Mittwoch, 19. August 2020

Ein wichtigter Meilenstein für deutsche Wohnungsgenossenschaften auf dem Weg zur vollen Potentialentfaltung der Genossenschaftsidee

Wenn Sie diesen Artikel gelesen haben, werden Sie verstehen, warum es ein wichtiger Meilenstein für eine gute wohnungsgenossenschaftliche Praxis ist, das Prinzip der Kostenmiete grundsätzlich anzuerkennen und welcher Schritt erforderlich ist, falls man damit weitere ideele Ziele in Einklang bringen will.

Korrektur vom 20.08.2020: Der Passus mit der Intergration um weitere ideele Ziele hat sich als falsch erwiesen und wird korrgiert, Details siehe unten

Ich hatte das Prinzip der Kostenmiete im  März 2019 allgemein für Genossenschaften benannt als Verursacherprnizip http://liberalundkooperativ.blogspot.com/2019/03/ und war davon ausgegangen, dass dies allgemein akzeptiert wird. In Diskussionen mit Mitgliedern von Genossenschaften zeigt sich jedoch, dass dieses Prinzip nicht nur Fürsprecher hat.

Außerdem gibt es Anzeichen, dass viele große deutsche Wohnungsgenossenschaften (Woges) im Gegensatz zu ihren Schweizer Pendants weniger stark auf die wirtschaftliche Förderung ihrer Mitglieder ausgerichtet sind. Dafür haben sich aber in Deutschland viel mehr große Woges mit über 1000 Wohnungen herausgebildet und es gibt kaum das Problem vieler Schweizer Genossenschaften, dass sie so klein sind, dass sie ehrenamtlich geführt werden und letztlich nicht so effizient wirtschaften können wie größere Unternehmen.

weniger konsequente wirtschaftliche Förderung in Deutschland statt in der Schweiz

Laut diesem Artikel bei Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Wohnungsbaugenossenschaft#Eigenschaften_von_Wohnungsbaugenossenschaften liegen in der Schweiz die Nutzungsentgelte von Woges 15% unter den Marktmieten. Die Daten stammen aus dem Jahr 2000 aber auch neuere Zahlen weisen in diese Richtung. 2014 sanken in Zürich im Durchschnitt aller Genossenschaftswohnungen die Mieten um 10% innerhalb von 2 Jahren während die Marktmieten stiegen. Dies war möglich, weil die Zinsen für Immobilienkredite gesunken waren. Ähnliche Entwicklungen sind mir in Deutschland nicht bekannt. https://www.wohnungspolitik-schweiz.ch/data/Wohnen_3-2016_Mieten_um_10_Prozent_gesunken_markant_t_2733.pdf

stärkere Orientierung an einer staatlichen Wohnungsbaupolitik

Im obigen Wikipedia-Artikel  steht unter anderem zur Historie von Woges in Deutschland: "Der NS-Staat bedient sich der genossenschaftlichen Unternehmen als Organe staatlicher Wohnungspolitik im Rahmen seines Siedlungsbaus". Das 1930 geschaffene Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz wurde erst Ende 1989 aufgehoben und prägte die Woges in Deutschland über viele Jahrzehnte.  Es würde sich lohnen, Inhalt und Wirkung des Gesetzes genauer zu beleuchten. Dafür ist hier nicht der Rahmen. Aber nach meiner Einsichtnahme vermute ich stark, dass das Gesetz ein Grund war, warum es in Deutschland viel mehr große und sehr große Woges gibt als in der Schweiz.

Der obige Wikipedia Artikel, Stand 19.08.2020, macht in der Passage zu Deutschland "Wesen der Wohnungsbaugenenossenschaft" auf mich den Eindruck, als ist er eher aus Sicht von leitenden Angestellten von Woges geschrieben ist  statt von einem unabhängigen Standpunkt aus:

Zum einen wird nicht explizit erwähnt, dass Woges Wirtschaftsgenossenschaften sind. Statt dessen wird darauf abgehoben, dass es um die Lieferung eines Produktes gehen würde. Das machen aber alle Unternehmen und ist insofern nichts genossenschaftsspezifisches. Wenn ich ein Fahrrad oder ein Auto bei einem lokalen Händler kaufe, ist es nicht falsch zu sagen, dass er mich damit fördert, aber es wird dem Potential des Genossenschaftsgedankens bei Wirtschaftsgenossenschaften nicht gerecht. Die Grundidee von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften ist, dass es sich lohnen kann, wenn man sich zusammenschließt und gemeinsam ein Produkt erstellt und den eigenen Mitgliedern anbietet. Indem man den Preis auf Basis dessen berechnet, was es einem selbst kostet. Im Wikipedia-Artikel-Kapitel zur Schweiz taucht deshalb zurecht der Begriff Kostenmiete auf. Er ist Teil der Genossenschaftsidee in seiner Anwendung bei Woges.

Ich sehe somit, es ist erforderlich in Wikipedia einen Artikel zu Wirtschafts- und Erwerbsgenossenschaften zu schreiben, auf den dann der Artikel zu Wohnungsbaugenossenschaften Bezug nehmen kann. Teil dieses Artikel muss das Selbstkostenprinzip sein.

In http://liberalundkooperativ.blogspot.com/2020/08/nutzenmaximierung-in.html hatte ich  argumentiert, dass man repräsentativ die Meinung der Mitglieder ermitteln sollte, wie viel Altruismus sie praktizieren wolle. Mittlerweile will ich das konkreter fassen. Nach meinem jetzigen Stand würde es nicht ausreichen, damit eine bestimmte Unternehmenspraxis zu legitimieren, selbst dann nicht, wenn eine dahingehende Aussage von der General- oder Vertreterversammlung per Beschluß gebilligt würde. Zum Beispiel wenn Mitglieder mehrheitlich der Meinung sind, dass sie nicht nur für eigene Mitglieder sondern zu einem gewissen Teil auch für die lokale Bevölkerung bauen wollen und damit verbunden stärker wachsen wollen. Besinnt man sich auf den Grundgedanken einer Wirtschaftsgenossenschaft, ist dies nicht möglich. Eine Genossenschaft, die das macht, ist dann zu einem gewissen Teil ideel aktiv. Dies geht nach meiner Einschätzung nur, wenn dies in der Satzung konkret benannt wird: Zum Beispiel könnte eine feste Quote benannt werden, dass bei der jährlichen Bauleistung bewusst 10% oder 20% der Bauleistung für die allgemeine Öffentlichkeit ausgelegt wird und dass die Mitglieder bereit sind dafür die notwendigen Rücklagen aus den Gewinnen zu bilden und deshalb zum Beispiel einen bis zu 10% oder 20% über der eigentlichen Plankostenmiete1 liegendes Nutzungsentgelt zu aktzeptieren, soweit ein gewissener Abstand zur örtlichen Vergleichsmiete gewahrt wird. Hier wäre also eine Satzungsänderung durch Beschluß der Generalversammlung bzw. der Vertreterversammlung (bei größeren Genossenschaften) notwendig.

Korrektur Einschub vom 20.08.2020 zur Frage, ob es in Woges möglich ist, in größerem Umfang auch für Nichtmitglieder zu bauen:

Die ist eindeutig mit Nein zu beantworten: selbst wenn eine Wirtschaftsgenossenschaft sich in der Satzung ein soziales Ziel setzt, siehe zum Beispiel hier https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/erwerbs-und-wirtschaftsgenossenschaften-36223 , kann es auf diesem Weg nicht für Nichtmitglieder bauen, da auch bei sozialen oder kulturellen Zielen der Zweck darin besteht, die Mitglieder zu fördern. Will man wirklich alle Menschen fördern, muss man entweder eine Stiftung gründen oder dies als öffentliche Aufgabe angehen wie es ja mit kommunalen Wohnungsunternehmen geschieht.

Die heist nicht, dass es verboten ist, bei Neubaumassnahmen oder auch im Altwohnungsbestand neue Mitglieder aufzunehmen, wenn es nicht genügend Nachfrage von Mitgliedern gibt. Grundsätzlich muss sich die Neubautätigkeit aber am Bedarf der Mitglieder ausrichten.





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1bei potentiellen variierenden Kosten kann es betriebswirtschaftlich sinnvoll sein statt der tatsächlichen Kosten (Istkosten) Plankosten zu berechnen und diese zur Basis für die Preisfestsetzung zu nutzen, damit die Mitglieder eine größere Preissicherheit haben.





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