Donnerstag, 7. Januar 2021

Es ist nicht nur China, das besser durch die Covid-19-Pandemie kommt

Situation

China hat es bisher geschafft, die Zahl der Infektionen niedrig zu halten. Nach meinem Eindruck gelang dies durch rigorose staatliche Quarantänemassnahmen zu Beginn der Erkrankungswelle und hoher Selbstdisziplin der Bevölkerung. Mittlerweile zeigt sich, dass Deutschland nicht als Beispiel herhalten kann, dass dies auch einem westlichen Land gelungen ist. Man könnte meinen, dass der entscheidende Grund für das bessere Abschneiden Chinas dessen autoritäres Regierungssystem ist und dies deshalb im Westen bzw. in Demokratien nicht möglich ist. Schaut man sich aber andere asiatische Länder an wie Japan, Südkorea oder Thailand, sind auch dort die Infektionsraten niedrig. 

siehe https://www.corona-in-zahlen.de/weltweit/

Ich habe einmal das arithmetische Mittel berechnet der Infektionsraten der westlichen Ländergruppe USA, Canada, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien und der asiatischen Ländergruppe China, Japan, Südkorea, Thailand (d.h. nicht gewichtet nach Anzahl Bevölkerung). Die Infektionsrate im Westen liegt bei 3,67% im Osten bei 0,09%. Das heißt im Westen ist die Infektions 40,8 mal so hoch wie im Osten per heute!

Folgerungen

Ich vermute, dass es im Osten eine höhere Selbstdisziplin quer durch die ganze Bevölkerung gibt und dass dies mit einer anderen Auffassung damit zu tun hat, wie das Verhältnis von Individuum zu Gesellschaft auszubalancieren ist. Im Westen gibt es nach meinem Eindruck ein viel stärkeres indivdualistisches Selbstverständnis, im Osten ein kollektivistisches. 

Ich glaube nicht, dass es dabei darum geht, jetzt unsere Auffassung zu verwerfen und das asiatische Verständnis sich zum Vorbild zu nehmen, sondern überhaupt erst mal zu erkennen, dass dieser Unterschied ein Faktor sein kann, der die Wirklichkeit prägt. Auch beim Klimanotstand macht es einen großen Unterschied, ob wir das Austarieren von individuellen Zielen und das Gesamtwohl hinbekommen. Ich denke Covid-19 hilft den Menschen im Westen sich zu veranschaulichen, dass sie beides sind, Individuen und Kollektivwesen und dass es einen Unterschied macht, ob sie nur das eine leben oder beides.

Vielleicht bekommen wir nach und nach global eine gute Synthese hin von Individualismus und Kollektivismus, in dem wir uns immer mal wieder gegenseitig inspirieren in die eine oder andere Richtung. Diese Vorstellung gefällt mir besser als die Vorstellung, die eigene Weltauffassung sei anderen grundsätzlich überlegen und das würde sich auch nicht ändern. Dass passt zu meinem bereits früher geäußerten Gedanken, dass wir als Menschheit eine Weggemeinschaft sind.


Donnerstag, 3. Dezember 2020

Mehr bedarfsdeckende Unternehmen als Teil einer nachhaltigen, lebenswerten Zukunft

Inspiriert von zwei Gesprächen mit Harald Welzer (Sozialpsychologe, Leiter von Futurzwei) zu positiven Entwürfen für eine nachhaltige Gesellschaft fiel mir auf, dass die genossenschaftliche Betriebswirtschaftslehre (BWL) Teil dieser nachhaltigen, lebenswerten Zukunft sein kann, ja sogar die gesamte bedarfswirtschaftliche BWL in Ergänzung zu einer ertragswirtschaftlichen d.h. gewinnmaximierenden BWL. Dies liegt daran, dass, wenn statt Gewinnmaximierung Nutzenmaximierung zum Entscheidungskalkül wird, nicht mehr ein immer mehr = immer besser gilt, sondern die Haushaltsperspektive eingenommen wird, nämlich einen definierten Nutzen mit möglichst wenig Mitteln zu erreichen. Global gesehen sind wir ein gemeinsamer Haushalt mit allen Lebenwesen als Mitglieder dieses Hauhaltes und wir müssen bei unserem Handeln das Wohlergehen und die Rechte aller Lebewesen auf Existenz im Blick haben, als auch die Begrenztheit unserer Haushaltsmittel. In der bedarfsorientierten BWL wird das wirtschaftliche Minimalprinzip statt dem Maximalprinzip  angewendet. Statt die volle Kaufkraft der Käufer über Werbung, Verkaufsförderung und Marketing möglichst maximal auszuschöpfen, bedeutet bedarfswirtschaftliche BWL zu sehen, dass das Gros der Bedürfnisse bei allen Menschen sehr ähnlich ist und über effiziente Wirtschaftsunternehmen ressourcenschonend gedeckt werden kann. Dabei kann mit Unternehmen der gleichen Branche kooperiert werden, statt dass mit ihnen konkurriert wird und da bei der Preisbildung diese Kooperation nicht zur Kartellbildung genutzt wird, um die Preise zu erhöhen, muss auch ein Bundeskartellamt als Wettbewerbsbehörde hier nicht eingreifen. Dabei sind solche Wirtschaftsunternehmensformen auch potentiell offen für die flexible Mitarbeit von Kunden und im Falle von Genossenschaften Mitgliedern, ohne davon abzuhängen. Die Potentiale der Anwendung einer bedarfswirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre in Genossenschaften, öffentlich-rechtlichen Unternehmen, Unternehmen von kirchlichen und anderen gemeinnützigen Trägern, aber auch von ganz oder teilweise gemeinnützig ausgerichteten Unternehmen ist erst am Beginn ihrer Entfaltung. Hierzu trägt möglicherweise auch die Nachfrage von nachhaltigen Geldanlagefonds und Banken wie der ökologisch ausgerichteten Genossenschaftsbank GLS bei, die dazu führen könnte, dass sich nachhaltige Aktiengesellschaften herausbilden, die sich konsequent und glaubwürdig nachhaltig und vielleicht sogar bedarfswirtschaftlich statt gewinnmaximierend ausrichten. Dazu müsste nicht die Gewerbefreiheit aufgegeben werden und erst recht keine Verstaatlichung von unternehmerischem Eigentum stattfinden, wie das zur Zeit in Berlin für Wohnungsunternehmen diskutiert wird, siehe https://www.tagesspiegel.de/berlin/spd-und-gruene-legen-abneigung-ab-berliner-koalition-will-ueber-enteignung-von-immobilienkonzernen-verhandeln/26677160.html . Es wäre auch denkbar, dass nach dem Vorbild des norwegischen Staatsfonds mehr Länder Staatsfonds einrichten, die sich an solchen Unternehmen beteiligen.

Die Unterscheidung von bedarfswirtschaftlichen Unternehmen und ertrags- oder erwerbswirtschaftlichen hatte ich zuerst bei Max Weber gefunden, siehe https://liberalundkooperativ.blogspot.com/2020/10/verbluffende-erkennntis-gefunden-bei.html