zuletzt aktualisiert am 25.10.2020
Der Beitrag, mit dem ich mich hier beschäftige, ist das erste Kapitel des Sammelbandes "Allgemeine Betriebswirtschaftslehre - Theorie und Politik des Wirtschaftens in Unternehmen", herausgegeben von Alexander Baumeister, Marcell Schweitzer, Erich Schmidt Verlag, 11. Auflage, 2015
Ich stelle den Aussagen der Autoren eigene Antworten gegenüber, die sich in der Auseinandersetzung mit ihren Vorschlägen herausschälten. Insoweit danke ich beiden für ihre sehr umfangreiche, akribische Arbeit.
Einbettung der BWL in die WirtschaftswissenschaftenWirtschaftswissenschaft erklären sie als die wissenschaftliche Disziplin, die sich mit deskriptiven, theoretischen, pragmatischen und normativen Fragen des Wirtschaftens befasst. So weit so gut. Was Wirtschaften ist, wird zu Beginn nicht ausgeführt.
Als Einschub sei hier erlaubt auf Uwe Bestmann hinzuweisen, der dazu schreibt: " Die Grundlage allen wirtschaftlichen Handelns bildet die Möglichkeit, über knappe Güter, die menschliche Bedürfnisse und Wünsche befriedigen, disponieren zu können". "Kompendium der Betriebswirtschaftslehre" S1., 4 Auflage, Oldenbourg, München, 1988 (Auf S. 20 kommen die Schweitzers zum gleichen Ergebnis.)
Dann folgt eine Zweiteilung in Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre mit der Behauptung, die erstere würde sich um aggregierte Fragen kümmern und die BWL um die einzelnen Einheiten, die Betriebe. Damit ignorieren sie, dass es in der VWL sowohl die Makroökonomie als auch die Mikroökonomie gibt und letztere sich sehr wohl mit der Einzelebene befasst, nämlich zum einen mit der Nachfrageseite, den Konsumenten beziehungsweise den Haushalten, und zum anderen der Produktionsseite, den Unternehmen. Besser wird die Stellung von VWL und BWL, auch mit ihren Problemen und Überlappungen, nach meinem Dafürhalten bei Artur Woll beschrieben ("Allgemeine Volkswirtschaftslehre" 11. Auflage, 1993, Vahlen, München).
Untersuchungsgegenstand
Die Autoren machen die erstaunliche Aussage, dass sich jedes Wirtschaften in Betrieben vollziehe (S.4). Sie konkretisieren, dass sie auch Museen, Kirchen und Haushalte zu den Betrieben zählen (S.6). Wird ein Singlehaushalt als Betrieb qualifiziert, wird nach meiner Einschätzung der Begriff Betrieb sinnentleert. Das gleiche gilt in der Anwendung auf einen Staatshaushalt.
Um von dieser Vermengung loszukommen, unterscheiden sie zwischen Unternehmen als Betriebe mit Fremdbedarfsdeckung und Haushalten als Betriebe mit Eigenbedarfsdeckung (S.6). Allerdings gibt es in Wirklichkeit zum Beispiel Wohnungsgenossenschaften, die Wohnungen für ihre Mitglieder bauen und verwalten. Diese sind selbstorganisierte Zusammenschlüsse zum gemeinsamen Geschäftsbetrieb und dabei Teilhabergemeinschaften und Unternehmergemeinschaften. Sie sind darauf ausgelegt den Eigenbedarf ihrer Mitglieder zu decken. Diese sprengen die Klassifikation der Autoren.
Sinnvoller scheint es zu sein, die klassische auch volkswirtschaftlich kompatible Unterscheidung vorzunehmen und zwischen Haushalten (die durchaus als Wirtschaftseinheiten aufgefasst werden können) und Unternehmen zu differenzieren, die ein wirtschaftliches Gut (materiell oder in Form einer Dienstleistung) erstellen und abgeben.
Den Autoren gelingt es nicht, ihre eigene Betriebsdefinition durchzuhalten. Schon eines der folgenden Unterkapitel nennen sie "Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre unter Moralitätsaspekten - Grundfragen der Unternehmensethik" (Kapitel 1.2. S. 27ff.). Sie landen auf der Unternehmensebene und lassen Haushalte weg. Auch Folgekapitel des Gesamtbandes nehmen die Unternehmensperspektive ein wie das Modul 7 "Grundlagen der Unternehmensführung" und die kompletten Kapitel zu den Phasen des Unternehmensprozesses (Module 12-17) und zur Unternehmensrechnung (Module 18-21). Dagegen gibt es kein einziges Kapitel oder Modul zu Haushalten.
Die Autoren unterteilen die Unternehmen in private und öffentliche nach der Art der Anteilseigner und unterscheiden dann weiter nach Dienstleistungs- und Industrieunternehmen (S.9).
Ich vermisse hier eine Unterteilung nach der Unternehmenszielsetzung, zwischen 1. Erwerbsunternehmen, d.h. vom Grundsatz her auf Gewinn ausgerichteten Unternehmen (wie in der Regel Aktiengesellschaften, GmbHs, Komanditges.),2. gemeinnützigen Unternehmen wie öffentlichen Unternehmen und privat-gemeinnützigen und kirchlichen Unternehmen und 3. bedarfswirtschaftlichen Unternehmen wie Genossenschaften.
Deutlich spannender und vielversprechender scheint mir die Unternehmenssystematik bei Karl Hildebrand "Die betriebswirtschaftlichen Grundlagen der genossenschaftlichen Unternehmung, 1927 und Ferdinand Leitner "Wirtschaftslehre der Unternehmung" 1921.
Problembereich der BWL
Gut finde ich, dass die Autoren sich der Frage stellen und verschiedene Antwortoptionen durchdenken. Zu bemängeln ist, dass sie eine gute Antwortoption auslassen.
Zunächst prüfen sie die Gewinnmaximierung als Unternehmenszielsetzung und ihre Eignung, um das Problemfeld der BWL einzugrenzen. Dabei verweisen sie auf die Passung zur klassischen Nationalökonomie. Da diese nicht für öffentliche Unternehmen und Privathaushalte gelte, verwerfen sie diese, ergänzt um den Hinweis, dass es auch zahlreiche besonders mittelständische Unternehmen gäbe, für die Gewinnmaximierung nicht die oberste Entscheidungsmaxime sei.
Sie verwerfen zwei weitere Optionen und gelangen schließlich zu folgender Antwort: Es wird die Summe der betrieblichen Entscheidungen über knappe Güter zum Problemkreis der BWL gewählt. (S.20) Dabei sei als Hauptbedingung aller Entscheidungen zu fordern, dass alle knappen Güter in eine optimale Allokation (Verwendungsweise) gebracht werden müssen.
Sie führen weiter aus:"Danach ist bei einem gewählten Ziel(system) über die Zuordnung der knappen Güter auf zulässige alternative Verwendung so zu entscheiden, dass die gewählte Alternative als optimal akzeptiert wird (optimale Allokation). Dabei müssen die alternativen Verwendungsweisen zulässig (realisierbar) sein, was bedeutet, dass sie mehreren Nebenbedingungen genügen müssen: dazu zählen u.a. wirtschaftliche, technische , soziale, ökologische, ethische Nebenbedingungen. Die auf diese Weise abgegrenzte Alternativmenge heißt in der Entscheidungstheorie und in der Unternehmensforschung "zulässiger Bereich".
Optimal heißt in der Wirtschaftswissenschaft, dass ein Ergebnis entweder über das Maximalprinzip, das Minimalprinzip oder deren Kombination erreicht wird. Das Maximalprinzip heißt, mit einen gegebenen Mix an Produktionsfaktoren ein maximales Ergebnis zu erreichen. Das Minimalprinzip besagt ,ein gegebenes Ziel mit minimalem Einsatz von Produktionsfaktoren zu erreichen und das Optimalprinzip fokussiert, ein maximales Ergebnis mit minimalem Einsatz von Produktionsfaktoren zu erreichen.
Gut gefällt mir die Art wie Nebenbedingungen miteinbezogen werden und eine Hauptbedingung formuliert wird.
Über das Abheben auf Entscheidungen schreiben sie weiter, dass das Wirtschaften in diesem Sinn ein geistiger Prozess sei. Damit entsteht das Problem, dass in allen Betrieben mit Haushaltscharakter, privat oder öffentlich, diese sich in der Regel nicht auf Basis dieses Prozesses des Wirtschaftens organisieren und strukturieren sondern nach anderen Kriterien. Letztlich wird eine BWL, die Haushalte als Untersuchungsgegenstand miteinbezieht, viel weniger konkret in ihren Antworten sein können, als eine BWL, die sich auf Unternehmen konzentrieren kann, die eine wirtschafliches Gut erstellen, das mit einem Preis versehen ist..
Mein Gegenvorschlag lautet wie folgt:
Das Auswahlprinzip der BWL ist die Zielsetzung der Nutzenmaximierung für das jeweilige Unternehmen im Rahmen einer guten Unternehmensführung. Dabei gibt es zwei gleichberechtigte Säulen, die letztlich über die Wahl der Unternehmensform vorentschieden wird. Bei erwerbswirtschaftlichen Unternehmen bedeutet dies konkret die langfristige Gewinnmaximierung, bei bedarfswirtschaftlichen Unternehmen die Nutzenmaximierung für die Adressaten der Leistungserstellung. Im Falle von öffentlich-gemeinnützigen oder privat-gemeinnützigen Unternehmen sind dies die Kunden, im Falle von Genossenschaften und wirtschaftlichen Vereinen sind das die Mitglieder.
Dabei ist wahrscheinlich im Fall der Erwerbswirtschaften und der Gewinnmaximierung das Maximalprinzip dominant, da man ein gebendes Reservoir an Mitteln hat und damit ein maximales Ergebnis erzielen will und im Fall von Bedarfswirtschaften das Minimalprinzip, da der Grundbedarf sich relativ konkret ermitteln lässt und man dann versuchen kann diesen mit entweder möglichst wenig öffentlichen Geldern zu erreichen oder im Falle von Genossenschaften dies mit miminalem Aufwand, um den Mitgliedern eine maximale Ersparnis zu ermöglichen.
Praktisch ist ersteres tendenziell innovativer, da Unternehmer hier kompetitiver sind und mitunter Produkte entwickeln, die sich die Kunden noch gar nicht vorstellen konnten, während bedarfwirtschaftliche Unternehmen eher Grundbedürfnisse abdecken. Erwerbsunternehmen zielen von der Tendenz mehr auf Wünsche ab als auf Bedürfnisse, da hier mehr Geld eingenommen werden kann bzw zusätzliche Nachfrage generiert werden kann.
Ersteres bringt unseren Planeten eher an unsere Grenzen, da Gewinnmaximierung keine Grenzen kennt und muß im Rahmen einer ökologisch-sozialen marktwirtschaftlichen Rechtsordnung über das ausreichend hohe Bepreisen von externen Gütern eingehegt werden, letztere sind vom Grundsatz her nicht so expansiv.
Dennoch gilt auch hier zwischen Potential und Wirklichkeit zu unterscheiden. Es kann auch Aktiengesellschaften geben, die von sich aus bescheiden und nachhaltig agieren und Genossenschaften, die ihre Mitglieder wie normale Kunden behandeln bzw deren Mitglieder sich von ihren Managern so behandeln lassen. Insoweit gibt es in der BWL eine grundlegende normative Ebene und eine empirische. Für das letztere bietet sich zum Beispiel die neue Institutionenökonomik als sinnvolle Hilfswissenschaft an, zum Beispiel bezüglich des Agenten-Prinzipal-Dilemmas und seiner Auflösung in Erkenntnissen der Spieltheorie (zB Elinor Ostrom et. al. "Rules, Games & Common-Pool Resources, University of Michigan Press, 1994) aber auch in der Anwendung der property rights theory.
Vergleich der beiden Antworten:
- Nutzenmaximierung ist relativ nahe bei optimaler Allokation wobei es sich im Zweifel besser quantifizieren lässt, nämlich entweder über Gewinnmaximierung oder Ersparnismaximierung
- Nutzenmaximierung lässt sich vermutlich auch besser qualifiziert beschreiben, da es nach vorne gerichtet ist und nicht auf den Mitteleinsatz
- Nutzenmaximierung passt besser zur Wirklichkeit: Die Autoren folgern aus ihrem Ansatz auf S.21 zu den Zielen des Wirtschaftens ein Optimierungspostulat:" Entscheide in Betrieben stets so, dass mit den vorhandenen knappen Mitteln (Gütern) eine optimale Ausprägung der wirtschaftlichen, sozialen, technischen, ökologischen und unternehmensethischen Ziele (Werte) erreicht wird ." In der Realtiät weiten öffentliche Haushalte ihre Mittel sehr häufig aus. In Unternehmen gibt es dafür die Grundfunktion Finanzierung und es geht gerade nicht darum per se mit vorhandenen Mitteln auszukommen sondern diese entsprechend der Ziele und am unternehmerischen Potential auszurichten.
- es ist kompatibel zu einer Begriffsdefinition vom Betrieb, die nahe am normales Verständnis des Begrifffes ist und
- es kommt zu keinen Widersprüchen in der Systematik bei Unternehmen, die selbstorganisiert als Zusammenschluß für den Eigenbedarf wirtschaften (Genossenschaften)
- es scheint fruchtbarer in Bezug auf die Nachhaltigkeitsthematik, wie die ersten oben angedeuteten Schlussfolgerungen nahelegen
Zur möglichen Kritik an einem Maximierungsansatz, dass dieser andere Stakeholder zu kurz kommen lässt, gilt die Aussage, dass gute Unternehmensführung grundsätzlich die Achtung der Interessen aller Stakeholder (Mitarbeiter, Lieferanten, Staat, lokales Umfeld) miteinschließt. und im Sinne der Maximierung liegt. Wirtschaft ist gerade kein Nullsummenspiel, sondern kann tatsächlich mit einer Wohlstandsmehrung für alle Beteiligten praktiziert werden, auch wenn es absolut keine Selbstverständichkeit ist, dass genau dies gelingt.
Wirtschaften bei Sicherheit, Risiko und Unsicherheit
Ab Seite 23 befassen sich die Autoren mit dem Thema, dass die BWL oft eine extremale Zielerreichung (Maximierung, Minimierung) propagiere, diese aber in der Praxis nicht erreicht wird und versuchen Alternativen ins Spiel zu bringen wie eine Satisfizierung/Approximation. Sie schlagen vor, dabei Entscheidungskriterien an den Grad der Informationssicherheit anzupassen, also bei Informationssicherheit zu extremieren, bei Wahrscheinlichkeit diese falls nötig um schwächere Entscheidungskriterien zu ersetzen und bei Unsicherheit in einen allgemeinen Abwägungsprozess überzugehen. Dem stimme ich grundsätzlich zu, siehe meine Anmerkung zu Potential und Wirklichkeit. Hier hätte ich mir einen Hinweis zur neuen Institutionenökonomik gewünscht, die dann im Kapitel zur Unternehmensführung S. 297 des Sammelbandes angesprochen wird.
Wissenschaftsziel der BWL
Auf Seite 25 führen die Autoren vier mögliche Fokussierungen in der Zielsetzung einer BWL an:
Sie
selbst tendieren zu einer pragmatischen BWL, "die Erkenntnisse über
menschliches Handeln als nach außen orientierte Willenstätigkeit zur
Verfügung stellen soll". Sie nennen dies Entscheidungsorientierte BWL
die sich empirisch überprüfen lassen muss (empirische Geltung) und
dadurch zur Realwissenschaft wird. Das korrespondiert mit dem von ihnen
oben gewählte Aussage " Es wird die Summe der betrieblichen Entscheidungen
über knappe Güter zum Problemkreis der BWL gewählt." Als weitere
mögliche Fokussierungen erwähnen sie ein deskriptives, ein theoretisches
und ein normatives Wissenschaftsziel. Letztlich sehe ich hier zwei
Pole: Man beschreibt die Wirklichkeit wie sie ist und nimmt sie als
gegeben hin, dann wird man kaum zu Aussagen mit Gestaltungskraft kommen
oder man macht sich theoretisch Gedanken über ein Ideal für die
Wirklichkeit und entwickelt normativen Aussagen und wundert sich dann
bei der empirischen Überprüfung überspitzt formuliert, dass sich kein
Manager daran hält. Ich tendiere dazu zwei Ebenen auseinanderzuhalten.
Also zum einen den Anspruch auf Theoriebildung und normativen Aussagen nicht aufzugeben
und bei der empirischen Überprüfung die Wirklichkeit anzuerkennen und
Hilfen heranzuziehen, wie sie zum Beispiel die neue
Institutionenökonomik bietet aber auch die systemische
Organisationstheorie (Bernd Österreich nach Niklas Lumann). Bernd
Österreich hebt hier in dem verlinkten Video den Gegensatz zwischen Theorie und Praxis auf. Genau das muss eine gute Theorie leisten.
Zu
einem solchen Ansatz gehört es auch die Praxis inklusive des
Menschen als in einem
Entwicklungsprozess befindlich zu erkennen und zu
berücksichtigen. Ein Beispiel: In der
genossenschaftswissenschaftlichen Literatur gibt es über Jahrzehnte
einen roten Faden, dass Genossenschaften die Mitgliederförderung nur
suboptimal erfüllen (z.B. "Konzeptionelle Überlegungen zu einer
Besonderen Betriebswirtschaftslehre der
Genossenschaften als Führungslehre"
Johannes Blome-Drees (Hrsg.), Springer Wiesbaden, Handbuch
Genossenschaftswesen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-18639-5_5-1 Seite 7:"Berücksichtigt
man etwa die Erkenntnisse, die die Genossenschaftslehre in den letzten
Jahrzehnten zu
ihrem einzig sinnvollen Paradigma – einer Verbesserung der
Mitgliederförderung
durch genossenschaftliche Unternehmen (Boettcher 1979) – hervorgebracht
hat, so
stellt man fest, dass sie bisher kaum Eingang in die
Genossenschaftspraxis gefunden
haben." siehe auch Mit Hilfe des Prinzipal-Agenten-Dilemmas lässt sich im Rahmen der
neuen Institutionsökonomie opportunistisches Verhalten von
Führungskräften, Kontrollgremien und Genossenschaftsmitgliedern
erklären. Dennoch muss die genossenschaftliche BWL hier nicht am Gehalt
ihrer normativen Aussage zweifeln, dass die Mitgliederförderung geboten
ist, sondern kann über die Bedeutung von Kommunikationsprozessen Wege
aufzeigen, wie sich nach und nach das Bewusstsein der Akteure und die
Wirklichkeit verändern lässt, siehe sowohl die Forschungen von Elinor
Ostrom, als auch die Beratungspraxis mit kommunikativen Interventionen
von Bernd Österreich siehe https://kollegiale-fuehrung.de/ .
Dass
die Wissenschaft selbst Teil dieser Praxis und dieser Welt ist und sie
sie schon durch ihre Untersuchung verändert, sollte sie ebenfalls
anerkennen. In der Physik ist das am krassesten in der Quantenphysik
deutlich geworden im Doppelspaltexperiment, aber es trifft auch auf uns
zu. Ich habe dies zum ersten mal mit Bezug zur BWL bei Blome-Drees
(siehe Artikel oben) unter dem Begriff der doppelten Selbstreferenz
gelesen. Er schreibt:"Denn gerade in
den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften besteht eine besondere
Notwendigkeit,
sich mit der eigenen Rolle als Akteur im Objektbereich
auseinanderzusetzen. Diese
Notwendigkeit resultiert vor allem aus dem Umstand, dass das Handeln der
Akteure
im Objektbereich durch Wissen beeinflusst wird und die Wissenschaft
einen erheblichen Beitrag zur Verwissenschaftlichung des Objektbereichs
geleistet hat."und "Nach dem bisher Gesagten analysiert die
Genossenschaftslehre einen Gegenstand,
in dem sie selber vorkommt. Sie sollte sich daher mit der Frage
beschäftigen, unter
welchen Bedingungen sie selbst angewandt wird und welche Auswirkungen
dies auf
die Genossenschaftspraxis als ihren Objektbereich hat."
Insgesamt könnt ehier der Begriff Weggemeinschaft weiterhelfen, sowohl für die Rolle der Wissenschaft als auch für die Betriebswirtschaftslehre als Unternehmenslehre. Unternehmen sind Weggemeinschaften. Im Falle von Aktiengesellschaften der Mitarbeiter und in geweisser Weise auch der Aktionöre, im Falle von Genossenschaften der Mitarbeiter und der Mitglieder. Auch die Forschenden und Lehrenden der Betriebswirtschaftslehre befinden sich letztlich in einer Weggemeinschaft mit denjenigen für die ihre Aussage relevant sind, also den in Betrieben Entscheidenden, letztlich auch die diese Entscheidungen Beurteilenden oder von ihnen Betroffenen.
Schlussbemerkung:
Letzlich
ist das ganze Buch als Lehrbuch von 38(!) Professoren geschrieben. Es
ist damit an Betriebswirte gerichtet, die damit in der Praxis arbeiten
sollen. Dadurch sind die Aussagen vermutlich von den Bedürfnissen des
Empfängerkreises geprägt. Wenn die Autoren im 1. Kapitel von einem
geistigen Prozess sprechen, haben sie wahrscheinlich künftige
Absolventen im Blick, die sich in der Zukunft strukturiert mit konkreten
Fragen beschäftigen müssen und eigenständig Antworten entwickeln
müssen. Das mag dazu beigetragen haben, einen entscheidungsorientierten
Fokus gewählt zu haben und auch die Betriebsdefinition auf Haushalte
ausgedehnt zu haben, um möglichst viele Fälle in der Praxis abdecken zu
können. Das ist nachvollziehbar, hat aber den Nachteil, dass potentiell
alles in Beliebigkeit von Zielsysteme ausufern kann und Führungskräfte
weniger konkrete Orientierung mitbekommen als anderweitig möglich wäre.
Hier sehe ich in meinem Ansatz der Unterscheidung von der Orientierung
auf Gewinnmaximierung bei Erwerbsunternehmen und Nutzenmaximierung bei
bedarfswirtschaftlichen Unternehmen (Genossenschaften, kommunalen
Versorgungsunterrnehmen, Stiftungsunternehmen) einen Vorteil. In der
Praxis hat sich gezeigt, dass viele Führungskräfte in Genossenschaften
sich nicht entsprechend den ökonomisch als sinnvoll belegbaren
normativen Zielen verhalten und die allgemeine Betriebswirtschaftslehre
zumindest in der Lehre dazu zu wenig Orientierung bietet. Zum
Forschungsstand außerhalb meiner eigenen Überlegungen, die ich hier auf
dem Blog formuliert habe, kann ich diesbezüglich noch nichts sagen.
Insgesamt
eignet sich ein Lehrbuch als Orientierung für Aussagen zur Grundlegung
der Betriebswirtschaftslehre nur bedingt und ich müsste wohl eher nach
Monographien
zur allgemeinen Betriebswirtschaftslehre Ausschau halten. Ob sich
jemand daran herangetraut hat? Hinweise nehme ich gerne entgegen.
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