Ergänzend zu meinen Feststellungen vom 12.09.2012 hat das Urteil des BVerG eine noch tiefergehende Bedeutung:
Wie an anderer Stelle noch näher auszuführen gibt es in Europa unterschiedliche Politikstile, die auf unterschiedlichen Ansätzen der politischen Philosophie der jeweiligen Länder basieren. In Deutschland wird über einen stark von Kant geprägten "Konstruktivismus", der die Welt im Schillerschen Sinn geistig vorweg nimmt, ein Ideal gestaltet und versucht dieses umzusetzen. In Frankreich und England und möglicherweise auch in Südeuropa dominiert ein Pragmatismus, der schaut wie die Verhältnissen sind und wie sie im Sinne der jeweiligen Interessen verändert werden können, wenn man die Erfahrungen der Vergangenheit berücksichtigt.
Mein bisheriger Stand war der, dass durch die europäische Integration die Notwendigkeit und die Chance besteht, beide Ansätze zu einer Synthese zu integrieren und dass auf dieser Basis eine bessere politische Praxis entstehen könnte.
Das BVGer ist bisher von seinem Grundverständnis und auch mit seinen Positionen zur Europäischen Integration sehr vom deutschen Konstruktivismus geprägt.
Wie das Urteil zeigt, kann es diese Linie aber in der aktuellen Konstellation nicht aufrecht erhalten. Das bedeutet, dass es wohl weniger zu einer Synthese dieser Politikstile kommt, sondern es wahrscheinlicher ist, dass Deutschland seine Kultur Politik zu gestalten auf der europäischen Ebene aufgeben oder zumindest stark anpassen muss. Es wäre dann naiv für deutsche Parteien anzunehmen, dass sie zum Beispiel in Europa gemeinsam mit den Partnern politische Instiutionen aufbauen können (europäische Verfassung, Europäischer Verfassungsgerichtshof), der anolog zur deutschen Situation durch einen starken Konstitutionalismus geprägt ist. Analog zu der von mir am 12.09. beschriebenen Situation des Euro, der nach derzeitigem Ermessen wohl zur Weichwährung wird, wären auch eine Europäische Verfassung und eine europäische Verfassungsgerichtsbarkeit stärker der Politik untergeordnet und damit defakto pragmatisch ausgerichtet. Hier hat sich das BVerG bereits eingeordnet.
Beleg:
siehe zum Beispiel hier
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/1864919/
Auszug:
ZITAT: "Ich denke, dass sicherlich in sehr vielen
Mitgliedsstaaten, das hängt auch sehr stark von ihrer Prägung ab,
vielleicht auch der französische Rechtskreis, das französische
Verständnis von Recht und Politik, das ist ja nicht nur in Frankreich,
sind ja auch andere Mitgliedsstaaten, die so ticken dann, doch der
Primat des Politischen höher ist, und deshalb diese starke
Verrechtlichung, für die das Verfassungsgericht ja steht, mit einem
Stirnrunzeln gesehen wird"
, sagt Frank Schorkopf, Völker- und Europarechtsprofessor von der Universität Göttingen.
"Ich
habe das selbst mal erlebt, dass dann französische Juristen sagen: Wenn
es einen politischen Konsens gibt, wo ist dann das Problem? Dann wird
das Recht eben geändert und angepasst."
In Deutschland ist
man gewohnt, die Politik als ein Produkt der Verfassung zu sehen. In
den meisten anderen Ländern ist es eher umgekehrt: Die Verfassung ist
ein Produkt der Politik. ZITAT ENDE
link zum Konstruktivisums in der Politikwissenschaft:
http://www.blogger.com/blogger.g?blogID=1515654764863071672#editor/target=post;postID=7759830528328212971
link zum Konstitutionalismus:
http://de.wikipedia.org/wiki/Konstitutionalismus
Mittwoch, 19. September 2012
Freitag, 14. September 2012
Euro Dollar AUD
Der starke Anstieg des Euro gegenüber
dem Dollar im letzten Monat hat mich sehr verblüfft. Fundamental
sehe ich dies in dieser Größenordnung nicht begründet. Das
Einzige, das mir als Erklärung dazu einfällt, ist, dass auf den
Finanzmärkten durch die Entscheidungen der EZB, des BVerG und der
FED und deren Vorwegnahme durch die Märkte innerhalb kurzer Zeit
sehr grosse Anlagebeträge in den Euroraum geflossen sind. Wie geht
es weiter? Bis auf weiteres werden diese Gelder hier bleiben, es
werden möglicherweise noch welche hinzukommen. Wenn aber andere
Meldungen auftauchen, die kritisch gegenüber der Eurozone sind, kann
sich diese Entwicklung sehr schnell umkehren. Außerdem kann es
grosse Volatilitäten geben. Sieht das bezüglich EUR.AUD anders aus?
Fundamental scheint mir die Aufwertung des AUD stabiler und weniger
volatil (auch wenn die 4 letzten Wochen und die heutige
Tagesentwicklung das nicht zeigen), da die Probleme in Südeuropa
gross sind und fundamental fortbestehen und die Massnahmen von ESM
und EZB die Geldmenge eher erhöhen werden. Vielleicht ist der AUD
aber insofern volatiler, dass der Markt dafür kleiner ist. Ausserdem
gibt es da auch Risiken, wenn der Rohstoffhunger Südostasiens
im Zuge einer möglichen konjunkturellen Abkühlung nachlässt. Falls es zu einem grösseren Krieg kommt, was ich nicht hoffe, wird die
Risikoneigung der Finanzmärkte zurückgehen und das den Dollar
stärken.
Felix Zulauf skeptisch gegenüber dem Euro:
Arbeitslosigkeit im Vergleich
Spanien http://www.tradingeconomics.com/spain/unemployment-rate
Griechenland http://www.tradingeconomics.com/greece/unemployment-rate
Portugal http://www.tradingeconomics.com/portugal/unemployment-rate
Euro-Zone http://www.tradingeconomics.com/euro-area/unemployment-rate
USA http://www.tradingeconomics.com/united-states/unemployment-rate
Australien http://www.tradingeconomics.com/australia/unemployment-rate
Mittwoch, 12. September 2012
Nach dem Urteil
Wo stehen wir in Europa heute?
Erstens haben sich traditionelle
deutsche Interessen an einer stabilen Währung und soliden
Haushaltspolitik offenkundig in Europa nicht durchsetzen können.
Rückblickend betrachtet muss sagen, dass eine gegenteilige
Erwartungshaltung sehr ambitioniert war. Unabhängig von den
Europäischen Verträgen und den politischen Akteuren und
Institutionen ist das europäische Projekt so weit fortgeschritten,
dass es soviel Masse hat, dass es quasi einfach weiter fährt.
Das heisst wir werden wohl eher eine
Weichwährung in Europa bekommen, bzw. kein Geld mit der Funktion
der Wertaufbewahrung, sondern eher ein Zahlungsmittel mit der
Funktion Kauf/Verkauf und Zahlungen zu ermöglichen. Deutsche werden
sich dem weiter anpassen, wie sie das bereits seit einigen Jahren tun,
insofern sie Immobilien und andere Sachwerte kaufen. Das Sparbuch und
die klassische Lebensversicherung haben ausgedient.
Etwas offener scheint die Frage, ob
Europa bereits eine Transferunion ist und bleibt. Hier muss
sich zeigen, wie die politische Willensbildung erfolgt.
Wie ist das insgesamt zu bewerten? Mit
einem Zahlungsmittel anstelle einer Währung kann man auch als
Deutscher leben. Letztlich ist hier wohl eine Mehrheit bereit dies als Nachteil für die europäische
Integration zu akzeptieren, quasi ein praktischer Kurs in „savoir
vivre“. Man kann sicher versuchen, das Zahlungmittel etwas stabiler
zu machen, aber ob dies ins Gewicht fällt, muss sich zeigen.
Vom übergeordneten Standpunkt aus
betrachtet gilt:
1. Der Wunsch nach einem vereinten
friedlichen Europa mit guten demokratischen Institutionen auf allen
Ebenen kann und sollte weiter verfolgt werden. Die Frage, wie die
Institutionen und die Politiken auszugestalten sind, damit in Europa
Ziele wie Freiheit, Lebensqualität und Wohlstand, soziale
Gerechtigkeit/Fairness und soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit
möglichst gut erreicht werden, ist im politischen Prozess zu
konkretisieren.
2. Es ist ziemlich transparent
geworden, dass Demokratie kein Automatismus ist und dass auch unsere
politischen Institutionen anfällig sind, an demokratischer Qualität
einzubüßen und letztlich in ihrer Qualität durch die Wachsamkeit
und die Beteiligung der Menschen immer wieder gestärkt werden
müssen. Das heisst, es hat sich gezeigt, dass Demokratie letztlich
nicht komplett deligiert werden kann, übrigens auch nicht an die
Piraten. Jeder Mensch, der sich politisch engagiert und
verantwortlich fühlt, ist grundsätzlich ein Gewinn für die
Gesellschaft.
Ein differenzierter Artikel zur Zukunft Europas hier:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/gastbeitrag-zur-zukunft-europas-der-grosse-preis-11886472.html
Abonnieren
Posts (Atom)