Freitag, 22. Juli 2022

Umgang mit Irrationalität in der Betriebswirtschaftslehre (BWL)

aktualisert 28.7.2022

Die BWL versucht sinnvolle, normative Antworten für die Praxis zu geben im Rahmen des produktivitätsorientierten Ansatzes nach Erich Gutenberg. Auf dieser Basis kann sie sich für erwerbswirtschaftliche Unternehmen an der langfristigen Gewinnmaximierung für die Gesellschafter orientieren und vermutlich an der Nutzenmaxmierung der Kunden für bedarfswirtschaftliche Unternehmen. Die englischsprachige mikroökonomische Theorie differenziert hier bereits früh und versuchte einen Abgleich mit einer Realität, die der Theorie nicht entsprach. So postulierte Higgins, dass Gewinnmaximierung in einen Umfeld perfekten Wettbewerbs überlebensnotwendig für ein Unternehmen sei (siehe unten Hinweis 3.), dass aber in einem imperfekten Wettbewerbsumfeld dieser Druck sehr viel geringer sei und dort andere Ziele mehr Raum einnehmen könnten wie als Unternehmer ein ruhiges Leben zu führen, also weniger zu produzieren als die Menge, die zu einem maximalen Gewinn führen würde oder mehr zu produzieren, um an gesellschaftlichem Ansehen und Bedeutung zu gewinnen oder einfach nichts zu ändern, weil man Experimenten generell widerstrebt oder einen besimmten Preis für fair hält und ihn deshalb beibehalten will (Benjamin Higgins "Elements of Indeterminacy in the Theory of Non-perfect Competition" Am. Econ. Review, Sept. 1939, XXIX. 468-79). Heinen zitiert Parsons, "dass Erfolgs- Prestige- und Machtstreben fundamentale Ziele der Geschäftswelt darstellen..." (Edmund Heinen,"Die Zielfunktion der Unternehmung, 1962, S. 24 in "Zur Theorie der Unternehmung (Hrsg. Helmut Koch) zitiert T. Parsons, "The Motivation of Economic Activites", Canadian Journal of Economics and Political Sciences, Vol VI, 1940, S.187-202, hier S. 199ff.). Heinen greift das auf, wenn er unter der Überschrift nicht-montetäre Zielvorstellungen schreibt "Solche Vorstellungen äußern sich z.B. im Streben anch Prestige und Macht, nach Unabhängigkeit, nach Sicherung des Betriebsinteresses, nach Ansehen in der Öffentlichkeit, nach gutem sozialem Klima und anderem mehr" (S.24). Er schreibt weiter "Das Streben nach sozialem Ansehen, nach Prestige und Macht entspringt den gesellschaftlichen Bedürfnissen des Unternehmers. Die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe führt zu dem Verlangen, in dieser Gruppe eine geachtete oder gar hervorragende Stellung einzunehmenm, der die anderen Gruppenmitglieder Anerkennung und Beifall zollen. Die Wertschätzung anderer ist im allgemeinen eng mit der Stellung einer Unternehmung innerhalb ihrer Branche, mit dem absoluten Wert ihres Vermögens oder Kapitals und ihrem Wachstum verknüpft." Dies kann beispielsweise in der Praxis von Wohnungsgenossenschaften dazu führen, dass sie sich von der Förderung ihrer Mitglieder abkoppelt und eine Art Eigenleben führt und Vorstände von Wohnungsgenossenschaften in größerer Anzahl auf Wachstum und Rendite aus sind, wo es gar nicht angezeigt ist. Heinen erwähnt explizit "Zu zahlreich sind die Fälle des Bauens über die Verhältnisse hinaus, des reinen Prestigeaufwandes,..."(S.25). Heinen schreibt dies 1962. Es gibt sicher auch Vorstände und Unternehmen, die eher bescheiden auftreten und nicht den großen Auftritt lieben und es lassen sich sicher Firmenzentralen finden, die baulich die jeweilige Motivation ausdrücken.

Wo ist hier Handeln von Entscheidern noch rational, wo fängt es an irrational zu werden? Und welche Rolle soll die BWL einnehmen? Soll sie theoretisch-normativ bleiben oder empirisch werden und konstatieren, wer wo über all nicht maximierend handelt? Soll sie zum Beispiel mit spieltheoretischen Analysen sowohl Entscheidungsspielräume der handelnden Akteure abstecken und auf Optimierungsmöglichkeiten hin untersuchen als dritten Weg zwischen theoretischen Normen, um die sich die Praxis zu wenig kümmert und einem Fatalismus, der die Realität in ihrer Banalität oder Komplexität wie auch immer man das bewertet des Nicht-Rationalen zur Kenntnis nimmt?

Erstaunlich ist jedenfalls, dass auch in den USA nicht-rationales Verhalten aus Unternehmenssicht schon früh Thema war. So schreibt M.W.Reder 1947 über Führungskräfte großer Unternehmen, dass sie Gewinnmaximierung oft deshalb vermeiden würden, um ihren Untergebenen  die Änderung ihrer gewohnten Abläufe nicht zumuten zu müssen und dass es noch viel häufiger vorkommen würde, dass Untergebene ihre Vorgesetzten nicht auf Gewinnsteigerungsmöglichkeiten hinweisen würden, um diese nicht mit der Unzulänglichkeit ihrer Entscheidungen bzw. vorgegebenen Abläufen zu konfrontieren. [frei übersetzt] ("A Reconsideration of the Marginal Productivity Theory"The Journal of Poltical Economy, 1947. S450-459). Mich hat das an einen mir bekannten Fall aus der Gegenwart erinnert. Eine Wohnungsgenossenschaft, die nebenbei eine Spareinrichtung betrieb als zweites Standbein zur Immobilienfinanzierung stand vor der Frage, ob dies angesichts niedriger Zinsmargen und hoher Personalkosten betriebswirtschaftlich noch Sinn machte, sprich ob die Kosten die Vorteile bei der Finanzierung nicht auch mittelfristig überwiegen würden. Betriebswirtschaftlich hätte man sich genauer anschauen sollen wie weit Aufwand und Ertrag auseinander lagen und wie hoch das Risiko war, dass durch die sogenannte Fristeninkongruenz entstand, also potentiell kurzfristig kündbare Spareinlagen zur Finanzierung langfristiger Immobilienprojekte einzusetzen. Statt dessen wurde von einem Mitglied des Leitungskreises die Befürchtung geäußert, dass wenn man die Spareinrichtung schließen würde, die Mitglieder der Genossenschaft das als Indiz verstehen könnten, dass die Genossenschaft kurz vor der Insolvenz stünde. Damit war das Thema der Schließung vom Tisch. Das erstaunliche war, dass die betroffene Wohnungsgenossenschaft vor Ertragskraft und Eigenkapital nur so strotzte und nichts ferner lag, als dass sie Solvenzprobleme hätte bekommen können. Jedes Mitglied bekam jedes Jahr den Geschäftsbericht zugesendet und ein kurzer Blick in die Bilanz hätte ihm/ihr gezeigt, dass alles sehr gut stand. Im Ergebnis kann es also passieren, dass ein Unternehmen nicht optimal handelt, weil es den Anteilseignern nicht zumuten will ihre Rolle auszufüllen. Hier stand also Angst einer klugen Entscheidung im Sinne der BWL entgegen. Auch Leonid Hurwicz thematisiert bereits 1946 nicht-rationales Verhalten in der Wirtschaft, wenn er schreibt, dass es a priori nicht undenkbar sei, dass Unternehmen mehr mittels Routine als mittels Rationalität geleitet würden. (Leond Hurwicz, "Theory of the Firm and of Investment", Econometrica, 1946, Vol. 14 No 2, S 109-139, hier S. 110)

Ein anderer Grund gegen gute BWL-Entscheidungen kann Opportunismus sein. Wenn heute einige junge Startup-Unternehmen versuchen ihr Unternehmen so zu entwickeln, dass es von einem großen Techkonzern aufgekauft wird mit zweifelhaftem Ausgang für die Zukunft des Unternehmens aber sehr lukrativem Ausgang für die Firmengründer, dann ist das aus BWL-Sicht fatal, aber aus finanzieller Sicht der Unternehmer kurzfristig ein sehr sicherer und sehr hoher finanzieller Erfolg. Menschen sind nicht unbedingt Egoisten per se, aber eine sehr gute finanzielle Gelegenheit nicht wahrzunehmen, fällt vielen sehr schwer. Langfristig vermute ich, dass sinnvolle Arbeit und gute Teams für viele Menschen so wichtig werden, dass sie sich gegen große finanzielle Anreize besser abgrenzen können. Wird dann nicht die Gutenbergsche BWL mit ihrem Maximierungsansatz selbst überflüssig? Ist sie nicht sogar zu ignorant, was diese Werteebene angeht? Gewinn- und Nutzenmaximierung können einhergehen mit sinnvoller Arbeit und guten Teams, bedarfswirtschaftliche Nutzenmaximierung wahrscheinlich noch mehr als Gewinnmaximierung, weil sie vom Ansatz her nachhaltiger ist. Ich vermute diese Frage muss an konkreten Fallkonstellationen untersucht werden und nicht so allgemein. Allgemein kann man immerhin sagen, dass wenn es richtig ist, dass Gewinnmaximierung für erwerbswirtschaftliche Unternehmen in wettbewebsintensiven Märkten überlebensnotwendig ist, es unklug ist, darauf zu verzichten in Märkten, die zu einem Zeitpunkt x noch wenig wettbwerbsintensiv sind, weil diese durch neue Entwicklungen wie neue Technologien oder andere Produkte unvermutet viel wettbewerbsintensiver werden können.

Edmund Heinen führt H.A.Simon zitierend drei weitere Aspekte auf, die in der Praxis zu irrationalen bzw aus BWL-Sicht suboptimalen Entscheidungen führen: 1. Routine und gewohnheitsmässige Reaktionen, der mit Entscheidungen betrauten Personen, 2. mangelnde Kenntnisse und Informationen, die diesen Personen zur Verfügung stehen, 3. Interesssen- und Zielkonflikte der einzelnen Entscheidungsträger. (Edmund Heinen, "Die Zielfunktion der Unternehmung"1962, S. 59 in "Zur Theorie der Unternehmung" Helmut Koch (Hrsg.) und H.A.Simon "Administrative Behavior" S.39ff, New York, 1956)

Ich denke allgemein ist eine BWL in Fortführung des Ansatzes von Gutenberg ein Denkrahmen, eine Denkschule für die Praxis, der mit ökonomischem Augenmaß in Bezug auf den Aufwand, der betrieben wird, vor Ort angewendet werden muss und je nach Situation ausgebaut werden kann. 

Hilfreich finde ich es zu sehen, dass das Normative der Gutenbergschen BWL auch ein Pendant in der amerikanischen mikroökonomischen Theory of the firm hat. So zählt Andreas G. Papandreou bei diesem entscheidungsorientierten Ansatz folgende Cf. Talco, Parsons zitierend fünf grundlegende Konzepte auf (the action frame of reference consists of five basic concepts): die Handlung (the act), den Agenten (the agent) , das Ziel  (the end), die Situation, die sowohl steuerbare Mittel (means) als auch hinzunehmende Bedingungen (conditions) enthält und schließlich die Norm, d.h. "das Prinzip, das die Mittel mit dem Ziel in Beziehung setzt" und "Die Norm, die der Ökonom probagiert ist die der Rationalität."[übersetzt durch mich](Andreas G. Papandreou, "Some basic problems in the theory of the firm" S,183 in " A survey of contemporary economics" Bernard F. Haley (Hrsg), 1952 zitierned Cf. Talcott Parsons "The structure of social action" New York, 1937 2nd ed. Glenoe 1949 Ch. 2 for a discussion of the action frame of reference)


weitere Hinweise (ergänzt am 26.7.22)

1. Ein Beispiel für Irrationalität bei Kunden aufgrund fehlender Information mit Auswirkungen auf die Entscheidungen von Unternehmen gibt Günter Wöhe bereits 1959, wenn er schreibt:"Ein Senken des Preises muß bei Markenartikeln nicht zu erhöhtem Abasatz führen, da die Kunden oft mit der Marke und ihrem Preis eine bestimmte Qualiätsvorstellung verbinden, die durch eine Preissenkung erschüttert werden kann."(Günter Wöhe, "Methodologsiche Grundprobleme der Betriebswirtschaftslehre", 1959, S. 203)

2. ein mögliche Kritik an obigem Ansatz ist die Feststellung, dass die langfristige Gewinnmaximeriung der Gesellschafter zwar theoretisch einleuchtet, dass er aber ausblendet, dass dahinter immer Menschen mit bestimmten Einkommensbedarfen stehen. Die Frage ist, wenn das Unternehmen prosperiert und gute Gewinne macht, sodass die Bedarfe an Einkommen gedeckt sind, ob dann nicht das Interesse an weiteren Einkommenssteigerungen der Gesellschafter sinkt (abnehmender Grenznutzen), insbesondere wenn ein großer Teil ihres Einkommen aus dieser Quelle stammt und es ökonomisch für sie ist weniger Zeit und Ernergie in das Unternehmen zu stecken und anderen Interessen nachzugehen. Insoweit wäre die weitere Gewinnsteigerung eigentlich eine Merkwürdigkeit soweit die Gesellschafter sie nicht aus kluger Voraussicht betreiben, um die Konkurrenzsituation und damit die Nachhaltigkeit künftiger Geldflüsse abzusichern. Wenn allerdings die Geldflüsse so hoch waren, dass sie den Bedarf einen ganzes denkbaren Lebens bereits abgedeckt hätten aus Sicht des Gesellschafters dann würde er wahrscheinlich nicht mehr aus ökonomsichen Interesse sondern eher aus der Freude am Schaffen sich weiter in dem Unternehmen einbringen soweit wie es ihm/ihr angenehm ist. Hier wird deutlich dass neben Ertragszielen Gesellschafter weitere Ziele haben, die in bestimmten Konstellationen dominierend für sie werden können. Gegen die Vorstellung ist, dass es ökonomisch für Gesellschafter ist nicht Gewinnmaximierung zu betreiben spricht, dass sie grundsätzlich die Möglichkeit haben für die weitere Gewinnsteigerungsmöglichkeit einen Manager/Agenten anzustellen und dass dies ja in der Praxis auch geschieht, sicher mit gemischtem Erfolg. Mitunter steigen Unternehmensgründer später erneut in ihr Unternehmen ein, um es wieder auf die richtige Spur zu springen wie zum Beispiel Steve Jobs 1997 als Apple kurz vor dem Bankrott stand

https://en.wikipedia.org/wiki/Apple_Inc.#1990%E2%80%931997:_Decline_and_restructuring

Im Fazit wird es in der Praxis deshalb zum Nicht-Ausschöpfen von Gewinnmaximierungspotentialen kommen und dennoch ist das Potential vorhanden Gewinne zu steigern durch kluges Delegieren an fähige Manager.

siehe auch Leonid Hurwicz 1946 noch auszuführen

3. Warum ist bei vollkommener Konkurrenz Gewinnmaximierung notwendig?

Wenn ein Unternehmen seine Preise nicht anpasst, wird es auf Dauer vom Markt verdrängt: Ist sein Preis zu hoch wird es nicht mehr genug Umsatz erwirtschaften, ist sein Preis zu gering wird es nicht mehr genug Gewinn machen, um genügend in das Unternehmen reinvestieren zu können um den status quo aufrecht erhalten zu können.


Mittwoch, 20. Juli 2022

einige Hinweise der Soziologie der Genossenschaften für die Praxis in großen Genossenschaften

Der Soziologe Prof. Friedrich Fürstenberg hat 1995 die Schrift "Zur Soziologie des Genossenschaftswesens" (Duncker & Humblot, Berlin) vorgelegt, die auch heute noch hilfreiche Aussagen für die Praxis in großen Genossenschaften bereithält. Ergänzt werden die Hinweise um Zitate aus einem weiteren soziologischen Buch "Der Genossenschaftsgedanke F.W. Raiffeisens als Kooperationsmodell in der modernen Industriegesellschaft" von Walter Koch, Creator Verlag, 1991.

Auf Seite 22 schreibt Fürstenberg über die Sozialstruktur in Genossenschaften:"Die Interessen der Beteiligten umschließen in einer Genossenschaft mindestens drei Personenkreise: Die Mitglieder, die Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung und die Führungsspitze. Für die Konsensusbildung im Sinne der genossenschaftlichen Zielsetzung sind insbesondere die Einstellungen und Verhaltensweisen der Mitglieder entscheidend. Insoweit kommt dem Ausmaß der Mitgliederintegration eine für die Genossenschaft konstitutive Bedeutung zu."

Hinweis zur Zielsetzung und zur Führungsspitze

In der Praxis von Großgenossenschaften kann es vorkommen, dass die Ziele gar nicht auf die Mitgliederförderung fokussiert sind und /oder dass der Aufsichtsrat sich als Teil der Führungsspitze versteht, der Ansprüche der Mitglieder auf Förderung eher abwehrt als dass er sich erinnert,  dass er die Mitglieder repräsentiert und vertritt und seine Aufgabe darin besteht, die Geschäftsführung danach zu kontrollieren, ob sie bestmöglich die Mitglieder fördert. Im Gegensatz zu anderen Gesellschaftsformen werden in Genossenschaften die Aufsichtsräte nur von den Mitgliedern gewählt und mit Mitgliedern besetzt, nicht mit Mitarbeitern im Rahmen der Mitbestimmungsgesetze. Mir ist ein Fall bekannt, dass einem kritischen Aufsichtsrat von einem Kollegen vorgehalten wurde er würde durch seine Kritik einen Keil zwischen Vorstand und Aufsichtsrat treiben wollen. Für diesen Aufsichtsrat waren beide Gremien bereits zu einer Einheit verschmolzen. Im Gegensatz dazu gibt das Genossenschaftsgesetz in Deutschland vor in §38(1): " Der Aufsichtsrat hat den Vorstand bei dessen Geschäftsführung zu überwachen."

Schon Raiffeisen fiel in den von ihm gegründeten Hilfsvereinen auf, dass die Kontrolle seitens der Aufsichtsräte in der Regel zu gering ausfiel. Er schuf deshalb eine eigenständige Position des "Rechners" der Genossenschaft, der für Bilanzierung und Kontrollrechnungen zuständig war.  So schreibt Koch auf Seite  198: "Da Raiffeisen die Erfahrung gewonnen hatte, daß in vielen Darlehenskassen-Vereinen die Kontrollaufgabe vom Verwaltungsrat [anderer Name für Aufsichtsrat] sehr nachlässig ausgeübt wurde, nahm er in seinen Statuten die Bestimmung auf, in regelmäßigen Zeitabständen Revisionen durchzuführen" und auf Seite 199 zitiert Koch Raiffeisen: "Die Stellung des Rechners ist für das gute Bestehen des Vereins eine sehr wichtige, eigentlich die wichtigste. Wenn der Rechner seinen Verpflichtungen nachkommt, und, wie man zu sagen pflegt, ganz an seinem Platz ist, so bildet er gleichsam die Seele des Vereins." (Friedrich Wilhelm Raiffeisen:"Die Darlehenskassen-Vereine als Mittel zur Abhilfe der Noth der ländlichen Bevölkerung sowie auch der städtischen Handwerker und Arbeiter", 1. Auflage, 1866, Seite 39)

In gewisser Weise ist dies vergleichbar mit dem Institut von Bundes- und Landesrechnungshöfen. Es könnte ein interessanter Ansatz sein in großen Genossenschaften eine professionelle Position unabhängig von Weisungsbefugnissen des Vorstandes zu schaffen, die zu Revision und Rechnungskontrolle direkt an die Generalversammlung berichtet und ein eigenes Budget hat. Gerade im Hinblick auf die Sicherstellung einer bestmöglichen wirtschaftlichen Förderung könnte hier eine unabhängige Berechnung viel zu besserer Transparenz und letztlich zu einer höheren Förderung der Mitglieder beitragen, gerade wenn in der jeweiligen Genossenschaft das genossenschaftliche nur noch eine Art Unternehmensmantel ist. Es gibt zwar auch Pflichtprüfungen durch Wirtschaftsprüfer, diese prüfen jedoch in der Regel nur die Wirtschaftlichkeit der Unternehmensführung und nicht, ob das Förderpotential für die Mitglieder ausgeschöpft wird. Insoweit sind sie gerade nicht "ganz an ihrem Platz".

Zur besonderen Stellung des Bundesrechnunghofes zwischen den Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesrechnungshof#Stellung

Hinweis Konsensbildung

Fürstenberg macht deutlich, dass es in Genossenschaft um die Herstellung eines Konsens geht, bei dem alle Mitglieder vom Grundsatz her beteiligt sind. Wikipedia definiert Konsens als die übereinstimmende Meinung von Personen zu einer bestimmten Frage ohne verdeckten oder offenen Widerspruch. Eine gute Genossenschaft zeichnet sich also dadurch aus, dass sie Widerspruch von Mitgliedern aufgreift und bereit ist, eigene Positionen weiterzuentwickeln. Sie orientiert sich dabei an der gemeinsamen Zielsetzung.

Hinweis 1 zur Mitgliederbeteiligung

In Großgenossenschaften ist  die Bereitschaft von Mitglieder sich einzubringen oft nur gering, Schon Raiffeisen stellte 1866 fest, "daß ein großer Theil der Mitglieder sich mit den Vortheilen begnügen, welche ihnen die Vereine in Bezug auf die Darlehn gewähren, daß sie aber an den Versammlungen und überhaupt an den Vereinsangelegenheiten wenig Antheil nehmen" (zitiert von Raiffeisen s.o. Seite 37 bei Koch S. 194). Dies geht einher mit einem Strukturproblem, das Fürstenberg benennt als "die Oligarchisierung der Willensbildung und damit einhergehend der wachsende Einfluß hauptberuflich tätiger Experten." (Seite 24). Hier würden moderne Formen der Beteiligung wie losbasierte repräsentative Mitgliederjurys Abhilfe schaffen. Denn dort kann unter einer neutralen, ergebnisoffenen Moderation bei Zahlung einer Aufwandsentschädigung an die Teilnehmer ein echter Austausch auf Augenhöhe und in ausreichender Zeit stattfinden, bei dem auch unterschiedliche Experten gehört werden.

Hinweis 2 zur Mitgliederbeteiligung

Wenn man Fürstenberg ernst nimmt, sind viele Großgenossenschaften derzeit nur noch der Form nach Genossenschaften. Wie der Ansatz Mitgliederjury zeigt, ist dieser Zustand aber nicht in Stein gemeiselt. Vielmehr ist es so, dass Genossenschaften von ihren Strukturmerkmalen immer offen für die Mitwirkung einzelner Mitglieder sind. So ist  Druck auf eine Reform von innen immer möglich. Koch zitiert passend A. de Meuron von mir frei übersetzt mit " Eine Genossenschaft ist ein Haus aus Glas. Da kann nichts versteckt werden, keine Gewinne, keine Verluste, keine dubiosen Geschäfte und auch nicht die Verfolgung von Partikularinteressen." (Koch Seite 192) (A. de Meuron, "le Role moral de la Cooperation", Bale, 1923, S4 das Zitat im Orginal:"La cooperative est une maison de verre. On n'y peut rien cacher, ni benefices, ni pertes, ni operations douteuses, ni poursuite d'interets particuliers." (ohne Sonderzeichen zitiert)).

Dienstag, 19. Juli 2022

Notizen zu "Neue Wohnungsgemeinnützigkeit - Wege zu langfristig preiswertem und zukunftsgerechtem Wohnraum" von Jan Kuhnert und Olof Leps

2017 erschien eine hoch spannende Studie, die die Geschichte der Wohnungsgemeinnützigkeit in Deutschland inklusive der Phase nach Beendigung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) 1989 und die Etablierung der Vermietungsgenossenschaft ab 1990 ausführlich beschreibt.

https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-17570-2

Wer sich für Wohnungsgenossenschaften in Deutschand interessiert, für den ist es gut zu verstehen, was damals passierte und wie das heute noch nachwirkt. So besteht bis heute die nachteilige Situation fort, dass Wohnungsgenossenschaften sich im Gegensatz zur Schweiz nicht in einem eigenen Verband organisieren, sondern im Gesamtverband der Wohnungsunternehmen (GdW) als einem Mischverband mit vielen Wohnungsunternehmen, die andere Interessen haben.

In der Studie (die Autoren stehen den Grünen und der Linkspartei nahe) wird außerdem Wohnungsgemeinnützigkeit in den Niederlanden und in Österreich betrachtet, nicht aber die Schweiz. Auffällig ist, dass Genossenschaften bei ihnen nur als Umsetzungsvariante politischer Ziele vorkommen. Das Besondere von Genossenschaften tritt zurück bzw. bleibt unbeachtet. Hier besteht immer die Gefahr, dass Genossenschaften für politische Ziele instrumentalisiert werden. Man beachtet nicht, dass Genossenschaften Selbsthilfevereine für die Mitglieder sind, die darauf angelegt sind, autonom zu handeln.
 
Sehr spannend ist der Vergleich mit Österreich, dessen Wohnungsgemeinnützigkeit die Autoren gut finden und die dort eine sehr große praktische Bedeutung hat. Dabei arbeiten sie eine wichtige Leitidee linker Wohnungspolitik heraus: "Der Gedanke der Verbindung von Wohnraumförderung und Gemeinnützigkeit war darin begründet, dass Erträge, welche mithilfe der Wohnbauförderung erwirtschaftet wurden, im Vermögen der gemeinnützigen Bauvereinigungen gebunden bleiben bzw. reinvestiert werden müssen und somit langfristig den öffentlichen Förderaufwand reduzieren." Das widerspricht § 19(1) Genossenschaftsgesetz wo es heißt " Der bei Feststellung des Jahresabschlusses für die Mitglieder sich ergebende Gewinn oder Verlust des Geschäftsjahres ist auf diese zu verteilen." Mitunter sieht man in der Praxis eine Rücklagenpolitik in traditionellen großen Wohnungsgenossenschaften, die in diesem falschverstandenen-politisch-gemeinnützigen Sinn unterwegs sind. Die Genossenschaftswissenschaft hat dem schon lange widersprochen und erklärt, dass in Genossenschaften Gemeinnützigkeit über die Förderung der Mitglieder zu funktionieren hat, auch wenn das oberflächlich betrachtet ein Widerspruch zu den landläufigen Verständnis von Gemeinnützigkeit zu sein scheint [Keßler 2015]
 
Das Buch geht auch auf die NS-Zeit ein, bleibt aber aus genossenschaftlicher Sicht zu unkritisch. So erwähnt es zum Beispiel den Aspekt, dass ab 1940 über das Gesetz über die Gemeinützigkeit im Wohnungswesen (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz) die deutsche Familie gefördert werden sollte (S.78) beachtet aber nicht, dass Genossenschaften nur dem Zweck dienen, ihre Mitglieder zu fördern, egal ob sie in Familien leben oder nicht. Der Passus zur Familie war selbst in der letzten Fassung des WGG noch enthalten(!) und wurde erst im letzten Kommentar zum Gesetz von 1988 krititisiert, aber auch nur in Bezug auf das Grundgesetz, nicht im Hinblick auf die Genossenschaftsidee. 
 
Die Studie erwähnt auch den Aspekt, dass bei Auflösung eines Unternehmens nach dem WGG nur der Nominalwert, nicht der Realwert an die Mitglieder fliesen darf (S.106). Das ist ein riesiger Unterschied, fast ein alles oder nichts. Bei einem dem Autor bekannten Beispiel einer Wohnungsgenossenschaft wären das zum Beispiel 150,- € statt circa 6.000 € je Anteil. Bei 20 Anteilen je Mitglied entspricht das 3000,- € statt 120.000 €.  Die Autoren bleiben aber auch hier unkritisch und erwähnen nicht, dass es zum Wesen einer Genossenschaft als Gesellschaft gemeinsamer Unternehmerschaft gehört, im Falle einer Auflösung die Liquidationserlöse unter den Mitglieder anteilsmässig aufzuteilen. Pikant ist der Falle Neue Heimat, den die Studie erwähnt. Dort hat sich der Staat aus Eigeninteresse anscheinend nicht an das eigene Gesetz gehalten (S. 107)
 
Dazu stehen die Überlegungen der CDU Regierung im Kontrast unter Kanzler Helmut Kohl,
 
 
die in Deutschland das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz abschafften, aber die Wohnungsgenossenschaften durch die Schaffung der Instituts der Vermietungsgenossenschaft erhalten haben. 1984 wurde unter Finanzminister Stoltenberg eine Kommision ("Hofbauer-Kommision") einberufen, die zur WGG unter anderem feststellte: "Einzig die Wohnungsgenossenschaften, beschränkt auf die Vermietung an die eigenen Mitglieder, wären als bestandsverwaltende Selbsthilfeorganisationen förderungwürdig und sollten wie privat genutzer Wohnraum steuerbefreit sein" (S.146) Der Vorgängerverband des GdW, der GGW, argumentierte dagegen (S.146). 
 
zu den Autoren der Studie:
Kuhnert studierte Erziehungswissenschaften, Soziologie und Politik
Der zweite Autor Olof Leps ist Berater für den öffentlichen Sektor, hat also auch kein spezielles berufliches Interesse an Genossenschaften
 
Das erklärt vielleicht, warum sie die genossenschaftliche Betriebswirtschaft so wenig beachten. Dennoch ist das Buch sehr lesenswert, nicht zuletzt, weil es ausführlich über die Diskussion berichtet und auch Literaturhinweise nennt, die mehr an Genossenschaften interessiert sind als die Autoren selbst.
 
Wichtig ist es, denke ich, zu erkennen, dass Genossenschaften zum einen von vielen Interessenskreisen für eigene Zwecke als nutzbar und attraktiv angesehen werden, dass sie aber per se überparteilich sind und nach Regeln funktionieren, die für alle Demokraten akzeptabel sind, also neben bürgerlich-liberalen Kreise auch für linke Kreise, soweit sie die soziale Marktwirtschaft als Ordnungsrahmen akzeptieren und nicht doch die Produktionsmittel verstaatlichen wollen oder Unternehmen ihre Autonomie nehmen wollen (letzteres hat viele Graustufen, auch im Bereich Bauen und Wohnen, wie das Bündnis für Wohnen in Hamburg zeigt, bei dem Einfluß genommen wird auf die "Produktionspläne" eigentlich autonomer privatwirtschaftlicher Unternehmen). Sozial ausgerichtete Politiker müssen, denke ich, lernen, dass sie Genosseschaften nicht mit kommunalen Wohnungsunternehmen gleichsetzen können, sondern dass Genossenschaften eigene Stärken haben und es für alle am besten ist, wenn man Genossenschaften nach ihrer eigenen Facon glücklich werden lässt. So können sie am meisten zu einer guten Gesellschaft beitragen. Was das für einzelne Wohnungsgenossenschaften bedeutet, kann am besten in jedem Fall indivduell herausgefunden werden in der gemeinsamen Beratung und im Konsens der Mitglieder.
 
Nachbemerkung: Ich konnte das Buch nur am Rande und auszugsweise lesen, weil ich keine Forschungsmittel zur Verfügung habe. Wer meine Arbeit finanziell unterstützen möchte, kann sich gerne mit mir in Verbindung setzen.

Literatur

Keßler, Jürgen, Kommentar zur Gemeinnützigkeit von Genossenschaften, Skills Eg, Newslwetter der EBZ, 2/2015 Seite 4, https://www.e-b-z.de/presse/publikationen.html

Mittwoch, 29. Juni 2022

Einzelkritik: Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Grundlagen 2. Auflage 1995

Wer sich ernsthaft mit der allgemeinen  BWL befasst, kann die Beiträge von Dieter Schneider als kritischem und eigenständigen Autor nicht ignorieren. Deshalb hier meine Kritik zu seinem Grundlagenbuch zur BWL.

Dieter Schneider empfiehlt "den Untersuchungsbereich der Betriebswirtschaftslehre zu kennzeichnen als Erwerb und Verwendung von Einkommen unter Unsicherheit und ungleich verteiltem Wissem" (S.25). Unter Einkommen versteht Schneider dabei den "Reinvermögenszuwachs während eines Zeitraums" (S.5) und weiter "Einkommen als periodenwiese Änderung des Reinvermögens berechnet sich nach dem Reinvermögen am Ende eines Abrechnungszeitraums abzüglich des Reinvermögens zu Beginn zuzüglich des während dieser Periode Konsumierten." und weiter "Den Begriff des Einkommens beziehen wir stets auf einen Menschen bzw. einen Haushalt, den mehrere Menschen gemeinsam bilden". Wenn also Johanna am 1.1.2022 ein Gesamtvermögen von 250.000 € hatte und am 31.12.2022 ein Gesamtvermögen von 190.000 €, weil ihr Aktiendepot deutlich an Wert verloren hat und sie ihre Einkünfte aus Berufstätigkeit für Miete Urlaub und Lebenshaltung verbraucht hat und die Summe ihres Konsums bei 25.000 € lag, war ihr Einkommen 2022 laut Schneider minus 35.000 €.

190.000 - 250.000 + 25.000 = - 35.000

Während zum Beispiel Wöhe als Erfahrungsobjekt den Betrieb auswählt, der eine Leistung erstellt und absetzt, ist für Schneider eine Leistungserstellung zumindest zunächst unerheblich. 

["Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre", Günter Wöhe , Ulrich Döring, Gerrit Brösel, 27. Auflage, 2020: "Als Betrieb bezeichnet man eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit, in der Produktionsfaktoren kombiniert werden, um Güter und Dienstleistungen herzustellen und abzusetzen", Seite 27]

Schneider geht es um das Einkommen des einzelnen Menschen oder des Haushaltes als Erfahrungsobjekt. Immerhin kommen Unternehmen bei Schneider indirekt ins Spiel, wenn er schreibt: "Das Handeln einzelner Menschen in Märkten, Unternehmungen und weiteren Organisationen (wie Parlamenten, Verbänden) sowie die Regeln für das Handeln des einzelnen und das möglichst konfliktarme Zusammenleben mit anderen bilden den Ausgangstatbestand der Forschung, das Erfahrungsobjekt" [der BWL]. Als Erkenntnisobjekt der BWL sieht Schneider "Gefragt wird nach Begründungen (Erklärungen) dafür, ob und wann dieses Handeln zu voraussichtlich geringeren Abweichungen zwischen beabsichtigter Zielerreichung durch Erwerb und Verwendung von Einkommen und später tatsächlich erreichter führt. Die Betriebswirtschaftslehre im hier verstandenen Sinne erforscht also Institutionen in Form von Ordnungen (Regelsystemen) und Institutionen in Form von Organisationen (Handlungsystemen) daraufhin, ob bzw. wie sie in der Lage sind

(1) Menschen jenes Einkommen erreichen zu lassen, das sie erwerben wollen,

(2) das zu verwirklichen, was sie mit der Verwendung des Einkommens bezwecken, und

(3) inwieweit Institutionen dazu beitragen, die Abweichung zwischen der in einem Planungszeitpunkt beabsichtigten Zielverwirklichung durch Erwerb und Verwendung von Einkommen und der tatsählich später erreichten zu verwirklichen." und weiter "Als sprachliches Kürzel für diese Forschungsaufgaben wird der Name "Verringerung von Einkommensunsicherheiten" übernommen. Verringerung von Einkommenunsicherheiten ist hierbei nicht mehr (nur) als von einzelnen zu bewältigendes Problem zu verstehen, sondern als Leitbild des Forschens für die Bildung betriebswirtschaftlicher Theorien".

Statt also die betriebliche Leistungserstellung in den Mittelpunkt der BWL zu stellen, stellt Schneider Einkommen von Menschen und seine Unsicherheit in den Mittelpunkt. Geht man davon aus, dass Betriebe Teil eines gesellschaftlichen Gefüges sind, konkret einer Marktwirtschaft (liberal, sozial oder ökologisch-sozial) kann es gesellschaftliche Instrumente geben, die Einkommensunsicherheiten abfedern wie Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Es fragt sich, ob diese gesellschaftlich gemildeteren Einkommensunsicherheiten nicht schon stark genug sind, um Einkommen als zentralen Ausgangspunkt für eine Betriebswirtschaftslehre nutzlos zu machen. Würde es irgendwann ein bedinungsloses Grundeinkommen für alle geben, müsste das der Schneiderschen BWL sogar vollständig den Boden unter den Füssen wegziehen, weil ja dann ein Großteil dieser Unsicherheit den Akteuren genommen wäre. Müsste, wenn Schneider recht hätte, dies nicht bedeuten, dass jede wirtschaftliche Tätigkeit dann sofort vollständig zum Erliegen käme? 

 Schneider will im übrigen sogar nicht explizit erwerbswirtschaftliche sondern bedarfswirtschaftliche Unternehmen wie zum Beispiel öffentliche Unternehmen allein unter dem Aspekt untersuchen, inwieweit Handelnde (also wohl Mitarbeiter dieser Unternehmen) damit ein sicheres Einkommen erzielen. Das in den angebotenen Produkten ein bestimmter Nutzen steckt und der unter möglichst effizientem Mitteleinsatz erbracht werden soll, ist dann ein Aspekt, der im konkreten Einzelfall eine Rolle spielen kann oder auch nicht. 

Fazit

Als Grundlage einer Theorie der Unternehmung bzw. der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre scheint mir ein solcher Ansatz völlig verfehlt. Er blendet den Kern dessen, was Betriebe machen, aus und ignoriert, dass es bedarfswirtschaftliche Unternehmen gibt (öffentliche Unternehmen, Beschaffungsgenossenschaften und Stiftungsunternehmen), die einen konkreten Zweck haben in einer bestimmten Leistungserstellung, die nichts mit dem möglichen Erwerbseinkommen von angestellten Mitarbeitern zu tun hat.

Ausblick

Warun Schneider diesen extrem weit hergeholten Ansatz gewählt hat, weiss ich nicht. Vielleicht war er auf der Suche nach einem guten Ansatz für eine Theoriebildung. Ich vermute seinem Ansatz lag die Annahme zugrunde, dass Unsicherheiten starke Motivatoren und damit auch "Handlungserklärer" sind. Gerade seine Forschungsfrage (2) halte ich für völlig verfehlt. Ich glaube der Mensch macht primär was ihn interessiert unabhängig davon wie viel Einkommen er damit erwirtschaftet. Dass zum Beispiel soziale Berufe oft schlechter bezahlt sind als Berufe in anderen Branchen kann daran liegen, dass mehr Menschen diese Stellen nachfragen weil sie etwas sinnvolles tun wollen und nicht bereit sind höher bezahlte Stellen, die aber fragwürdig sind, anzunehmen.

Dienstag, 7. Juni 2022

Gedanken zu Horst Albachs "Gutenberg und die Zukunft der Betriebswirtschaftslehre"

 Text in Arbeit noch nicht fertig!

 Horst Albach schreibt in "Gutenberg und die Zukunft der Betriebswirtschaftslehre", 1997, über das Solidaritätsaxiom in der BWL [Betriebswirtschaftslehre] Erich Gutenbergs und dass es sich in der Empirie nicht durchgängig halten lässt. Dabei bedeutet Solidaritätsaxiom laut Albach "Jeder Mitarbeiter im Betrieb verfolgt solidarisch dasselbe Ziel, nämlich das Unternehmensinteresse zu maximieren." [Anmerkung: das Unternehmensinteresse besteht dabei darin, die Unternehmensziele bestmöglich zu erreichen dh. zu maximieren. Unternehmen haben anders als Menschen keinen Selbstzweck. In der Praxis geht diese Unterscheidung mitunter verloren.]  Neue Ansätze der BWL sind laut Albach seitdem entstanden, insbesondere die entscheidungsorientierte, die systemorientierte, die verhaltensorientierte und die handlungsorientierte BWL. Auch die institutionenökonomische BWL wäre hier zu nennen. Albach schreibt zurecht, dass es genauso unrealistisch wäre anzunehmen, dass das Axiom der verhaltensorientierten BWL immer richtig ist, dass Akteure in Unternehmen immer primär ihre eigenen Interessen verfolgen wie es unrealistisch wäre anzunehmen, dass sie primär das Teaminteresse verfolgen. Um aus diesem Bewertungsdilemma herauszukommen, sehe ich folgenden Pfad: Die Frage lässt sich klären bzw. in ein einziges Denksystem integrieren, wenn man versteht, dass in Entscheidungsystemen, in denen Menschen beteiligt sind, es neben der Rationalität auf der Sachebenee , das heist bei der Disposition innerhalb des Unternehmens in den Bereichen Unternehmensplanung und bei den operativen Ebenen Bereitsstellung der Produktionsfaktoren (Einkauf, Finanzierung, Personalwesen), Leistungserstellung, Leisterungsverwertung (Absatz) immer auch um Leitideen, Bewusstheit, Kapazitäten und Kommunikationsakte geht. Meine These ist, dass eine neue BWL, die diese Faktoren integriert ohne ihre Grundlagen zu vernachlässigen, normativ sinnvolle Aussagen treffen kann, die in der Praxis dann auch tatsächlich angewandt werden, soweit der diese neue BWL bekannt ist bzw sie sie an sich heranlässt und sie an den Universitäten gelehrt wird. Auf der Metaebene, also bei der Reflexion der BWL über sich selbst, sollte ihr bewusst sein, dass sie mit der Praxis eine Einheit bildet, eine Welt, und sie sich nicht darin erschöpfen kann, von außen auf ein Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt zu blicken, sondern dass sie ein Teil davon ist und sie diese Welt neu gestaltet. Albach schreibt dazu "Man kann eben nicht betriebswirtschaftliche Steuerlehre unterrichten, ohne auch Unternehmen steuerlich zu beraten. Man kann nicht Investitionstheorie lehren, ohne auch in Unternehmen Systeme der Investitionsrechnung einzurichten. Man kann nicht über Führungsorganisation im Unternehmen forschen, ohne an Hauptversammlungen teilzunehmen oder Erfahrungen im Aufsichtsrat von Unternehmen gesammelt zu haben." (Seite 12,13) Bei Albach ist die Relevanz von Bewusstheit bereits angelegt, wie ich unten aufzeigen werde.

 1. Leitideen

In der BWL Gutenbergs sind  Leitideen vorhanden und werden ausreichend weit ausgeführt, allerdings mit dem Fokus auf gewinnmaximierende Unternehmen. Dies ist aber auch ohne weiteres möglich für  bedarfswirtschaftliche Unternehmen wie Genossenschaften, öffentliche Unternehmen und Stiftungsunternehmen über das Nutzenmaximierungskalkül mit Blick auf  die Abnehmer der Produkte oder Dienstleistuungen der jeweiligen bedarfswirtschaftlich konstituierten Unternehmens. Es ist deshalb sinnvoll in die BWL eine 2. Säule einzuführen. Ich habe dazu bereits häufig hier gebloggt.

2. Bewusstheit

Meine These ist, dass sowohl die gute Anwendung einer BWL in der Praxis als auch die Qualität der BWL selbst von der Qualität der Bewusstheit der Protagonisten abhängt. Sehe ich zum Beispiel mich selbst oder andere als ein Mensch an, der nur ganz eng indivduelle Ziele ohne Rücksicht auf andere verfolgt, ist das mein Menschenbild, werde ich eher einer BWL zuneigen, die auf Dauer sich mit Konflikten auch innerhalb von Unternehmen befassen muss. Albach spricht in diesem Zusammenhang von der möglichen Zukunft der BWL als Konfliktlehre. Dann wären zum Beispiel Ansätze wie Mediation in den Werkzeugksten der BWL zu integrieren und es ginge darum standardmässig bei Entscheidungsituationen die möglichen Interessen derjenigen im den Blick zu bekommen, die an der Entscheidung beteiligt sind. [Gute Mediation basiert darauf die Interessen mit den Konfliktparteien herauszuarbeiten, siehe zum Beispiel Silke Freitag, Jens Richter (Hrsg.) Mediation - das Praxisbuch - Denkmodelle, Methoden und Beispiele, Beltz Verlag 2015.] Sehen Protagonisten in Wissenschaft und Praxis bei sich selbst, dass sie sowohl Eigeninteressen haben als auch, dass sie es gut finden, wenn sie etwas für andere tun können, ist das ihr Menschenbild, werden sie mehr dem Solidaritätsaxiom zuneigen und nur am Rande auf mögliche Egoismen von anderen Protogonisten achten. Das scheint mit einer möglichen Zukunft der BWL zu korrespondieren, die Albach als Harmonielehre bezeichnet. Historisch kommen wir im "Westen" von einer individualisierten Selbst- und Fremdwahrnehmung [siehe zB die protestantische Gnadenlehre und ihr Einfluss in der Wirtschaft ausgeführt von Max Weber in "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus", 1904/1905]  Allerdings hat der Historiker Rutger Bregmann in seinem bahnbrechenden Buch "Im Grunde gut" 2020 belegt, dass dies eine falsche Selbst- und Fremdwahrnehmung ist. Im "Osten" war eher ein kollektives Selbstverständnis vorherrschend und dort geht es vielleicht mehr darum, dass sich Menschen bewusst werden, dass sie auch indiviudell das Recht auf freie Entfaltung und eigene Interessen haben. Die bisherige wirtschaftliche Leitidee des Westen zeigt sich vielleicht am deutlichsten in dem Satz von Thomas Jefferson "Every man has the right to persue his own happiness" in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Auch wenn dieser Satz richtig ist, kann man ihn unterschiedlich verstehen. Ein Mensch, der sich als isoliertes Individuum versteht, wird dabei rücksichtsloser vorgehen als ein Mensch , der sich als Individuum und zugleich als Teil eines oder eher viele Kollektive auf unterschiedlichen Aggregationstufen erlebt und sich dieser Ebenen bewusst ist. Das geht bis dahin, dass er sich als Teil des Erdsystems wahrnimmt und deshalb auch Ziele wie Klimaschutz und Artenschutz bei seinen Handlungen berücksichtigt.

Die Frage der Bewusstheit hat auch eine ökologische Dimension. Sind Menschen  noch kollektiv von Mangelerfahrungen geprägt, werden stark wachsende persönliche Konsummöglichkeiten für sie attraktiver sein als für Menschen im Gesellschaften, in denen die Erfahrung zu bekommen, was man braucht, das Normale ist. Menschen schauen dann genauer, was sie brauchen und konsumieren dann möglicherweise weniger aber bewusster, oder sie fokussieren nicht so sehr darauf, noch mehr Geld zu verdienen, noch mehr Rendite zu erwirtschaften, als sie eh schon haben, sondern arbeiten lieber für Unternehmen, die wirklich nachhaltig agieren und investieren lieber in entsprechende Unternehmen oder beteiligen sich lieber an Genossenschaften. Siehe zum Beispiel https://liberalundkooperativ.blogspot.com/2021/02/mehr-zu-marshall-ii-inklusive-einer.html oder auch Binswanger zum Beispiel https://www.metropolis-verlag.de/Die-Wachstumsspirale/956/book.do

Bewusstheit bei Albach

Albach prognostiert, dass die künftige BWL entweder eine Konfliktlehre oder eine Harmonielehre sein wird. Er selbst neigt der Harmonielehre zu, wenn er schreibt "Ich sehe die Zukunft der Betriebswirtschaftslehre in der Entwicklung einer Theorie der Unternehmung, die auf den Prinzipien des Harmoniemodells beruht." (Seite 34). Er gibt aber auch dem Konfliktmodell seine Daseinsberechtigung, wenn er schreibt: "Solange sich Vertrauen und Loyalität noch nicht haben entwickeln können und solange Institutionen außer der Privatautonomie noch nicht entwickelt sind, liefert das Konfliktmodell wichtige Einsichten in die Entwicklung von höheren gesellschaftlichen Institutionen, wie z.B.das römische Recht mit seiner Idee der juristischen Person. Die Vertragstheorie
ist, so gesehen, eine ökonomische Theorie von Einschwingvorgängen." (Seiten 34). Vielleicht kann man sagen, dass über die erfolgreiche Austragung von Konflikten Vertrauen in und Loyaliät zu dem  jeweiligen Unternehmen und der an ihm beteiligten Menschen entsteht. Das ist dann eine hohe Bewusstheit. Das Albachsche Konfliktmodell wäre dann ein Submodell innerhalb des Harmoniemodells. Oder in Beherzigung eines Postulates der Themenzentrierten Interaktion [TZI - eines Konzept zur Arbeit in Gruppen, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Themenzentrierte_Interaktion ] "Störungen haben Vorrang" werden solange Konflikte erfolgreich ausgetragen und Interessen zusammengeführt bis ein hohes Harmonielevel erreicht wird.   

3. Kapazitäten

In einem Interview stellt Miki Kashtan einen Ansatz vor, der in Prozessen bzw. Entscheidungssituationen in Organisationen oder Gesellschaften die Orientierung an Kapazitäten als Alternative zu dem Konzept der Fairness vorstellt. 

https://lesen.oya-online.de/texte/3734-vom-vermoegen-grenzen-zu-wahren-zu-erweitern.html




Montag, 6. Juni 2022

Anmerkungen zu Ralf Antes Habilitationsschrift "Nachhaltigkeit und Betriebswirtschaftslehre"

Rolf Antes Kritik an der herkömmlichen BWL

Antes schreibt auf Seite 26 [Ralf Antes "Nachhaltigkeit und Betriebswirtschaftslehre - Eine wissenschafts- und institutionentheoretische Perspektive, 2014], dass "wirtschaftswissenschaftliche Modellierung mitursächlich für nicht nachhaltiges Wirtschaften zunächst sei, wenn die Wissenschaft normativ, also gestaltungsorientiert betrieben wird und gleichzeitig soziale und ökologische Knappheiten und deren Treiber ausgeblendet werden. Und weiter: "Die Irrelevanz in Gestaltungsempfehlungen präjudiziert [dh. vorwegentscheidet] das Entstehen ebensolcher Knappheiten (negative externe Effekte, soziale Kosten), ob intendiert oder nicht. Es wird in dieser Arbeit deutlich werden, dass dies auf weite Teile der Ökonomik und der Betriebswirtschaftslehre zutrifft".

Hier bin ich skeptisch bzw. es sieht für mich nach einem falschen Ansatz aus bzw. nach einem logisch unzulässigen Umkehrschluss:

Die auf der Mikroökonomie basierende Betriebswirtschaftslehre in der Ausprägung von Gutenberg und dargestellt von Wöhe ist ja angelegt als funktionierend innerhalb einer sozialen Marktwirtschaft. Das heißt die Internalisierung nicht quantifizierter sozialer externe Kosten muss vom gesellschaftlichen Ordnungsrahmen geschaffen werden, zum Beispiel über Kündigungschutzgesetze, Gesetze der Mitbestimmung und über das Aushandeln von Tarifverträgen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Genauso ist es in einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft und in darüber angesiedelten Wirtschaftsräumen eine gesellschaftliche Aufgabe einen entsprechenden Ordnungsrahmen zu schaffen. So müssten weltweit zum Beispiel die Emission von CO2 mit hohen Kosten belegt werden und die Verbrennung von Erdöl, Erdgas und Kohle am sichersten bis 2025 spätestens bis 2035 vollständig verboten werden, wollte man die Erhitzung auf deutlich unter 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzen. [siehe zum Beispiel https://www.sueddeutsche.de/wissen/hochwasserkatastrophe-schaeden-kosten-klimawandel-co2-preis-hurrikan-1.5402770 ] Einer BWL in diesem Sinn vorzuwerfen, dass sie externe Kosten nicht zum Teil ihres eigenen Entscheidungskalküls macht, hiese von ihr etwas zu verlangen was sie so nicht leisten kann. Letztlich wäre damit eine Gewinnmaximierung nicht mehr möglich.

Die überlegende Alternative ist eine ABWL die zwei Säulen hat, die bedarfswirtschaftliche, die auf Gewinnmaximierung verzichtet und die gewinnorientierte erwerbswirtschaftliche, die zwar Gewinnmaximierung betreibt, allerdings sich zu Prinzipien guter Unternehmensführung verpflichtet und selbst fordert, dass sie in einem ökologisch-sozialen Ordnungsrahmen operieren darf und sich auch dafür ausspricht, dass ein solcher global etabliert wird. Barack Obama führte die Idee des "even  playing field", ein ebenerdiges Spielfeldes ein für alle auf dem Markt agierende Unternehmen. [aus Anlass von unfairen Handelspraktiken seitens Chinas zum Beispiel in der state-of-the-union adress von 2012 https://obamawhitehouse.archives.gov/the-press-office/2012/01/24/remarks-president-state-union-address ]

Maja Göpel fordert seit längerem eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft. Ist feststellbar ob ihr Ansatz "The great Mindshift" zu einer auf der Mikroökonomie basierende ABWL kompatibel ist?

https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-319-43766-8

Soweit ich das sehe, schreibt Göpel in diesem Buch nicht innerhalb der ABWL, sondern gibt Anregungen für "Pionierunternehmen" und "Pionierverhalten " von Regierungen. Dies wären dann Aspekte, die zum einen innerhalb der ABWL im bedarfswirtschaftlichen Teil abgedeckt wären (zum Beispiel bei der BWL von Genossenschaften, von öffentlichen Unternehmen und von Stiftungsunternehmen oder aber innerhalb der staatlichen Ordnungsvorgaben einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft.

Ich halte deshalb die konzeptionelle Erweiterung der auf der Mikroökonomik berufende ABWL um eine bedarfswirtschaftliche Komponente weiterhin für ein sinnvolles Unterfangen.

Zusatzfrage:

Macht es Sinn, sich weiter mit dieser klassischen ABWL zu befassen wo doch schon systemische, entscheidungsorientierte und insitutionenökonomisch orientierte Ansätze vorliegen? Ich denke ja. Alle diese drei neueren Ansätze haben ihre Berechtigung und ihren Sinn und sollten bei der Beantwortung von konkreten Fragen hinzugezogen bzw. auf Nützlichkeit abgeklopft werden. Sie können aber die Basisanalyse nicht ersetzen.

Ergänzung:

Argumentiert man von der Empirie her, dass die Ergebnisse des sozialen Ausgleichs der sozialem Marktwirtschaft zu gering seien und die Ergebnisse einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft vermutlich auch zu gering seien werden, und dass dies auch der ABWL anzulasten sei, kann man antworten, dass zum einen dann die ordnungspolitischen Maßnahmen erhöht werden müssen und dies ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess ist und kein Manko der ABWL, und dass zum zweiten bei einem Anstieg des gesellschaftlichen Bewusstsein immer weniger Menschen für gewinnmaximierende Unternehmen arbeiten wollen werden und in sie investieren wollen werden und statt dessen Unternehmen bevorzugen werden, die bedarfswirtschaftlich agieren und von sich aus neben Renditezielen eine ökologische Ausrichtung verfolgen. Das können zum Beispiel Genossenschaften sein, es können aber auch Aktiengesellschaften oder GmbHs sein. Großunternehmen wie Microsoft, die sich das sicher relativ leicht leisten können machen dies bereits aus eigenem Antrieb und werden damit von Seiten ihrer Aktionäre toleriert.

Gibt man sich damit nicht zufrieden, bleibt nur die Aufgabe der Gewerbefreiheit und damit die Staatswirtschaft. Dies halte ich für den falschen Weg.

Nachsatz: 

Das Buch von Antes beginnt im Vorwort mit dem Satz "Institutionen prägen das Verhalten von Menschen". Ich denke tatsächlich, dass sowohl Ideen als auch das Bewusstsein wer man ist, wo man sich befindet und was potentiell möglich ist noch stärker das Verhalten von Menschen prägen kann und auch prägen sollte als man dies Institutionen zubilligt bzw. sie dies praktisch oft tun.


Donnerstag, 19. Mai 2022

Gewinnorientierung als Zeitgeistsaspekt in der Fachliteratur zur Wohnungswirtschaft

Ich hatte in der Vergangenheit mehrmals über den Ansatz der Nutzenmaximierung bei bedarfswirtschaftlichen Unternehmen als 2. Säule der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre neben der Säule der Gewinnmaximierung in erwerbswirtschaftlichen Unternehmen gebloggt. Ein großes Anwendungsfeld dieses Ansatzes sind öffentliche und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen. Im Rahmen der Sichtung von Literatur zum Thema untersuche ich heute einen Beitrag von Mathias Hain darauf, ob mein Ansatz der Nutzenmaximierung dort bereits erfasst wurde. Das Buch heist "Die Perfomance von öffentlichen Unternehmen am Beispiel von Wohnungsunternehmen in Deutschland", Gabler, Wiesbaden, 2008, Herausgeber Roland Berger Strategy Consultants. Es gibt einen umfassenden Überblick zur Fachliteratur zu öffentlichen Unternehmen im allgemeinen und öffentlichen Wohnungsunternehmen im besonderen bis zum Jahr 2008.


Unter dem Begriff Performance wird in dem Buch der Versuch unternommen, eine Leistungsmessung von Unternehmen nach mehreren Paramentern vorzunehmen. Im Einzelnen sind dies

- die Profitabilität (u.a. Umsatzrendite, Gesamtkapitalrendite)

- die operative Effizienz (u.a. Umsatz pro Mitarbeiter)

- Investitionen (u.a. Investitionen pro Umsatz)

- Beschäftigung (Anzahl der Mitarbeiter)

- Verschudlung (ua Fremdkapitalquote

- Dividenden (u.a. Dividende pro Umsatz)

(Hain S. 47f.)

Es fällt auf, dass fast alle Paramenter steigen, wenn Gewinn und/oder Umsatz steigen. Damit stehen sie im Widerspruch zu einem Ansatz, bei dem die Erfüllung von Bedarfen der Kunden der jeweiligen Unternehmen zu möglichst niedrigen Kosten und deren Weitergabe an die Kunden über niedrige Preise bestmöglich erfüllt d.h. maximiert werden. Dass man die "Perfomance" eines Unternehmens daran misst, was als Bedarfsdeckung bei den Kunden herauskommt, scheint dem Autor nicht in den Sinn zu kommen. Der bedarfswirtschaftlich-nutzenmaximierende Ansatz wird damit in dieser Untersuchung nicht als eine Möglichkeit der Leistungserbringung erkannt. Damit bleiben auch die Vorteile dieses Ansatzes mit potentiell geringerem Ressourceneinsatz und höherer Nachhaltigkeit genauso unbeachtet wie die Erkenntnis, dass er die effiziente und preiswerte Bedarfsdeckung für große Nutzergruppen erreichen kann.

Es ist für mich erstaunlich, dass der Autor und die sehr vielfältig von ihm zitierte Fachliteratur dies nicht erkannt bzw. vergessen hat. In den 1920er Jahren war das spezifische Potential bedarfswirtschaftlicher Unternehmen noch allgemein bewusst, zum Beispiel bei Max Weber oder Karl Hildebrandt (siehe frühere Blogbeiträge). Ein Problem scheint darin zu liegen, dass bei der Abgrenzung von öffentlichen Unternehmen die zitierten Autoren sich hauptsächlich auf die Eigentumsverhältnisse der Unternehmen beziehen und die Ziele im Bereich der Leistungserstellung der Unternehmen so gut wie keine Rolle spielen. Beachtet man die Ziele nicht, können sich aus ihnen auch keine Erkenntnisse zur bestmöglichen Betriebsführung ableiten lassen. So zitiert Mathias Hain Günter Püttner "Auf die Unterschiedlichkeit der Zwecksetzung, der Wirtschaftsführung und überhaupt der Unternehmenspolitik kann es nicht ankommen; auch ein öffentliches Unternehmen, das sich völlig wie ein privates verhält... bleibt im Verhältnis zur privaten Wirtschaft ein öffentliches Unternehmen, vielleicht ein schlechtes oder ein unzulässiges, aber eben doch ein öffentliches Unternehmen. Günter Püttner "Die öffentlichen Unternehmen: Handbuch zu Verfassungs- und Rechtsfragen der öffentlichen Wirtschaft, "2. Auflage, 1985, S. 21 zitiert nach (Hain S.12). Mit einer solchen Einstellung kommt man sicher nicht zu sinnvollen normativen Aussagen über Grundsätze guter Betriebsführung in bedarfswirtschaftlich-nutzenmaximierden Unternehmen.

Insgesamt scheint in 2008 der Zeitgeist vorgeherrscht zu haben, dass öffentliche Unternehmen ineffizienter sind als private und versuchen müssten ihrer Defizite auszugleichen, indem sie sich möglichst wie private erwerbswirtschaftliche Unternehmen verhalten, statt dass man erkannt hätte, dass in ihnen, wie in allen bedarfswirtschaftlichen Unternehmen, strukturell bzw. morphologisch (d.i. ihrer Wesensart innewohnend) ein anderes Potential angelegt ist, das es lohnt zu entfalten.

So schreibt Hain im Zusammenhang mit der Abschaffung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes Ende 1989 "Die Zielfunktion von öffentlichen Wohnungsunternehmen unterscheidet sich somit nicht mehr grundsätzlich von der privater Wohnungsunternehmen." Er zitiert dabei ein Buch des GdW, der als Bundesverband öffentliche und private Wohnungsunternehmen vertritt "dass öffentliche Wohnungsunternehmen zwar einen sozialen Versorgungsauftrag wahrnehmen, ....sie sind dennoch erwerbswirtschaftlich orientiert...".[Arbeitshilfe 51: Unternehmensstrategie und Balanced Scorecard: Strategieimplementierung in Wohnungsunternehmen, GDW, Berlin, 2006, Seite 12].


Mittwoch, 24. November 2021

Dem öffentlichen Rundfunk würde eine bedarfswirtschaftliche Ausrichtung helfen

Nachdem dieser Blog sich häufig mit Wohnungsgenossenschaften befasst hat und dabei die Verbindung zur bedarfswirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre aufgezeigt hat, ergaben sich in letzter Zeit Verbesserungsvorschläge für andere bedarfswirtschaftliche Wirtschaftsbereiche. So befasste ich mich mit kommunalen Wohnungsunternehmen (GWG-Saga in Hamburg) und schrieb Artikel zu öffentlichen Büchereien und staatlichen Eisenbahnen. Aktuell kam es zu einer Begebenheit, die aufzeigt, dass auch für den öffentlichen Rundfunk die bedarfswirtschaftliche Betriebswirtschaftslehre eine gute Quelle ist, um Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen.

Kürzlich fiel mir ein Lieferwagen des NDR auf mit seinem Slogan "NDR Das Beste am Norden". Ich fand den Spruch unpassend. Warum sollte der NDR das Beste an Norddeutschland sein? Ich rief beim NDR an und teilte mein Unbehagen mit. Mein Interesse sei, dass der öffentliche Rundfunk bescheiden und realistisch sei. Am nächsten Tag rief die Pressestelle des NDR zurück und erklärte, dass der Slogan eigentlich anders gemeint gewesen sei, nämlich, dass der NDR als Rundfunk über das Beste im Norden berichten würde. Im übrigen gäbe es dazu kurze Werbefilme von Detlef Buck, die spielerisch mit dem Satz umgehen würden. Die Filme sind witzig und drücken Aspekte einer mehr oder weniger realen norddeutschen Mentalität aus. Ein bisschen erinnern sie an die Werbung von Flensburger Pilsener.

Wenn man den Slogan nicht auf den NDR bezieht, bleibt mit "das Beste" der Aspekt, dass da ja jemand Dinge vergleicht und eine Rangordnung schafft und sie in Konkurrenz zueinander setzt dahingehend, ob über sie berichtet wird oder nicht, ob ihnen Aufmerksamkeit gegeben wird oder nicht. Was wäre dabei die Rolle des NDR? Geht es darum als Bestes Erkanntes zu fördern und anderes eben nicht? Ist so ein Auftrag vereinbar mit gutem Journalismus? Laut Wikipedia ist es die Aufgabe von Journalismus, die Öffentlichkeit mit relevanten Information zu versorgen. Eine Fokussierung auf das vermeintlich Beste wäre da sicher falsch, da gesellschaftliche Missstände und eine kritische Kontrolle der Politik dann unter den Tisch fallen würden. 

Insoweit läuft der Slogan des NDR Gefahr, die journalistische Aufgabe des öffentlichen Rundfunks herunterzuspielen zugunsten einer Art Selbstvergewisserung einer öffentlichen Meinung oder angenommenen Identität mit einem gewissen Unterhaltungscharakter. Da der Satz "das Beste am Norden" im Slogan direkt auf das Wort NDR folgt, wird klar, dass der NDR sich zumindest als Teil vielleicht sogar als hervorgehobenen Ausdruck dieser Identität des Nordens sieht. Das wäre ebenfalls kritisch, da er dann den journalistischen Abstand zu dem, was er berichtet, verloren hätte. Zur Erläuterung hier passende und wichtige Zitate zur Aufgabe des Journalismus aus dem Wikipedia-Artikel:

"Wolf Schneider und Paul-Josef Raue zufolge sei sowohl Aufgabe, durch den Dschungel der irdischen Verhältnisse eine Schneise der Information zu schlagen, als auch den Inhabern der Macht auf die Finger zu sehen.[6] Hanns Joachim Friedrichs fasste seine Lehren bei der BBC zusammen, man habe Distanz zu halten, sich nicht gemein zu machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, und nicht in öffentliche Betroffenheit zu versinken.[7] Nach Ulrich Wickert sei gemäß der Definition der Aufklärung des Philosophen Immanuel Kant die Aufgabe, Wissen so zu vermitteln, dass sich Lesende kraft ihres Verstandes selbst eine Meinung bilden können. Dinge seien klar zu benennen, ohne zu überlegen, ob man damit irgendwem schade oder bestimmten Gruppen Argumente liefere.[8]"

Was hat das nun alles mit der bedarfswirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre (bBWL) zu tun? Was soll und kann sie hier gutes beitragen?

In der bBWL geht es nicht um Gewinnmaximierung sondern um die Deckung von Bedarfen oder Grundbedürfnissen. Den Unterschied formulierte der Soziologe Max Weber so:"Gegenüber der Wirtschaft zur Deckung des eigenen Bedarfs ist die zweite Art des Wirtschaftens Wirtschaft zum Erwerb: die Ausnutzung des spezifisch ökonomischen Sachverhalts: [der] Knappheit begehrter Güter, zur Erzielung eigenen Gewinns an Verfügung über diese Güter." (Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft 1922), (siehe auch mein Artikel dazu) Beim öffentlichen Rundfunk geht es also darum, den eigenen Bedarf einer Gesellschaft zu decken an relevanten Informationen. Es soll damit kein Gewinn erzielt werden, sondern allenfalls Kostendeckung erreicht werden. Sinn macht es dabei, sich auf Grundbedürfnisse zu fokussieren orientiert an Goethe, von dem der Satz stammt, "Vieles wünscht sich der Mensch, doch bedarf er nur wenig" (ausführlich hier). Die gesellschaftliche Arbeitsteilung zwischen bedarfswirtschaftichen Unternehmen und erwerbswirtschaftlichen Unternehmen sieht dann im bestmöglichen Fall so aus, dass man es letzteren überlässt, mit Kaufkraft aussgestatteten Wünschen von Verbrauchern nachzuspüren, und danach Produkte und Dienstleistungen auszurichten. Erstere konzentrieren sich auf die wenigen, wirklich wichtigen Bedürfnisse und bieten die standardmässig in guter Qualität an. Dadurch können sie hohe Skaleneffekte erreichen, was sehr effizient ist und dazu führen kann, dass sie zu sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnissen angeboten werden können. Der Vorteil für die Abnehmer ist, dass sie vergleichsweise wenig Geld für gute Qualität ausgeben müssen. Dass bedeutet, sie erreichen eine Ersparnismaximierung bzw. Nutzenmaximierung. Sie können ihre Haushaltseinkommen anderweitig ausgeben, Vermögen aufbauen, für spätere Zeiten vorsorgen oder für eine guten Zweck Geld spenden. Vielleicht kann man sogar sagen, dass immer dann, wenn die Preisgestaltung eines bedarfwirtschaftlichen Unternehmens nicht mehr auffällig niedrig ist im Vergleich zu erwerbswirtschaftlichen Unternehmen, das ein Indiz dafür ist, dass die Unternehmensgestaltung deutlich verbessert werden kann, indem man sie konsequent bedarfswirtschaftlich ausrichtet.

Insgesamt spricht viel dafür, dass der öffentliche Rundfunk in Deutschland den Bereich der Abdeckung von Grundbedürfnissen verlassen hat und damit kostspieliger als nötig ist. Der Slogan des NDR legt außerdem nahe, dass die journalistische Distanz nicht mehr gegeben ist. Soweit der Slogan in Kauf nimmt so verstanden zu werden, dass der NDR das Beste am Norden sei, frönt er dem Konkurrenzgedanken. Auch das passt nicht zu einem bedarfswirtschaftlichen Unternehmen. Noch deutlicher wird dieser Aspekt bei dem Slogan des ZDF "Mit dem zweiten sieht man besser". Auch hier gibt es wieder ein Rangfolge, an deren Spitze sich das ZDF setzt. Auch hier scheinen Bescheidenheit und Realismus verloren gegangen und ein konkurrierendes Selbstverständnis dominant.

Noch einmal ergänzend zurück zum NDR Slogan. Warum braucht der NDR überhaupt einen Slogan als bedarfswirtschaftliches Unternehmen? Warum muss für Werbung in eigener Sache und evtl. Marketing und eine Presseabteilung Geld ausgegeben werden? Der NDR schreibt die Werbeclips in eigener Sache würden in der Fachsprache "Station-Idents" genannt. Auf deutsch heist dies Quellenkennung und ist letztlich ein Logo, das beim Senden eingeblendet wird, damit der Zuschauer mitbekommt, welchen Sender er gerade sieht. Dagegen ist nichts einzuwenden, aber dafür würde das Logo "NDR" sicher ausreichen. Warum der NDR einen Slogan braucht, erklärt sich so nicht. In dem Wikipedia-Artikel zur Quellenkennung wird allerdings auf ein Gutachten des ZDF "Styleguide" verwiesen (Einzelnachweis 4 Stand 24.11.2021). Dort heist es auf Seite 5:"Wir haben hierbei festgestellt, dass unsere „visuelle Markenpräsenz“ im Wettbewerbsvergleich unterentwickelt, die Designmerkmale für eine erfolgreiche Kommunikation nach außen nicht prägnant genug waren. Hier sahen wir ein erhebliches Potenzial, das ZDF durch ein neues Signet und ein auffälliges, einheitliches Erscheinungsbild stärker im Bewusstsein der Zuschauer zu verankern."

Offenkundig sieht sich das ZDF im Wettbebwerb mit privaten Fernsehsendern und nicht als bedarfswirtschaftliche Grundversorgung, die den Privatsendern deren sturkturelle Vorteile aufgrund deren anderem Unternehmenstypus gönnt. Das legt nahe, dass es in neuen Internetformaten und -Akteuren ebenfalls eine Konkurrenz sieht bzw. sich dadurch zusätzlich unter Druck fühlt. Wenn sich das ZDF seiner potentiellen strukturellen Stärken als bedarfswirtschaftliches Unternehmen bewusst wäre, hätte es das nicht nötig. Dann würde es sich auch nicht zum Ziel setzen, sich "stärker im Bewusstsein der Zuschauer" zu verankern, sondern es diesen überlassen, was sie in ihrem Bewusstsein verankern wollen und darauf vertrauen, dass sie zum ZDF finden bzw. bei ihm bleiben werden. Das obige Gutachten schreibt auf Seite 5 dass "die Zuschauer im 24-Stunden-Dschungel von Informationen und Unterhaltung ...wiedererkennbare Marken erwarten dürfen, zu denen sie Vertrauen aufbauen können". Vertrauen ist immer etwas gegenseitiges und es fragt sich, ob das ZDF genug Vertrauen in die Bevölkerung hat. In Zeiten mit so großen Turbulenzen und Spaltungstendenzen wie heute ist das sicher nicht selbstverständlich. Die Verwendung des Begriffes Marke des ZDF für sich selbst ist kritisch, da dieser Begriff zu einem kompetitiven Selbstverständnis passt und nicht zu einem öffentlichen Unternehmen der Grundversorgung: Wikipedia erläutert die Funktion einer Marke wie folgt: "Für Produktionsunternehmen und Dienstleistungsunternehmen bieten  (Hersteller-)Marken bzw. Dienstleistungsmarken die Möglichkeit, die Eigenschaften der eigenen Produkte oder Dienstleistungen deutlicher hervorzuheben, ihnen ein Profil (Image) zu geben und sie somit von vergleichbaren Produkten anderer Anbieter abzuheben." Ein öffentlicher Versorger hat es nicht nötig sich von anderen Anbietern aktiv abzuheben. Es sollte einfach das machen, was es aus sich heraus für angemessen hält und was dem eigenen Potential am besten entspricht.

Es wäre außerdem spannend herauszufinden, ob bei der Stelle, die die Rundfunkgebührenhöhe begutachtet, der KEF, der "Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten" bedarfswirtschaftliche Zusammenhänge bekannt sind und die Rolle spielen, die ihnen zukommen müsste. Außerdem sollten öffentliche Rundfunkanstalten sich ihres bedarfswirtschaftlichen Potentials bewusst werden und sich aus eigenem Antrieb konsequent bedarfswirtschaftlich ausrichten. Auch die Öffentlichkeit sollte das im eigenen Interesse einfordern. 

offene Punkte:

näher beleuchtet werden müsste noch

- inwieweit Unterhaltung ggü Journalismus im Rundfunk eine Rolle spielt bzw spielen sollte und wenn ja wie dies bedarfswirtschaftlich direkt oder indirekt abzudecken wäre

- wie stark die Passung von Bedarfswirtschaft und Kooperation ggü Erwerbswirtschaft und  Konkurrenz ist und ob es doch Situationen gibt, wo Konkurrenz in der Bedarfswirtschaft sinnvoll ist.

Mittwoch, 20. Oktober 2021

Das zwei-Klassen-System von staatlichen Bahnunternehmen wie der Deutschen Bahn ist nicht mehr zeitgemäß

Die Deutsche Bahn ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht als staatliches Unternehmen der Bedarfswirtschaft zuzurechnen im Gegensatz zu Unternehmen, die auf Gewinnerzielung und Rendite ausgerichtet sind. Während gewinnmaximierende, ertragswirtschaftliche Unternehmen davon leben, Produkte und Dienstleistungen entsprechend den mit Kaufkraft ausgestatteten Wünschen von Kunden herzustellen und zu vermarkten, geht es bei bedarfswirtschaftlichen Unternehmen darum, Grundbedarfe abzudecken. Goethe sagte in Hermann und Dorothea "Vieles wünscht sich der Mensch, und doch bedarf er nur wenig" (ausführlich hier) 

Hinweis: Die Betriebswirtschaftslehre muss sich hier noch weiterentwickeln, siehe auch mein Artikel hier. Die Maslowsche Bedürfnispyramide, die in den Wirtschaftswissenschaften weitgehend anerkannt ist, fällt hinter Goethe insoweit zurück, dass sie den Unterschied zwischen Wünschen und Bedürfnissen verwischt statt ihn deutlich zu machen. Zudem ist das Bild einer Pyramide mit einer breiten Basis für Grundbedürfnisse und einer Spitze für die Erfüllung individueller Selbstverwirklichungsbestrebungen unpassend für die Wirklichkeit sehr vieler Menschen in ökonomisch weit entwickelten Gesellschaften, die den größten Teil ihrer Zeit und Energie im Bereich der oberen Pryamidenhälfte aufwenden.

Der wirtschaftliche Vorteil von bedarfswirtschaftlichen Unternehmen ist, dass sie relativ leicht Effizienzgewinne über economies of scale erzielen können, da Grundbedarfe Goethe folgend quasi alle Menschen teilen und deshalb danach eine potentiell sehr hohe Nachfrage besteht, wenn sie in ausreichender Qualität zu leistbaren Preisen angeboten wird.  

Wenn die Deutsche Bahn, die SBB in der Schweiz oder die SJ in Schweden als staatseigene Bahnunternehmen 1.Klasse-Bereiche anbieten, verlassen sie den Bereich der Erfüllung von Grundbedürfnissen und betreiben Produkt- und Preisdifferenzierung. So kann unterschiedliche hohe Kaufkraft abgeschöpft werden. Die besonderen ökonomischen Vorteile von economies of scale werden damit verlassen. Beispielsweise ist das Design und die Herstellung der Züge aufwendiger, da beim Zughersteller und dessen Lieferanten - zum Beispiel beim aktuellen ICE4 Siemens  - 2 unterschiedliche Sitze geplant und hergestellt werden müssen. 

Gerade in der aktuellen Zeit mit Klimakrise und Artensterben sollten Staatsbahnen sehr ernsthaft prüfen, ob 2 Klassen noch zeitgemäß sind. Züge sollten sowohl im Betrieb als auch in der Herstellung so schnell wie möglich CO2 neutral werden und natürliche Ressourcen sparsam einsetzen. In 1.-Klasse-Großraumwagen von zum Beispiel dem ICE4 (Siemens) oder dem schwedischen X55 (Bombardier) sind nur 3 Sessel je Wagenbreite platziert statt 4 in der 2. Klasse. Da vermutlich auch der Reihenabstand in der 1. Klasse größer ist, bedeutet das einen schlechteren Ressourceneinsatz von über 25%, vermutlich circa 30%. Solange erneuerbare Energien knapp sind, sollten staatliche Unternehmen durch ihre Nachfrage nicht mehr als nötig von ihr beanspruchen. Es wäre gesellschaftlich fahrlässig, ein Verbesserungspotential in dieser Größerordnung vorschnell zur Seite zu schieben und sich darauf zu verlassen, ein Mehrklassensystem sei unverzichtbar, da "man es ja schon immer so gemacht hat".

Bei einer genaueren Betrachtungsweise wäre gegebenenfalls herauszuarbeiten, inwieweit die Entwicklung moderner Gesellschaften aus Stände- bzw. Klassengesellschaften mit ein Grund dafür sind, warum sich bei Bahnen mehrere Beförderungsklassen bis heute gehalten haben. Junge Unternehmen wie der Anbieter des Flixtrain haben diese Klasseneinteilung bei ihren Zügen und Bussen nicht. Es spricht weniger dagegen, dass auf einem gemeinsam genutzten Schienennetz gewinnorientierte Zugunternehmen mehrere Komfort-Klassen anbieten, aber eben keine gemeinnützigen öffentliche Unternehmen. Sicher gibt es auch psychologische Aspekte, die einer genaueren Betrachtung wert sind. Kunden können die 1. Klasse bevorzugen nicht nur weil die Sitze bequemer sind und sie dort mehr Platz haben, sondern weil sie die Wahrscheinlichkeit höher einschätzen, nicht mit ihnen unangenehmen Zeitgenossen konfrontiert zu werden. Auch das ist nicht verboten, passt aber ebenfalls nicht wirklich zur Auffassung eines öffentlichen Unternehmens in einer demokratischen Gesellschaft. Ein staatliches Unternehmen sollte und hat ja vermutlich auch eine positive Grundeinstellung gegenüber den Bewohnern des Landes, in dem es wirkt, und teilt nicht die Einschätzung, dass Bürger vor einander geschützt werden müssen. Gerade der potentielle  Austausch aller mit allen hilft, die Gesellschaft zusammen zu halten und im politischen Diskurs die besten Antworten zu finden. Staatsbahnen sind Teil des öffentlichen Raums und ihr Potential als Begegnungsraum zwischen Menschen sollte positiv und nicht negativ gesehen werden und deshalb nicht eingeschränkt werden.

Mein Fazit ist, dass fast alles dafür spricht, dass Staatsbahnen ab sofort keine Züge mit mehreren Klassen mehr einkaufen, ihre Anforderungskataloge an und ihre Kommunikation mit Zugherstellern aktualisieren und auch einen Umbau vorhandener Züge unvoreingenommen prüfen.

 

 

sinnvolle Erweiterung der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre, zur Habilitationsschrift von Michaela Haase - Institutionenökonomische Betriebswirtschaftstheorie

Zur Frage einer zweiten bedarfswirtschaftlich-nutzenmaximierenden Säule in der ABWL ergänzend zu einer erwerbswirtschaftlich-gewinnmaximierenden war es für mich inspirierend, in die Habilitationsschrift von Michaela Haase "Institutionenökonomische Betriebswirtschaftstheorie: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre auf sozial- und institutionentheoretischer Grundlage" zu sehen [Gabler Verlag, 2000]:

Haase schildert im Kapitel 2  "Ausgangssituation" eine Krise in der ABWL unter anderem dahingehend, dass in der Lehre und Forschung Spezialisierungen nach Branchen und betrieblichen Funktionen dominieren, aber auch hinsichtlich der Frage, ob sie Teil der Wirtschaftswissenschaft sei oder  Teil einer Verhaltenswissenschaft, welche selbst wieder in ihrer Ausrichtung umstritten sei.

Sieht man die ABWL als Teil der Wirtschaftswissenschaft an, die Theoriebildung betreibt, um der Praxis relevante normative Aussagen zur Verfügung stellen zu können, kann man fragen, zu welchen Aussagen die ABWL seit und mit Erich Gutenberg gefunden hat und ob diese den Aufwand lohnen, wozu diese dienen können als allgemeiner Orientierungsrahmen und/oder weitergehend, ob sie immer noch eine gewisse Originalität haben. Eine Aussage bei Gutenberg war zum Beispiel, dass, wenn in einer Marktwirtschaft Produktionsfaktoren relativ breit verfügbar sind, und es viele potentielle Konkurrenten gibt, der Engpass zur Gewinnerzielung weniger in der Leistungserstellung als beim Absatz der Leistung an die Kunden liegt und dass deshalb das Produktionsprogramm dem Absatzplan folgen sollte und nicht umgekehrt. Dies gilt aber nur insoweit die Produkte verschiedener Unternehmen sich nur wenig unterscheiden und auch durch eine weitere Entwicklung wenig unterscheidbar gemacht werden können. Aktuell gibt es sicher wieder sehr viele Chancen, Produkte dadurch unterscheidbar zu machen, dass sie klimaneutral hergestellt werden und sichergestellt wird, dass in Vorstufen der Herstellung ebenfalls Klimaneutralität, sorgsamer Umgang mit Ressourcen, hohe Umweltschutzstandards aber auch gute Arbeitsbedingungen erfüllt werden. Bei der bei Haase diskutierten Spannung zwischen einer relativ aussagearmen ABWLund deren Verdrängung durch funktionale und sektorale BWLs fehlt erstaunlicherweise die Beobachtung, dass es unternehmensmorphologische unterschiedliche Verhältnisse in der BWL gibt, nämlich ob eben Unternehmen hauptsächlich auf Gewinnerzielung und Rendite ausgerichtet sind wie normale GmbHs und Aktiengesellschaften oder einen eher gemeinnützigen Charakter haben wie öffentliche Unternehmen, Stiftungsunternehmen, Unternehmen sozialer Träger wie zum Beispiel von Kirchen oder auch Genossenschaften als Selbsthilfevereine. Dass dies in der Diskussion in obigem Buch nicht vorkommt, könnte darauf hindeuten, dass die mögliche Stärkung der ABWL durch ein Zwei-Säulen-Modell hier auch in Bezug auf inhaltliche Aussagen wieder mehr Gewicht verleiht, weil sowohl die Gewinnmaximierung als auch die Nutzenmaximierung aus Nutzersicht zwei gleichberechtigte Zielgrößen darstellen, an der sich dann weitere normative Aussagen der ABWL orientieren können. 






Sonntag, 15. August 2021

Meine Auseinandersetzung mit dem Buch "Auf dem Weg zu einer Green Economy"

Zunächst hatte ich das Buch "Auf dem Weg zu einer Green Economy - Wie die sozialökologische Transformation gelingen kann" von Walter Kahlenborn, Jens Clausen, Siegfried Behrendt, Edgar Göll (Hg.) mit großen Interesse gelesen. Besonders gefiel mir die Entdeckung, dass es drei Grundprinzipien gibt, die die Basis bilden können, um Wirtschaft und Ökologie zu integrieren: Effizienz, Konsistenz und Suffizienz, siehe mein Blog-Artikel hier. Vielen Dank auch an die Autoren, dass sie das Buch kostenlos online verfügbar gemacht haben.

Ich wunderte mich allerdings, dass ich darin nichts dazu fand, dass Genossenschaften Nachhaltigkeit leichter fällt als Aktiengesellschaften, da ihnen der Druck zu Rendite und Gewinnmaximierung fehlt. Ihr Zweck ist ja die Förderung der Wirtschaft ihrer Mitglieder durch das Angebot von Produkten und Dienstleistungen.

Das Buch will Antworten geben, wie eine gute Umweltpolitik aussieht, die zu einer Transformation der Wirtschaft in die Nachhaltigkeit führt. Da erscheint es mir naiv und unwissenschaftlich, gar nicht auf des Grund-Paradigma der Gewinnmaximierung der Betriebswirtschaftslehre und der Wirtschaftswissenschaft insgesamt einzugehen. Eigentlich müsste man darlegen, inwieweit es zu ändern ist. Oder man hofft, dass die Unternehmen schon mitspielen im Rahmen von Prinzipien guter Unternehmensführung und ansonsten über harte Regulierung dazu gezwungen werden. Hier wäre das Buch dann aber widersprüchlich, da es viel davon handelt, wie Transformationen ganzheitlich angestossen werden können. Die Forschung, die hierzu dargelegt wird, ist sehr interessant und die Erfolgsfaktoren für funktionierende Veränderungsprozesse ebenso, aber das derzeit in der Betriebswirtschaftslehre und in Bezug auf "normale" Unternehmen in der Mikroökonomie  dominierende Gewinnmaximierunspostulat (Ausnahmen können müssen aber nicht sein Genossenschaften, Stiftungsunternehmen, kirchliche oä Unternehmen und öffentliche Unternehmen) wird nur als ein Faktor unter vielen erwähnt im Gegensatz zur Ökonomie, wo es als das einzige gängige Ziel zugrunde gelegt wird.

Das Buch erklärt, dass und wie Pfadabhängigkeiten Veränderungen oft sehr erschweren. Es scheint aber  zu ignorieren, dass aktuelle Unternehmen in ihren jeweiligen Unternehmensformen und Zielausrichtungen damit selbst gravierende Pfadabhängigkeiten darstellen.

Es wäre gut, wenn ein Buch über die nachhaltige Transformation der Wirtschaft auch theoretisch zeigen kann, wie zum einen nachhaltigere Unternehmensformen wirtschaftlich erfolgreich und besser in einer neuen ökologischen Welt agieren können und wie eine Transformation von herkömmlichen Unternehmensformen möglich ist. So waren Aktiengesellschaften ursprünglich eine Art wirtschaftlicher Renditeverein und Kapitalsammelstellen. Über Crowdfunding gibt es heute eine andere Möglichkeit,  Kapital für Unternehmen zu sammeln, die Rendite und Nachhaltigkeit ausgewogen berücksichtigen wollen oder noch überzeugender in Form von Genossenschaften gar nicht auf Gewinnmaximierung ausgelegt sind. Dieses Feld genauer zu untersuchen, halte ich für geboten in der derzeitigen Situation und das hätte ich erwartet von einem Buch mit dieser Themensetzung.

Ein Gegenargument zu meiner Kritik könnte sein, dass es ja Aktiengesellschaften gibt, die deutlich auf Nachhaltigkeit setzen wie zum Beispiel Unternehmen, die am The Climate Pledge teilnehmen wie Amazon, die bis 2040  (immer noch deutlich zu spät aber besser als 2050, 2040 enstpricht dem Ziel von Österreich ggü Deutschland und USA mit 2050 und China mit 2060) klimaneutral sein wollen oder Microsoft, die laut eigener Aussage seit 2012 als klimaneutral gelten und es bis 2050 hinbekommen wollen, alle CO2 Emmissionen ihrer Unternehmensgeschichte nachträglich zu kompensieren. Ökonomisch ist das schwer herleitbar und deshalb bleibt unklar, ob bei weniger in der Öffentlichkeit exponierten Unternehmen auf breiter Linie ebenso gehandelt würde. Es kann natürlich immer Unternehmer/innen geben, die ein Unternehmen mit ihren persönlichen Priortäten dominieren, auch Aktiengesellschaften über entsprechende Mehrheitsverhältnisse oder informell, aber dies ist willkürlich. 

Blicke in die Praxis zeigen zum einen, dass viele Unternehmen von sich aus klimaneutral werden wollen wenn auch eine Minderheit. In Deutschland sind es laut bitcom 46%, davon 33% rechtzeitig (bis 2030; genauer 22% dieser 46% bis 2025 und 50% der 46% in 2026-2030). Eine andere Untersuchung zeigt dagegen, dass Mitarbeiter bei klein- und mittelständischen Unternehmen auf dem Land zwar Klimaschutz wichtig finden, in ihren Entscheidungen aber eigene Interessen bei der Wahl eines Arbeitgebers im Zweifel dominieren. Selbst bei jungen Menschen (Auszubildende und Studenten/innen seien es eine Minderheit (37%), denen ökologisches Engagement ihres Arbeitsgebers wichtig oder sehr wichtig sei. Ein Negativ-Beispiel ist die Unternehmensberatung Accenture, 569.000 Mitarbeiter, die zwar viele Worte macht und anscheinend auch Unternehmen zu Nachhaltigkeit beraten will sogar unter der Überschrift "Path to net zero", also der Pfad zu nettonull, aber für sich kein Ziel nennt, bis wann sie Klimaneutralität erreichen will. Dass dies nicht nur der Branche geschuldet ist mit einer hohen Reisefrequenz mit Flügen von Beratern/innen zeigt der Konkurrent Cap Gemini, 270.000 Mitarbeiter, der Klimaneutralität 2030 erreichen will.

Fazit: Insgesamt halte ich das Buch für sehr lesenswert aber in einem zentralen Punkt für unfertig.

 

Samstag, 14. August 2021

Fallstrick gemeinwohlökonomischer Betrachtungen

Ohne hier darauf einzugehen, was unter Gemeinwohlökonomie verstanden werden kann, bekam ich beim Querlesen eines Sammelbandes (1) zum Thema aus den 1970er Jahren eine Idee, welcher Fallstrick bei dem Thema lauert.

Ich vermute viele Autoren und Aktivisten damals und heute (2) hoffen, einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus zu finden oder suchen eine Möglichkeit einen funktionierenden Sozialismus zu finden. Sie suchen Gestaltungsmöglichkeiten und wollen dazu konzeptionelle Grundlagen schaffen.

Das Problem scheint mir zu sein, dass sie dabei übersehen, dass es bereits einen dritten Weg gibt, der funktioniert: bedarfswirtschaftlich ausgerichtete Genossenschaften, die keine Gewinn- und Renditemaximierung betreiben, sondern sich am Nutzen ihrer Abnehmer ausrichten (ausführlich siehe zum Beispiel hier). Ich glaube es ist beim Prüfen von Konzeptionen zur Gemeinwohlökonomie oder Gemeinwirtschaft wichtig zu verstehen, ob die jeweiligen Autoren/innen die Potentialentfaltung einer bestimmten Unternehmensform ermöglichen wollen unter Einhaltung des Prinzips der Gewerbefreiheit oder von außen regeln oder Druck aufbauen und auf Unternehmen Einfluss nehmen wollen. Es steht ja bereits jedem frei gemeinwohlökonomische Unternehmen zu gründen und sich dazu mit anderen zusammen zu schließen oder das eigene Investitions- und Kaufverhalten danach auszurichten. Und auch Staaten und Kommunen können Unternehmen für bestimmte Zwecke gründen und tun dies ja auch insbesondere in Bereichen in denen das Sinn macht weil ein Monopol ökonomisch und gesellschaftlich sinnvoll ist solange es nicht auf der Preisseite die Nutzer ausnutzt (hohe Kosten für Infrastruktur, bei denen mehrere parallele Strukturen unökonomisch wären).

Ein mögliche Kritik an meiner Behauptung mit Genossenschaften gäbe es bereits einen dritten Weg könnte sein, dass dieser offenkundig noch nicht breit genug gegangen wird, um massive gesellschaftliche Auswirkungen zu haben. Ich denke tatsächlich, dass Genossenschaften erst am Anfang ihres Aufstieges als sinnvolle weil nachhaltige und sozial positive Unternehmensform stehen und man auch nicht den Anspruch haben sollte, alles über Unternehmensformen zu lösen. Der Schutz der Umwelt und soziale Ausgewogenheit sollte in einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft über die Parlamente als Gesetzgebungsinstitutionen erfolgen.

(1) "Gemeinwirtschaft" im Wandel der Gesellschaft, Festschrift für Hans Ritschl u.a. mit Beiträgen von Theo Thiemeyer, Burkhardt Röper und Gisbert Rittig

(2) am populärsten Christian FelberGemeinwohl-Ökonomie ab circa 2010