Montag, 11. Januar 2021

Folgerungen aus dem Satz von Turing

Als Nicht-Mathematiker über Mathematik zu schreiben, ist vielleicht vermessen. Dennoch mache ich es hier, weil ich den Eindruck habe, dass ein Gedanke, der mir beim Sehen eines Video mit Bezug zum Satz von Turing kam, neu ist. 

Das Video ist Teil einer Videosammlung von Prof. Weitz von der HAW Hamburg zur theoretischen Informatik, einem Teilgebiet der Mathematik. Ich hatte einige der Videos gesehen mit Bezug zur Metamathematik, konkreter dem Hilbertprogramm, also dem Versuch des Mathematikers David Hilbert, Aussagen über die Mathematik mittels mathematischer Methoden zu machen. Gescheitert ist dieses Programm laut Weitz durch den ersten Unvollständigkeitssatz von Gödel. In die gleiche Richtung weist auch der Beweis von Turing zum sogenannten Halteproblem. Zitat Wikipedia: 

"Turingmaschinen sind bis zum heutigen Tag einer der Schwerpunkte der Theoretischen Informatik, nämlich der Berechenbarkeitstheorie. Mit Hilfe der Turingmaschine gelang Turing der Beweis, dass es keine Lösung für das „Entscheidungsproblem“ gibt. Er zeigte, dass die Mathematik in gewissem Sinne unvollständig ist, weil es allgemein keine Möglichkeit gibt, festzustellen, ob eine beliebige, syntaktisch korrekt gebildete mathematische Aussage beweisbar oder widerlegbar ist. Dazu bewies er, dass das Halteproblem für Turingmaschinen nicht lösbar ist, d. h., dass es nicht möglich ist, algorithmisch zu entscheiden, ob eine Turingmaschine, angesetzt auf eine Eingabe (initiale Bandbelegung), jemals zum Stillstand kommen wird, das heißt die Berechnung terminiert. "

Bei Min 13:47 schreibt Weitz " Satz von Turing 1936. Man kann keine Turingmaschine konstruieren, die für jede Turingmaschine und jede Eingabe entscheiden kann, ob die Maschine mit dieser Eingabe terminiert". Terminiert meint, dass das Programm, für das die Maschine fest programmiert wurde, zu einem Ende findet statt endlos weiterzulaufen. Bei Minute 19:37 folgert er: "Es kann kein Programm geben, das für jedes beliebige Programm und jede Eingabe korrekt entscheiden kann, ob das Programm mit dieser Eingabe terminiert."

Weitz spricht von "dem zweiten Wirkungstreffer, nach den Gödelschen Unvollständigkeitsätzen, den das Hilbertprogramm einstecken musste". Im gleichen Video sagt er bei 14:00 die "wesentliche Beweisidee, die Turing dafür brauchte, war neben der Gödelisierung Cantors Diagonalisierung.

Ich behaupte jetzt, dass daran deutlich wird, dass Mathematiker bis dahin und vielleicht auch noch heute nicht vollständig klar war oder ist, dass Beweise bei ihrer Generierung sich nicht vollständig formalisieren lassen. Ihr Ergebnis lässt sich zwar formalisieren, nicht aber der kreative Teil, die Beweisidee(n), die ihm zugrunde liegt/liegen bzw. die verwendet wurde(n), um die Formalisierung des Beweises zu erreichen. Es geht mir nicht darum Mathematiker zu kritisieren, sondern darum, zu inspirieren, den nächsten Schritt zu gehen. Oder vielleicht erst einmal darum, zu sehen, dass man hier genauer begreifen müsste, was einen Beweis ausmacht. Ein Beweis ist eben nicht nur Logik, sondern auch Annehmen was ist, anschauen was ist, Möglichkeiten und mögliche Zusammenhänge entdecken, ausprobieren, gestalten. Eigentlich weiss das jeder, aber wir laufen dennoch Gefahr es zu vergessen und begreifen vielleich noch nicht die Konsequenzen.

Wenn ich recht hätte, gäbe es keinen abgeschlossen, zeitlosen, statischen Ideenraum, sondern dann wären Mathematiker mit ihrer Kreativität auch im Bereich der abstrakten metyphysischen Ideenwelt ein lebendiger Teil dieser. Dies wäre analog zur Erkenntnis der Physik, dass der Beobachter das Ergebnis beeinflusst wie zum Beispiel beim Doppelspaltexperiment der Quantenphysik oder wie in der Sozialwissenschaft mit deren doppelten Selbstreferenz.

Weitz sagt an einer Stelle, dass Mathematiker auch heute in ihrer Forschungspraxis davon ausgehen, dass ihre Arbeit Sinn macht, obwohl es die Unvollständigkeitssätze gibt und Weitz spricht oben zum Beispiel ebenfalls von der "wesentlichen Beweisidee". Aber soweit Mathematiker es noch als ein "einstecken müssen" empfinden, dass der Satz von Turing stimmt, zeigt das, dass für sie die theoretische Vorstellung attraktiv war, einen Algorithmus bzw ein Programm zu konstruieren, das alle anderen denkbaren Programme beurteilen kann bzw. enthält. Intuitiv leuchtet es ein, warum das nicht geht. Wenn es einen kreativen Anteil an einem Beweis gibt und es gäbe einen Beweis, der alle anderen enthielte, müsste er auch alle kreativen Anteile dieser Beweise enthalten. Damit wäre die Kreativät begrenzt und statisch statt offen und dynamisch. Spekulativ würde ich sagen, wenn dies theoretisch denkbar wäre, dann könnte es kein Universum und kein Leben geben, da es sich nie aus seiner ersten Idee, seiner ersten Geschlossenheit heraus hätte weiter kreieren bzw. differenzieren können. 

Was wäre der nächste Schritt, den Mathematiker gehen können? Wenn man sich darauf einlässt, dass man Teil eines kreativen intelligenten Bewusstseins ist, das sich weiterentwickelt und dabei über die physische Welt hinaus geht, wäre man Teil einer metaphysischen Weggemeinschaft und gleichzeitig deren irdische Manifestation. In der Praxis würde es für viele Mathematiker vielleicht keinen Unterschied machen, weil sie sowieso schon einen Zugang zu ihrer Kreativität haben, aber es könnte noch einmal motivieren und fokussieren sie interessessierende Projekte anzugehen und sich dabei vielleicht mehr mit allem anderen Wissenschaften und allem, was es sonst so gibt, verbunden zu fühlen bzw. um die Verbindung zu wissen.

Donnerstag, 7. Januar 2021

Es ist nicht nur China, das besser durch die Covid-19-Pandemie kommt

Situation

China hat es bisher geschafft, die Zahl der Infektionen niedrig zu halten. Nach meinem Eindruck gelang dies durch rigorose staatliche Quarantänemassnahmen zu Beginn der Erkrankungswelle und hoher Selbstdisziplin der Bevölkerung. Mittlerweile zeigt sich, dass Deutschland nicht als Beispiel herhalten kann, dass dies auch einem westlichen Land gelungen ist. Man könnte meinen, dass der entscheidende Grund für das bessere Abschneiden Chinas dessen autoritäres Regierungssystem ist und dies deshalb im Westen bzw. in Demokratien nicht möglich ist. Schaut man sich aber andere asiatische Länder an wie Japan, Südkorea oder Thailand, sind auch dort die Infektionsraten niedrig. 

siehe https://www.corona-in-zahlen.de/weltweit/

Ich habe einmal das arithmetische Mittel berechnet der Infektionsraten der westlichen Ländergruppe USA, Canada, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien und der asiatischen Ländergruppe China, Japan, Südkorea, Thailand (d.h. nicht gewichtet nach Anzahl Bevölkerung). Die Infektionsrate im Westen liegt bei 3,67% im Osten bei 0,09%. Das heißt im Westen ist die Infektions 40,8 mal so hoch wie im Osten per heute!

Folgerungen

Ich vermute, dass es im Osten eine höhere Selbstdisziplin quer durch die ganze Bevölkerung gibt und dass dies mit einer anderen Auffassung damit zu tun hat, wie das Verhältnis von Individuum zu Gesellschaft auszubalancieren ist. Im Westen gibt es nach meinem Eindruck ein viel stärkeres indivdualistisches Selbstverständnis, im Osten ein kollektivistisches. 

Ich glaube nicht, dass es dabei darum geht, jetzt unsere Auffassung zu verwerfen und das asiatische Verständnis sich zum Vorbild zu nehmen, sondern überhaupt erst mal zu erkennen, dass dieser Unterschied ein Faktor sein kann, der die Wirklichkeit prägt. Auch beim Klimanotstand macht es einen großen Unterschied, ob wir das Austarieren von individuellen Zielen und das Gesamtwohl hinbekommen. Ich denke Covid-19 hilft den Menschen im Westen sich zu veranschaulichen, dass sie beides sind, Individuen und Kollektivwesen und dass es einen Unterschied macht, ob sie nur das eine leben oder beides.

Vielleicht bekommen wir nach und nach global eine gute Synthese hin von Individualismus und Kollektivismus, in dem wir uns immer mal wieder gegenseitig inspirieren in die eine oder andere Richtung. Diese Vorstellung gefällt mir besser als die Vorstellung, die eigene Weltauffassung sei anderen grundsätzlich überlegen und das würde sich auch nicht ändern. Dass passt zu meinem bereits früher geäußerten Gedanken, dass wir als Menschheit eine Weggemeinschaft sind.


Donnerstag, 3. Dezember 2020

Mehr bedarfsdeckende Unternehmen als Teil einer nachhaltigen, lebenswerten Zukunft

Inspiriert von zwei Gesprächen mit Harald Welzer (Sozialpsychologe, Leiter von Futurzwei) zu positiven Entwürfen für eine nachhaltige Gesellschaft fiel mir auf, dass die genossenschaftliche Betriebswirtschaftslehre (BWL) Teil dieser nachhaltigen, lebenswerten Zukunft sein kann, ja sogar die gesamte bedarfswirtschaftliche BWL in Ergänzung zu einer ertragswirtschaftlichen d.h. gewinnmaximierenden BWL. Dies liegt daran, dass, wenn statt Gewinnmaximierung Nutzenmaximierung zum Entscheidungskalkül wird, nicht mehr ein immer mehr = immer besser gilt, sondern die Haushaltsperspektive eingenommen wird, nämlich einen definierten Nutzen mit möglichst wenig Mitteln zu erreichen. Global gesehen sind wir ein gemeinsamer Haushalt mit allen Lebenwesen als Mitglieder dieses Hauhaltes und wir müssen bei unserem Handeln das Wohlergehen und die Rechte aller Lebewesen auf Existenz im Blick haben, als auch die Begrenztheit unserer Haushaltsmittel. In der bedarfsorientierten BWL wird das wirtschaftliche Minimalprinzip statt dem Maximalprinzip  angewendet. Statt die volle Kaufkraft der Käufer über Werbung, Verkaufsförderung und Marketing möglichst maximal auszuschöpfen, bedeutet bedarfswirtschaftliche BWL zu sehen, dass das Gros der Bedürfnisse bei allen Menschen sehr ähnlich ist und über effiziente Wirtschaftsunternehmen ressourcenschonend gedeckt werden kann. Dabei kann mit Unternehmen der gleichen Branche kooperiert werden, statt dass mit ihnen konkurriert wird und da bei der Preisbildung diese Kooperation nicht zur Kartellbildung genutzt wird, um die Preise zu erhöhen, muss auch ein Bundeskartellamt als Wettbewerbsbehörde hier nicht eingreifen. Dabei sind solche Wirtschaftsunternehmensformen auch potentiell offen für die flexible Mitarbeit von Kunden und im Falle von Genossenschaften Mitgliedern, ohne davon abzuhängen. Die Potentiale der Anwendung einer bedarfswirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre in Genossenschaften, öffentlich-rechtlichen Unternehmen, Unternehmen von kirchlichen und anderen gemeinnützigen Trägern, aber auch von ganz oder teilweise gemeinnützig ausgerichteten Unternehmen ist erst am Beginn ihrer Entfaltung. Hierzu trägt möglicherweise auch die Nachfrage von nachhaltigen Geldanlagefonds und Banken wie der ökologisch ausgerichteten Genossenschaftsbank GLS bei, die dazu führen könnte, dass sich nachhaltige Aktiengesellschaften herausbilden, die sich konsequent und glaubwürdig nachhaltig und vielleicht sogar bedarfswirtschaftlich statt gewinnmaximierend ausrichten. Dazu müsste nicht die Gewerbefreiheit aufgegeben werden und erst recht keine Verstaatlichung von unternehmerischem Eigentum stattfinden, wie das zur Zeit in Berlin für Wohnungsunternehmen diskutiert wird, siehe https://www.tagesspiegel.de/berlin/spd-und-gruene-legen-abneigung-ab-berliner-koalition-will-ueber-enteignung-von-immobilienkonzernen-verhandeln/26677160.html . Es wäre auch denkbar, dass nach dem Vorbild des norwegischen Staatsfonds mehr Länder Staatsfonds einrichten, die sich an solchen Unternehmen beteiligen.

Die Unterscheidung von bedarfswirtschaftlichen Unternehmen und ertrags- oder erwerbswirtschaftlichen hatte ich zuerst bei Max Weber gefunden, siehe https://liberalundkooperativ.blogspot.com/2020/10/verbluffende-erkennntis-gefunden-bei.html

Dienstag, 20. Oktober 2020

Wohnungsbaupolitik Zürichs mit Vorbildfunktion für deutsche Metropolen?

Im Programm Wohnen der Stadt Zürich in der aktuellen Fassung von 2017 heißt es:: 

"Stoßrichtungen:

I. Mehr gemeinnütziger und preisgünstiger Wohnungsbau

Die Stadt Zürich setzt auf die Bereitstellung preisgünstiger Wohnungen durch gemeinnützige Wohnbauträgerschaften mit dem Prinzip der Kostenmiete, deren Anteil sie gemäss dem in der Volksabstimmung vom 27.11.2011 angenommenen Grundsatzartikel in der Gemeindeordnung bis zum Jahr 2050 auf einen Drittel der Mietwohnungen ausbauen soll.

Massnahmen

1. Die Stadt kauft auch in Zukunft Bauland beziehungsweise Häuser für den kommunalen Wohnungsbau und für die günstige Abgabe an andere gemeinnützige Wohnbauträgerschaften zum Richtlinienlandwert. Dabei strebt sie unter dem Strich einen Ausbau des gemeinnützigen Portfolios an. (Liegenschaftenverwaltung)"

Hervorzuheben ist dabei der Bezug zur Kostenmiete. Obwohl dies bei Wohnungsgenossenschaften auch in Deutschland eine Selbstverständlichkeit sein sollte, ist es dies in der Praxis nicht. Oft gibt es in der ein oder anderen Form eine Orientierung an lokalen Mietenspiegeln.

Würden auch deutsche Metropolen dieses Prinzip anwenden, könnte damit ein Teil des Wohnungsbedarfs komplett dem Markt entzogen werden, ohne sinnvolle Investionen in die Bausubstanz zu gefährden, wie dies durch die Mietobergrenzen im Rahmen des "Mietendeckelsgesetzes" aktuell in Berlin riskiert wird. Sie müssten dazu aber die beteiligten Unternehmen zum Selbstkostenprinzip verpflichten.

Die Zielformulierung der Wohnpolitik wurde der Bevölkerung Zürichs 2011 zum Entscheid vorgelegt und  angenommen. Zur Kostenmiete heist es darin "Sie [die Stadt Zürich] sorgt dafür, dass sich die Zahl der Wohnungen im Eigentum von gemeinnützigen Wohnbauträgerinnen oder Wohnbauträgern, die ohne Gewinnabsichten dem Prinzip kostendeckender Mieten verpflichtet sind, stetig erhöht." siehe Seite 30 in der Masterarbeit von Martin Broder "Umsetzung des Volksentscheides der Stadt Zürich von 2011 für
‚Bezahlbare Wohnungen für Zürich‘ Eine Standortbestimmung sowie die Untersuchung von möglichen Massnahmen und Risiken der angestrebten Ziele bis 2050"

Um das Potential der Zürcher Wohnbaupolitk für deutsche Metropolen angemessen beurteilen zu können, braucht es jedoch einen genaueren Blick, der so arbeitsintensiv ist, dass ich ihn hier nicht leisten kann. Soweit zeigt sich jedoch, dass sich eine genauere Analyse lohnen würde. Sie sollten sowohl Bezug nehmen auf die kritischen Fragen der hier verlinkten Masterarbeit von Martin Broder, auf den aktuellen Bericht des Zürcher Stadtrates zur Zielerreichung vom September 2020 und auf die Betrachtung grundlegender statistischer Größen wie Baupreisentwicklung, Bautätigkeit und Mietzinsentwicklung. Sie sollte auch eine aktuelle Literaturrecherche beinhalten und Interviws mit beteiligten Wohnungsunternehmen und Mitarbeitern der Stadt Zürich.


Sonntag, 18. Oktober 2020

offener Brief an Prof. Norbert Lammert, Bundestagspräsident a.D., eine Rundumbetrachtung

aktualisiert um 13:05
 
Sehr geehrter Prof. Lammert,

ich habe gerade das Ende Ihres Interviews in 3Sat mitbekommen. Sie sagen, für eine wirkungsvolle Partei sei es entscheidend, die Pole Stabilität und Veränderung gleichermassen zu integrieren. Das passt gut zu dem

Riemann-Thomann Modell und seiner Anwendung auf Gruppen

siehe:

https://www.google.com/search?q=riemann+thomann+modell&client=firefox-b-d&sxsrf=ALeKk01RnryJyXwpcJiHcOkopKUo4Ywc_Q:1603014134698&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=2ahUKEwjU7cWA7b3sAhULJBoKHTB0BLsQ_AUoAXoECCQQAw&biw=1600&bih=786#imgrc=LlQVP1PsqefAYM

und https://de.wikipedia.org/wiki/Riemann-Thomann-Modell

Hier wird deutlich, dass es ein zweite Achse gibt, Nähe und Distanz, also in Beziehung gehen und Unabhängigkeit.

Politisch-gesellschaftlich und in Bezug auf wirkmächtige Parteien bedeutet das, sich den Polen von Globalisierung und lokaler Gemeinschaft zu stellen. Dies erklärt, warum in Europa in so gut wie allen Staaten neue konservative Parteien entstanden sind und die CSU da vergleichsweise gut wegkommt als Regionalpartei. Global governance, verstanden aus der Notwendigkeit, in einer zusammenwachsenden Welt globale Antworten zu finden, wie beim Regeln der Finanzwirtschaft, beim Klimanotstand und dem Artensterben, muss zusammengeführt werden mit dem Erhalt einer lokalen Gemeinschaft.

Ich habe diese Woche für mich die Tiefe des Begriffes Weggemeinschaft entdeckt. Sie lässt sich auf Lebenspartnerschaften anwenden, auf Genossenschaften, auf Staaten, auf die EU und die Menschheit als Ganzes. Gemeinschaften finden sich im obigen Modell im linken oberen Quadranten, also mit einem Schwerpunkt auf Stabilität und In-Beziehung-Gehen. Formuliert als Weggemeinschaft ist ihnen aber eine Entwicklung mitgegeben, ziemlich genial wie ich finde. Gefunden hatte ich den Begriff Weggemeinschaft in einem Essay des Internet-Männerforum der evangelischen Kirche Norddeutschlands
 
Auf welchem Weg ist die Menschheit als Ganzes? Entwicklungspsychologisch verstanden waren Kriegszeiten Zeiten des Sich-Behauptens und des Kräfte Austestens, des Heranswachsens. Die meisten Hollywood Filme werden noch von Männern gemacht. Der Held ist ein Kämpfer, der sich behaupten muss. Die Frau die Belohnung. Am 16.10 lief auf ARTE eine andere Art Film "Take this waltz" von der Kanadierin Sarah Polley als Regisseurin und Hauptdarstellerin. Es geht darin darum, Ängste zu erkennen, sie hinter sich zu lassen und in Beziehung zu gehen mit allen. Die Frau war die Heldin in ihrer Entwicklung und konnte die ganze Komplexität ihres Denkens und Fühlens zeigen, ihre Versuche gut zu handeln, andern gegenüber aber auch sich selbst gegenüber. Ich glaube, wir sind dabei das Stadium der Konkurrenz, des Kampfes, des Jagens hinter uns zu lassen und in das Stadium einzutreten des In-Beziehung-Gehens von mit uns selbst bis zu allen Lebewesen auf diesem Planeten. Warum spreche ich das Jagen an? Ballsportarten wie Fussball, American Football sind immer noch sehr beliebt. Es lohnt sich für Poltikerinnen sich bei wichtigen Spielen zu zeigen. Diese Beliebtheit  wurde von Evolutionspsychologen damit erklärt, dass es die Jäger-Gemeinschaft nachbildet und erlaubt, sie auszuagieren oder an deren Energie als Zuschauer teilzuhaben. In Zeiten von Corona fällt das Interesse deutlich ab, es ist unklar, ob es sich danach wieder gleich hoch einstellen wird. Irgendwie ist die Luft ein Stück weit raus. Wettkampfsport, das Sich-Vergleichen und In-Konkurrenz-Gehen, ist nicht mehr das A und O. Es kommt in Zukunft mehr darauf an, mit dem Ganzen in Einklang zu sein und seine Kräfte weise einzusetzen und ganzheitlich, individuell und gemeinsam, schönes, gutes und richtiges zu gestalten und sich daran zu erfreuen.
 
Ganz konkret, warum kann es sein, dass in der EU Produkte von Tieren verkauft werden dürfen, die keinen einzigen Tag in ihrem Leben den freien Himmel und die Sonne gesehen haben? Es müsste eine EU-Richtlinie geben, die vorschreibt, dass nur Produkte von Tieren verkauft werden dürfen, die täglich die Möglichkeit zu einem Aufenthalt im Freien hatten. Die EU-Agrarpolitik erwähnt Tiere in ihren Zielen nicht einmal. https://ec.europa.eu/info/food-farming-fisheries/key-policies/common-agricultural-policy/cap-glance_de Auch Tiere haben legitime Anliegen, die wir in unser Handeln integrieren sollten. Die EU sollte dafür Bürgerinnenversammlungen (citizen assemblies) nutzen, wie es Extinction Rebellion bereits für die Klimakrise fordert und die EU selbst bei übergeordneten Fragen bereits austestet.

Es ist Zeit, dass die Menschenheit ins Erwachsenenalter eintritt. Wir sind so groß geworden, dass wir sonst den Planeten mit seinen endlichen Ressourcen und als Lebensraum für sehr viele andere Lebewesen an die Wand fahren. Dazu ist es hilfreich, individuell und kollektiv, die Dimensionen Veränderung, Stabilität, In-Beziehung-Gehen und Unabhängigkeit zu integrieren.

freundliche Grüße

Frank Giebel
http://liberalundkooperativ.blogspot.com/

Es gibt zum Optimismus keine vernünftige Alternative. Karl Popper.

Wenn Deine Aufmerksamkeit auf das Ergebnis fokussiert ist, bist Du nicht mehr im Prozesss. Aber wenn Du im Prozess bist, wird sich das Ergebnis sicher einstellen. Deepak Chopra

Not everything that is faced can be changed; but nothing can be changed until it is faced. —James Baldwin

Montag, 12. Oktober 2020

ökologische Marktwirtschaft mittels unterschiedlicher Umsatzsteuersätze

Zur Transformation des Wirtschaftssystems in Deutschland und Europa hin zu einer ökologisch-sozialen marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung schlage ich vor, Preisbeeinflussungen vorzunehmen durch unterschiedlich hoch ausgestaltete Umsatzsteuersätze für unterschiedliche Produktgruppen. Diese sollten sich danach richten, wie nachhaltig die Herstellung und der Verbrauch der jeweiligen Produktgruppen sind.

Dabei schlage ich ein stufenweises Anpassungsystem mit einem 5-Jahreszeitraum vor, um Produzenten die Möglichkeit zu geben, sich den steuerlichen Faktoren anzupassen und ihre Produktion auf nachhaltigere Produkte und Verfahren umzustellen. Es ist darauf zu achten, dass der Fiskus genug Geld einnimmt, aber nicht zu viel Kaufkraft abschöpft. Gegebenfalls muss nachgesteuert werden, ohne die Steuerungswirkung ggü. der Nachhaltigkeit zu vernachlässigen. Losbasierte Bürgerräte sollten in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.

Konkrete Beispiele            

Produktkategorie  /  Jahr 2021  /  nach 5 Jahren

pflanzliche Biolebensmittel   /   0%   /   5%

tierische Biomilch u.ä.  /   5%  /   7% (wie jetzt)

Biofleisch  / 10%  /  20%

pflanzliche Lebensmittel /  7% (wie jetzt)  / 15%

Milch   /  8%  /  20%

Fleisch    /   10%  /   30%-40%

Flugbenzin (zur Zeit 0%) /  25% /   50%

Schiffsdiesel (zur Zeit 0%?)   /  5%  /  25%

Es ist dabei auch zu untersuchen inwieweit Kosten für eine stufenweise sich erhöhende CO2 Abgabe bereits preistreibend wirken.


Einordnungsvorschläge für Potentiale nachhaltigen Wirtschaftens

Mir wurde gestern ein Kapitel ab Seite 52 aus dem Buch von Walter Kahlenborn / Jens Clausen / Siegfried Behrendt / Edgar Göll (Hg.) "Auf dem Weg zu einer Green Economy - Wie die sozialökologische Transformation gelingen kann" zur Lektüre empfohlen. 

Es kann kostenlose hier heruntergeladen werden.

Die Autoren schlagen drei Transformationswege hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft vor:

Effizienz, Konstistenz und Suffizienz. 

Nach meinem Verständnis bedeutet Effizienz planetare Ressourcen deutlich effizienter als bisher einzusetzen. Konsistenz bedeutet, sie im Einklang mit der Gesamtsituation einzusetzen. Suffizienz bedeutet, sich dabei mit dem zu begnügen, was man wirklich braucht.

Zu Effizienz ist eine Marktwirtschaft grundsätzlich in der Lage. Es ist sozusagen systemimmanent.

Konsistenz lässt sich mit einer ökologischen Marktwirtschaft erreichen. Dazu benötigt es allerdings nach meiner Erfahrung Bürgerinnenversammlungen als gängige Praxis, um den Einfluss von Lobbygruppen von gewinnorientierten Unternehmen auszugleichen und sicherzustellen, dass zum Beispiel die Emissionen von CO2 ausreichend hoch bepreist wwerden.

Näheres zu Bürgerinnenversammlungen findet sich bei Mehr Demokratie eV und extinction rebellion

Suffizienz korrespondiert gut mit Unternehmen, die nicht auf Erwerb und Gewinnmaximierung ausgerichtet sind, sondern auf Versorgung mit Grundbedürfnissen. Siehe zum Beispiel die Unterscheidung von Max Weber zu Erwerbswirtschaft und Bedarfswirtschaft. Genossenschaften sind nach meinem Dafürhalten beispielsweise die ideale bedarfswirtschaftliche Unternehmensform für die Grundversorgung mit Wohnraum, der ein sehr relevanter Sektor beim Klimaschutz darstellt. Dennoch ist die Unternehemensform allein kein Garant, dass sich eine passende Praxis herausstellt.  Großgenossenschaften können aber wie Gesellschaften insgesamt über das Pendant von Bürgerinnenversammlungen als Mitgliederjurys ihrem Potential gerecht werden.

Insoweit lassen sich alle drei Bereiche Effizienz, Konstistenz und Suffizienz potentiell innerhalb unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung verwirklichen. Man muss also nicht auf Errungenschaften wie die Gewerbefreiheit und die freie Wahl der Unternehmensform verzichten. 

Dennoch halte ich es noch ein weiten Weg hin zu eine nachhaltigen Praxis zu finden. Ob die Zeit dafür reicht, dass die Gesellschaften Staaten und Unternehmen, Menschen sich in diese Richtung wandeln, bleibt abzuwarten. Sonst käme es, wie die Autoren pointiert formulieren, zu einer Transformation by Desaster statt einer Transformation by Design (Seite 52). So oder so sind wir Menschen eine Weggemeinschaft.

Mein Forschungsinteresse liegt auf der Betriebswirtschaftslehre. Wenn diese anerkennt, dass sie zwei Säulen hat als Unternehmenslehre, eine ertrags-/erwerbswirtschaftliche/gewinnorientierte und eine subsistente/bedarfswirtschaftliche/nutzenorientierte, dann kann sie weiterbestehen bzw. auf dieser Basis weiter entwickelt werden.