Montag, 12. Mai 2025

Auch Aussagen des VHB lassen die Wichtigkeit erkennen, einen bedarfswirtschaftlichen Ansatz in der BWL jetzt voranzubringen

Der Verband der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. (VHB) hat seit vielen Jahrzenten für die wissenschaftliche Arbeit innerhalb des VHB Wissenschaftliche Kommissionen (WK) gebildet. siehe hier. Unter anderem gibt es die WK öffentliche Betriebswirtschaftslehre, die sich ergänzend beschreibt als Public, Nonprofit & Health Care. Damit wird der Name einem bereiten Praxisbedarf gerecht, indem es deren Vielfalt und anzahl- und größenmässigen Bedeutung zugehöriger Organisationen Auswirkungen auf die Namensgebung der WK zubilligt. Sie geht damit aber am hier schon ausführlich dargestelten grundlegendne betriebswirtschaftlichen bedarfswirtschaftlichen Ansatz vorbei. In einem Text der WK öffentliche BWL aus dem Jahr 2019 anlässlich seiner vierzigjährigen Geschichte wird dies deutlich (1). Dort heißt es: "Seit ihrer Gründung verfolgt die Kommission – gemäß ihrer Selbstdarstellung – das Ziel, „betriebswirtschaftliche Konzepte und Instrumente für öffentliche Verwaltungen, öffentliche Unternehmen und private Nonprofit-Organisationen weiterzuentwickeln...." (S.1) Zum einen bedeutet das, dass man auch zu Verwaltungen,  die ja keine Wirtschaftsunternehmen sind, Antworten geben möchte. Das ist nicht verboten, aber es besteht die Gefahr, die Vorteile des bedarfswirtschaftlichen Nutzer-Nutzenmaximierungskalküls aus dem Blick zu verlieren oder es gar nicht erst gründlich zu erforschen. Die gleiche Gefahr besteht mit der Perspektive auf Non-Profit-Organisationen. Auch hier wird zum einen über Wirtschaftsunternehmen weit hinausgefasst, zum anderen werden die Unternehmensziele von im Begriff Non-Profit-Organisationen enthaltenen "Non-Profit"-Wirtschaftsunternehmen negativ forumliert als das, was nicht da ist, ein Gewinnziel, statt als das positiv zu formulieren als das, was angestrebt wird nämlich die Bedarfsdeckung der Leistungsabnehmer. Natürlich kann so eine Ausrichtung wissenschaftlicher Tätgikeit zu viel weniger genauen Aussagen für die Praxis gelangen. Auch eine weitere Aussage im Text ist sehr erhellend. Dort heißt es: "Dem liegt die Überzeugung zugrunde, dass die Tätigkeit im öffentlichen Bereich, in privaten Nonprofit-Organisationen sowie in Organisationen stark regulierter Branchen spezifische Qualifikationen voraussetzt, die im Rahmen eines überwiegend an den Bedürfnissen privater For-Profit-Unternehmen ausgerichteten BWL-Studiums nicht erworben werden können." (S.1) Das ist eigentlich eine Kapitulationserklärung dahingehend, dass das normale BWL-Studium sich auf den erwerbswirtscahftlich-gewinnmaximierenden Ansatz zu fokussieren berechtigt ist und mehr nicht leisten kann und muss. Dies ist mitnichten so. Bereits die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (ABWL) sollte natürlich eine erwerbswirtschafltliche und eine bedarfswirtschaftliche Säule enthalten. Mit diesem Rüstzeug wäre dann auch Manager/innen öfffentlicher Verwaltungen und von Nicht-Regierungs-Organsiationen nicht schlecht ausgestattet, aber jedensfalls die Leitungspersonen, die in öffentlichen Wirtschaftsunternehmen, Genossenschaften, gemeinnützigen GmbHs und Stiftungsunternehmen tätig sind, wären angemessen vorbereitet. Deshalb sollten Vorlesungen zur ABWL mit beiden Säulen im BWL-Grundstudium selbstverständlicher Standard sein an deutschsprachigen Hochschulen.

(1) Reinbert Schauer, 40 Jahre Wissenschaftliche Kommission “Öffentliche Betriebswirtschaftslehre”
im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. – Ein Leistungsbericht, 2019, online unter https://www.vhbonline.org/verband/wissenschaftliche-kommissionen/oeffentliche-betriebswirtschaftslehre unter der Überschrift "Historie"  (abgerufen am 12.02.2025)

Sonntag, 11. Mai 2025

Hinweise zum Stand der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (ABWL)

Ich plädiere hier auf dem Blog für eine bedarfswirtschaftliche Betriebwirtschaftslehre als 2. Säule innerhalb der allgemeinen BWL. Dafür ist es sinnvoll den Forschung- und Lehrsansatz ABWL selbst einzuordnen. Wolfgang Weber (verstorben 2019) schreibt 2018 in dem 1. Band zu einer Tagung des VHB,Verband der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V., zur Ideengeschichte der BWL (1), dass die ABWL eine Besonderheit der deutschprachigen BWL sei. Für den anglo-amerkanischen Raum sei eine weitgehende Zersplitterung der betriebswirtschaftlichen Teilgebiete typisch (S.28 er zitiert dafür (2)). Die Suche nach einer einheitlichen Perspektive und die Zusammenführung der Teilgebiete in Gesamtdarstelllungen sei dort nicht üblich. Aus den weiteren Aussagen Webers und der Literatur, die er dazu anführt, wird deutlich, dass die ABWL schon beginnend in den 1980er Jahren in einer sich bis heute verstärkenden Krise steckt, wenn nicht sogar um ihre Existenz ringt. Nach Weber sei  die ABWL mit der Identifizierung des Allgemeinen noch auf der Suche (s.32). Das kann ich bestätigen. Es gibt Autoren, die den Betriebsbegriff auch auf den Privathaushalt (!) ausdehnen, siehe mein Artikel zu Marcus Schweitzers und Marcel Schweitzers Artikel (3), (4)  und andererseits die Tendenz BWL mit gewinn- bzw renditeemaximierender Ausrichtung gleichzusetzen, zum Beispiel in der Investitionsrechnung. Deshalb kann die klare Strukturierung der ABWL mit einer gewinnmaximierenden erwerbswirtschaftlichen Säule und einer  Nutzer-nutzenmaximierenden bedarfswirtschaftlichen Säule hier wesentliche Klarheit schaffen. Dies kann  die ABWL womöglich insgesamt aus ihrem Schattendasein herausführen oder zumindest ein wichtiger Grundstein dafür sein, Weber schreibt es sei geboten, an der Diskussion in der BWL in den 1950er, 60er, 70er und 80er Jahre anzuknüpfen. Er zählt viele Autoren/Texte als positive Beispiele auf, unter anderem "die Darstellung des theoretischen Angebotes für die Betriebswirtschaftslehre insgesamt" von Schwaiger und Meyer, 2009 (5). Ich gebe Weber hier ausdrücklich recht. Wie ich letzten Sonntag schrieb, beschäftige ich mich gerade mit der bedarfswirtschaftichen Dissertation von Hans Schüler aus dem Jahr 1958, an die, soweit ich das sehe, noch nicht angeknüpft wurde. (6), (7) Ich werde mir das Buch von Schwaiger und Meyer näher ansehen und prüfen, wie die Autoren sich zu meinem Vorschlag stellen.

Literatur

(1) Wolfgang Weber, Allgemeine versus Spezielle Betriebswirtschaftslehre, in Wenzel Matiaske, Wolfgang Weber (Hrsg.), Ideengeschichte der BWL - ABWL, Organisation, Personal, Rechnungswesen und Steuern, Wiesbaden, 2018

(2) H.M. Schoenfeld, Betriebswirtschaftslehre im anglo-amerikanischen Raum, in  E. Groschla, W. Wittmann (Hrsg.) Handwörterbuch der Betriebswirtschaft,  4. Aufl. , Stuttgart 1974, S. 747-759

(3) Frank Giebel, Meine Auseinandersetzung mit "Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre unter Rationalitätsaspekten - Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre" von Marcell Schweitzer und Marcus Schweitzer, Blog liberal und kooperativ, 2020

(4)  Marcell Schweitzer und Marcus Schweitzer. "Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre unter Rationalitätsaspekten - Grundfragen der Betriebsirtschaftslehre" in: Alexander Baumeister, Marcell Schweitzer, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre - Theorie und Politik des Wirtschaftens in Unternehmen, Berlin, 11. Auflage, 2015

(5) Manfred Schwaiger, Anton Meyer (Hrsg.), Theorien und Methoden der Betriebswirtschaft. Handbuch für Wissenschaftler und Studierende, München, 2009

(6) Frank Giebel, Zwei Hinweise zur Schaffung einer bedarfswirtschaftlichen Lehr- und Forschungsinstitution, Blog liberal und kooperativ, 2025

(7) Hans Schüler,  Probleme der Erfolgsmessung bei bedarfswirtschaftlichen Unternehmen, im besonderen bei Wohnungsunternehmen, Dissertation Universität Köln 1958 bei G. Weisser u. Korref. E. Gutenberg, veröffentlicht, Göttingen, 1959

Sonntag, 4. Mai 2025

Zwei Hinweise zur Schaffung einer bedarfswirtschaftlichen Lehr- und Forschungsinstitution

Ich arbeite zur Zeit an einem Artikel zur Bedeutung eines bedarfswirtschaftlichen Ansatzes innerhalb der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (ABWL), möche hier aber zwei Hinweise geben zu dessen Ausrichtung.  Die inhaltliche Ausrichtung ist denke ich bereits aus den bisherigen Texten hier auf dem Blog deutlich geworden. 

Neu hinzukommt erstens meine Einschätzung, dass die Forschungsinstitution am besten im deutschen Sprachraum angesiedelt wäre: Ich habe begonnen, mich mit der Dissertation von Hans Schüler aus dem Jahr 1958 zu beschäftigen, einem der ganz wenigen Autoren, der neben meinem eigenen Artikel in einer akademischen Literatursuchmaschine bei einer entsprechenden Abfrage auftauchte (1), (2), (3). Referent der Dissertation als Doktorvater war Gerhard Weisser, Betriebswirt von der Universität Köln, der Gründer des Instituts für Genossenschaftswesen. Koreferent war Erich Gutenberg, neben Eugen Schmalenbach der wahrscheinlich bedeutendste Vertreter der Betriebswirtschaftslehre. Schüler findet wichtige Aussagen von anderen Autoren zur Bedarfswirtschaft nämlich von Werner Sombart und Heinrich von Stackelberg (S. 1). Da auch Max Weber sich dazu geäußert hat, siehe (4) wird deutlich, dass im deutschen Sprachraum viel zu finden ist. Nicht zuletzt kann sogar Johann Wolfgang von Goethe für den bedarfswirtschaftlichen Ansatz fruchtbar gemacht werden (5), (6). Zudem schrieben Eugen Schmalenbach, Erich Gutenberg, Günter Wöhe, Wolfgang Stützel, Dieter Schneider, Horst Albach und Sönke Hundt als zur ABWL gewichtiges Beitragende weitetestgehend auf Deutsch. Es ist deshalb hilfreich, die Forschung hier weiter zu betreiben. 

Zweitens war es beim ersten Sichten von Schülers Dissertation für mich verblüffend so viele Aussagen zum bedarfswirtschaftlichen Ansatz zu finden und zugleich wahrzunehmen, dass darauf sehr wenig nachfolgte von anderen Autoren. Ich konnte bisher weder näheres zum weiteren Forscherleben von Hans Schüler ermitteln noch wer ggf. warum oder warum nicht diesen Ansatz weiter verfolgt hat. Wie ebenfalls aus meinen letzten beiden Artikeln zu jeweils einer Arbeit von Günther Ringle und Reinhard Schultz deutlich wird, ist es sinnvoll zu verstehen, warum die bedarfswirtschaftliche BWL sich nicht bereits parallel zur gewinnmaximierenden gut entfaltet hat. Matiaske und Sadowki schrieben in ihrer Ideengeschichte der BWL II (7) (S.1) , dass die BWL wenig Interesse an ihre Fachgeschichte gezeigt hätte und sehen hier zurecht ein Defizit. Hier wäre also einem Forschungszweig einer bedarfswirtschaftlichen Säule der ABWL zu raten, es besser zu machen und von Anfang an die eigene Historie mit zu untersuchen und zu reflektieren, auch wenn dies nicht der Kern ihrer Aussagen sein wird. Der Kern wären wohlbegründete, also deduktiv abgleitete normative Aussagen der Praxis zur Verfügung zu stellen und an deren Anforderungen zu messen und weiterzuentwickeln, und damit dazu beizutragen, den jeweiligen gesteckten Unternehmenszweck und die Unternehmensziele so effizient wie möglich zu erreichen. Im Sinne von nichts ist praktischer als eine gute Theorie. (8)

Literatur

(1) Hans Schüler,  Probleme der Erfolgsmessung bei bedarfswirtschaftlichen Unternehmen, im besonderen bei Wohnungsunternehmen, Göttingen, 1959 

(2) Frank Giebel,  Kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung und Opportunitätskosten im Kontext einer bedarfswirtschaftlichen Investitionstheorie, Munich Person RepEc, 2025, https://mpra.ub.uni-muenchen.de/124086/

(3) Frank Giebel,  Zum Stand der deutschprachigen bedarfswirtschaftlichen Literatur, Blog liberal und kooperativ, April 2025

(4) Frank Giebel, verblüffende Erkennntis gefunden bei Max Weber, Blog liberal und kooperativ, Oktober 2020

(5) Frank Giebel, Das zwei-Klassen-System von staatlichen Bahnunternehmen wie der Deutschen Bahn ist nicht mehr zeitgemäß, Blog liberal und kooperativ, Oktober 2021

(6) Frank Giebel, Mehr zu Marshall II - inklusive einer Rezeption bei Karl-Heinz Brodbeck, Blog liberal und kooperativ, Februar 2021

(7) Wenzel Matiaske, Dieter Sadwoski (Hrsg.), Ideengeschichte der BWL II, Wiesbaden, 2022

(8) Der Satz wird sowohl Immanuel Kant als auch Kurt Lewin zugeschrieben und auch Bernd Österreich hat ihn für sich als wahr und wichtig entdeckt. Zu ersterem und zum zweiten siehe Universität Köln Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät abgerufen am 04.05.2025 "Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie." - Dieses Zitat, das dem deutschen Philosophen Immanuel Kant aber auch dem Psychologen und Mitbegründer der Sozialpsychologie Kurt Lewin zugeschrieben wird, ...", zum dritten siehe "Einführung in die systemische Organisationstheorie", Oose TV, youtube, 2016, abgerufen am 04.05.2025

Freitag, 18. April 2025

Personen-Index dieses Blogs zum Themenfeld bedarfswirtschaftliche Betriebswirtschaftslehre und genossenschaftliche Betriebswirtschaftslehre mit angrenzenden Bereichen

Hier liste und verlinkte ich alle Blog-Artikel, die sich mit Aussagen anderer Personen im obigen Themenfeld beschäftigen (alles was über reine Literaturhinweise hinaus geht). Wer alle Artikel mit Bezügen zu einer bestimmten Person finden will, gebe den Namen oben links in die Suchfunktion ein. Dort kann natürlich auch nach anderen Begriffen gesucht werden. Die Seite soll insoweit eine Hilfestellung sein, um den Inhalt des Blogs leichter zu erschließen. Eigentlich müsste ich etwas ähnliches auch noch mit Schlagworten tun. Es fehlt mir aber dafür an Zeit. 

Die Personenliste ist in alphabetischer Reihenfolge (teilweise sind zwei Namen zusammen aufgeführt wenn ich mich mit einem gemeinsamen Buch von ihnen befasse; wenn es eine ganze Autorenschar ist, begnügte ich mit einem von ihnen). Der jeweilige Link trägt den Namen meines Artikels. Er kann völlig verschieden sein von Aussagen der Person, auf die ich im jeweiligen Artikel eingehe.

Albach Horst

     Albachs synthetische Bilanztheorie unpassend für bedarfswirtschaftliche Unternehmen

     Gedanken zu Horst Albachs "Gutenberg und die Zukunft der Betriebswirtschaftslehre"

Antes Ralf

     Anmerkungen zu Ralf Antes Habilitationsschrift "Nachhaltigkeit und Betriebswirtschaftslehre"

Blome-Drees Johannes  (et al.) 

    Neuer Schwung für bedarfswirtschaftliches Wirtschaften (oberer Teil)

Boettcher Erik

     Begriffsklärung Gemeinwirtschaftlichkeit und Gemeinnützigkeit am Beispiel von Wohnungsgenossenschaften

Brodbeck Karlheinz

     Mehr zu Marshall II - inklusive einer Rezeption bei Karl-Heinz Brodbeck

Fürstenberg Friedrich 

        einige Hinweise der Soziologie der Genossenschaften für die Praxis in großen Genossenschaften

Goethe Johann Wolfgang von 

     Das zwei-Klassen-System von staatlichen Bahnunternehmen wie der Deutschen Bahn ist nicht mehr zeitgemäß

     Mehr zu Marshall II - inklusive einer Rezeption bei Karl-Heinz Brodbeck

Gutenberg Erich

    Gedanken zu Horst Albachs "Gutenberg und die Zukunft der Betriebswirtschaftslehre"

Hein Mathias 

     Gewinnorientierung als Zeitgeistsaspekt in der Fachliteratur zur Wohnungswirtschaft

Hundt Sönke

     Grundideen der Betriebswirtschaftslehre (BWL) Teil 1

Kahlenborn, Walter; Jens Clausen, Siegfried Behrendt und Edgar Göll

     Meine Auseinandersetzung mit dem Buch "Auf dem Weg zu einer Green Economy"

Kunert Jan und Leps Olof

     Notizen zu "Neue Wohnungsgemeinnützigkeit - Wege zu langfristig preiswertem und zukunftsgerechtem Wohnraum" von Jan Kuhnert und Olof Leps

Lepper Katja

     verblüffende Unwirtschaftlichkeit in Wohnungsgenossenschaften

Marshall Alfred

     Die Fallstricke der Indifferenzkurve - ein Pläydoyer zwischen Bedürfnissen und monetarisierbaren Wünschen zu unterscheiden

     Mehr zu Marshall

     Mehr zu Marshall II - inklusive einer Rezeption bei Karl-Heinz Brodbeck

Münstermann Karl 

    Schmalenbach inspiriert die genossenschaftliche BWL

Picker Christian

     weitere Fachaussagen zur Abgrenzung von Wohnungsgenossenschaften zu am Gemeinwesen orientierten Unternehmen und von Erwerbsunternehmen 

Ringle Günther

     Kommentar zu Günther Ringle "Investition und Investitionspolitik genossenschaftlicher Wirtschaftsgebilde"

Schär Johann Friedrich 

     Wem gehört das Kapital einer Genossenschaft und wie hoch sollten die Rücklagen sein? - kontroverse Ansichten näher beleuchtet

Schmalenbach Eugen 

    Schmalenbach inspiriert die genossenschaftliche BWL

Schneider Dieter 

    Einzelkritik: Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Grundlagen 2. Auflage 1995

     Wem gehört das Kapital einer Genossenschaft und wie hoch sollten die Rücklagen sein? - kontroverse Ansichten näher beleuchtet

Schultz, Reinhard 

     Kommentierung eines Textes von Reinhard Schultz zur Preisgestaltung und Gewinnerzielung in Genossenschaften

Schweitzer Markus und Schweizter Marcell 

    Meine Auseinandersetzung mit "Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre unter Rationalitätsaspekten - Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre" von Marcell Schweitzer und Marcus Schweitzer

Schweitzer, Rosemarie von

     ergänzende Hinweise zum Betriebsbegriff in der Betriebswirtschaftslehre

Simon Hermann

     ökologisch-soziale Marktwirtschaft von innen UND außen entfalten

Thiemeyer Theo 

    Begriffsklärung Gemeinwirtschaftlichkeit und Gemeinnützigkeit am Beispiel von Wohnungsgenossenschaften

      Fallstrick gemeinwohlökonomischer Betrachtungen

Weber Max

     verblüffende Erkennntis gefunden bei Max Weber

Weisser Gerhard 

    Neuer Schwung für bedarfswirtschaftliches Wirtschaften (unterer Teil)

Kommentar zu Günther Ringle "Investition und Investitionspolitik genossenschaftlicher Wirtschaftsgebilde"

1968 erstellte Günther Ringle, der von 1995 bis 2003 an der Universität Hamburg den Lehrstuhl für Genossenschaftswesen am Institut für Geld- und Kapitalverkehr innehatte, mit dem obigen Titel (1) seine Dissertation (siehe Nachruf). Ich kommentiere diese hier dahingehend, welche Aussagen sich dafür heute für die genossenschaftliche BWL und damit auch für die bedarfswirtschaftliche BWL gewinnen lassen und welche noch fehlen insbesondere im Vergleich zu meinen eigenen Artikeln.

Die Text weist ein sehr großes Literaturverzeichnis auf und macht auf interessante Artikel aufmerksam, die nicht so leicht zu finden sind, wie zum Beispiel der Artikel seines Doktorvaters Prof. Reinhold Henzler "Der Genossenschaftliche Grundauftrag und seine Erfüllung" (2). Ringle findet klare Worte im Sinne der bestmöglichen Mitgliederförderung: "Genossenschaftliches Wirtschaften muß dem Zwecke dienen, die in den Erwerbsunternehmen oder Haushaltungen der Mitglieder von Einzelgenossenschaften auftretenden Bedürfnisse bestmöglich zu befriedigen. Mit der gemeinschaftlichen Errichtung eines Geschäftsbetriebes wird die Verpflichtung eingegangen, sich um die bestmögliche Erfüllung dieser Verhaltensmaxime zu bemühen. Sobald die Genossenschaft andere Belange in den Vordergrund stellt, geht sie ihres genossenschaftlichen Wesens verlustig." (S. 86) Bei der Frage, wie dies zu konkretisieren ist, wiederholt er mit Verweis auf den obigen Artikel von Henzler, dass "unter den gegebenen Bedingungen insbesondere in Anpassung an die Marktverhältnisse stets so zu handeln sei, wie es den Genossenschaftsmitgliedern und deren Wirtschaften auf Dauer am besten zum Nutzen gereicht".  An dem Satz ist alles richtig und wichtig mit Ausnahme der Einfügung der "Anpassung an die Marktverhältnisse". Bei Beschaffungsgenossenschaften ist es gerade kein Automatismus sich an den Markt anzupassen sondern man deckt die Bedarfe der Mitglieder jenseits des Marktes ab. Und bei Verwertungsgenossenschaften sollte man sich auch nicht unbedingt an andere Erzeuger anpassen. Aus dem Satz von Ringle spricht ein Eindruck, dass Genossenschaften ggü. Marktangeboten in die Defensive geraten sind. Diese Aussage hat keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Weiter führt Ringe widerum Henzler (3) folgend aus, dass bei der Frage, ob sich Mitglieder ihrer Genossenschaft bedienen oder Marktangebote annehmen, es bei rationalem Verhalten der Mitglieder nur um die Mehrförderung geht für eine Beurteilung der genossenschaftstypischen Vorteilsgewährung"(S. 88). Er greift also das Delta zum Marktangebot auf. Dies entspricht der Aussage von Gerhard Weisser von der Ersparnismaximierung ( "Je niedriger auf Dauer der Preis ist, um so erfolgreicher haben sie gewirtschaftet." (4) (siehe auch hier) und bildet einen Grundstein des von mir formulierten Nutzer-Nutzenmaximierungskalküls (5).

Im weiteren befasst sich Ringle auch mit Fördereffizienz und Fördermessung. Als quantitative Messgrößen der Mitgliederförderung nennt Ringle zum einen Preisvorteile als maßgebliches Kriterium aus Sicht der Mitglieder, zum anderen die Höhe der Rück-und Nachvergütung. Damit ist eine umsatzproportionale Auszahlung nach Ende des Geschäftsjahres an die Leistungsabnehmer (die Mitglieder der Gen. sind)  gemeint, die zustande kommen kann, weil aus preiskalkulatorischer Vorsicht die Preise etwas höher als nötig angesetzt wurden in Beschaffungsgenossenschaften und etwas niedriger als möglich in Verwertungsgenossenschaften. 

Insgsamt stellt die Arbeit in einer Gesamtschau vieles klar und richtig dar insbesondere was die genossenschaftliche Förderzielsetzung angeht. Er forumliert aber auch wichtige Aussagen zur Fördereffizienz und Fördermessung und schafft damit eine Basis, die für das Konzept einer Förderbilanzierung dienen können.  Allerdings schöpft er dabei stark von Henzler (3), der sogar noch weiter in diesem Bereich differenziert zwischen Förderungspotenz, Förderungskapazität und Förderungseffizienz (S. 210 f.) Wo die Arbeit ggü. meinem Erkenntnisstand zurückbleibt, ist zum einen, dass sie den von Goethe entdeckten Unterschied von Wunsch und Bedürfnis nicht erkennt (6), (7), (8)  und deshalb nicht versteht, dass Genossenschaften als Bedarfsdeckungswirtschaften nicht jedem Wunsch ihrer Leistungsabnehmer hinterherlaufen müssen und damit auch nicht jedem Marktangebot sondern, dass die Stärke von Genossenschaften darin besteht, soweit sie Beschaffungsgenossenschaften sind, Grundbedarfe von Haushalten ökonomisch effizient zu befriedigen. Genossenschaften sind damit für Menschen interessant, die über Produkte und Diesntleistungen nicht ihren gesellscahftlichen Status hervorkehren wollen oder ihre individuellen Geschmack ausdrücken wollen sondern die sei es weil, sie aus unteren oder mittleren Einkomenschichten stammen und darauf angewiesen sind oder weil sie aus eigener Präferenz sparsam sind, sich mit Standardware zufrieden geben. Ringle kommt ebenfalls nicht zur vollständigen Ausformulierung des Nutzer-Nutzenmaximierungskalküls der Ersparnismaximierung über Kostenminimierung bei Beschafftungsgenossenschaften. Warum das nicht geschieht wie auch schon bei Schultz, verblüfft mich.

Der Schwerpunkt seiner Arbeit handelt von Investition in Genossenschaften. Hier behandelt er vieles korrekt und ausführlich. Er geht auf Beschaffungsgenossenschaften ein als auch auf Verwertungsgenossenschaften, als auch auf einzelne Untergruppen wie Wohnungsgenossenschaften und auf Verbünde von Genossenschaften. Aber es ist soweit ich das übersehe weitgehend deskriptiv. Soweit ich sehe wurden hier nicht konseqent die Unterschiede zwischen einer bedarfswirtschaftlichen und einer erwerbswirtschaftlichen Investitonstheorie herausgearbeitet. Vielleicht lag dies auch daran, dass bei Produktivgenossenschaften und Vermarktungsgenossenschaften (Erzeugergenossenschaften/Verwertungsgenossenschaften) und auch bei Einkaufsgenossenschaften für Gewerbetreibende das so gar nicht möglich ist. Dann würde sich zeigen, dass die rein organisationsformspezifische Abgrenzung "genossenschaftlich" betriebswirtschaftlich-methodisch weniger fruchtbar ist als die Unterscheidung zwischen erwerbswirtschaftlich/Eigentümer-Gewinn-maximierend  und bedarfswirtschaftlich/Nutzer-Nutzen-maximierend (siehe auch (9)). Den spannenden Aspekt, ob und inwieweit  in Genossenschaften für Investitionen benötigtes Eigenkapital bei der Preiskalkulation verzinst werden sollte und was hierbei als Opportunität zu betrachten ist im Rahmen der genossenschaftlichen Zielsetzung, behandelt er nicht (siehe meine Artikel dazu (5), (10)).

Querverweise

Zum Thema Förderoptimierung gibt Volker Beuthien eine Fülle interessanter Hinweise, die zum Ansatz von Ringle und Henzler passen. Beuthin stellte im Jahr 1989 fest: "Gemessen an der Idee der Selbsthilfe der ihre förderwirtschaftlichen Unternehmen selbstverwaltenden und selbstverantwortenden Genossen erreicht die besondere Rechtsform der eG derzeit nicht die höchstmögliche Genossenschaftlichkeit." (11) (Seite 40) und "Entschieden verbessert werden muß der Förderzweck- und die Fördererfolgskontrolle. Deshalb gilt es vor allem das genossenschaftliche Nebenamt nicht nur im Aufsichtsrat sondere gerade auch im Genossenschaftsvorstand zu erhalten und zu stärken. Ein Weg dazu wäre, daß die Generalversammlung zwingend dazu verpflichtet ist, jedenfalls ein nebenamtliches Vorsandsmitglied zum Förderobmann zu wählen, der (unter Umständen neben anderen Leitungsaufgaben) ein besonderes Förderressort zu verwalten und zu verantworten hat." (Seite 45) Das passt gut zu dem Vorschlag von Friedrich Wilhelm Raiffeinen eines "Rechners" als Ergänzung zu mitunter passiven bzw. überforderten Aufsichstsräten (näheres dazu siehe (12)). Weitere Vorschläge, die Beuthein macht, sind eine Begrenzung der Amtszeit von Aufsichrsräten um "auszuschließen, dass Vorstand und Aufsichtsrat im Laufe der Zeit allzu einheitliche Auffassungen entwickeln" (S.46), ein Mitgliederförderausschuß (S.45), besondere Förderberichtspflichten für Vorstand, Aufsichtsrat und Prüfer, das Recht auf eine Sonderprüfung für die Genossen unter dem Gesichtspunkt der Fördererfolgskontrolle, ein stärkerer Kontakt der Prüfer zu Genossen und ein bestimmter Prozentsatz von Basisgenossen auf Sitzen der Genossenschaftsverbände (alles S. 46). Neuere Literaur zum Tehme Födercontrolling siehe Katja Lepper (13), zum dazu gehörenden Prinzipal-Agenten-Dilemma siehe 7 Artikel mit Bezug darauf hier im Blog (als Schalgwiort einzugeben) aber auch das Thema Emotionen im Accounting (14).

Literatur

(1) Ringle Günther, Investition und Investitionspolitik genossenschaftlicher Wirtschaftsgebilde, Hamburg, 1968 

(2) Henzler, Reinhold, Der Genossenschsftliche Grundauftrag uns seine Erfüllung", in: Der Verrbaucher, 9.Jg. , 1955

(3) Henzler, Reinhold, Die Genossenschaft eine fördernde Betriebswirtschaft, Essen, 1958. Dort heißt es auf Seite 20: "Bei dem Wettbwerb, der sich bei der Förderung der Mitglieder von Genossenschaften abspielt [gemeint ist, dass Mitglieder frei sind, auch Marktangebote anzunehmen], kommt es für die Genossenschaften darauf an, daß sie einen Vorsprung erzielen; nur in der Mehrförderung, in einem Förderungsplus, liegt die genossenschaftstypische und wettbewerblich bedeutsame Förderung."

(4) Weisser, Gerhard, Genossenschaft und Gemeinschaft - Bemerkungen zum 'Kulturellen Optimum' der Genossenschaftsgröße, in: Gemeinnütziges Wohnungswesen Organ des Gesamtverbandes Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen, Dezember 1954, Heft 12, Seite 565-572 , dort S. 565 

(5) Giebel, Frank,  Kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung und Opportunitätskosten im Kontext einer bedarfswirtschaftlichen Investitionstheorie, Munich Person RepEc, 2025, https://mpra.ub.uni-muenchen.de/124086/

(6) Giebel Frank. Die Fallstricke der Indifferenzkurve - ein Pläydoyer zwischen Bedürfnissen und monetarisierbaren Wünschen zu unterscheiden, blog liberal und kooperativ, 2021

(7) Giebel Frank, Mehr zu Marshall II - inklusive einer Rezeption bei Karl-Heinz Brodbeck, blog liberal und kooperativ, 2021

(8)  Giebel Frank, Das zwei-Klassen-System von staatlichen Bahnunternehmen wie der Deutschen Bahn ist nicht mehr zeitgemäß, blog liberal und kooperativ, 2021

(9)  Giebel, Frank, Vorschlag zur Systematisierung des Untersuchungsgegenstandes der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (ABWL), 2022

(10) Giebel Frank, Betriebswirtschaftliche Beurteilung der Eigenkapitalverzinsung im Rahmen der Preiskalkulation von Wohnungsgenossenschaften als bedarfswirtschaftliche Unternehmen, blog liberal und kooperativ, 2024

(11) Beuthien Volker, Genossenschaftrecht woher - wohin ? Hundert Jahre Genossenschaftgesetz 1889 - 1989, Göttingen, 1989

(12) Giebel Frank  einige Hinweise der Soziologie der Genossenschaften für die Praxis in großen Genossenschaften, blog liberal und kooperativ, 2022

(13) Lepper, Katja, Social Accounting in der Theorie und der wohnungsgenossenschaftlichen Praxis, Dissertation, Universität zu Köln, 2019

(14) Repenning, Nathalie und Löhlein, Lukas and Schäffer, Utz, Emotions in accounting : a review to bridge the paradigmatic divide, The European accounting review, Bd. 31.2022, 1, S. 241-267


Sonntag, 13. April 2025

Kommentierung eines Textes von Reinhard Schultz zur Preisgestaltung und Gewinnerzielung in Genossenschaften

Ergebnis 

Ich werde hier zeigen, wie Autoren, die zur genossenschaftlichen Betriebswirtschaftslehre geschrieben haben, das eigentlich offensichtliche und auch praktikable verkannt haben.

Einführung

Wie in meiner Literaturauswertung zu Genossenschaften  deutlich wurde, lag in Deutschland der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Genossenschaftsbetriebslehre rein quantitativ betrachtet in den Jahren 1960 - 1990. Da die Genossenschaftsbetriebslehre neben der Wirtschaftslehre öffentlicher Betriebe ein zentraler Bereich der bedarfswirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre ist, macht es bei einem Interesse an der bedarfswirtschaftlichen BWL Sinn, sich diese Literatur im Sinne einer Grundlegung auch im Detail jenseits einzelner eigener Forschungsfragen anzusehen. Neben Fachartikeln habe und werde ich deshalb hier auf dem Blog einzelne Bücher oder Ausschnitte aus diesen kommentieren. Der hier betrachtete Text stammt aus dem Buch  "Genossenschaftswesen" von Reinhard Schultz aus dem Jahr 1970 (1). Der Autor war sehr produktiv. Er ist mit 43 Publikationen bei Econbiz gelistet, war Betriebswirt und Professor an der Bundeswehr Universität Hamburg. Aus seinen Texten zu schließen lag sein Interessenschwerpunkt in der Sozialökonomie, wozu er sicher auch Genossenschaften rechnete.

Hauptteil

Ich befasse mich hier mit dem Kapitel "Das Wesen des genossenschaftlichen Gewinns" (Seiten 72-78)

Schultz grenzt sehr anschaulich Genossenschaften von erwerbswirtschaftlichen Unternehmen ab, indem er darauf hinweist, dass in Genossenschaften eine der beiden Seiten, mit der Unternehmen üblicherweise mit dem Markt verbunden sind (die Lieferantenseite und die Abnehmerseite [die Finanzierungseite kann man ebenfalls der Lieferantenseite zurechnen insoweit Finanzmittel geliefert werden] von Mitgliedern der Genossenschaft eingenommen werden. [bei Beschaffungsgenossenschaften die Abnehmerseite, bei Erzeugergenossenschaften die Lieferantenseite]. Weiter macht er gut den Unterschied zwischen der erwerbswirtschaftlichen und der genossenschaftlichen Haltung zum Unternehmensgewinn deutlich. Erstere sieht er darin die Spanne zwischen Aufwand und Ertag möglichst auf beiden Seiten so weit wie möglich auszudehnen. Bei Genossenschaften erkennt er, dass auf der Seite, auf der die Mitglieder die "Kontrahenten" sind, also diejenigen, mit denen ein geschäftsmässige Beziehung eingegangen wird [kontrahieren = einen Vertrag abschließen] dies dazu führt, dass diese Seite "von den wirtschaftlichen Eigentümern fixiert werden kann, daß es zu einer (positiven) Differenz zwischen Erträgen und Aufwendungen gar nicht kommt" (Seite 73). Damit gelangt er zum genossenschaftlichen Selbstkostendeckungsprinzip, das besagt, dass nur so viel verlangt wird, wieviel das Produkt das Unternehmen selbst kostet [ich spoilere hier, wenn ich darauf hinweise, dass dies eines seiner Probleme ist, dass er nicht zwischen Aufwand und Kosten unterscheidet] Er zitiert dazu Reinhold Henzler aus dem Jahr 1962 (2). Das fast wortgleiche Zitat von Henzler aus dem Jahr 1957 (3) habe ich in meinem Artikel (4) auf Seite ebenfalls an zentraler Stelle in meiner Argumentation erwähnt. Es ist insoweit ein Schlüsselzitat. Eigentlich ist bei Schultz alles relevante angelegt, aber er kommt nicht zu dem Punkt, den Gerhard Weisser bereits 1956 erkannt hat. Wenn eine Seite "fixiert" ist, dann kann man ökonomisch optimieren "nur noch" indem man versucht, die andere Seite maximal auszudehnen. Bei Beschaffungsgenossenschaften bedeutet dies , dass das Management versuchen sollte, die Ersparnis für die Nutzer zu maximieren, indem es die Kosten minimiert. Gerhard Weisser hatte 1956 formuliert "Je niedriger auf Dauer der Preis ist, um so erfolgreicher haben sie gewirtschaftet." (5). Schultz hätte eigentlich nur noch 1 und 1 zusamenzählen müssen. Er tut es nicht und gelangt nicht zum bedarfswirtschaftlichen Nutzer-Nutzenmaximerungskalkül mit Ersparnismaximierung über Kostenminimierung unter Einhaltung des Selbstkosten(deckungs)prinzips. Im weiteren verliert er statt dessen den Ersparnisansatz völlig aus den Augen und argumentiert mit Blick auf die Praxis, dass gerade kein Kalkül formuliert werden kann. Eines seiner Argumente ist dabei besonders frappierend. Dies möchte ich weiter unten widerlegen. Zunäcsht kommentiere ich drei Punkte, die Schultz anspricht: 

 Als Argumente der Praxis für das Selbstkostenprinzip übersteigende Gewinne nennt er:

 1. Die Schwierikeit die Kosten bei der Leistungabgabe exakt zu ermitteln, weshalb es Sinn machen würde aufgrund der kaufmännischen Vorsichtsprinzips etwas mehr zu kalkulieren. 

Das ist richtig. Dennoch gibt es hier zwei Möglichkeiten die Mitgliederförderung nicht zu vernachlässigen und langfristig das Selbstkostenprinzip zu wahren. Zum einen kann man, wenn man ein oder zwei Jahre zu viel kalkuliert hat, in den Folgejahren die Preise leicht senken oder bei weiteren Kostensteigerungen, zum Beispiel durch Inflation, nicht weiter anheben und dies so wieder ausgleichen. Zum anderen kann man mit dem Instrument der genossenschaftlichen  Rückvergütung proportional eine Gutteil zu viel eingenommenen Geldes wieder an die Mitglieder proportional zu ihrem Umsatz mit der Genossenschaft zurückzahlen. Dies ist keine Gewinnausschüttung sondern dieser vorgelagert. 

2.  Dass die Mitglieder eine höhere Rückvergütung am Jahresende ausgezahlt bekommen möchten und man deshalb höhere Preis kalkulieren müsse. Das scheint mir eine geradezu absurde Annahme zu sein. Mir ist diese noch nicht in der Praxis begegnet.

3. die Notwendigkeit der Eigenkapitalzufühung aus Gewinnen im Wege der Selbstfinanzierung

Dies ist ein sinnvolles Argument, Allerdings gibt es auch hier aus Fördergesichtspunkten Möglichkeiten nicht pauschal zu viel zu kalkulieren. Zum einen ist eine moderne Kostenrechnung nicht nur eine Nachkalkulation und eine Istkalkulation sondern ermittelt auch sogenannte Plankosten. Das sind die Kosten, mit der in der oder den Folgeperioden zu rechnen ist. Im Bereich von Wohnungsgenossenschaften ist es zum Beispiel sinnvoll einen gewissen Anteil künftiger Sanierungsaufwendugnen im Vorwege abzuschätzen und dafür Eigenmittel im Form von Rücklagen aufzubauen. Diese Sanierungskosten können und sollten über mehre Perioden geplant und bei der Preiskalkulation verteilt werden um zu große Sprünge bei den Preisen verhindern zu können. Man darf hier an dieser Stelle nicht Aufwendungen mit Kosten verwechseln. Aufwendungen gehen immer in die Gewinn- und Verlusterechnung ein, in dem Jahr, in dem sie entstanden sind. Plankosten dagegen führen nicht notwendigerweise im gleichen Jahr zu Aufwand. Dass heißt sie können in dem Jahresüberschuss einer Rechnungsperiode enthalten sein dh. wenn sie in den Preis mitkalkuliert sind diesen erhöhen. Eine bestimtme Höhe von Gewinnen ist also durchaus mit einer modernen Plankostenrechnung kompatibel. Die Höhe der Gewinne leitet sich aber konkret aus den ermittelten Plankosten der jeweiligen Leistungsträger her (Plankostenträgerrechnung) und werden nicht einfach nach einer Daumenregel quer über alles festgelegt. 

Im weiteren (Seite 77) stellt  Schultz fest: "Die tatsächliche Leistung einer Genossenschaft kann immer nur im Zusammenhang mit der Erfolgssrechnung der Mitgliederwirtschaften gesehen werden. Es müssen also, will man den wahren Erfolg der Genossenschaft messen, alle Vorteile, die der Kooperativertrag (Draheim) gegenüber dem Individualvertrag (Drahheim) bietet, ermittelt werden, was häufig sehr schwierig oder ganz unmöglich ist."

Möglicherweise steht Schultz im Weg, dass er sowohl zu Produktionsgenossenschaften, Erzeuger- bzw. Vermarktungsgenossenschaften von Gewerbetreibenden als auch zu Beschaffungsgenosssenschaften mit ebenfalls Gewerbetreibenden oder mit Privathaushalten verallgemeinernd Aussagen machen soll. Bedarfswirtchaftlich sind eigentlich nur die Beschaffungsgenossenschaften mit Privtpersonen/Privasthaushalten als Mitglieder und Nutzer (zum Beispiel Wohnungsgenossenschaften, Banken, Energiegenossenschaften Verbrauchergenossenschaften (Lebensmitteleinzelhandel usw.). Für diese ergibt sich das Ziel der Erparnismaximierung bei gleichzeitiger Deckung ihres relativ weitgehend standardisierbaren Grundbedarfs.

Als Argument schreibt Schultz, "die Schwierigkeiten bestehen vor allen Dingen darin, daß vielfach gar nicht jeder von der Genossenschaft für das Mitglied erbrachte Nutzen oder Vorteil rechnerisch exakt erfassbar ist." Das hört sich so an, als ist es ein vorgeschobenes Argument. Wenn ich etwas nicht exakt ermitteln kann, heißt es ja nicht, dass eine hinlänglich genaue Ermittlung nicht einen ausreichend guten Wert ergibt. Und es übersieht, dass jede Leistungserbringung, bei der es um Ersparnis geht, in der Ermittlung dieser Erspranis bei ausreichend qualitativer Bedarfsdeckung sich ziemlich gut abschätzen lässt. Der Verband Schweizer Wohnungsgenossenschaften schreibt zum Beispiel: "Die Mietzinse von Genossenschaftswohnungen sind im Durchschnitt tatsächlich zwanzig Prozent tiefer als im übrigen Wohnungsmarkt. In grossen Städten wie Zürich bezahlt man bei Genossenschaften sogar bis zu ein Drittel weniger Miete. Dabei sind die Wohnungen nicht schlechter, im Gegenteil: Sie werden sogar besser unterhalten als diejenigen vielen anderer Immobilienverwaltungen." (6) Ein Wohnungsunternehmen in Deutschland hat in den meisten Fällen zu allen seinen Wohnungen die Information über die ortsübliche Vergleichsmiete und die Istmiete (nettokalt) und kann so leicht die Ersparnis für die Nutzer kalkulieren, um wie viel die Istmiete pro Jahr unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Ähnliche Berechnungen dürften bei Energiegenossenschaften ebenfalls nicht schwer fallen. 

Frappierend ist das erste Beispiel, dass Schultz hier zur Untermauerung seine kalkül-pessimistischen Auffassung gibt. Er schreibt: "Man denke an die "Sicherheit", die ein Mitglied mit dem Erwerb einer nahezu unkündbaren Genossenschaftsmietwohnung erhält..." Abgesehen davon, dass das Wort Erwerb falsch ist, macht es Schultz zu einem Problem, dass eine mögliche Ersparnis für den Nutzer/das Mitglied sehr sicher bis weit in die Zukunft kalkuliert werden kann insofern kaum eine Kündigung seitens der Genossenschaft erfolgen kann. Scherheit in der Berechnung ist doch ein Vorteil und kein Nachteil. Es ist doch vielmehr so, dass Alternativangebote über den Markt soweit es sich zum Beispiel um private Vermieter handelt, die nur wenige Wohnungen haben, ein gewisses Risiko einer Eigenbedarfskündigung haben, dass  also eine Nutzer eion höheres Risiko hat, dass er seine Wohnung nicht alten kann. Dies ist aber insoweit hier nicht so relevant, da wenn man in der hier vorgenommen Differenzermittlung eben die ortsübliche Vergleichsmiete heranzieht und die ja unabhängig von einem konkreten Alternativobjekt ist. Auch das zweite Beispiel, das Schultz zur Untermaumerung seiner Position bringt, ist nicht besser. Er weist auf den Effekt hin, dass die Existenz einer Genossenshaft auf nicht-genossenschaftliche Unternehmungen preisnivellierned und qualitätsregulierend wirken kann. Dies mag so sein oder auch nicht es hat aber gerade keine Auswirkung auf die Ersparniserzielung der nutzenden Mitglieder (wenn die eigene Genossenschaft das Selbstkostenprinzip bei der Preiskalkulation anwendet) und ist insoweit ein volkswirtschaftlicher bzw. sozialökonomischer Aspekt und kein betriebswirtschaftlicher. Abschließend kommt Schultz zu folgender Aussage:

"In Anbetracht der hier aufgezeigten Schwierigkeiten  der genossenschaftlichen Erfolgsmessung ist es nicht verwunderlich, daß es ""bisher noch niemand gelungen ist, das Kriterium ""Mitgliederförderung"" in die Form eines praktisch handhabbaren Erfolgsmaßstabes zu bringen." [er zitiert "" dabei aus (7)] 

Damit ist er bei einem für seine wissenschaftliche Community scheinbar gültigem Diktum einer Ablehnung eines naheliegenden und auch praktisch ohne allzu große Anstrengung anwendbaren bedarfswirtschaftlichen Nutzer-Nutzen-Maximerungskalküls angekommen. Das finde ich schon schon sehr verwunderlich.

offene Frage

Schultz hat 1992 auch betriebswirtschafltiche Lehrhefte herausgegeben. Eines davon hat den Titel "Erwerbswirtschaftliche, genossenschaftliche, öffentliche, gemeinwirtschaftliche und gemeinnützige Unternehmen: Unterschiede und Gemeinsamkeiten" (8). Desweiteren hat er zusammen mit Jürgen Zerche ein Buch in 2 Auflagen herausgebracht "Genossenschaftslehre" (9). Jürgen Zerche widerum hat 1998 ein eigenes Buch veröffentlicht "Einführung in die Genossenschaftslehre" (10). Es wäre interessant zur Geschichte des Faches zu schauen, ob diese "kalkül-pessimistische" Sichtweise korrigiert wurde oder ob sie sich hier fortgesetzt hat.

Literatur

(1)  Schultz Reinhard, Genossenschaftswesen, Berlin, 1970

(2) Henzler Reinhold, Betriebswirtschaftliche Probleme des Genossenschaftswesens, Wiesbaden 1962, dort S. 61

(3) Henzler Reinhold., Die Genossenschaft eine fördernde Betriebswirtschaft, Essen, 1957, dort S. 84 das Zitat lautet heir: " Aus dem Organcharakter des genossenschaftlichen Geschäftsbetriebs ergibt sich, daß der Idealtypus eines Genossenschaftsbetriebs ein Selbstkostendeckungsbetrieb sein muss. Würde einerseits die Beschaffungsgenossenschaft danach trachten, den Genossenschaftern möglichst mehr in Rechnung zu stellen, als der eigene Aufwand für die beschafften Leistungen (Objekte) betragen hat, und würde andererseits die Verwertungsgenossenschaft bemüht sein, den Genossenschaftern möglichst wenig von dem bei der Verwertung ihrer Erzeugnisse erzielten Erlös auszuzahlen, dann läge in dem Bemühen der Genossenschaft, eine möglichst hohe, vor allem eine möglichst weit über das betrieblich
notwendige Maß hinausgehende Spanne für Eigenzwecke einzubehalten, in gewissem Sinn ein selbständiges Erwerbsstreben vor. Das hieße eine Genossenschaft einsetzen, damit diese sich an den Genossenschaftern bereichere. Ein solches, in dem Streben nach Erzielung einer Maximalrente sich äußerndes Eigeninteresse der genossenschaftlichen Betriebswirtschaft steht den Interessen der Genossenschafter diametral gegenüber. Der Sinn der genossenschaftlichen Arbeit ist, unter gebührender Berücksichtigung der Erfordernisse der genossenschaftlichen Betriebswirtschaft den Interessen der Genossenschafter zu dienen. Jedes prinzipiell andere Verhalten der Genossenschaft, insbesondere ein eigenes, selbständiges Erwerbsstreben, ist ein Widersinn."

(4) Giebel Frank, Kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung und Opportunitätskosten im Kontext einer bedarfswirtschaftlichen Investitionstheorie, Munich Personal RePEc Archive, 2025, dort S. 6 f.

(5) Weisser, Gerhard, Genossenschaft und Gemeinschaft - Bemerkungen zum 'Kulturellen Optimum' der Genossenschaftsgröße, in: Gemeinnütziges Wohnungswesen Organ des Gesamtverbandes Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen, Dezember 1954, Heft 12, Seite 565-572 , dort S. 565

(6) Wohnbaugenossenschaften Schweiz (2012), Leben in einer Genossenschaft, Zürich 2012

(7)  Boettcher Erik, "Vertikale Integratioon und Wachstumschancen der Genossenschaften, in: Weisser Gerhard und Engelhardt Werner Wilhelm (Hrsg.), Genossenschaften und Genossenschaftsforschung, Festschrift zum 65. Geburtstag von Georg Draheim, Göttingen, 1968, S. 141ff.

(8) Schulz Reinhard,  Erwerbswirtschaftliche, genossenschaftliche, öffentliche, gemeinwirtschaftliche und gemeinnützige Unternehmen : Unterschiede und Gemeinsamkeiten, in: "Betriebswirtschaftslehre für Praktiker : Einführung in marktwirtschaftliches Denken und Handeln in zwölf Lehrheften", 1992, Heft 3

(9) Reinhard Schultz u. Jürgen Zerche,  Genossenschaftslehre, Berlin, 1983

(10) Zerche, Jürgen,  Einführung in die Genossenschaftslehre : Genossenschaftstheorie und Genossenschaftsmanagement, München, 1998



Mittwoch, 9. April 2025

Zum Stand der deutschprachigen bedarfswirtschaftlichen Literatur

Ein Spatenstich

Wer am 08.04.2025 im Katalog der Staats-und Universitätsbibliothek Hamburg nach der Regenburger Verbundklassifikation QQ700 = Genossenschaftsbetriebslehre suchte, erhielt 111 Treffer. Davon erschienen in den 30 Jahren von 1961-1990 74 Bücher und in den 34 Jahren seitdem nur noch 13 Bücher. 

Immerhin hat diese Klassifikation überhaupt eine Kennziffer für Genossenschaftsbetriebslehre. Für die Wirtschaftslehre öffentlicher Betriebe, für die erwerbswirtschaftliche BWL und die bedarfswirtschaftliche BWL hat sie es nicht. Bücher zur öffentlichen Betriebswirtschaftslehre werden zum Beispiel unter der speziellen Betriebswirtschaftslehren QQ in der Klassifikation 000 Allgemeines geführt. Bücher zur bedarfswirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre gibt es nicht! Autoren/innen schreiben im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre entweder zu öffentlichen Unternehmen oder zu Genossenschaften. Zu Stiftungsunternehmen, die ebenfalls zu den bedarfswirtschaftlichen Unternehmen zu rechnen sind, konnte ich ebenfalls kein einziges (!) betriebswirtschaftliches Buch finden. Zur bedarfswirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre als der übergeordneten Ebene habe nur ich nur eine Hochschulschrift und einen Artikel neben meinem eigenen Artikel und meinem eigenen Blog gefunden. Beide sind von Hans Schüler: "Probleme der Erfolgsmessung bei bedarfswirtschaftlichen Unternehmen, im besonderen bei Wohnungsunternehmen", 1959 und "Der Spielraum für eine bedarfswirtschaftliche Preispolitik : Bemerkungen über einige Vorfragen zur Theorie der Preisbildung bedarfswirtschaftlicher Unternehmen" in Archiv für öffentliche und freigemeinnützige Unternehmen : Zeitschr. für Strukturlehre d. Einzelwirtschaften u. für Einzelwirtschaftspolitik, 1967

Erkenntnisse

Daran wird deutlich, dass es in Deutschland einen Forschungsschwerpunkt im Bereich der genossenschaftlichen Betriebswirtschaftslehre gegeben hat in der Zeit von 1960 - 1990. Weiter zeigt sich, dass der übergeordnete Ansatz einer bedarfswirtschaftlichen Nutzer-Nutzen maximierenden Betriebswirtschaftslehre gegenüber der erwerbswirtschaftlichen, Eigentümer-Gewinn maximierenden Betriebswirtschaftslehre noch weitgehend unentdeckt ist. Die Klassifikation QP 120 Gesamtdarstellungen zur allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (ABWL) ergibt analog 22.062 (!) Treffer. Ich schätze es so ein, dass diese Bücher sich ganz überwiegend fast ausschließlich mit der erwerbswirtschaftlichen Säule der ABWL befassen.

Ausblick

Es wäre ein ebenfalls wichtiges Unterfangen zu schauen wie es im englischprachigen Raum aussieht. Ich vermute es wird sich dabei zeigen, dass die allgemeine Betriebswirtschaftslehre deutscher Prägung so im englischen Sprachraums nichts vergleichbares hat. Schon allein der Begriff Betriebswirtschaftslehre ist nur ungenügend mit "business administration" und auch nicht ganz klar mit "business economics" übersetzbar. Was sich wohl an Literatur zu "needs-based business economics" findet? 

Vielleicht würde sich schließen lassen, dass deutschprachige Unternehmen mit ihrem direkten Zugang zur ABWL durchaus strategische Vorteile haben. Es spricht nichts dagegen sich unterschiedliche Forschungspfade nutzbar zu machen. Auch in den USA wurde zum Beispiel Kostenrechnung deutscher Präung als hilfreich für amerikanische Unternehmen entdeckt, siehe zum Beispiel "Lessons-from-German-Cost-Accounting", Paul A. Sharman, Kurt Vikas, in: Strategic Finance, December 2004, "German Cost Accounting", Paul A. Sharman, in: Strategic Finance, December 2003 und "Rewards-and-Realities-of-German-Cost-Accounting"  Kip. R. Krumwiede, in: Strategic Finance, April 2005.

Deutschland täte währscheinlich gut daran im Bereich der Betriebswissenschaft die eigenen Forschungstradtionen wertzuschätzen und diese weiterzuentwickeln und selbstbewusst in den internationalen Diskurs einzubringen. Insbesondere der normative Ansatz (Schmalenbach, Gutenberg, Wöhe) sollte nach meiner Einschätzung nicht einfach durch empirsche Analyse "dessen was ist" ersetzt werden. Sönke Hundt hat hierzu sehr erhellendes und gründliches beigetragen mit "Die wissenschaftstheoretische Diskussion in der Betriebswirtschaftslehre .- ein Überblick", in "Beiträge zur Kritik der Betriebswirtschaftslehre", 1981.


Dienstag, 8. April 2025

Vorschlag zur Schaffung eines Lehrstuhls für bedarfswirtschaftliche Betriebswirtschaftslehre

Ich habe heute bei der Wissenschaftsministerkonferenz der Bundesländer, die Teil der Kultusministerkonferenz ist, angeregt einen Lehrstuhl bzw. ein Lehr- und Forschungsinstitut an einer deutschen Universität für bedarfswirtschaftliche Betriebswirtschaftslehre zu schaffen.

Ich werde den Vorschlag weiterleiten an den VHB Verband der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. 

Darin gebe ich unter anderem folgende Hinweise, die ich hier wiedergebe, weil sie nach meiner Einschätzung von öffentlichem Interesse sind:

KI ist in aller Munde und hat sicher viel für sich. Vielleicht überraschend zeigt sich daneben im Bereich der Lehre und Forschung im Feld der klassischen Betriebswirtschaftslehre ein wichtiger Ergänzungsbedarf zum bisherigen universitären Angebot. 

Hintergrund / Bedarf

In einem Artikel zu öffentlichen Unternehmen "Die Korrumpierung bedarfswirtschaftlichen Handelns in öffentlichen Unternehmen" (2005)

kristisiert Thomas Edeling, dass viele Manager öffentliche Unternehmen wie am Kapitalmarkt ausgerichtete Unternehmen führen. Ähnliche Erfahrungen habe ich im Bereich Genossenschaften gemacht. Marcus Geschwandtner befindet in Bezug auf Genossenschaften: "Es mangelt den Mitgliedern und zahlreichen Organträgern an Kenntnis über den "innersten Kern" der eigenen Rechtsform". (1) Dazu gehören sicher auch Kenntnisse der bedarfswirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre. Soweit ich es beurteilen kann, fehlt es sowohl bei der kaufmännischen Ausbildung als auch der universitären betriebswirtschaftlichen Ausbildung daran, fundierte Einblicke in die Unterschiede einer erwerbswirtschaftlichen und einer bedarfswirtschaftlichen Betriebswirtschsftslehre zu erhalten. Mit ist nicht bekannt, dass es in Deutschland eine einzige Professur für Forschung und Lehre für bedarfswirtschaftliche Betriebswirtschaftslehre gibt. Ein Beispiel für den bedarfswirtschaftlichen Ansatz und seiner Abgrenzung vom erwerbswirtschaftlichen findet sich hier

https://mpra.ub.uni-muenchen.de/124086/

Bedarfswirtschaftlich sind für mich neben öffentlichen Unternehmen Genossenschaften, Stiftungsunternehmen gemeinnützige GmbHs (gGmbh) und Sozialunternehmen. In Zukunft mag es aus Nachhaltigkeitsgründen auch Aktiengesellschaften geben, die bewusst einen Mix aus beiden Ansätzen verfolgen in Kooperation mit daran interessierten nachhaltigen Aktienfonds und Einzelaktionären. 

Beispiele für Defizite gibt mein Artikel "Gewinnorientierung als Zeitgeistsaspekt in der Fachliteratur zur Wohnungswirtschaft" 

In Deutschland hat die Betriebswirtschaftslehre mit den Arbeiten von Eugen Schmalenbach und Erich Gutenberg ein sehr starkes Fundament, das zukunftsfähig ist und an das man anknüpfen kann. Es spricht nichts dagegen, dass deutsche Hochschulen Business Schools nach dem Vorbild der Harvard Business School aufbauen und empirische Forschung mit Data Science betreiben. Aber daneben ist ein normativer Ansatz, der die Erkenntnisse früherer Forschergenerationen aus dem deutschen Sprachraum integriert und in die internationale Forschenden- und Lehrgemeinschaft einbringt, weiterhin wertvoll. Dazu gehört im Bereich allgemeine Betriebswirtschaftslehre der Ausbau des Zwei-Säulen-Ansatzes von Bedarfsdeckungsunternehmen und Gewinnmaximierungsunternehmen. Siehe dazu auch 

Vorschlag zur Systematisierung des Untersuchungsgegenstandes der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (ABWL) 

Quelle (1) Marcus Geschwandtner, "Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft: warum früher, warum heute?", Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, 2009. 59.2 Seite 159


Bemerkung: am 13.05.2025 ergänzte ich die Aufzählung bedarfswirtschaftlicher Unternehmen um gemeinnützige GmbHs (gGmbH).