Montag, 12. Mai 2025

Auch Aussagen des VHB lassen die Wichtigkeit erkennen, einen bedarfswirtschaftlichen Ansatz in der BWL jetzt voranzubringen

Der Verband der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. (VHB) hat seit vielen Jahrzenten für die wissenschaftliche Arbeit innerhalb des VHB Wissenschaftliche Kommissionen (WK) gebildet. siehe hier. Unter anderem gibt es die WK öffentliche Betriebswirtschaftslehre, die sich ergänzend beschreibt als Public, Nonprofit & Health Care. Damit wird der Name einem bereiten Praxisbedarf gerecht, indem es deren Vielfalt und anzahl- und größenmässigen Bedeutung zugehöriger Organisationen Auswirkungen auf die Namensgebung der WK zubilligt. Sie geht damit aber am hier schon ausführlich dargestelten grundlegendne betriebswirtschaftlichen bedarfswirtschaftlichen Ansatz vorbei. In einem Text der WK öffentliche BWL aus dem Jahr 2019 anlässlich seiner vierzigjährigen Geschichte wird dies deutlich (1). Dort heißt es: "Seit ihrer Gründung verfolgt die Kommission – gemäß ihrer Selbstdarstellung – das Ziel, „betriebswirtschaftliche Konzepte und Instrumente für öffentliche Verwaltungen, öffentliche Unternehmen und private Nonprofit-Organisationen weiterzuentwickeln...." (S.1) Zum einen bedeutet das, dass man auch zu Verwaltungen,  die ja keine Wirtschaftsunternehmen sind, Antworten geben möchte. Das ist nicht verboten, aber es besteht die Gefahr, die Vorteile des bedarfswirtschaftlichen Nutzer-Nutzenmaximierungskalküls aus dem Blick zu verlieren oder es gar nicht erst gründlich zu erforschen. Die gleiche Gefahr besteht mit der Perspektive auf Non-Profit-Organisationen. Auch hier wird zum einen über Wirtschaftsunternehmen weit hinausgefasst, zum anderen werden die Unternehmensziele von im Begriff Non-Profit-Organisationen enthaltenen "Non-Profit"-Wirtschaftsunternehmen negativ forumliert als das, was nicht da ist, ein Gewinnziel, statt als das positiv zu formulieren als das, was angestrebt wird nämlich die Bedarfsdeckung der Leistungsabnehmer. Natürlich kann so eine Ausrichtung wissenschaftlicher Tätgikeit zu viel weniger genauen Aussagen für die Praxis gelangen. Auch eine weitere Aussage im Text ist sehr erhellend. Dort heißt es: "Dem liegt die Überzeugung zugrunde, dass die Tätigkeit im öffentlichen Bereich, in privaten Nonprofit-Organisationen sowie in Organisationen stark regulierter Branchen spezifische Qualifikationen voraussetzt, die im Rahmen eines überwiegend an den Bedürfnissen privater For-Profit-Unternehmen ausgerichteten BWL-Studiums nicht erworben werden können." (S.1) Das ist eigentlich eine Kapitulationserklärung dahingehend, dass das normale BWL-Studium sich auf den erwerbswirtscahftlich-gewinnmaximierenden Ansatz zu fokussieren berechtigt ist und mehr nicht leisten kann und muss. Dies ist mitnichten so. Bereits die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (ABWL) sollte natürlich eine erwerbswirtschafltliche und eine bedarfswirtschaftliche Säule enthalten. Mit diesem Rüstzeug wäre dann auch Manager/innen öfffentlicher Verwaltungen und von Nicht-Regierungs-Organsiationen nicht schlecht ausgestattet, aber jedensfalls die Leitungspersonen, die in öffentlichen Wirtschaftsunternehmen, Genossenschaften, gemeinnützigen GmbHs und Stiftungsunternehmen tätig sind, wären angemessen vorbereitet. Deshalb sollten Vorlesungen zur ABWL mit beiden Säulen im BWL-Grundstudium selbstverständlicher Standard sein an deutschsprachigen Hochschulen.

(1) Reinbert Schauer, 40 Jahre Wissenschaftliche Kommission “Öffentliche Betriebswirtschaftslehre”
im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. – Ein Leistungsbericht, 2019, online unter https://www.vhbonline.org/verband/wissenschaftliche-kommissionen/oeffentliche-betriebswirtschaftslehre unter der Überschrift "Historie"  (abgerufen am 12.02.2025)

Sonntag, 11. Mai 2025

Hinweise zum Stand der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (ABWL)

Ich plädiere hier auf dem Blog für eine bedarfswirtschaftliche Betriebwirtschaftslehre als 2. Säule innerhalb der allgemeinen BWL. Dafür ist es sinnvoll den Forschung- und Lehrsansatz ABWL selbst einzuordnen. Wolfgang Weber (verstorben 2019) schreibt 2018 in dem 1. Band zu einer Tagung des VHB,Verband der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V., zur Ideengeschichte der BWL (1), dass die ABWL eine Besonderheit der deutschprachigen BWL sei. Für den anglo-amerkanischen Raum sei eine weitgehende Zersplitterung der betriebswirtschaftlichen Teilgebiete typisch (S.28 er zitiert dafür (2)). Die Suche nach einer einheitlichen Perspektive und die Zusammenführung der Teilgebiete in Gesamtdarstelllungen sei dort nicht üblich. Aus den weiteren Aussagen Webers und der Literatur, die er dazu anführt, wird deutlich, dass die ABWL schon beginnend in den 1980er Jahren in einer sich bis heute verstärkenden Krise steckt, wenn nicht sogar um ihre Existenz ringt. Nach Weber sei  die ABWL mit der Identifizierung des Allgemeinen noch auf der Suche (s.32). Das kann ich bestätigen. Es gibt Autoren, die den Betriebsbegriff auch auf den Privathaushalt (!) ausdehnen, siehe mein Artikel zu Marcus Schweitzers und Marcel Schweitzers Artikel (3), (4)  und andererseits die Tendenz BWL mit gewinn- bzw renditeemaximierender Ausrichtung gleichzusetzen, zum Beispiel in der Investitionsrechnung. Deshalb kann die klare Strukturierung der ABWL mit einer gewinnmaximierenden erwerbswirtschaftlichen Säule und einer  Nutzer-nutzenmaximierenden bedarfswirtschaftlichen Säule hier wesentliche Klarheit schaffen. Dies kann  die ABWL womöglich insgesamt aus ihrem Schattendasein herausführen oder zumindest ein wichtiger Grundstein dafür sein, Weber schreibt es sei geboten, an der Diskussion in der BWL in den 1950er, 60er, 70er und 80er Jahre anzuknüpfen. Er zählt viele Autoren/Texte als positive Beispiele auf, unter anderem "die Darstellung des theoretischen Angebotes für die Betriebswirtschaftslehre insgesamt" von Schwaiger und Meyer, 2009 (5). Ich gebe Weber hier ausdrücklich recht. Wie ich letzten Sonntag schrieb, beschäftige ich mich gerade mit der bedarfswirtschaftichen Dissertation von Hans Schüler aus dem Jahr 1958, an die, soweit ich das sehe, noch nicht angeknüpft wurde. (6), (7) Ich werde mir das Buch von Schwaiger und Meyer näher ansehen und prüfen, wie die Autoren sich zu meinem Vorschlag stellen.

Literatur

(1) Wolfgang Weber, Allgemeine versus Spezielle Betriebswirtschaftslehre, in Wenzel Matiaske, Wolfgang Weber (Hrsg.), Ideengeschichte der BWL - ABWL, Organisation, Personal, Rechnungswesen und Steuern, Wiesbaden, 2018

(2) H.M. Schoenfeld, Betriebswirtschaftslehre im anglo-amerikanischen Raum, in  E. Groschla, W. Wittmann (Hrsg.) Handwörterbuch der Betriebswirtschaft,  4. Aufl. , Stuttgart 1974, S. 747-759

(3) Frank Giebel, Meine Auseinandersetzung mit "Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre unter Rationalitätsaspekten - Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre" von Marcell Schweitzer und Marcus Schweitzer, Blog liberal und kooperativ, 2020

(4)  Marcell Schweitzer und Marcus Schweitzer. "Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre unter Rationalitätsaspekten - Grundfragen der Betriebsirtschaftslehre" in: Alexander Baumeister, Marcell Schweitzer, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre - Theorie und Politik des Wirtschaftens in Unternehmen, Berlin, 11. Auflage, 2015

(5) Manfred Schwaiger, Anton Meyer (Hrsg.), Theorien und Methoden der Betriebswirtschaft. Handbuch für Wissenschaftler und Studierende, München, 2009

(6) Frank Giebel, Zwei Hinweise zur Schaffung einer bedarfswirtschaftlichen Lehr- und Forschungsinstitution, Blog liberal und kooperativ, 2025

(7) Hans Schüler,  Probleme der Erfolgsmessung bei bedarfswirtschaftlichen Unternehmen, im besonderen bei Wohnungsunternehmen, Dissertation Universität Köln 1958 bei G. Weisser u. Korref. E. Gutenberg, veröffentlicht, Göttingen, 1959

Sonntag, 4. Mai 2025

Zwei Hinweise zur Schaffung einer bedarfswirtschaftlichen Lehr- und Forschungsinstitution

Ich arbeite zur Zeit an einem Artikel zur Bedeutung eines bedarfswirtschaftlichen Ansatzes innerhalb der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (ABWL), möche hier aber zwei Hinweise geben zu dessen Ausrichtung.  Die inhaltliche Ausrichtung ist denke ich bereits aus den bisherigen Texten hier auf dem Blog deutlich geworden. 

Neu hinzukommt erstens meine Einschätzung, dass die Forschungsinstitution am besten im deutschen Sprachraum angesiedelt wäre: Ich habe begonnen, mich mit der Dissertation von Hans Schüler aus dem Jahr 1958 zu beschäftigen, einem der ganz wenigen Autoren, der neben meinem eigenen Artikel in einer akademischen Literatursuchmaschine bei einer entsprechenden Abfrage auftauchte (1), (2), (3). Referent der Dissertation als Doktorvater war Gerhard Weisser, Betriebswirt von der Universität Köln, der Gründer des Instituts für Genossenschaftswesen. Koreferent war Erich Gutenberg, neben Eugen Schmalenbach der wahrscheinlich bedeutendste Vertreter der Betriebswirtschaftslehre. Schüler findet wichtige Aussagen von anderen Autoren zur Bedarfswirtschaft nämlich von Werner Sombart und Heinrich von Stackelberg (S. 1). Da auch Max Weber sich dazu geäußert hat, siehe (4) wird deutlich, dass im deutschen Sprachraum viel zu finden ist. Nicht zuletzt kann sogar Johann Wolfgang von Goethe für den bedarfswirtschaftlichen Ansatz fruchtbar gemacht werden (5), (6). Zudem schrieben Eugen Schmalenbach, Erich Gutenberg, Günter Wöhe, Wolfgang Stützel, Dieter Schneider, Horst Albach und Sönke Hundt als zur ABWL gewichtiges Beitragende weitetestgehend auf Deutsch. Es ist deshalb hilfreich, die Forschung hier weiter zu betreiben. 

Zweitens war es beim ersten Sichten von Schülers Dissertation für mich verblüffend so viele Aussagen zum bedarfswirtschaftlichen Ansatz zu finden und zugleich wahrzunehmen, dass darauf sehr wenig nachfolgte von anderen Autoren. Ich konnte bisher weder näheres zum weiteren Forscherleben von Hans Schüler ermitteln noch wer ggf. warum oder warum nicht diesen Ansatz weiter verfolgt hat. Wie ebenfalls aus meinen letzten beiden Artikeln zu jeweils einer Arbeit von Günther Ringle und Reinhard Schultz deutlich wird, ist es sinnvoll zu verstehen, warum die bedarfswirtschaftliche BWL sich nicht bereits parallel zur gewinnmaximierenden gut entfaltet hat. Matiaske und Sadowki schrieben in ihrer Ideengeschichte der BWL II (7) (S.1) , dass die BWL wenig Interesse an ihre Fachgeschichte gezeigt hätte und sehen hier zurecht ein Defizit. Hier wäre also einem Forschungszweig einer bedarfswirtschaftlichen Säule der ABWL zu raten, es besser zu machen und von Anfang an die eigene Historie mit zu untersuchen und zu reflektieren, auch wenn dies nicht der Kern ihrer Aussagen sein wird. Der Kern wären wohlbegründete, also deduktiv abgleitete normative Aussagen der Praxis zur Verfügung zu stellen und an deren Anforderungen zu messen und weiterzuentwickeln, und damit dazu beizutragen, den jeweiligen gesteckten Unternehmenszweck und die Unternehmensziele so effizient wie möglich zu erreichen. Im Sinne von nichts ist praktischer als eine gute Theorie. (8)

Literatur

(1) Hans Schüler,  Probleme der Erfolgsmessung bei bedarfswirtschaftlichen Unternehmen, im besonderen bei Wohnungsunternehmen, Göttingen, 1959 

(2) Frank Giebel,  Kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung und Opportunitätskosten im Kontext einer bedarfswirtschaftlichen Investitionstheorie, Munich Person RepEc, 2025, https://mpra.ub.uni-muenchen.de/124086/

(3) Frank Giebel,  Zum Stand der deutschprachigen bedarfswirtschaftlichen Literatur, Blog liberal und kooperativ, April 2025

(4) Frank Giebel, verblüffende Erkennntis gefunden bei Max Weber, Blog liberal und kooperativ, Oktober 2020

(5) Frank Giebel, Das zwei-Klassen-System von staatlichen Bahnunternehmen wie der Deutschen Bahn ist nicht mehr zeitgemäß, Blog liberal und kooperativ, Oktober 2021

(6) Frank Giebel, Mehr zu Marshall II - inklusive einer Rezeption bei Karl-Heinz Brodbeck, Blog liberal und kooperativ, Februar 2021

(7) Wenzel Matiaske, Dieter Sadwoski (Hrsg.), Ideengeschichte der BWL II, Wiesbaden, 2022

(8) Der Satz wird sowohl Immanuel Kant als auch Kurt Lewin zugeschrieben und auch Bernd Österreich hat ihn für sich als wahr und wichtig entdeckt. Zu ersterem und zum zweiten siehe Universität Köln Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät abgerufen am 04.05.2025 "Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie." - Dieses Zitat, das dem deutschen Philosophen Immanuel Kant aber auch dem Psychologen und Mitbegründer der Sozialpsychologie Kurt Lewin zugeschrieben wird, ...", zum dritten siehe "Einführung in die systemische Organisationstheorie", Oose TV, youtube, 2016, abgerufen am 04.05.2025