Samstag, 31. August 2019

Was passiert, wenn Genossenschaften sich wie Stiftungen verhalten?

Dass es in der Praxis dazu kommen kann, dass Genossenschaften sich wie Stiftungen verhalten, ist nicht weiter verwunderlich. Nehmen wir mal an, es gäbe eine Stiftung, die ein großes Portofolio von Wohnungen verwaltet, dass sie allen denjenigen zugute kommen lässt, die dem Förderziel der Stiftung entsprechen. Ist man vom Ziel der eigenen Stiftung fest überzeugt und will man sie in ihrem Wirken langfristig erhalten, ist es wichtig und richtig, darauf zu achten, dass der Wohnungsbestand in einem guten bis sehr guten Zustand erhalten wird und dass genügend Mieteinnahmen erzielt werden, um alle Kosten der Wohnungensinstandhaltung und der Verwaltung zu decken und in der Lage zu sein, in die Jahre gekommene Wohnhäuser falls notwendig durch neue zu ersetzen, sowie auch zusätzliche Häuser zu bauen, sollte das Teil des Stiftungsziels sein. Es ist dann verantwortlich absolut sicher zu gehen, dass keine Wohnungen zu günstig vermietet werden, um die Substanz der Stiftung nicht zu schmälern. Umso mehr Substanz aufgebaut wird, umso besser ist dies für die zukünftigen Möglichkeiten der Stiftung, wohltätig zu wirken. Solange die Mieten für die Mieter gut finanzierbar sind und die Wohnungen in einem guten Zustand sind, sind die Mieter zufrieden und freuen sich Begünstigte der Stiftung zu sein. Sie sind der Stiftung und ihren Repräsentanten wohl gesonnen. Sie vertrauen der Geschäftsführung und wünschen sich die Fortsetzung dieser Entwicklung für die kommenden Jahre.

In einer Genossenschaft ist die Situation etwas anders gelagert. Ziel einer Genossenschaft im Bereich Wohnen ist die wirtschaftliche Förderung der Mitglieder durch die Bereitstellung von Wohnungen in guter Qualität zu Nutzungsentgelten so niedrig wie möglich und so hoch wie nötig. Da die Mitglieder gemeinsam Eigentümer des Unternehmens sind, sind sie zugleich Mitunternehmer und eine Wohneigentümergemeinschaft. Sie zahlen keine Miete sondern Nutzungsentgelte, die sich danach richten wie hoch die Kosten der Bewirtschaftung für Bau, Erhalt und Bewirtschaftung der jeweiligen Wohnanlage sind. Gerade in Wohnungen, die schon lange genutzt werden und deren Herstellkosten abgeschrieben sind oder bei einem Bruchteil dessen lagen, zu dem heute gebaut werden kann,  kann dies bedeuten, dass die "Kostenmiete" deutlich unter dem liegt, was Mietern am freien Wohnungsmarkt für solche Wohnungen abverlangt wird, die nicht zugleich Eigentümer innerhalb einer Genossenschaft sind. Da im Gegensatz zu einer Stiftung es in einer Genossenschaft darum geht, die Mitglieder wirtschaftlich zu fördern und es kein weiteres rang-gleiches Ziel gibt, gilt der Grundsatz, dass dieses Ziel bestmöglich zu erfüllen ist, im Rahmen der allgemein anerkannten Prinzipien guter Unternehmensführung, nach der ein Unternehmen sich immer auch als guter Arbeitgeber und verantwortlich handelnder Akteur im öffentlichen Gemeinwesen und gegenüber der Umwelt verstehen sollte. In der Praxis kann dies bedeuten, dass Wohnungsgenossenschaften ältere Wohnungen oft zu Nutzungsentgelten anbieten, die weit unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Diese Genossenschaften sind dann gewinnorientiert mit dem Fokus auf eine Nutzenmaximieung für ihre Mitglieder statt im Sinne der Substanzmaximierung einer Stiftung.

Beide Unternehmensformen können verantwortliches wirtschaftlichen Handeln bedeuten, sind aber in ihren Auswirkungen deutlich unterscheidbar.

Falls Genossenschaften aufgrund von Dyamiken lebendiger Organisationen sich über lange Zeit hin zu Unternehmen mit Stiftungscharakter entwickelt haben oder weiter entwickeln, ist dies empirisch eine Entwicklung, die in den Wirtschaftswissenschaften im Feld der neuen Institutionenökonomik seit Jahrzehnten bekannt ist und erforscht wird (siehe zum Beispiel das  Prinzipal-Agenten-Dilemma, siehe  https://de.wikipedia.org/wiki/Prinzipal-Agent-Theorie  ). Fällt so eine Entwicklung auf, ist dies immer eine Einladung, sich darauf zu besinnen, welches Potential in der einmal gewählten Unternehmensform steckt und sich daran zu machen, dieses zu heben.

Donnerstag, 29. August 2019

Genossenschaftliches Miteinander

Wenn Sie diese 15 Grundsätze beherzigen, zünden Sie die nächste Stufe in der Entwicklung Ihrer Wohnungsgenossenschaft


15 Grundsätze für das Genossenschaftliche Miteinander in Wohnungsgenossenschafen

1. Wir reden lieber miteinander statt übereinander.

2. Wir sprechen alle wichtigen Aspekte bei anstehenden Entscheidungen an und ermöglichen so jedem Mitglied, sich ein gründliches Bild der Gesamtlage und von Einzelprojekten zu machen und so seine Rolle und Funktion als Mitunternehmer im Rahmen seiner/ihrer Möglichkeiten ausfüllen zu können.

3. Wir haben grundsätzlich Vertrauen in den guten Willen unserer Mitglieder, unsere Genossenschaft auch in Zukunft weiter erfolgreich zu betreiben und dabei nicht nur die eigenen Interessen zu sehen, sondern die gemeinsamen Interessen wahrzunehmen und unser gemeinsames Handeln daran auszurichten.

4. Wir bemühen uns, Sachzusammenhänge kurz und prägnant zu beschreiben und möglichst lösungsorientiert zu denken und zu arbeiten, um die verfügbare Zeit effizient zu nutzen.

5. Die Vertretung unserer Genossenschaft nach außen überlassen wird dem Vorstand und diskutieren Änderungesvorschläge nur intern miteinander. Andere Meinungen sehen wir als Bereichung und gehen aktiv aufeinander zu, um mehr über die Meinung des/der anderen zu erfahren.

6. Wenn uns etwas stört, werten wir einander nicht als Person ab, sondern erklären, was uns an einem bestimmten Verhalten belastet und formulieren Änderungsvorschläge.

7. Bei unterschiedlichen Auffassungen, insbesondere zu wichtigen Grundfragen der Unternehmenspolitik und zu wichtigen Projekten, versuchen wir gemeinsam zu Lösungen zu kommen, die die Interessen aller berücksichtigen, die von den Entscheidungen betroffen sind.

8. Bei Meinungsunterschieden greifen wir auf das Bewusstsein zurück, was unser gemeinsamens Ziel ist, die wirtschaftliche Förderung unserer Mitglieder durch die Versorgung mit Wohnungen in guter Qualität in der Metropolregion Hamburg zu Nutzungsgebühren so niedrig wie möglich und so hoch wie nötig.

9. Jeder ist bei uns grundsätzlich eingeladen, sich nach seinen/ihren Möglichkeiten einzubringen. Es gibt dabei Unterschiede und Grenzen zwischen Aufbauorganisation (Mitarbeitern) und Ehrenamt.

10. Ehrenamtlich Engagierte haben unterschiedlich viel Zeit zur Verfügung. Jeder bringt sich soweit ein, wie es ihm seine Zeit erlaubt. Wir versuchen dabei, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Insoweit sind zum Beispiel schriftliche Kommunikation untereinander per email in der Regel Angebote, Dinge zur Kenntnis zu nehmen, beinhalten aber keine Verpflichtung dies zu tun.

11. Da Kommunikationsvorlieben und Kommunikationsfähigkeiten unterschiedlich sind (zum Beispiel mündlich oder schriftlich), befürworten wir grundsätzlich die Nutzung mehrerer alternativer Kommunikationswege, deren Nutzung die Mitglieder und Organe nach eigenem Gutdünken und in Absprache miteinander gestalten. Als Organisation versuchen wir durch einen geeigneten Rahmen hier viel selbstorganisierte Vernetzung grundsätzlich zu ermöglichen (Vertreterliste, Onlineforum, Leserbriefe, Artikel in "bei uns", frei Nutzung der Nachbarschaftstreffes, Ermöglichung von Aushängen in Häusern, eigene im Geschäftsbericht veröffentliche Genossenschafts-E-mail für Aufsichtsräte ermöglichen), neben den Angeboten, gemeinsam und unter der Schirmherrschaft von Vorstand und Aufsichstrat ins Gespräch zu kommen.

12. Als Wirtschaftsunternehmen gibt es bei allen gewollten Beteiligungsmöglichkeiten als Mitglied, Vertreter/in, Aufsichsrat eine unverzichtbare, vom Vorstand geführte Aufbauorganisation mit festen Mitarbeitern, die die Geschäfte geordnet plant und ausführt und zusammen mit dem Aufsichtsrat auf Basis der Satzung verantwortet. Über Grundsatzfragen entscheidet dabei bei Bedarf auch über Satzungsänderungen die Vertreterversammlung. Sie ist das wichtigste Organ unserer Genossenschaft.

13. Als lebendiges Unternehmen interessieren wir uns dafür, wo wir herkommen und achten und respektieren unsere Ursprünge und entwickeln unser Unternehmen sorgsam und fürsorglich gemeinschaftlich und kooperativ weiter. Wir verweigern uns Veränderungen nicht grundsätzlich, sondern prüfen Änderungsimpulse sorgfältig und fassen sie als konstruktive Beiträge auf und integrieren sie in gemeinschaftlich getragene Veränderungen im Sinne unserer Ziele.

14. Dem Aufsichstrat kommt hierbei als Interessenvertretung der Mitglieder gegenüber dem Vorstand eine besondere Verantwortung zu. Neben der Begleitung des operativen Geschäfts durch Kontrolle und Beratung des Vorstandes legt der Aufsichtsrat deshalb sein besonderes Augenmerk auf die Formulierung der Grundaspekte der Unternehmensstrategie bzw. der Unternehmenspolitik zum Beispiel mit Hilfe von Leitsätzen für die Bereiche Bauen, Wohnen und gegebenenfalls Sparen. Er ist gemeinsam mit dem Vorstand aktiv beteiligt an der Formulierung und Fortschreibung der Unternehmensstrategie und sucht dazu auch das Gespräch mit interessierten Mitgliedern und Vertretern/innen.

15. Soweit in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden, sehen wir sie als die damals im besten Wissen und Gewissen von unserer Organisation getroffenen Entscheidungen an und als sinnvolle Schritte des Lernens. Wir Mitglieder streben gemeinsam zu besseren Lösungen und gestalten gemeinsam die Gegenwart und die Zukunft unserer Baugenossenschaft.

Autor: Frank Giebel, Stand 29.08.2019; kann unter Quellenangabe frankgiebel(at)web.de weiter verbreitet werden

Montag, 29. April 2019

Wohnungsgenossenschaften entfalten ihr Potential über Kulturwechsel

In Deutschland existieren mehr als 2.000 Wohnungsgenossenschaften, von denen viele über 1.000 Wohnungen, manche sogar über 10.000 Wohnungen für ihre Mitglieder gebaut haben und in Schuß halten. Während viele kleine Genossenschaften und Baugemeinschaften ganz natürlich am Nutzen ihrer Mitglieder ausgerichtet sind, hat in großen Genossenschaften über die Jahrzehnte ein hauptberufliches Management immer mehr an Bedeutung gewonnen. Das führte oft dazu, dass die Beteiligung der Mitglieder weniger gelebt wurde und mehr mit Blick auf Rendite gewirtschaftet wurde. Die konsequente wirtschaftliche Förderung der Mitglieder, wie es der eigentliche Zweck von Genossenschaften ist, verlor an Bedeutung. Wenn nun seit einigen Jahren Basisgruppen entstehen, die wieder mehr Mitbeteiligung und Mitglierderförderung einfordern, stoßen sie je nach Unternehmenskultur nicht nur bei manchen Organmitgliedern wie Aufsichtsräten oder Vorständen auf Abwehr, sondern auch bei einfachen Mitgliedern oder deren Vertretern. Einigen machen solche Impulse Angst, weil die Kultur ihrer Genossenschaft plötzlich hörbar hinterfragt wird und ungewiß ist, wohin das führt. Hier hilft es zu klären, ob es etwas gibt, was die eigene Genossenschaft zusammenhalten kann, wenn man die Sicherheit nicht wie vielleicht gewohnt an Personen festmacht, die viele Jahre verantwortlich für die Genossenschaft tätig waren und die Grundlagen der Unternehmenspolitik inhaltlich identisch jedes Jahr gleich kommunizierten. Wenn durch neue Impulse klar wird, dass es weitere Handlungsoptionen gibt und die Mitglieder letztlich eine größere Auswahlmöglichkeit haben, in welche Richtung die Genossenschaft sich weiterentwickeln soll, hilft es, Dinge klar zu benennen, die weiter Sicherheit vermitteln und Orientierung geben können, an Hand welcher Kriterien bei Fragen der Unternehmenspolitik entschieden werden soll, wenn diese Aufgabe nicht einfach dem Vorstand überlassen wird.

Dafür helfen Grundregeln wie ich sie in der Hamburger Erklärung http://liberalundkooperativ.blogspot.com/2019/03/hamburger-erklarung.html formuliert habe und wie sie sich aus der Genossenschaftsidee ableiten lassen. Diese ideele Verankerung kann helfen, die gefühlte Abhängigkeit von einzelnen Personen zu senken. Außerdem ist es wichtig, dass Mitglieder positive Erfahrungen mit der Beteiligung an Entscheidungen in Gruppen machen, auch und gerade die, die in ihrem Leben bisher wenig positive Erfahrungen damit gemacht haben.

Solange diese Impulse von der Geschäftsführung nicht aufgegriffen werden, kommt hier sich selbst organisierten Basisgruppen eine besondere Bedeutung zu, diese Erfahrungen vorzuleben und für alle Mitglieder über eine Beteiligung zu ermöglichen. Viele Menschen haben Erfahrungen mit Gruppenprozessen in Vereinen, die sie hier einbringen können. Die Möglichkeit für Erfahrungsaustausch bei der Bildung solcher Gruppen geben zum Beispiel die Vernetzungsinitiativen Genossenschaft-von-unten Hamburg https://genossenschaft-von-unten-hamburg.de/ und Berlin http://www.genossenschaft-von-unten.eu/

Erkennt die Geschäftsführung, dass dieser Prozess positiv ist, kann sie ihn mitgestalten, indem sie zum Beispiel Personen, die glaubwürdig für diese neuen Impulse stehen, in das operative Management einbezieht. Sie kann Schulungen für Interessierte einkaufen zu Themen wie kollegialer Führung, wie sie zum Beispiel Bernd Oestereich mit seiner Werkstatt für kollegiale Führung https://kollegiale-fuehrung.de/portfolio-item/kollegen/ anbietet, und sie kann die Funktion eines Beteiligungsmanagers einrichten, wie es zum Beispiel die Wohnungsgenossenschaft Freie Scholle eG in Bielefeld gemacht hat https://www.freie-scholle.de/wohnen/genossenschaft/beteiligung.html

In der Praxis wird es dabei auch zu Fehlern, Konflikten und Frustrationen kommen. Wenn es jedoch gelingt, das gemeinsame Ziel als Genossenschaft nicht aus den Augen zu verlieren und sich gegenseitig und gemeinsam zuzubilligen aus Fehlern zu lernen, wird sich nach und nach die Unternehmenskultur hin zu mehr Beteiligung entwickeln. Dann besteht die Möglichkeit, dass viele Wohnungsgenossenschaften ein höheres Niveau der Mitgliederförderung entfalten und damit noch attraktiver und sichtbarer als gesellschaftspolitisch gute Wahl zwischen gewinnmaximierenden Unternehmen und Wohnungsunternehmen im Staatsbesitz werden.

Mittwoch, 6. März 2019

Hamburger Erklärung

Heute veröffentliche ich hier den aktuellen Stand der Hamburger Erklärung, einer Auflistung wichtiger Prinzipien, nach denen Wohnungsgenossenschaften ihre Unternehmenspolitik ausrichten sollen. Wer Interesse hat die Erklärung als Ertsunterzeichner zu unterstützen, möge sich melden bei frankgiebel(at)web.de

Hamburger Erklärung

Wir, die Unterzeichner der Hamburger Erklärung geben diese Erklärung ab, weil wir die Genossenschaftsidee lebendig halten wollen und weil wir dafür eintreten, dass sie die Unternehmenspolitik in Wohnungsgenossenschaften (Woges) prägt.

Dazu tragen wir bei, indem wir die Prinzipien formulieren, die sich aus der Genossenschaftsidee für die Führung von Woges ergeben, diese öffentlich bekannt machen und zum Mitunterzeichnen einladen:

1. Förderzweck

Zweck von Wohnungsgenossenschaften wie von jeder wirtschaftlichen Genossenschaft ist die wirtschaftliche Förderung ihrer Mitglieder. Dies ist in § 1 des Genossenschaftsgesetzes in Deutschland so benannt. Da dies ihr einziger Zweck ist, ist dieser bestmöglich zu erfüllen. Im Gegensatz zu gewinnmaximierenden wohnungswirtschaftlichen Unternehmen sind wir Wohnungsgenossenschaften deshalb nutzenmaximierende Unternehmen für unsere Mitglieder.

2. Daraus lassen sich folgende Grundprinzipien und Auswirkungen ableiten:

2.1.Verursacherprinzip

Die Nutzungsgebühr orientiert sich an den Selbstkosten, das heißt im Grundsatz verlangen wir als Nutzungsgebühr den Betrag, den uns die jeweilige Wohnung selbst kostet. Dies wird je nach Bedarf ergänzt um Beträge, die wir benötigen, um ausreichend Eigenkapital aufbauen zu können um die langfristige Entwicklung unserer Unternehmens im Sinne unserer Mitglieder sicherstellen zu können.

2.2. Gleichbehandlungsprinzip

Aus dem Verursacherprinzip folgt, dass allen Mitgliedern die jeweiligen Wohnungen zu den gleichen Gebühren angeboten werden, soweit nicht für das jeweilige Mitglied zusätzliche Einbauten auf Kosten der Gemeinschaft vorgenommen werden. Das heißt bei einem Wohnungswechsel erhalten neu einziehende Mitglieder gleich gute Konditionen wie die dort bereits wohnenden.

2.3. Beschränkung von Quersubventionierung

Aus dem Verursacherprinzip und aus dem betriebswirtschaftlichen Prinzip, dass nur kostendeckende "Produkte und Dienstleistungen" zum langfristigen Unternehmenserfolg beitragen können, folgt außerdem, dass Wohnanlagen sich dauerhaft selber tragen müssen und keine Quersubventionierung durch andere Wohnanlagen erfolgt. Sollte ausnahmsweise und fallbedingt von diesem Grundsatz abgewichen werden, ist dies nur über einen Beschluss der Generalversammlung bzw. der Vertreterversammlung möglich.

3. Wohnrecht

Die Liegenschaften der Genossenschaften dürfen nicht weiterverkauft werden. Sie sind der Gewinnmaximierung entzogen und bleiben langfristig günstig. Die Bewohner genießen eine hohe Wohnsicherheit. Mitglieder der Genossenschaft haben ein Wohnrecht und man kann ihnen die Wohnung nicht einfach kündigen.


4. Mitbestimmung

Wer etwas verändern oder ein Projekt lancieren möchte, kann einen Antrag an die Generalversammlung stellen. In großen Woges mit einer Vertreterversammlung hat dieses Recht jeder Vertreter. Noch aktiver mitgestalten kann sein Wohnumfeld wer im Aufsichtsrat oder in einer Arbeitsgruppe mitwirkt.

5. Gesellschaftspolitische Wirkung

Unsere größte gesellschaftspolitische Wirkung entfalten wir Wohnungsgenossenschaften dadurch, dass wir guten und günstigen Wohnraum bieten, wir durch niedrige Nutzungsgebühren breiten Bevölkerungskreisen eine höhere Kaufkraft aus ihren Einkommen ermöglichen und dadurch, dass wir dafür sorgen, dass sie als anteilige Eigentümer an einem Immobilienunternehmen nachhaltig Vermögen bzw. Kapital aufbauen können im Sinne des Distributismus.

Wir wollen gute und faire Arbeitgeber sein und ein wertvoller Teil der Quartiere und Kommunen, in denen wir angesiedelt sind. Wir unterstützen den Ansatz der guten Unternehmensführung in Genossenschaften - good governance - und die Weiterentwicklung der Grundsätze guter Unternehmensführung im Geist und Sinn dieser Erklärung.

Danksagung

Viele Anregungen kommen aus der lebendigen Kultur der Schweizer Woges, insbesondere den Grundprinzipien, wie sie durch "Wohnbaugenossenschaften Schweiz, Verband der gemeinnützigen Wohnbauträger " formuliert werden. Weitere Inspirationen waren die Rochdaler Prinzipien, das Leitbild der Selbstbau eG in Berlin, die gemeinsame Arbeit in der Basisgruppe Genossenschaftsidee der gem. Wohnungsbaugenossenschaft Bergedorf Bille und die dortige Gremienarbeit mit Vorstand und Kollegen/innen im Aufsichtsrat. Dank geht an Gerald Wiegner von der Interessengemeinschaft der Genossenschaftsmitglieder igenos eV. Hilfreich waren Treffen Hamburger Genossenschaftsmitglieder unter der Schirmherrschaft von Dr. Bosse vom Mieterverein zu Hamburg und die Autoren von inspirierenden Schriften und Vorträgen Daniel Brunner, Prof. Volker Beuthin, Prof. Ernst-Bernd Blümle, Hartmut Glenk, Prof. Jürgen Keßler, Prof. Manfred Kühnberger, Günther Ringle, Georg Scheumann, Prof. Reinbert Schauer und Jozef Zolk, .









Sonntag, 6. Januar 2019

Europa versöhnlich neu denken

Angeregt durch eine gestrige Diskussion auf twitter zu Europa https://twitter.com/HCSchlueter/status/1081556307436621827 will ich mit diesem Post Menschen dazu bewegen, sich für einen Neuanfang bei der Gestaltung der politischen Institutionen auf unserem Kontinent zu engagieren, also einen Mix von europäischen und nationalstaatlichen politischen Institutionen hinzubekommen, der von der großen Mehrheit aller demokratisch eingestellten Europäer für gut und zukunftstragend empfunden wird. Es gibt die Möglichkeit die Spaltung zwischen rechten und linken Strömungen zu überwinden, sowohl in Europa als auch in Deutschland.

Der erste Schritt, um Europa politisch-institutionell gut zu gestalten, ist sich darüber einig zu werden, warum man das überhaupt will. Politik, die Regelung der öffentliche Sache, sollte die Rahmenbedingungen schaffen, innerhalb derer die Menschen ihr Leben gestalten können. Dazu haben sich in Europa Staaten gebildet, die auf Basis eines Mixes an Erfolgsfaktoren organisiert sind wie allgemeine, freie, unabhängige, gleiche, geheime Wahlen https://www.machs-ab-16.de/waehlen-ab-16/so-funktionieren-wahlen-allgemein-unmittelbar-frei-gleich-und-geheim, Verfassungsbasiertheit, Parlamentarismus, Rechtsstaatlichkeit, Teilung der Gewalt zwischen Exekutive (Regierung und Behörden wie zum Beispiel Polizei), Legislative (Gesetzgebung) und Judikative (Gerichtsbarkeit), Menschenrechte, Gewerbefreiheit, Tariffreiheit, Trennung von Staat und Religion, freie Forschung uvm. Diese Staaten werden letzlich von Zivilgesellschaften mit einem demokratischen Verständnis und Gespür getragen, das in der Welt nicht einmalig aber auch keine Selbstverständlichkeit ist. Ein immer noch starkes Plädoyer diese Aspekte wahrzunehmen, ist das Buch von Robinson und Acemoglu "Warum Nationen scheitern" https://www.amazon.de/Warum-Nationen-scheitern-Urspr%C3%BCnge-Wohlstand/dp/3596195586/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1546769388&sr=8-1&keywords=warum+nationen+scheitern Gerade unter dem Aspekt von Einwanderungsfragen aus Kulturen, die diesen Grundkonsens nicht haben, gilt es diesen Grundkonsens langfristig zu erhalten. Zusätzlich hat sich ein europäischer Staatenverbund gebildet, der diese Erfolgsfaktoren bei der Einrichtung neue politischer Institutione bisher nur in Teilen anwendet, vielleicht, weil man historisch mehr Gewicht darauf legte, Politikfelder gemeinsam bearbeiten zu können, statt auf das wie zu achten und sich des warum zu vergewissern. So sind zum Beispiel die Wahlen zun Europaparlament nicht gleich, d.h. es zählt nicht jede Stimme gleich viel, eine Stimme eines Bürgers aus Malta zählt circa 12 mal so viel wie eine Stimme einen deutschen Staatsbürgers. http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/europawahl/183203/stimmengewichtung-und-sitzverteilung
 
Viele sich als progressiv verstehende Linke gerade in Deutschland und Österreich hatten es sich zum Ziel gesetzt mit der Schaffung eines europäischen Staates die Nationalstaaten zu überwinden. Sehr laut war diesbezüglich Robert Menasse und Ulrike Guerot zu hören, die eine europäische Republik vorschlug, und viel Zustimmung und Aufmerksamkeit erfuhr. Nachdem Manesse überführt wurde mit falschen Zitaten zu Walter Hallstein operiert zu haben, machte Ulrike Guerot eine Kehrtwendung und scheint erkannt zu haben, dass die Abschaffung der Nationalstaten kein sinnvoller Zweck für die Gestaltung Europas sein kann  https://www.welt.de/politik/deutschland/article186139730/Falsche-Zitate-Co-Autorin-Ulrike-Guerot-zum-Fall-Robert-Menasse.html

Damit könnte der Weg auch für immer mehr Linke frei werden hin zu einer Mehrheit derjenigen, die Nationalstaaten als historische gewachsende demokratische Gebilde akzptieren und bereit sind, diese beim Bau der künftigen europäischen politischen Institutionen als positive Strukurelemente zu begreifen und miteinzubeziehen. Damit besteht die Aussicht, dass dies mehrheitsfähig in der Zivilgesellschaft wird.

Was kann also der Zweck eines demokratischen politischen Europa unter Einbeziehung der Nationalstaaten sein? Eigentlich ist das klar: die eigenen öffentlichen Sachen, die res publica, zu gestalten und dabei zu begreifen, dass man das gemeinsam besser hinbekommt. Dazu gehört sich als eigenen Machtpol in einer global vernetzten Welt zu begreifen, kein entscheidend großer, kein Hegemon, aber doch eine Stimme von Gewicht und mit Einfluss mit Gestaltungskraft im innen und nach außen. Im Innen heist das nicht, dass man alles auf einer zentralen europäischen Ebene lösen will, sondern dass man weiss, dass es gut ist, sehr viel auf politischen Ebenen vor Ort, angefangen bei den Kommunen zu gestalten. Am überzeugendsten sind nach meiner Erfahrungen die Elemente der Schweizer Demokratie mit starken Kantonen und direkter Demokratie. Im Außen heist das nicht, dass man die Verbindungen zu den USA kappen müsste, grundsätzlich gibt es mit den Vereinigten Staaten als offener demokratische Gesellschaft sehr viele gemeinsame Werte, dennoch sind wir mit Ihnen keine Einheit, es gibt Unterschiede bezüglich der Ausgestaltung der Marktwirtschaft  und auch wie wir denken dass es Sinn macht eigene Interessen mit den Interessen anderen Länder zum Ausgleich zu bringen.  Wir müssen uns ein Stück weit emanzipieren von dem in den USA verbreiteten Verständnis selbstverständlicher Teil ihrer hegemonialen Einflussphäre zu sein.

Wie könnte man zu so einem breit akzeptierten Institutionenmix kommen? Durch einen offenen basisdemokratischen Prozess, zum Beispiel mit dem Anstoss eines verfassungsgebenden Prozesses, der die Zivilgesellschaft dauerhaft miteinbezieht. Eine große Hilfe bei der Frage welche Politikfelder künftig europäisch oder national angegangen werden sollten, kann darin bestehen dass bei Geltung des one-man-one-vote Prinzips auf europäischer Ebene gerade Bürger kleinerer Staaten sich klar werden, ob sie sich in Bezug auf das jeweilige Politikfeld mehr als Europäer sehen oder als Belgier oder Niederländer.

Was könnte dabei herauskommen? Klare, breit akzeptierte Zuständigkeitsverteilungen zwischen europäischer Ebene, nationalstaatlichen Ebenen und Bundesländern, Kreisen und Kommunen, das Recht niedrigerer Ebenen sich Kompetenzen zurückzuholen, Berücksichtigung aller oben genannten Erfolgsfaktoren auf allen politischen Ebenen, mehr direkte Demokratie, eine europäische Verfassung als Föderation oder Konföderation die kompatibel zu den Nationalstaaten ist, ein Kerneuropa das außenpolitisch demokratisch legitimiert mit einer Stimme spricht und im Innern ausreichend Freiräume für unterschiedliche Lösungen lässt.

Wer bereit ist sich gemeinsam mit mir dafür zu engagieren, möge sich bei mir melden.

Donnerstag, 13. Dezember 2018

Weiterentwicklung von Wohnungsgenossenschaften

Bisher habe ich diesen Blog hauptsächlich für Diskursbeiträge zu politischen Fragen genutzt. Ich habe mich heute entschieden den Blog für Beiträge zu öffnen, von denen ich hoffe, dass sie dazu inspirieren, Entwicklungsmöglichkeiten von Wohnungsgenossenschaften anzugehen. Hintergrund ist, dass ich schon viele Jahre von der Genossenschaftsidee fasziniert bin und ich aktuell mein Know How freiberuflich Genossenschaften zur Verfügung stelle.

Der Blog-Titel "liberal und kooperativ" passt sehr gut zum Thema, da Genossenschaften freiwillige Zusammenschlüsse von Menschen sind, um sich gemeinsam zu fördern. Sie nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand, indem sie miteinander kooperieren. Er steht damit in der Tradition des Liberalen Hermann Schulze-Delitsch https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Schulze-Delitzsch  . Ich  fühle mich dabei sehr der Schweizer liberalen und kooperativen politischen Kultur mit ihrer Konkordanzdemokratie https://de.wikipedia.org/wiki/Konkordanzdemokratie  verbunden und der Schweizer Genossenschaftskultur mit ihrer absolut beeindruckenden Geschichte mit ihren Anfängen der Alpgenossenschaften, siehe zum Beispiel http://www.korporation-kerns.ch/de/alpgenossenschaft/geschichteag/  . 

Ich werde für Genossenschaften beratend aktiv, weil ich davon überzeugt bin, dass die Unternehmensform starke Entwicklungspotentiale bereithält, die oft noch nicht ausgeschöpft sind und dass es sich gerade für bestehende Genossenschaften lohnt, diese Potentiale zum Wohl ihrer Mitglieder, ihrer Mitarbeiter, ihrer Kunden und der Gesellschaft insgesamt zu verwirklichen.  Aktuelle Entwicklungen im Bereich Unternehmensführung wie life-work-balance, Agilität, Soziokratie, Holokratie, kollegiale Unternehmensführung und New Work  machen dies offenkundig. Ich werde nach und nach auf diesem Blog dazu Anregungen geben.

Das größte Potential sehe ich aktuell darin zu erkennen, dass kooperative Beteiligung von Genossenschaftsmitgliedern und von Mitarbeitern und effiziente wohnungswirtschaftliche Führung im besten Fall sich gegenseitig befruchtende Treiber der Unternehmensentwicklung sind. Hat man zusätzlich klar herausgearbeitet, warum es die eigene Genossenschaft gibt, was ihr Zweck ist, und wird das in der Breite von Mitarbeitern und Mitgliedern geteilt, hat man das best mögliche Fundament. Simon Sinek, ein amerikanischer Bestsellerautor, hat dazu passende Zusammenhänge stark herausgearbeitet, die sich sehr gut auf Genossenschaften anwenden lassen. Mehr dazu später.

Ich will partnerschaftlich und langfristig mit Genossenschaften zusammenarbeiten und nutze dabei Erfahrungen, Kenntnisse und Werkzeuge aus den Bereichen Politik, Betriebswirtschaft, Wohnungswirtschaft, Kooperationswirtschaft, Kommunikation & Moderation, systemische Organisationsentwicklung, Mediation und New Work.

Da ich zur Zeit in einer Hamburger Wohnungsgenossenschaft als Aufsichtsrat nebenberuflich tätig bin, kann ich wegen potentieller Interessenkonflikte zur Zeit keine Beratungsaufträge von Wohnungsgenossenschaften annehmen, die in Hamburg oder in den Kreisen Stormarn und Reinbek aktiv sind.


Für Anfragen bin ich erreichbar unter FrankGiebel(at)web.de



Freitag, 6. Juli 2018

Sollte Pro Asyl seinen Ansatz überdenken?

Ich hatte gestern eine längere Auseinandersetzung auf twitter über einen Tweet von mir zu Pro Asyl. 


Im Verlauf habe ich mich etwas mehr mit Pro Asyl beschäftigt und sah mich in meiner Kritik bestätigt. Ich möchte das hier etwas ausführen, da twitter dafür zu wenig Platz bietet. Sinn dieses Posts könnte sein, dass dies für Pro Asyl ein Anstoß ist, ihre Arbeit nachhaltiger auszurichten.

Pro Asyl tritt auf unter dem Logo "der Einzelfall zählt". Auf der website habe ich viel Kritik an der derzeitigen EU-Flüchtlingspolitik gefunden aber keinen eigenen Gegenentwurf. Pro Asyl scheint sich ganz auf Einzelfälle zu fokussieren. Vielleicht ist das der Grund, der dazu führt, dass der Kreis der Einzelfälle immer weiter gezogen wird. Wie ich auf meinem twitter-tweet am 4.7.2018 fesgestellt hatte, unterscheidet Pro Asyl laut Wikipedia nicht zwischen politisch Verfolgten und Wirtschaftsmirgranten (Pro Asyl spricht von Wirtschaftsflüchtlingen). Pro Asyl betreibt Lobbying für Asylsuchende und nach meiner Wahrnehmung zumindest indirekt auch für Migranten allgemein, da sie beide nicht voneinander abgrenzen bzw. unterscheidbar machen. Verfolgt man als NGO einen solchen Lobbyansatz besteht die Gefahr, dass man das große Ganze aus dem Blick verliert und gute Politk in diesem Bereich torpediert oder langfristig nicht mehr als konstruktiv wahrgenommen wird. Die eigene Rolle einer solchen NGO wird umso wichtiger, je mehr Menschen unter den eigenen Lobbyschirm passen. Insofern hat Pro Asyl systemisch ein Interesse diese Gruppe so groß wie möglich zu machen. 

Ist so ein Ansatz legitim? Grundsätzlich finde ich es richtig, wenn NGOs sich für bestimmte Personengruppen einsetzen, die sonst Gefahr laufen nicht genügend gehört bzw. berücksichtigt zu werden. Bei der Methodenwahl finde ich aber ganzheitliche Ansätze besser und halte sie langfristig auch für glaubwürdiger und der Interessengruppe dienlicher. Auch Aslysuchende und Migranten haben ein Interesse daran, dass die aufnehmenden Gesellschaften weiter funktionieren. Was ich mir wünschen würde, wären Interessenvertretungen, die das große Ganze im Blick haben, also nicht nur sich für die Interessen der eigenen Zielgruppe einsetzen, sondern anerkennen, dass es dieses große Ganze gibt, zum Beispiel gutes Zusammenleben in Gesellschaften, Staaten, Staatenverbünden und letztlich von allen Menschen und Lebewesen zusammen auf diesem Planeten. 

Ein allgemeines Niederlassungsrecht aller Menschen überall auf diesem Planeten ist kein anerkanntes Menschenrecht und lässt sich meiner Meinung nach auch nicht realisieren, solange wir Demokratien und andere Staaten mit geographischen Grenzen und keinen Weltstaat haben. Letzteres halte ich auch nicht für einen sinvollen Weg, da Demokratie kein Selbstläufer ist und immer die Gefahr besteht, dass ein Staat in eine Autokratie oder in eine Diktatur kippt und bei einem Weltstaat wäre davon die ganze Welt betroffen. Die Engländer sagen dazu never put all eggs in one basket.

Ein Beispiel, an dem vielleicht deutlich wird, warum eine reine Orientierung am Einzelfall bei politischen Aufgaben, also allen Aufgaben die die "res publica", die "gemeinsame Sache" betreffen, in die Irre geht: Wenn nach einer Schlacht Feldärzte und Sanitäter über ein Schlachtfeld liefen, mussten sie nach Wahrscheinlichkeit und Eindruck entscheidem, wem sie ihre Hilfe zugute kommen lassen. Es wäre falsch gewesen, sie jedem zu geben, der Hilfe benötigte. Das klingt brutal, aber bei begrenzter Hilfskapazität und sehr vielen Verletzten war es im Sinne des Zieles möglichst viele Menschenleben zu retten die beste Strategie, nur den Menschen zu helfen, die mit Hilfe Chancen hatten zu überleben und ohne Hilfe wahrscheinlich sterben würden. Sehr schwer Verwunderte mit nur geringer Überlebenswahrscheinlichkeit trotz ärztlicher Hilfe mussten diese Feldärzte deshalb unversorgt zurücklassen, genauso wie Soldaten, die zwar Hilfe nötig hatte, aber nur so verletzt waren, dass sie auch ohne Hilfe überleben würden.


Sonntag, 16. Juli 2017

Kandidatur Bundestagswahl

Moin

seit Mittwoch sammle ich Unterschriften, um als parteiloser Kandidat mit der Angabe liberal-ökologisch-sozial als Direktkandidat zur Bundestagswahl am 24. September für den Wahlkreis Hamurg-Bergedorf/Harburg/Wilhelmsburg antreten zu können.

Bis Montag 6 Uhr brauche ich 200 Unterschriften. Aktuell habe ich 176.

Den Anlass gab

zum einen die Beschäftigung mit dem Abstimmungsverhalten des Favoriten Metin Hakverdi (SPD) für die Privatisierung der Autobahnen, Einschränkung der Meinungsfreiheit durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, erneuter Griechenland-"Rettung" wobei die nächste bereits wieder vor der Tür steht

zum zweiten das Augen-Öffner-Wistleblower-Buch von Bernd  Weiß als ehemaligem Staatssekretär der CSU über die Abläufe in Volksparteien ("Placebo-Politik").

Meine Versuche eine neue Partei mit großem Potential mit obigen Grundwerten zu gründen, stoßen bisher auf wenig Resonanz oder werden gar nicht wahrgenommen.

Also fange ich jetzt einfach mal an.


Dienstag, 10. Januar 2017

Konflikte und Chancen in Deutschland, Europa und der Welt

In Deutschland ist die Gesellschaft gespalten zwischen Konservativen und Progressiven in der Frage wie man mit Migranten umgeht. Die Progressiven mit Merkel, den Grünen und den meisten Medien wie der Bildzeitung dominieren derzeit. Ein weiter so mit offenen Grenzen und multikulti wird angestrebt. Die Gegenbewegung formiert sich mit dem Kern in der AfD aber auch mit Positionen bei der CSU und wie sie teilweise von Gabriel (SPD), Spahn (CDU), Lindner (FPD), Wagenknecht (Linke) und Palmer (Grüne) geäußert werden.

Links wird diese Entwicklung mit Sorge aufgenommen, weil man merkt, dass eine Politikverschiebung zum Konservatismus droht. Es wird die gemeinsame Schnittmenge mit dem Konservatismus übersehen, das Befürworten der freiheitlich demokratischen Grundordnung, der Menschenrechte, der Gewaltenteilung, der Rechtsstaatlichkeit. Ganz links sind diese Werte wohl wenig wert aber die meisten Linken befürworten diese nach meiner Vermutung. Beruhigend ist, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die meisten Menschen pragmatisch und vernünftig ausgerichtet sind und entsprechend eine konservativere Politik als die aktuelle unterstützen werden.

Ob Merkel ihr Verhalten anpasst und konservativer regiert und damit Akzeptanz behält oder ob sie weiter macht wie bisher und weiter verliert ist langfristig nicht entscheidend.

Ebenfalls gut ist, dass die Multikulti-Ideologie innerhalb Europas deutlich weniger stark verbreitet ist als in Deutschland, insbesondere in Osteuropa findet sie fast keine Anhänger.

Insgesamt hat Europa also gute Chancen, sich seine freiheitlich demokratische Grundordnung zu erhalten und zu einer reduzierten Einwanderung zu finden. Ein Stück weit wird es wohl weiter Parallelgesellschaften geben, deren freiheitsfeindliche Ideologien wohl nur langfristig über gute Schulbildung und eine starke Zivilgesellschaft an Bedeutung verlieren werden.

In arabischen Ländern werden dagegen säkulare, demokratische, freiheitliche Kräfte wahrscheinlich für Jahrzehnte in der Minderheit bleiben, da die meisten Menschen weniger stark individuell als im Westen ausgerichtet sind. Die Trennung von Religion und Politik hat in mehrheitlich islamischen Ländern wenig Aussicht, in den nächsten Jahrzehnten sich gesellschaftlich durchzusetzen. Die Trennung von Staat und Religion konnte zum Beipspiel sowohl in der Türkei unter Atatürk als auch in Ägypten unter Nasser nur innerhalb eines autokratischen Systems durchgesetzt werden.

Auch in China ist es zumindest offen, ob dort vom bisherigen Weg der sehr eingeschänkten politischen Freiheit als 1-Partei-System abgewichen wird.

China wird sicher auf Basis seines Wirtschaftswachstums weltpolitisch an Macht weiter gewinnen und die USA und China werden sich arrangieren müssen. Andere Regionen wie Russland und Europa werden sich ebenfalls mit beiden Seiten zu arrangieren haben. Dass Trump auf Putin zugeht ist hier für Europa positiv, es wäre das Letzte was Europa brauchen könnte, wenn die USA nach dem Willen der Neocons versuchen würden Russland weiter zu marginalisieren oder sogar von außen gegen den Willen der Mehrheit einen Systemwechsel herbeizuführen. In Afrika sollte es darum gehen, dass sich dort Länder eigenständig entwickeln können und positive Enticklungen von außen unterstützt werden statt dass autokratische Strukturen von außen aus Eigeninteressen am Leben erhalten werden. Klassische Entwicklungshilfe kann hier weniger bewirken als Entwicklungen an der Basis wie der „Export“ westlicher Wertvorstellungen und von Geld über afrikanische Migranten, die sich gut in Europa integriert haben.

Technologisch leben wir in spannenden Zeiten. Die Frage bleibt wie weit die Produktivität weiter zunimmt, wie viel Menschen noch arbeiten müssen und wie der Wohlstand innerhalb von Gesellschaften und global verteilt wird. Die Chancen überwiegen dabei die Risiken. Das jetzige System schafft immerhin diese Wohlstandsgewinne und Güter des täglichen Bedarfs können so preiswert hergestellt werden und werden so billig angeboten, dass bereits jetzt sehr viele Menschen davon profitieren können und global gesehen die Armut zurückgeht. (Ausnahmen sind bedingt durch Bürgerkriege (Syrien, Libyen, Somalia) und politische Fehleinscheidungen wie der „Sozialismus“ in Venezuela oder Autokratien wie Simbabwe oder Nordkorea.)

Donnerstag, 24. November 2016

Ein guter Zeitpunkt für eine neue Partei der Mitte

Merkel will also noch mal 4 Jahre weitermachen. Von Anne Will nach ihren Zielen gefragt, nennt sie, dass sie Alleinerziehenden und Familien bei ihrem Zeitmanagement helfen will! (ab min 10 https://www.youtube.com/watch?v=EqTPsHC1XuU )

Was ist mit dieser Frau los? Das würde vielleicht eine persönliche Assistentin antworten, eine Gouvernante oder eine Mutter aber das ist kein Politikangebot an eine Gesellschaft erwachsener, selbständiger Menschen.

Ein Gutes hat es, dass Merkel zusammen mit CDU, CSU und aller Voraussicht nach der SPD - evtl. zusätzlich mit den Grünen (Keniakoalition) - ab 2017 vier Jahre weiterwursteln wird:

Dies schafft Entwicklungsmöglichkeiten für eine neue Partei der Mitte, die das Potential hat, langfristig sowohl die CDU/CSU als auch die SPD abzulösen. Sowohl CDU als auch SPD haben in der Vergangenheit viel für Deutschland geleistet, aber sie werden immer schwächer:

Die CDU hat ohne nennenswerten Widerstand die Sozialdemokratisierung ihrer Partei, ja sogar die grüne Migrationspolitik und Multikultiattitüde ihrer Vorsitzenden aus reinem Machtwillen mitgemacht, genauso wie eine sachlich falsche Eurorettungspolitik.

Die SPD ist mit einem Personal wie Maas, Özoguz, Stegner und dem Skandal #rentasozi auf einem Niveau angelangt, das nicht mehr reparabel ist. Die wahren Pole in der bundesdeutschen und europäischen Politik in einer der beiden wichtigsten Fragen für die nächsten Jahrezehnte, die Migration bilden die Grünen und die AFD. CDU und SPD sind hier weitgehend auf Linie der Grünen aber mit dem schwammigeren Profil. Wer das alles nicht will, muß zur Zeit AfD wählen.

Bei der 2. der beiden wichtigsten Fragen der Schaffung eines Ordnungsrahmens der sozialen Marktwirtschaft in Zeiten der Globalisierung, mit den Bereichen Wirtschaft, Währung, Finanzen und Soziales haben alle bisherigen Parteien keine ganzheitliche Antwort. 

Deutschland, Europa aber auch die USA sind in eine Phase der Spaltung eingetreten, die oft mitten durch Familien geht. Die wichtigste gesellschaftliche Aufgabe liegt darin, bessere Antworten zu finden und anzubieten, die vereinen statt spalten. Sie müssten so ausgewogen sein, dass sie auf beiden Seiten des politischen Spektrums sowohl auf bundesdeutscher als auch auf europäischer Ebene akzeptabel sind. Diese Antworten gibt es, sie zu präzisieren und in Form von einer Partei glaubwürdig zu vertreten ist eine Aufgabe für die nächsten Jahrezehnte, die es wert ist, sich dafür einzusetzen.

Ein paar Details zu einer sozialliberalen Partei und besseren Antworten habe ich dazu heute morgen beschrieben http://liberalundkooperativ.blogspot.de/2016/11/sozialliberale-partei.html

Montag, 21. November 2016

Gründung einer neuen sozialliberalen Partei

(Text geändert am 24.11.2016)

Es fehlt eine Partei der politischen Mitte, die bessere Lösungen in Sachfragen anbietet und gleichzeitig den Mut hat, Politik entlang von Grundwerten zu machen. Diese wären individuelle Freiheit, soziales Miteinander und Nachhaltigkeit.


Frau Merkel hat in vielerlei Hinsicht einen Scherbenhaufen hinterlassen, mit dem ich mich nicht abfinden will. Sowohl CDU als auch SPD haben den  gespenstischen Kurs von Merkel mitgetragen und ihre Glaubwürdigkeit auch für die Zeit nach Merkel für viele Jahre verspielt. Die AfD halte ich zwar für eine legitime nationalkonservative Kraft, sie bleibt aber mit ihrer Antwort zu Europa unter den Möglichkeiten, die dieser Kontinent für seine Menschen hat.

Eine soziale und liberale Partei ist meiner Meinung nach

- für ein von den USA emanzipiertes, politisch eigenständiges, demokratisches, verfassungsbasiertes Kerneuropa, bei dem die Nationalstaaten wichtige Kompetenzen behalten und souverän entscheiden wie viel Macht sie selbst behalten oder sich zurückholen

- für eine zurückhaltende, kontrollierte Einwanderung von außerhalb Europas und konsequente Abschiebung von Nicht-EU-Bürgern/innen, die Menschenrechte verletzen oder sich nicht in eine offene Gesellschaft integrieren

- bietet eine Lösung für die immer noch massive Arbeitslosigkeit in Südeuropa die durch den Euro entstand, zum Beispiel nationale Parallelwähungen in Italien, Spanien und Griechenland oder einen Südeuro

Sie ist

- für eine Förderung des Welthandels durch Abbau von Zöllen, nicht aber durch Verwässerung von Verbraucher- und Arbeitnehmerstandards, kein Ersatz von staatlichen Gerichten durch Schiedsgerichte

- für die konsequente Durchsetzung der Menschenrechte ggü. Einschränkungen zB Verbot "religiöser" Beschneidungen von Jungen, Verbot von Kindesmißbrauch durch "Kinderehen"

- für ein neutrales, überwachungsfreies Internet

- für eine Reduzierung der staatlichen Finanzierung des öffentlichen Rundfunks und eine Demokratisierung seiner Leitungsgremien

- für Asyl für Edward Snowden

- für die Einstellung der Waffenexporte an Nicht-Demokratien wie die Türkei und Saudi-Arabien


Wer eine solche Partei mit gestalten will, möge sich bei mir melden.

Sonntag, 28. August 2016

Was hätte Karl Popper zur Burka und zur Einwanderungspolitik in Deutschland gesagt?

Sollte Deutschland bzw. Europa die kulturell-religiös motivierte Vollverschleierung von Frauen im öffentlichen Raum akzeptieren? Ist dies geboten in einer offenen toleranten Gesellschaft oder ist dies viel mehr ein Signal, dass unsere wertebasierte Gesellschaft scheitert, weil sie ihre Werte - hier die Gleichberechtigung von Mann und Frau - nicht verteidigt?

Wie hätte der politische Philosoph Karl Popper (1902-1994) Autor von "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" (1945) dies bewertet?

Laut Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Offene_Gesellschaft zeichnet sich eine offene Gesellschaft nach Popper gegenüber einer ideologisch festlgelegten geschlosseneen Gesellschaft dadurch aus, dass zu ihr kein für alle verbindlicher Heilsplan gehört und dadurch ein intelektueller Meinungsaustausch gestattet (und notwendig) ist, der kulturelle Veränderungen ermöglicht. Popper argumentiert gegen die Ideologien Kommunismus, Faschismus und Nationalsozialismus, nicht aber geben Religionen mit politischem Führungsanspruch. Diese spielten 1945 in Europa keine machtpolitische Rolle. Die Trennung von kirchlicher und weltlicher Macht hat in Europa lange Tradition (Päpste und Kaiser), obwohl es durchaus Auseinandersetzungen dazu gab (Canossa, Augsburger Interim https://de.wikipedia.org/wiki/Augsburger_Interim ). Jesus als Begründer des Christentums hatte nie politische Führungsansprüche angemeldet ("Gebt des Kaisers was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist") und auch in der römischen Republik und der athenischen Polis gab es meistens ein Nebeneinander von religiöser und politischer Macht obwohl es auch Vermischungen gab (zum Beispiel Erhöhung des Augustus zum Gott/ Epiphanie https://de.wikipedia.org/wiki/Kaiserkult ). Im Judentum gab es mit Moses zwar einen (historisch nicht belegten) politischen Führer, der gleichzeitig Mittler zu Gott war, später gab es aber neben den Königen religiös mächtigere Autoritäten wie die Propheten, Rabbis und Hohe Priester. Mohamed war in Medina auch zum politischen Führer geworden und die Ausbildung des Kalifats https://de.wikipedia.org/wiki/Kalifat nach seinem Tod verfestigte den Anspruch des Islam in seinen wichtigsten Formen auf der Einheit von Politik und Religion zum Segen aller. Minderheiten wurden höchstens toleriert nicht aber als ebenbürtig angesehen, die die gleichen Rechte hätten die Gesamtgesellschaft zu gestalten. Dass eine Theokratie https://de.wikipedia.org/wiki/Theokratie bzw ein Gottesstaat auch heute in islamisch geprägten Ländern noch eine Rolle spielt zeigt nicht nur die Terrormiliz Daesh (IS) https://de.wikipedia.org/wiki/Islamischer_Staat_(Organisation)#Ideologie sondern auch der Iran oder die Machtambitionen der Muslimbruderschaft in Ägypten mit ihren Verbindungen zu Erdogan in der Türkei http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/erdogan-und-akp-sollen-unterstuetzer-von-islamisten-sein-14390674.html. Auch in Saudi-Arabien ist eine fundamentalistische Form dies Islam, der Wahhabismus Staatsdoktrin. Dieser ist so starr und vergangenheitsorientiert, dass er im Gegensatz zu einer Theokratie auf göttlich inspirierte Herrscher verzichten kann und dass diese neben der Sicherung ihrer weltlichen Macht nur darauf achten müssen, dass einmal fixierte religiös-gesellschaftliche Gebote und Verbote auf Dauer umgesetzt werden. Mittlerweile ist klar, dass die türkische staatliche Religionsbehörde (DITIB) über die Entsendung fast aller türkischer Imame in die türkischen Moscheegemeinden in Deutschland ihre fundamentalistischen Wertvorstellungen nach Deutschland exportiert. Auch die weltweit über Bildung agierende Gülen-Bewegung verfolgt wahrscheinlich das Ziel eines (pan)islamischen Staates siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Nurculuk) Zu einer freien Gesellschaftsordnung passende islamsiche Vorstellungen, wie sie an deutschen Hochschulen auch für den bekenntnisgebundenden Religionsunterriecht gelehrt werden, können bisher nur wenig Wirkung entfalten. (siehe Interview mit Abdel-Hakim Ourghi in der Neuen Zürcher Zeitung. Er ist Leiter des Fachbereiches Islamische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg im Breisgau: http://www.nzz.ch/feuilleton/zeitgeschehen/abdel-hakim-ourghi-im-gespraech-dieser-islam-gehoert-nicht-zu-deutschland-ld.112710) Eine nach innen gerichtete individuell-spirituelle Form des Islam, der Sufismus (siehe http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/themen/ilija-trojanow-ueber-sufismus-14394753.html) passt nach meiner Einschätzung ebenfalls zu einer freiheitlich demokratischen Grundordnung, spielt aber gesellschafltich sowohl in Europa wie auch in arabischen Ländern und der Türkei  nur eine untergeordnete Rolle. Letztlich sind wohl nur die Formen des Islam mit der offenen Gesellschaft kompatibel, die nur den Teil des Koran, der in Mekka entstand, verbindlich ansehen und zudem die Trennung von Religion und Staat akzeptieren und den Pluralismus religiöser Erfahrungen akzeptieren.
Deutlich formuliert der Islamwissenschafter Abdel-Halin Orghi in der FAZ: "Eine entschiedene Trennung von weltlichen und religiösen Angelegenheiten kam (im Islam) nie zustande. Die Freiheit des Individuums ist dem Islam bis heute fremd." http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/der-islam-braucht-eine-reformation-14407083.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

Im Fazit kann man wohl sagen, dass Popper die gängigen Formen des Islam wie sie in der Türkei (sunnitischer Islam) , dem Iran (schiitischer Islam) und Saudi-Arabien (wahhabitischer Islam) praktiziert werden als Feinde der offenen Gesellschaft benannt hätte.

Wie mit diesen Feinden umzugehen ist, ist dann die zweite Frage. Sicher nicht so, dass die eigenen Regeln des Rechtstaates, der Demokratie und der Menschenrechte dabei verletzt werden dürfen. Was könnte der Staat tun? Deutscher Staatsbürger sollte zum Beispiel nur werden können wer sich zum Grundgesetz und zur Trennung von Religion und Staat bekennt. Eine Teilhabe am öffentlichen Leben und die Wahrnehmung des Wahlrechtes, von Gerichtsangelegenenheiten und von Behördenangelegenheiten in Vollverschleicherung ist kaum möglich. Dies sollte der Staat deutlich machen.

Vielleicht hätte Popper gesagt, dass das Tragen der Burka von einigen ganz gut ist, denn sie zeigen, dass die "Feinde" (eher freiheitsfeindliches Verhalten) der offenen Gesellschaft tatächlich unter uns sind und dass die Freiheit des Individuums und die Gleichberechtigung von Mann und Frau keine fest etablierten Rechte sind sondern immer der Gefahr unterliegen unterzugehen.

Als Maxime für eine offene Gesellschaft schlägt Popper nicht die Maximierung des Glückes sondern die Minimierung des Leidens vor. Wenn Polizisten an einem öffentlichen Strand eine Frau zwingen einen Burkini abzulegen wird dies dem meine Meinung nach nicht gerecht. Eine Burka zeitweilig abzulegen um zum Beispiel eine polizeiliche Personenkontrolle durchführen zu können oder während der Wahrnehmung von Behördenterminen auch zum Beispiel bei Elterngesprächen in der Schule halte ich dagegen für zumutbar.

Außerdem muss es in einer offenen Gesellschaft möglich sein, eine offene Debatte über die Größenordnung der Zuwanderung aus Ländern mit geringer demokratischer Tradition und fehlender Trennung von Religion und Staat zu führen, ohne den Debattengegner auszugrenzen. Eine Demokratie kann nur so gut funktionieren wie auch an der Basis ein Gefühl für ihre Verletzbarkeit da ist und für die Notwendigkeit sie durch eigenes Eintreten lebendig zu halten. Während die Bürger der DDR in der friedlichen Revolution von 1989 gezeigt haben, dass sie nach vielen Jahrzehnten die Kraft und den Mut hatten für ihre politische Freiheit einzutreten, mussten die Westdeutschen dies nie zeigen. Demokratie ist also bei uns schon keine Selbstverständlichkeit, eine politisch kluge Einwanderunspoltik, die darauf achtet wer bei uns einwandert, ist deshalb existenziell für unsere Demokratie. Deutlich wird diese Problematik auch im Böckenförde-Diktum:

Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert.

siehe https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%B6ckenf%C3%B6rde-Diktum