oldenbourg, München, 1988 (Auf S. 20 kommen die Schweitzers zum gleichen Ergebnis.)

Dann folgt eine Zweiteilung in Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre mit der Behauptung, die erstere würde sich um aggregierte Fragen kümmern und die BWL um die einzelnen Einheiten, die Betriebe. Damit ignorieren sie, dass es in der VWL sowohl die Makroökonomie als auch die Mikroökonomie gibt und letztere sich sehr wohl mit der Einzelebene befasst, nämlich zum einen mit der Nachfrageseite, den Konsumenten beziehungsweise den Haushalten, und zum anderen der Produktionsseite, den Unternehmen. Besser wird die Stellung von VWL und BWL, auch mit ihren Problemen und Überlappungen, nach meinem Dafürhalten bei Artur Woll beschrieben ("Allgemeine Volkswirtschaftslehre" 11. Auflage, 1993, Vahlen, München).

Untersuchungsgegenstand

Die Autoren machen die erstaunliche Aussage, dass sich jedes Wirtschaften in Betrieben vollziehe (S.4). Sie konkretisieren, dass sie auch Museen, Kirchen und Haushalte zu den Betrieben zählen (S.6). Wird ein Singlehaushalt als Betrieb qualifiziert, wird nach meiner Einschätzung der Begriff Betrieb sinnentleert. Das gleiche gilt in der Anwendung auf einen Staatshaushalt.

Um von dieser Vermengung loszukommen, unterscheiden sie zwischen Unternehmen als Betriebe mit Fremdbedarfsdeckung und Haushalten als Betriebe mit Eigenbedarfsdeckung (S.6). Allerdings gibt es in Wirklichkeit zum Beispiel Wohnungsgenossenschaften, die Wohnungen für ihre Mitglieder bauen und verwalten. Diese sind selbstorganisierte Zusammenschlüsse zum gemeinsamen Geschäftsbetrieb und dabei Teilhabergemeinschaften und Unternehmergemeinschaften. Sie sind darauf ausgelegt den Eigenbedarf ihrer Mitglieder zu decken. Diese sprengen die Klassifikation der Autoren.

Sinnvoller scheint es zu sein, die klassische auch volkswirtschaftlich kompatible Unterscheidung vorzunehmen und zwischen Haushalten (die durchaus als Wirtschaftseinheiten aufgefasst werden können) und Unternehmen zu differenzieren, die ein wirtschaftliches Gut (materiell oder in Form einer Dienstleistung) erstellen und abgeben.

Den Autoren gelingt es nicht, ihre eigene Betriebsdefinition durchzuhalten. Schon eines der folgenden Unterkapitel nennen sie "Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre unter Moralitätsaspekten - Grundfragen der Unternehmensethik" (Kapitel 1.2. S. 27ff.). Sie landen auf der Unternehmensebene und lassen Haushalte weg. Auch Folgekapitel des Gesamtbandes nehmen die Unternehmensperspektive ein wie das Modul 7 "Grundlagen der Unternehmensführung" und die kompletten Kapitel zu den Phasen des Unternehmensprozesses (Module 12-17) und zur Unternehmensrechnung (Module 18-21). Dagegen gibt es kein einziges Kapitel oder Modul zu Haushalten. 

Die Autoren unterteilen die Unternehmen in private und öffentliche nach der Art der Anteilseigner und unterscheiden dann weiter nach Dienstleistungs- und Industrieunternehmen (S.9). 

Ich vermisse hier eine Unterteilung nach der Unternehmenszielsetzung, zwischen 1. Erwerbsunternehmen, d.h. vom Grundsatz her auf Gewinn ausgerichteten Unternehmen (wie in der Regel Aktiengesellschaften, GmbHs, Komanditges.),2. gemeinnützigen Unternehmen wie öffentlichen Unternehmen und privat-gemeinnützigen und kirchlichen Unternehmen und 3. bedarfswirtschaftlichen Unternehmen wie Genossenschaften.

Deutlich spannender und vielversprechender scheint mir die Unternehmenssystematik bei Karl Hildebrand  "Die betriebswirtschaftlichen Grundlagen der genossenschaftlichen Unternehmung, 1927 und Ferdinand Leitner "Wirtschaftslehre der Unternehmung" 1921.

Problembereich der BWL

Gut finde ich, dass die Autoren sich der Frage stellen und verschiedene Antwortoptionen durchdenken. Zu bemängeln ist, dass sie eine gute Antwortoption auslassen.

Zunächst prüfen sie die Gewinnmaximierung als Unternehmenszielsetzung und ihre Eignung, um das Problemfeld der BWL einzugrenzen. Dabei verweisen sie auf die Passung zur klassischen Nationalökonomie. Da diese nicht für öffentliche Unternehmen und Privathaushalte gelte, verwerfen sie diese, ergänzt um den Hinweis, dass es auch zahlreiche besonders mittelständische Unternehmen gäbe, für die Gewinnmaximierung nicht die oberste Entscheidungsmaxime sei. 

Sie verwerfen zwei weitere Optionen und gelangen schließlich zu folgender Antwort: Es wird die Summe der betrieblichen Entscheidungen über knappe Güter zum Problemkreis der BWL gewählt. (S.20) Dabei sei als Hauptbedingung aller Entscheidungen zu fordern, dass alle knappen Güter in eine optimale Allokation (Verwendungsweise) gebracht werden müssen. 

Sie führen weiter aus:"Danach ist bei einem gewählten Ziel(system) über die Zuordnung der knappen Güter auf zulässige alternative Verwendung so zu entscheiden, dass die gewählte Alternative als optimal akzeptiert wird (optimale Allokation). Dabei müssen die alternativen Verwendungsweisen zulässig (realisierbar) sein, was bedeutet, dass sie mehreren Nebenbedingungen genügen müssen: dazu zählen u.a. wirtschaftliche, technische , soziale, ökologische, ethische Nebenbedingungen. Die auf diese Weise abgegrenzte Alternativmenge heißt in der Entscheidungstheorie und in der Unternehmensforschung "zulässiger Bereich".

Optimal heißt in der Wirtschaftswissenschaft, dass ein Ergebnis entweder über das Maximalprinzip, das Minimalprinzip oder deren Kombination erreicht wird. Das Maximalprinzip heißt, mit einen gegebenen Mix an Produktionsfaktoren ein maximales Ergebnis zu erreichen. Das Minimalprinzip besagt ,ein gegebenes Ziel mit minimalem Einsatz von Produktionsfaktoren zu erreichen und das Optimalprinzip fokussiert, ein maximales Ergebnis mit minimalem Einsatz von Produktionsfaktoren zu erreichen.

Gut gefällt mir die Art wie Nebenbedingungen miteinbezogen werden und eine Hauptbedingung formuliert wird.  

Über das Abheben auf Entscheidungen schreiben sie weiter, dass das Wirtschaften in diesem Sinn ein geistiger Prozess sei. Damit entsteht das Problem, dass in allen Betrieben mit Haushaltscharakter, privat oder öffentlich, diese sich in der Regel nicht auf Basis dieses Prozesses des Wirtschaftens organisieren und strukturieren sondern nach anderen Kriterien. Letztlich wird eine BWL, die Haushalte als Untersuchungsgegenstand miteinbezieht, viel weniger konkret in ihren Antworten sein können, als eine BWL, die sich auf Unternehmen konzentrieren kann, die eine wirtschafliches Gut erstellen, das mit einem Preis versehen ist..

Mein Gegenvorschlag lautet wie folgt:

Das Auswahlprinzip der BWL ist die Zielsetzung der Nutzenmaximierung für das jeweilige Unternehmen im Rahmen einer guten Unternehmensführung. Dabei gibt es zwei gleichberechtigte Säulen, die letztlich über die Wahl der Unternehmensform vorentschieden wird. Bei erwerbswirtschaftlichen Unternehmen bedeutet dies konkret die langfristige Gewinnmaximierung, bei bedarfswirtschaftlichen Unternehmen die Nutzenmaximierung für die Adressaten der Leistungserstellung. Im Falle von öffentlich-gemeinnützigen oder privat-gemeinnützigen Unternehmen sind dies die Kunden, im Falle von Genossenschaften und wirtschaftlichen Vereinen sind das die Mitglieder.

Dabei ist wahrscheinlich im Fall der Erwerbswirtschaften und der Gewinnmaximierung das Maximalprinzip dominant, da man ein gebendes Reservoir an Mitteln hat und damit ein maximales Ergebnis erzielen will und im Fall von Bedarfswirtschaften das Minimalprinzip, da der Grundbedarf sich relativ konkret ermitteln lässt und man dann versuchen kann diesen mit entweder möglichst wenig öffentlichen Geldern zu erreichen oder im Falle von Genossenschaften dies mit miminalem Aufwand, um den Mitgliedern eine maximale Ersparnis zu ermöglichen.

Praktisch ist ersteres tendenziell innovativer, da Unternehmer hier kompetitiver sind und mitunter Produkte entwickeln, die sich die Kunden noch gar nicht vorstellen konnten, während bedarfwirtschaftliche Unternehmen eher Grundbedürfnisse abdecken. Erwerbsunternehmen zielen von der Tendenz mehr auf Wünsche ab als auf Bedürfnisse, da hier mehr Geld eingenommen werden kann bzw zusätzliche Nachfrage generiert werden kann.

Ersteres bringt unseren Planeten eher an unsere Grenzen, da Gewinnmaximierung keine Grenzen kennt und muß im Rahmen einer ökologisch-sozialen marktwirtschaftlichen Rechtsordnung über das ausreichend hohe Bepreisen von externen Gütern eingehegt werden, letztere sind vom Grundsatz her nicht so expansiv.

Dennoch gilt auch hier zwischen Potential und Wirklichkeit zu unterscheiden. Es kann auch Aktiengesellschaften geben, die von sich aus bescheiden und nachhaltig agieren und Genossenschaften, die ihre Mitglieder wie normale Kunden behandeln bzw deren Mitglieder sich von ihren Managern so  behandeln lassen. Insoweit gibt es in der BWL eine grundlegende normative Ebene und eine empirische. Für das letztere bietet sich zum Beispiel die neue Institutionenökonomik als sinnvolle Hilfswissenschaft an, zum Beispiel bezüglich des Agenten-Prinzipal-Dilemmas und seiner Auflösung in Erkenntnissen der Spieltheorie (zB Elinor Ostrom et. al. "Rules, Games & Common-Pool Resources, University of Michigan Press, 1994) aber auch in der Anwendung der property rights theory.

Vergleich der beiden Antworten: 

Nutzenmaximierung ist relativ nahe bei optimaler Allokation wobei es sich im Zweifel besser quantifizieren lässt, nämlich entweder über Gewinnmaximierung oder Ersparnismaximierung 

 - Nutzenmaximierung lässt sich vermutlich auch besser qualifiziert beschreiben, da es nach vorne gerichtet ist und nicht auf den Mitteleinsatz 

- Nutzenmaximierung passt besser zur Wirklichkeit: Die Autoren folgern aus ihrem Ansatz auf S.21 zu den Zielen des Wirtschaftens ein Optimierungspostulat:" Entscheide in Betrieben stets so, dass mit den vorhandenen knappen Mitteln (Gütern) eine optimale Ausprägung der wirtschaftlichen, sozialen, technischen, ökologischen und unternehmensethischen Ziele (Werte) erreicht wird ." In der Realtiät weiten öffentliche Haushalte ihre Mittel sehr häufig aus. In Unternehmen gibt es dafür die Grundfunktion Finanzierung und es geht gerade nicht darum per se mit vorhandenen Mitteln auszukommen sondern diese entsprechend der Ziele und am unternehmerischen Potential auszurichten.

- es ist kompatibel zu einer Begriffsdefinition vom Betrieb, die nahe am normales Verständnis des Begrifffes ist und

- es kommt zu keinen Widersprüchen in der Systematik bei Unternehmen,  die selbstorganisiert als Zusammenschluß für den Eigenbedarf wirtschaften (Genossenschaften)

- es scheint fruchtbarer in Bezug auf die Nachhaltigkeitsthematik, wie die ersten oben angedeuteten Schlussfolgerungen nahelegen

Zur möglichen Kritik an einem Maximierungsansatz, dass dieser andere Stakeholder zu kurz kommen lässt, gilt die Aussage, dass gute Unternehmensführung grundsätzlich die Achtung der Interessen aller Stakeholder (Mitarbeiter, Lieferanten, Staat, lokales Umfeld) miteinschließt. und im Sinne der Maximierung liegt. Wirtschaft ist gerade kein Nullsummenspiel, sondern kann tatsächlich mit einer Wohlstandsmehrung für alle Beteiligten praktiziert werden, auch wenn es absolut keine Selbstverständichkeit ist, dass genau dies gelingt.

Wirtschaften bei Sicherheit, Risiko und Unsicherheit

Ab Seite 23 befassen sich die Autoren mit dem Thema, dass die BWL oft eine extremale Zielerreichung (Maximierung, Minimierung) propagiere, diese aber in der Praxis nicht erreicht wird und versuchen Alternativen ins Spiel zu bringen wie eine Satisfizierung/Approximation. Sie schlagen vor, dabei  Entscheidungskriterien an den Grad der Informationssicherheit anzupassen, also bei Informationssicherheit zu extremieren, bei Wahrscheinlichkeit diese falls nötig um schwächere Entscheidungskriterien zu ersetzen und bei Unsicherheit in einen allgemeinen Abwägungsprozess überzugehen. Dem stimme ich grundsätzlich zu, siehe meine Anmerkung zu Potential und Wirklichkeit. Hier hätte ich mir einen Hinweis zur neuen Institutionenökonomik gewünscht, die dann im Kapitel zur Unternehmensführung S. 297 des Sammelbandes angesprochen wird.1

Wissenschaftsziel der BWL

Auf Seite 25 führen die Autoren vier mögliche Fokussierungen in der Zielsetzung einer BWL an: 

Sie selbst tendieren zu einer pragmatischen BWL, "die Erkenntnisse über menschliches Handeln als nach außen orientierte Willenstätigkeit zur Verfügung stellen soll". Sie nennen dies Entscheidungsorientierte BWL die sich empirisch überprüfen lassen muss (empirische Geltung) und dadurch zur Realwissenschaft wird. Das korrespondiert mit dem von ihnen oben gewählte Aussage " Es wird die Summe der betrieblichen Entscheidungen über knappe Güter zum Problemkreis der BWL gewählt."  Als weitere mögliche Fokussierungen erwähnen sie ein deskriptives, ein theoretisches und ein normatives Wissenschaftsziel. Letztlich sehe ich hier zwei Pole: Man beschreibt die Wirklichkeit wie sie ist und nimmt sie als gegeben hin, dann wird man kaum zu Aussagen mit Gestaltungskraft kommen oder man macht sich theoretisch Gedanken über ein Ideal für die Wirklichkeit und entwickelt normativen Aussagen und wundert sich dann bei der empirischen Überprüfung überspitzt formuliert, dass sich kein Manager daran hält. Ich tendiere dazu zwei Ebenen auseinanderzuhalten. Also zum einen den Anspruch auf Theoriebildung und normativen Aussagen nicht aufzugeben und bei der empirischen Überprüfung die Wirklichkeit anzuerkennen und Hilfen heranzuziehen, wie sie zum Beispiel die neue Institutionenökonomik bietet aber auch die systemische Organisationstheorie (Bernd Österreich nach Niklas Lumann). Bernd Österreich hebt hier in dem verlinkten Video den Gegensatz zwischen Theorie und Praxis auf. Genau das muss eine gute Theorie leisten. 

Zu einem solchen Ansatz gehört es auch die Praxis inklusive des Menschen als in einem Entwicklungsprozess befindlich zu erkennen und zu berücksichtigen. Ein Beispiel: In der genossenschaftswissenschaftlichen Literatur gibt es über Jahrzehnte einen roten Faden, dass Genossenschaften die Mitgliederförderung nur suboptimal erfüllen (z.B. "Konzeptionelle Überlegungen zu einer Besonderen Betriebswirtschaftslehre der Genossenschaften als Führungslehre" Johannes Blome-Drees (Hrsg.),  Springer Wiesbaden, Handbuch Genossenschaftswesen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-18639-5_5-1 Seite 7:"Berücksichtigt man etwa die Erkenntnisse, die die Genossenschaftslehre in den letzten Jahrzehnten zu ihrem einzig sinnvollen Paradigma – einer Verbesserung der Mitgliederförderung durch genossenschaftliche Unternehmen (Boettcher 1979) – hervorgebracht hat, so stellt man fest, dass sie bisher kaum Eingang in die Genossenschaftspraxis gefunden haben." siehe auch2) Mit Hilfe des Prinzipal-Agenten-Dilemmas lässt sich im Rahmen der neuen Institutionsökonomie opportunistisches Verhalten von Führungskräften, Kontrollgremien und Genossenschaftsmitgliedern erklären. Dennoch muss die genossenschaftliche BWL hier nicht am Gehalt ihrer normativen Aussage zweifeln, dass die Mitgliederförderung geboten ist, sondern kann über die Bedeutung von Kommunikationsprozessen Wege aufzeigen, wie sich nach und nach das Bewusstsein der Akteure und die Wirklichkeit verändern lässt, siehe sowohl die Forschungen von Elinor Ostrom, als auch die Beratungspraxis mit kommunikativen Interventionen von Bernd Österreich siehe  https://kollegiale-fuehrung.de/ .

Dass die Wissenschaft selbst Teil dieser Praxis und dieser Welt ist und sie sie schon durch ihre Untersuchung verändert, sollte sie ebenfalls anerkennen. In der Physik ist das am krassesten in der Quantenphysik deutlich geworden im Doppelspaltexperiment, aber es trifft auch auf uns zu. Ich habe dies zum ersten mal mit Bezug zur BWL bei Blome-Drees (siehe Artikel oben) unter dem Begriff der doppelten Selbstreferenz gelesen. Er schreibt:"Denn gerade in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften besteht eine besondere Notwendigkeit, sich mit der eigenen Rolle als Akteur im Objektbereich auseinanderzusetzen. Diese Notwendigkeit resultiert vor allem aus dem Umstand, dass das Handeln der Akteure im Objektbereich durch Wissen beeinflusst wird und die Wissenschaft einen erheblichen Beitrag zur Verwissenschaftlichung des Objektbereichs geleistet hat."und "Nach dem bisher Gesagten analysiert die Genossenschaftslehre einen Gegenstand, in dem sie selber vorkommt. Sie sollte sich daher mit der Frage beschäftigen, unter welchen Bedingungen sie selbst angewandt wird und welche Auswirkungen dies auf die Genossenschaftspraxis als ihren Objektbereich hat." 

Insgesamt  könnt ehier der Begriff Weggemeinschaft weiterhelfen, sowohl für die Rolle der Wissenschaft als auch für die Betriebswirtschaftslehre als Unternehmenslehre. Unternehmen sind Weggemeinschaften. Im Falle von Aktiengesellschaften der Mitarbeiter und in geweisser Weise auch der Aktionöre, im Falle von Genossenschaften der Mitarbeiter und der Mitglieder. Auch die Forschenden und Lehrenden der Betriebswirtschaftslehre befinden sich letztlich in einer Weggemeinschaft mit denjenigen für die ihre Aussage relevant sind, also den in Betrieben Entscheidenden, letztlich auch die diese Entscheidungen Beurteilenden oder von ihnen Betroffenen.

Schlussbemerkung:

Letzlich ist das ganze Buch als Lehrbuch von 38(!) Professoren geschrieben. Es ist damit an Betriebswirte gerichtet, die damit in der Praxis arbeiten sollen. Dadurch sind die Aussagen vermutlich von den Bedürfnissen des Empfängerkreises geprägt. Wenn die Autoren im 1. Kapitel von einem geistigen Prozess sprechen, haben sie wahrscheinlich künftige Absolventen im Blick, die sich in der Zukunft strukturiert mit konkreten Fragen beschäftigen müssen und eigenständig Antworten entwickeln müssen. Das mag dazu beigetragen haben, einen entscheidungsorientierten Fokus gewählt zu haben und auch die Betriebsdefinition auf Haushalte ausgedehnt zu haben, um möglichst viele Fälle in der Praxis abdecken zu können. Das ist nachvollziehbar, hat aber den Nachteil, dass potentiell alles in Beliebigkeit von  Zielsysteme ausufern kann und Führungskräfte weniger konkrete Orientierung mitbekommen als anderweitig möglich wäre. Hier sehe ich in meinem Ansatz der Unterscheidung von der Orientierung auf Gewinnmaximierung bei Erwerbsunternehmen und Nutzenmaximierung bei bedarfswirtschaftlichen Unternehmen (Genossenschaften, kommunalen Versorgungsunterrnehmen, Stiftungsunternehmen) einen Vorteil. In der Praxis hat sich gezeigt, dass viele Führungskräfte in Genossenschaften sich nicht entsprechend den ökonomisch als sinnvoll belegbaren normativen Zielen verhalten und die allgemeine Betriebswirtschaftslehre zumindest in der Lehre dazu zu wenig Orientierung bietet. Zum Forschungsstand außerhalb meiner eigenen Überlegungen, die ich hier auf dem Blog formuliert habe, kann ich diesbezüglich noch nichts sagen.

Insgesamt eignet sich ein Lehrbuch als Orientierung für Aussagen zur Grundlegung der Betriebswirtschaftslehre nur bedingt und ich müsste wohl eher nach Monographien zur allgemeinen Betriebswirtschaftslehre Ausschau halten. Ob sich jemand daran herangetraut hat? Hinweise nehme ich gerne entgegen.


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1   Kontrastierend dazu wird in "Unternehmensführung - Strategien der Gestaltung und des Wachstums von Unternehmen", von Wolfgang Burr, Michael Stephan, Clemens Werkmeister,Vahlen, München, 2.Auflage 2012,  die neue Institutionenökonomik bereits auf Seite 3 im Kapitel zu den Grundbegriffen der Unternehmensführung berücksichtigt. Auch dort wird das Thema nicht-vollständiger Information und satisfizierende statt maximierende Handlungsergebnisse ansgesprochen unter dem Begriff begrenzte Rationaliät ggü einer vollkommenen Rationalität der Akteure. Auch hier gilt im Zweifel sich nicht zu früh mit zu wenig Rationalität zufrieden zu geben und Normverletzungen und letztlich eine Nichterfüllung eines möglichen Potentials bzw. Ideals Inkauf zu nehmen. Auch dies hat wieder Prozesscharakter.

2Georg Draheim, "Zur Ökonomisierung der Genossenschaften" Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1967, S.40 "Was ist unter der viel besprochenen Entartung [von Genossenschaften] zu verstehen? Ist das Nichtmitgliedergeschäft eine Entartung? Ist die Großgenossenschaft eine Entartung?" und auf Seite  46 zitiert er eine Untersuchung von Gerhard Weisser "Stilwandlungen der Wohnungsgenossenschaften" aus 1953, Verlag Otto Schwarz die "drei Entartungsbehauptungen untersucht: 1. Die Genossenschaften verlieren ihren demokratischen Charakter; die Mitglieder wirken nicht mehr aktiv mit 2. Die Leiter werden vom sogenannten Managergeist erfasst. 3. Das "Dienst"-Motiv verblaßt in den Genossenschaften und sie hören auf, Gemeinschaften zu sein. Aus "Gemeinschaften" im soziolgischen Sinn werden sie zu "Gesellschaften" im soziologischen Sinn."

Neue Grundlegung einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre

Heute beginne ich hier ein Forschungsvorhaben transparent zu machen. 

Die Seite wird laufend aktualisiert werden. 

Es geht darum, Grundaussagen der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre zu formulieren und Schlussfolgerungen daraus abzuleiten. Dabei habe ich das Ziel, diese Wissenschaft besser nutzbar zu machen in einer Zeit mit großen Umbrüchen und sehr viel höheren Ansprüchen an Wirtschaftsunternehmen als noch vor zehn Jahren. Hintergrund ist die Tatsache, dass wir nicht mehr ignorieren können, dass wir als Menschheit an die Grenzen einer verträglichen Nutzung der planetaren Resourcen gekommen sind. Es hat eine globale Klimakrise begonnen hat und durch menschengemachtes Artensterben sind große ökologische Risiken vorhanden. Siehe die Studien des IPCC und des Stockholm Resilience Centre.

Ich werden beginnen mit der Rezension von einigen Standardwerken zur Betriebswirtschaftslehre auf seperaten Posts.

als erstes: Allgemeine BWL Schweitzer/Baumeister

Außerdem werde ich hier Leitfragen formulieren.